Translate

Samstag, 30. September 2023

Lass den Himmel sich auf der Erde widerspiegeln, auf dass die Erde zum Himmel werden möge. (Rumi)


Bist du mehr ein Engelwesen oder eher ein Erdling? Ich kenne Menschen, die sind so zart und zerbrechlich, dass ich die Fantasie habe, dass sie viel zu gut für die Welt sind. Sie wecken in mir so etwas wie einen Beschützerinstinkt. Menschen, die mit den "harten" Gesetzen der Welt nicht gut klar kommen. Menschen, die irgendwie zu lieb sind. Nicht mit den Abgründen rechnen.
Und dann kenne ich Menschen, die sehr robust sind. Sehr kernig und mit der Erde verbunden. Die so gestrickt sind, dass sie allem gleichen, aber keinem Engel. Menschen, die sich total auskennen mit den Gesetzen der Welt. Die einfach kämpfen können. Die den Dreck nicht scheuen. Die rödeln und anpacken. Die unempfänglich sind für Fragen jenseits dieser Welt. Feinstofflichkeit, was ist das?

Rumi scheint die Verbindung der Gegensätze zu lieben. Eines lebt vom anderen. Die Erde ist erfüllt von Göttlichkeit. Sie ist gesegnet in und mit allem, was mir begegnet. Die Erde ist nicht die Hölle, kann aber zu einer werden, wenn ich keinen Himmel als Spiegelfläche habe. Sobald der Himmel die Chance hat, die Erde zu berühren, verwandelt sich sich. Die Erde wird himmlisch! Das ist doch eine wunderbare Lebensaufgabe. Überall, wo ich mich bewege und wo ich bin, lenke ich meine Aufmerksamkeit auf den himmlischen Spiegel. Ich kann diesen Spiegel drehen und wenden und darf ihn benutzen.
www.matthias-koenning.de

Freitag, 29. September 2023

Liebe kann nicht mißtrauen, sie gewärtigt nur Gutes. (Meister Eckhart 1260 - 1327)

Liebe gewährt nur Gutes, sagt Meister Eckhart. Wieder geht es um den Zustand der Verbundenheit. Wenn ich gekränkt werde. Wenn ich enttäuscht bin. Wenn sich die Dinge ganz anders entwickeln als ich es mir gewünscht habe. Wenn meine Lebensprinzipien, Glaubenssätze und Moralvorstellungen in Frage gestellte werden. Es gibt genug Gründe und Gelegenheiten, dass mein Misstrauen Nahrung bekommt und wachsen kann.
Ich kann mit einem misstrauischen Gefühl durch den Alltag gehen. Überall wittere ich Gefahren und Gegner. Ich komme mir vor wie ein Überlebender im Feindesland. Ich spüre es körperlich. Ich fühle Angst und Trauer. Ich mache mir ständig Gedanken darüber, das Schlimmste zu verhindern. Ich schrecke immer wieder auf und fühle mich unsicher. Immer, wenn ich mich in einem solchen Zustand befinde, bin ich in getrennt vom Leben.
Meister Eckhart gibt mir ein Rezept mit auf dem Weg. Er schlägt einen Quantensprung vor. Bearbeite nicht den Misthaufen, in dem du herumwühlst. Katapultiere dich hinein in den Zustand der Verbundenheit. Du kannst das trainieren wie du einen Muskel trainierst. Schließe deine Augen und verbinde dich mit dem, was sich um dich herum befindet. Der Stuhl trägt dich jetzt ganz sicher. Die Bäume draußen entfalten ihre Schönheit nur für dich. Dein Herz schlägt in genau deinem Rhythmus. Du darfst atmen und es ist mehr als genug Sauerstoff da. Dir wird die Luft nicht zugeteilt. Alles steht dir unbegrenzt zur Verfügung. Dein Trennungszeug findet nur im Kopf statt. Du gehst mit deiner Aufmerksamkeit hin zu allem, womit du dich verbinden kannst. Du kannst dich verbinden mit den Nahrungsmitteln in deinem Kühlschrank. Mit einer Freundin in Südamerika. Mit einem Schamanen in Kenia. Mit einem Delphin in Miami. Mit einem Didgeridoo in Australien. Mit einer außerirdischen Intelligenz. Mit einem Engelwesen. Mit was auch immer... Du verbindest dich und wenn die Verbindung steht dann lass es einfach fließen!
www.matthias-koenning.de

Donnerstag, 28. September 2023

Willst du den Kern haben, so musst du die Schale zerbrechen. (Meister Eckhart 1260 - 1327)

Wenn du die Nuss essen möchtest, dann musst du die Schale aufknacken und zerbrechen. Vielleicht gefällt dir aber die heile Schale. Du magst die Nuss, so wie sie ist. Allein die Vorstellung, dass du etwas zerstören müsstest bereitet dir Schmerzen.
Auf der anderen Seite möchtest du aber eigentlich den Inhalt essen. Es bleibt dir nichts übrig als die Schale dafür zu zerstören. Die Walnuss kannst vielleicht vorsichtig aufbrechen und anschließend wieder zusammensetzen. Aber zerbrochen bleibt sie trotzdem.
Wir zerbrechen das Weizenkorn um Mehl daraus zu gewinnen. Wer verbrennen das Holz, um uns wärmen zu dürfen. Wir brechen die Erde auf, um dort den Samen zu legen oder etwas einzupflanzen. Wir bringen Energie auf, wir zerstören. Wir wenden "Gewalt" an. Wir haben Teil am Urknall und setzen das Werk der Schöpfung fort.
Wenn du dich einbringst, wendest du Energie auf und sorgst für Veränderungen. Deine Ideen bei der Arbeit und auch in deiner Familie sorgen manchmal für Freude und manchmal auch für Ärger. Deine wunderbare Idee bringt das Leben deines Arbeitskollegen durcheinander und "zerstört" seine Sicherheit. Deine Absicht ist ganz lauter. Du möchtest den kostbaren Nusskern essen. Du möchtest eine lebenserweiternde Idee einbringen. Und es gehört einfach dazu, dass du an einer Stelle etwas störst oder auch zerstören musst. Du möchtest im Haus ein Zimmer vergrößern und brichst eine Wand auf. Du zerstörst diese Wand.
Du hast aber vielleicht kein Bewusstsein davon, dass du immer auch ein Zerstörer bist. Du bist Schöpfer, wenn du aufbaust und musst machmal zerstören, damit du neues schöpfen kannst. Dabei geht es natürlich nicht um das Zerstören an sich, es geht um das Ziel. Es geht um die innere Notwendigkeit. Willst du den Kern haben, so musst du die Schale zerbrechen, sagt Meister Eckhart. Willst du im Leben ein Ziel erreichen dann kostet das einen Preis. Deine Bereitschaft, dein Einsatz, das Risiko, das du eingehst. Die Nuss mag dir zufallen als Geschenk. Es bleibt die Arbeit, diese aufzubrechen.
www.matthias-koenning.de

Mittwoch, 27. September 2023

Auf Schleichwegen ins Herz!


Die Stadt Lyon ist durchzogen von Schleichwegen. Auf diesen Wegen kommst du schneller ans Ziel. Auf dem Weg siehst du die Rückseite der Dinge. Das, was nicht für das Repräsentieren gedacht war. Sozusagen die Schattenseiten. Das Verborgene.
Wenn ich in einer Stadt Freunde besuche gehen wir auch manchmal Schleichwege. "Lass uns hier entlang gehen. Das ist ein Schleichweg! Da kürzen wir zehn Minuten ab." Ein verschwörerischer Blick: "Ich kenne mich aus. Nicht verraten! Wir teilen ein Geheimnis."
Daneben gibt es die offiziellen Wege von A nach B. Du findest sie im Stadtplan und kannst dich daran orientieren. Aber mich interessieren die Schleichwege. Die offiziellen Weg führen dich vorbei an dem, was die Leute nach außen zeigen wollen. Du siehst die Fassaden oder das, was du sehen darfst. Du siehst die Illusionen.
Jetzt stell dir vor, dass es auch einen Weg in dein Herz gibt. Einen offiziellen Weg. Der Weg, dem du jedem Menschen erzählen magst. Das hört sich dann folgendermaßen an: "Ich bin ein Mensch, der..." Wenn jemand so spricht, dann zeigt er dir die Wegbeschreibung in sein Herz so, wie er sich selbst sieht oder gesehen werden möchte.
Daneben gibt es aber auch einen Schleichweg in dein Herz. Er liegt jenseits aller ausgebauten Schokoladenwege. Er führt vorbei an Kränkungen und liebenswürdigen Schamanteilen. Er führt über Angstbrücken und durch Schmerzabgründe. Und obwohl sich das anstrengend und langwierig anfühlt bist du sofort am Ziel. Der Schleichweg ins Herz geht über das Fühlen. Der offizielle Weg führt über den Verstand.
www.matthias-koenning.de

Dienstag, 26. September 2023

Am Ende ist ein Mensch alles müde, nur des Herzens Verlangen und der Seele Wanderung nicht. (Rumi)

Am Ende hat ein Mensch nicht mehr so viel Kraft und Energie. Lange genug gearbeitet. Genug erlebt. Genug von allem. Genug gereist und genug ausprobiert. Ich kenne einige ältere Menschen, die gar nicht mehr loswollen. Die Neugier auf die Welt hat sich erschöpft. Sie müssen ihre Wohnung nicht mehr renovieren und auch keine neuen Möbel mehr kaufen. Es ist genug.
Während der Körper an der Welt satt geworden ist, verhält es sich mit dem Herzen und der Seele anders. Es gibt weiterhin ein Verlangen. Die Seele wandert weiter, weil sie noch nicht ans Ziel gekommen ist. Die Seele möchte den Weg zur Heimat finden und nährt sich vom Verlangen des Herzens.
Wann komme ich nach Hause? In mein wirkliches zu hause! Vor zehn Jahren hätte ich nicht gedacht, dass es jemals einen müden Moment geben könnte. Ich bin noch viel zu neugierig auf die Welt. Ich entdecke jeden Tag etwas, was mich herausfordert und spüre die Lust auf Leben. Manchmal jedoch gibt es den Augenblick, wo ich denke: Ach, es ist jetzt genug. Dann erschrecke ich mich und komme mir alt vor. Die Anzahl dieser Augenblicke wächst.
Und wenn ich der Müdigkeit des Körpers für einen Augenblick Raum gebe, gehe ich in mein Herz und spüre das Verlangen. Da ist noch das große und ganze Mehr. Die Tiefe und die Ahnung von dem, wovon die Mystiker sprechen. Wenn ich verbunden bin mit allem, was ist.
www.matthias-koenning.de 

Montag, 25. September 2023

Die Stille ist nicht leer, sie ist voller Antworten.

Ich liebe die Stille. Wenn ich sitze und nichts mache. Es gibt keinen Impuls, etwas erledigen zu müssen. Kein inneres Drängen. Ich sitze und so nach und nach wird es still um mich herum und in mir. Die Stille breitet sich aus, wenn sie darf und den Raum bekommt. Ich verabschiede die Außenwelt und sage ihr, dass ich eine Pause mache. Ich sage aber auch, dass ich wiederkomme.
Das Versprechen, dass ich wiederkomme hilft, dass die Welt mich in Ruhe lässt. Dann sitze ich und lade die Stille ein. Hilfreich finde ich es, die Augen dabei zu schließen und auf den Atem zu achten.
Der Atem kommt und geht. Es gibt nichts zu tun. Wenn ich Fragen habe kommen keine Antworten. Beim Fragen entsteht schnell so ein Druck, dass da jetzt Antworten kommen müssten.
Also keine zielgerichtete Stille machen um Antworten auf Fragen zu finden. Wenn ich in die Stille gehe und nichts frage, dann tauchen oft Bilder oder Gedanken oder Gefühle auf. Ich weiß nicht, woher sie kommen. Ich staune dann über die Fülle der Antworten und dass sie wie von selber fließen. Quasi ohne Bestellung. Ich bekomme Antworten zu Fragen, die ich noch gar nicht hatte. Die aber demnächst kommen werden. Ich bekomme überraschende Antworten zu Problemen, auf die ich mit dem Verstand nie gekommen wäre. Dabei gibt es oft einen Tenor, der da heißt: Das ist alles gar nicht so wichtig. Du kannst es so machen, aber auch anders. Hänge dein Herz nicht da dran.
Die Stille fühlt sich dann an wie ein Angelplatz im Meer. Es kann etwas kommen, aber es muss nicht. Es gibt keine Enttäuschung, weil es keine Erwartung gibt. Die Stille ist eine erwartungsfreie Zone. Du ruhst dich darin aus und wachst erfrischt wieder auf - mal mit einem Impuls und oft auch ohne. Es bleibt die Zufriedenheit im Erleben der Stille.
www.matthias-koenning.de

Samstag, 23. September 2023

Schritt zurück oder Anlauf nehmen?

Als Kind konnte ich nicht über einen Bock springen. Mein Turntrainer meinte, dass ich mehr Anlauf nehmen müsste. Ich schaute den anderen Kindern zu. Sie standen an ihrem Ausgangspunkt. Gingen in Schrittstellung. Bewegten sie vor und zurück. Aus der Rückwärtsbewegung in den Anlauf. So habe ich das wahrgenommen.
So machte ich das auch. Ich ging in Schrittstellung. Schaukelte vor und zurück. Dann ganz richtig zurück um in den Anlauf zu finden und rannte los... und stoppte vor diesem Block abrupt ab. Ich hatte wieder was falsch gemacht. Worauf kommt es an? Auf den Schritt zurück? Ordentlich Anlauf nehmen? Kann man auf eines verzichten? Bedeutet der Schritt zurück nicht eine Art Selbstausbremsung? Oder verlängere ich den Anlauf und bekomme mehr Speed? Ich habe es nicht herausbekommen. Aber etwas anders fand ich heraus.
Ich stoppte vor diesem Bock weil ich Angst hatte. Ich wollte mir nicht weh tun. Wie kommt man über den Bock ohne sich anzustoßen oder am Ende hinzufallen? Die Frage nach dem Anlauf stellt sich überhaupt nicht. Die Angst ist das große Thema. Mit vierzig Jahren bin ich das erste mal über einen Bock gesprungen. Mit Eleganz und völlig angstfrei! Wow! Was lerne ich daraus fürs Leben?
1. Manchmal lohnt es sich, nach ein paar Jahrzehnten einen neuen Anfang zu machen. Es ist nie zu spät!
2. Wenn ich am falschen Ende anfange, mein Problem anzupacken, wird es dafür keine Lösung geben. Ich kaufe ja auch keinen Hammer beim Bäcker.  
3. Angst ist manchmal ein echt lebenseinschränkendes Gefühl. Ganz oft hilfreich um vor Gefahren zu warnen. Und oft auch eine Behinderung.
4. Der Bock war die Chance für mich, mich meiner Angst zu stellen. Mein Job bestand nicht darin, über den Bock zu springen, sondern die Angst zu bewältigen. Wofür Böcke gut sein können!
www.matthias-koenning.de


Freitag, 22. September 2023

Geh in dein Herz und sei ewig!


Im Zuge habe ich eine Radiosendung gehört über die indische Religion der Jains. Dort suchen die Eltern für die Kinder den Ehepartner aus. Interessant fand ich den Kommentar des interviewten Mannes dazu. Er sagte: "Das ist ganz gut, dass unsere Eltern den Ehepartner aussuchen. Dann wird man nicht so schnell zu einem Opfer der Liebe!"
Wer seine Partnerin, seinen Partner aussucht kann also schnell zu einem "Opfer der Liebe" werden. Nach unserer westlichen Gedankenvorstellung bedeutet die Liebe doch Freiheit oder nicht? Wir schätzen es, dass wir uns verlieben dürfen und dass die Liebe gelebt wird. Menschen heiraten, weil sie sich von ganzem Herzen lieben und eine große Sehnsucht haben, das Leben miteinander zu verbringen.
Der Mann aus dem Interview kennt dieses Prinzip sicherlich auch. Er sieht, wie die Menschen um ihn herum aus Liebe heiraten. Vielleicht schaut er aber mit einem anderen Blick darauf. Was sieht er wohl? Er sieht vielleicht, dass Menschen sich verlieben. Sie blicken sich an mit der rosaroten Brille. Sie wachen auf und stellen fest, dass die Liebe nicht mehr da ist. Sie fangen vielleicht sogar an sich zu hassen. Aus Liebe wird Abneigung und Hass! Die Liebe verspricht Glück bis in Ewigkeit. Sie zeigt sich wie eine Krake. Bist du in ihren Fängen verschlingt sie dich mit Haut und Haaren. Du wirst zum "Opfer der Liebe". Unser indischer Freund kommt zu dem Schluss: Es ist besser, sich nicht zu verlieben oder diese Form der Liebe zu leben. Am Ende gehst du darin unter.
Ich finde diese Sichtweise gar nicht so verkehrt. Wenn die Eltern die Ehepartner aussuchen, sozusagen ohne Liebe und aus praktischen Erwägungen gibt es nicht die Irrungen und Wirrungen der Liebe. Den Kindern wird viel Unglück erspart. Die erste Liebe setzt sich eh nur zusammen aus Hormonen und rosaroter Farbe. Wenn die verschwindet beginnt die Realität und das eigentliche Leben. Da treffen wir dann wieder unseren indischen Jain, der dieses Kapitel einfach überspringt.
Was lehrt mich das? Die Freiheit der Liebe bleibt für mich ein hohes Gut, muss es aber nicht sein! Das Aussuchen durch die Eltern finde ich nicht so prickelnd, muss aber nicht zwangsläufig schlecht sein.
Ich finde es aber interessant, einmal mit den Jains-Augen einen anderen Blick auf die Liebe zu werfen. Die Erkenntins daraus: Achte drauf, dass du die Liebe lebst und nicht zu ihrem "Opfer" wirst! Zum Opfer wird es, wenn du verkrampft daran festhältst und etwas erzwingen willst was nur freiwillig geht.
www.matthias-koenning.de

Donnerstag, 21. September 2023

Die Pflicht ruft! Sag ihr, ich rufe zurück.

Die Pflicht kann manchmal ganz schön mächtig sein. Sie steht nicht leise im Hintergrund und winkt, um auf sich aufmerksam zu machen. Sie steht in der ersten Reihe und ruft. Sie liebt solche Worte wie Verantwortung, Müssen, Anstrengung, Arbeit und Erschöpfung.
Die Pflicht liebt es, wenn man sofort reagiert und alles erledigt. Sie lebt nach dem Motto: Erst die Arbeit, dann das Vergnügen. Mit Vergnügen kann sie nichts anfangen. Sie sammelt so viel an Aufgaben an, dass für das Vergnügen nur wenig Zeit bleibt. Wenn das Vergnügen dran kommt, wartet sie schon im Hintergrund und scharrt mit den Füßen. "Jetzt ist es aber mal genug." Die Pflicht kann sich nicht vorstellen, hinten anzustehen. Das passt nicht zu ihrer Identität. Man stelle sich vor, dass jemand das Wort umdreht. "Erste Vergnügen sammeln um die Pflichten zu erfüllen." Die Pflicht sagt: Entweder/Oder und meint damit entweder Pflicht oder Pflicht.
Die Pflicht ruft! Sag ihr, ich rufe zurück. Neben Pflicht und Kür gibt es ein "Ich", das entscheiden kann. Jemand, der den Automatismus aufhebt und in Erinnerung ruft, dass es auch noch die Freiheit gibt. Ich kann, ich muss aber nicht. Auch wenn die Pflicht sich vorgedrängelt und den ersten Platz behauptet. Sie braucht ein starkes Gegenüber. Fordert es geradezu heraus. Ja, ich rufe zurück und ich entscheide wann. Im Augenblick bin ganz vergnüglich mit mir und möchte es bleiben. So lange, bis ich zurückrufe. Und wenn ich lange genug warte, dann hat die Pflicht mich vielleicht vergessen und spannte einen anderen vor ihren Karren.
matthias-koenning.de

Mittwoch, 20. September 2023

Binde zwei Vögel zusammen; sie werden nicht fliegen können obwohl sie nun vier Flügel haben. (Rumi)

Wie erlebst du das Arbeiten im Team? Ist ein Team erfolgreicher als mehrere Personen, die einzeln arbeiten? Zwei Vögel werden nicht besser fliegen wenn man sie zusammenbindet. Sie werden sich gegenseitig behindern. Jeder Vogel braucht seine eigene Entfaltungsmöglichkeiten um fliegen zu können.
Sie können nebeneinander fliegen, in Formationen oder auch abwechselnd. Aber jeder Vogel kann nur einzeln für sich fliegen. Ich erlebe Teams manchmal hilfreich und manchmal auch behindernd. Es melden sich die Wortgewaltigen und andere bleiben still, die auch was kluges beitragen könnten. Kritik erstickt gute Ansätze und Ideen. Prozesse dauern oft sehr lange und werden wieder vertagt. Einzelne Teammitglieder haben oft keine Chance mit ihrer Art auf der Welt zu sein.
Jeder Vogel braucht für sich genügend Abstand und Freiraum. Nur dann kann er fliegen. Da gibt es einen Spannungsraum von Autonomie und Gemeinschaft. Beide Pole können überbewertet werden. Nur noch Autononomie erstickt das Bedürfnis nach Gemeinschaft. Nur noch Gemeinschaft tötet das Bedürfnis nach Autonomie und Selbstbestimmung.
Ich kenne Familien, die sehr aufeinander bezogen sind. Sie sind irgendwie gleich gekleidet, machen alles zusammen, teilen alle Erlebnisse und Gefühle. Immer und ständig. Niemand darf was ganz allein für sich machen.
Ich kenne aber auch Familien, die eher wie eine Zufallswohngemeinschaft wirken. Sie treffen sich ab und zu für wenige Augenblicke. "Schränke nicht meinen Freiraum ein!" Gemeinsame Mahlzeiten, wo wirklich alle da sind, gibt es nur an Weihnachten. Ein Fest mit hohem Stressfaktor, weil alle was gemeinsam machen müssen.
Wie kann es dann gehen, dass beide Positionen ihre Wertschätzung erfahren? Rumi macht den Vorschlag, zwei Vögel nicht zusammen zu binden. Also keine Zwangsverpflichtung. Das Entstehen von Gemeinsamkeit braucht die Freiwilligkeit des Einzelnen. Es braucht einen verantwortlichen Umgang im Abwägen der eigenen Bedürfnisse und den Bedürfnissen, mit anderen zusammen zu sein. Es braucht den Dialog und einen guten Kontakt zu sich selbst. Und nicht zuletzt braucht es ein waches Bewusstsein für den einengende Rituale, unbewusste Familiengesetze und krankmachenden Kitt.
www.matthias-koenning.de

Dienstag, 19. September 2023

Du bist du und noch viel mehr! ... einfach ganz besonders.

Du bist wunderbar! Wie wunderbar!
Hat dir jemand mal gesagt, dass du wunderbar bist? Dein Kind, deine Eltern, dein Mann oder deine Frau, deine Freundin oder dein Freund? Also, du bist wunderbar! Du bist wirklich einfach ganz besonders. Du bist toll! Du bist außergewöhnlich! Du bist großartig!
Hältst du es noch aus oder hörst du auf zu lesen. Kommt bei dir jetzt ein "Ja"! "Ich bin wunderbar! Wie schön!" Oder kommt eher eine Reaktion wie: "Na ja, vielleicht manchmal! Eher aber nicht! Das ist doch übertrieben! Da kommen mir gleich meine Fehler und Einschränkungen in den Sinn. Das meinst du doch nicht wirklich. Außerdem kennst du mich ja gar nicht. Du weißt nicht, wer hier diesen Text liest. Wenn du mich wirklich kennen würdest. Wenn du wüsstest, wie schlecht gelaunt ich oft bin. Wenn du wüsstest, wie oft ich meine Freundinnen und Freunde vernachlässige! Wenn du wüsstest, wie oft ich eine Maske trage um meine Traurigkeit zu verbergen. Wenn du das wüsstest und noch viel mehr, dann könntest du das nicht mehr sagen."
Ein Teil in dir wünscht sich dennoch diese Bestätigung. Du bist wunderbar! Davon lebst du, Das richtet dich auf und macht dich ein paar Zentimeter größer. Und ein anderer Teil will es nicht hören. Kann es kaum aushalten. Ist es nicht gewöhnt. Im Alltag hörst du eher deine Defizite. Das hast du nicht richtig gemacht. Dies könntest du noch verbessern. Trotzdem: Du bist wunderbar!
In einem Seminar hatte eine Teilnehmerin eine Differenz mit dem Seminarleiter. Da kam ein Gefühl von Ärger hoch. Der Ärger bewirkte zunächst eine Trennung. "Der Seminarleiter ist blöd. Der ist ja sooo klug! Dieser Besserwisser! Ich fand ihn mal richtig gut und ich mochte ihn. Jetzt zeigt er aber sein wahres Gesicht. Er kann nichts anderes neben sich gelten lassen. Ist halt ein Sonnenkönig! Ein Superguru!" Daraufhin sprach der Seminarleiter diese Teilnehmerin an so ungefähr mit den Worten: "Da merke ich jetzt Ärger. Ich bin trotzdem mit dir in Verbindung. Spürst du das? Merkst du, dass ich bei dir bin und dich mag ganz unabhängig davon, ob da jetzt eine Meinungsdifferenz da ist oder ein Ärger! Spür einmal nach!" Da wachte die Teilnehmerin auf und ihr wurde klar, dass das Gefühl von Trennung nicht nötig ist. Sie konnte wieder in Verbindung gehen. Mir hat das sehr gefallen. Denn es hat einen Unterschied gemacht zu sonstigen Erfahrungen.
Wenn wir uns über jemanden ärgern gehen wir in der Regel in die Trennung. Wir wollen mit dieser Person nichts mehr zu tun haben. Wir wenden uns ab. Kannst du dir vorstellen, dass du zugleich den Ärger spürst, aber dich nicht trennst sondern in Verbindung bleibst? "Ich ärgere mich jetzt. Aber du wirst es nicht schaffen, dass ich mich von dir trenne. Ich kann immer noch das Wunderbare in dir wahrnehmen und freue mich, dass ich etwas davon bekomme!"
Also noch einmal. Du bist wunderbar! Trotz und jenseits aller Defizite und Mängel. Du bist einfach ganz besonders. Dafür musst du nichts tun! Gar nichts!
www.matthias-koenning.de

Montag, 18. September 2023

Alles, was du sehen kannst, hat seine Wurzeln in der Unsichtbaren Welt. Es mögen sich die Formen ändern, das Wesen bleibt dasselbe. (Rumi)

So, wie ich gestrickt bin, ist auch die Welt gestrickt. Ich komme aus dem Unsichtbaren. Ich komme von wo her vor dieser meiner körperlichen Existenz aus einer anderen Dimension. Ich lebe in dieser irdischen Wirklichkeit und habe keine Ahnung mehr von meinem "unsichtbaren" Ursprung.
Ich habe bewusste Gedanken und sehe und höre bewusst Dinge und weiß, dass ich hören und sehen kann. Ich bin mir meiner selbst bewusst. Daneben gibt es das große Feld des Unbewussten. Ich bin mir nur zum Teil meiner selbst bewusst. Aber das Unbewusste hat zugleich die Qualität des Unsichtbaren oder Verborgenen. Es wirkt aus dem Untergrund oder sogar aus einer völlig anderen Dimension zu der ich keinen Zugang habe mit meinem augenblicklichen Tagesbewusstsein.
Ich bin wie ein Blatt an einem Baum. Ich sehe einen Teil des Baumes, aber die Wurzeln sind mir verborgen. Ich weiß vielleicht nicht einmal davon. Es sei denn, ich frage als Blatt den Zweig, an dem ich stecken. Der Zweig wiederum fragt den kleinen Ast und dieser wiederum den größeren Ast. Der Ast fragt den Stamm und der Stamm nimmt Kontakt zu den Wurzeln auf. Ich als Blatt nehme also Kontakt auf und erforsche den Weg bis zu den Wurzeln. Das kann ich immerhin machen.
Ich sehe, dass ich zu etwas Größerem gehöre und kann dem nachgehen. Ich beobachte, dass ich ein Blatt bin und dass ich mich unterscheide vom Ast. Beide gehören wir zum Baum und müssen darum etwas miteinander zu tun haben. Wurzel, Stamm, Zweig und Blatt - wir gehören alle zum Baum. Auch wenn wir uns äußerlich unterscheiden. Die Augen nehmen im Außen den Unterschied wahr. Das Herz geht den Weg nach innen und nimmt die Wesensverwandtschaft wahr.
Was hat das für Auswirkungen im Alltag? Auch wenn die Menschen alle so unterschiedlich sind in ihrem Ausdruck und ihrer Art in der Welt zu sein, sind sie mir vom Wesen her verwandt. Wir gehören zusammen und sind Teil eines großen Ganzen. In diesen Gedanken hinein kann ich mich entspannen und loslassen. Ich bin kein vom Baum getrenntes Blatt, so oft sich das auch so anfühlt. Ich bin mit vielen anderen Blättern Teil eines Baumes und nehme dort meinen Platz ein. Niemand macht mir diesen Platz streitig. Nur ich mir selbst. Je mehr ich mich mit meinem Herzen verbinde, desto mehr bin ich in meinem Wesen zu hause und werde mir bewusst, dass alles mit allem zusammengehört!
www.matthias-koenning.de

Samstag, 16. September 2023

Wähle einen Job, den du liebst und du wirst nie wieder arbeiten müssen.

Unter Arbeit verstehen wir ja oft Anstrengung, Zwang, Erschöpfung und Ausbeutung. Die wichtigsten und schönsten und wachesten Stunden des Tages sind reserviert für die Arbeit und zum Geld verdienen. Du arbeitest sieben oder acht Stunden und verdienst dir dein Geld um anschließend zu leben. Das eigentliche vergnügliche Leben findet jenseits der Arbeit statt. Und wenn du die Arbeit als Sklaverei wahrnimmst freust du dich um so mehr auf die Freiheit. Und zugleich findet in dir ein Kampf statt. Deine Arbeit und dein Arbeitgeber gegen dich. Die Gewerkschaft und der Betriebsrat passen auf, dass die Schwelle nicht übertreten wird. Du gehst also jeden Tag in den "Kampf" und hoffst, nicht unterzugehen. Dass deine Arbeit sich nicht plötzlich vermehrt oder überfordert. Wer über viele Jahrzehnte kämpft fühlt sich am Ende ausgelaugt, krank, erschöpft und wahnsinnig rentenbedürftig. Muss das so bleiben und ist das erstrebenswert?
Auf keinen Fall. Wenn du deine Arbeit so liebst wie dein sonstiges Leben empfindest du es nicht als Arbeit sondern als reines Vergnügen. Du bekommst die Chance zur Selbstverwirklichung. An jedem Abend bist du vielleicht körperlich erschöpft, aber äußerst glücklich und zufrieden. Du kannst dir keinen Tag ohne "liebende Arbeit" vorstelllen. Herzlichen Glückwunsch, wenn du einer solchen Arbeit nachgehen darfst.
Die meisten Menschen leben jedoch in einer scheinbar anderen Realtität. Eben doch die Arbeit als Kampf und die Unmöglichkeit, die Arbeit lieben zu können an jedem Arbeitstag. Gibt es noch eine andere Möglichkeit? Ja, sie findet im Mindset statt. In deiner Vorstellungskraft. Du kannst in deinem Geist so mächtig sein, dass du dir eine andere Erlebnisqualität erschaffen kannst. Was machst du im Urlaub? Da kaufst du ein, gehst wandern, aktivierst deinen Körper, liest vielleicht Bücher. Was machst du an deinem Arbeitstag? Du kaufst ein, gehst zu Arbeit, aktivierst deinen Körper und liest was im PC. Du machst im Prinzip das gleiche, empfindest es aber anders. Stell dir vor, dass morgen dein nächster Arbeitstag ist, du aber aufwachst mit dem Gedanken, dass du Urlaub hast. Du machst alles wie immer an jedem Arbeitstag, aber du bleibst bei der Vorstellung von Urlaub. Wie wirst du dich fühlen? Was wird dein Körper dir sagen? Wie wird sich das auf deine Arbeit auswirken und wie wird deine Laune sein? Und alles nur, weil du deinen ersten Gedanken am Morgen in eine bestimmte Richtung gelenkt hast. Wähle also einen Gedanken, den du liebst und du wirst nie wieder arbeiten müssen.
www.matthias-koenning.de

Freitag, 15. September 2023

Die Magie des Wimpernschlags




Ich erzähle einem Freund etwas, was ich mit einem Kunden erlebt habe und was mich immer noch beschäftigte. Kaum habe ich meinen Satz beendet bekomme ich die Antwort: „Das kenne ich. Da kann ich dir auch etwas zu sagen.“ Und dann erzählt er sofort seine Geschichte. Dabei bin ich noch bei meinen eigenen Gedanken und bei meinen Gefühlen. Mein Freund hatte bestimmt eine ganz gute Absicht. Sich mit mir solidarisch zu zeigen oder mir einen Tipp zu geben mit der Intention: „Ich fühle mit dir. Das kenne ich auch.“ Aber wenn jemand sofort mit seiner eigenen Geschichte kommt, dann fühle ich mich verlassen und nicht gehört. Es gibt keinen Moment der Pause, etwas nachwirken zu lassen.  Es fehlt der Teil, für einen Augenblick miteinander in Verbindung zu gehen. Ein Nicken, dass mich jemand verstanden hat. Eine kurze Rückfrage oder einen Ausdruck der Anteilnahme. Die Gelegenheit, bei mir zu verweilen.
So erlebe ich das auch oft in Gruppen. Jeder versucht, seine Geschichte loszuwerden und es wirkt wie ein Kampf, wer am besten dazwischenkommt. Jeder erzählt seine Erlebnisse und niemand geht in Resonanz mit dem jeweiligen Erzähler. Hinterher kannst du verteilen, wer die meisten Redeanteile hatte. Manche kommen nie dazwischen und versinken irgendwann resigniert ins Schweigen. Ich kenne auch Menschen, die irgendwann völlig aufgeben und still werden. Ich schaue schon lange keine Talkshows mehr. Selten kommt es vor, dass alle sich gegenseitig ein Feedback geben. Jeder will sein Zeug loswerden und Recht haben.
Ich möchte mich dabei durchaus selbst kritisch betrachten. Ich rede auch oft zu lange und zu viel. Ich nutze die Gelegenheit, jemanden ins Wort zu fallen, wenn mich die Leidenschaft oder der Widerspruch treibt. Aber es gefällt mir auch nicht, wenn ich das so mache. Später in der Stille mit mir werde ich dann traurig, dass ich nur von mir erzählt habe und nichts vom anderen weiß. Das ist auf die Dauer unbefriedigend.
Seit einiger Zeit übe ich mich darin, bewusster in eine Begegnung hineinzugehen. Dabei hilft mir die „Magie des Wimpernschlages“. Wenn mir jemand etwas erzählt, nehme ich mir fest vor, zuzuhören und mich für einen bewussten klaren Wimpernschlag zu entscheiden. Ich dehne es auf eine Sekunde aus und ich verbinde es mit meinem Atem. Wenn ich für einen Moment die Augen schließe rede ich nicht automatisch zurück. Habe nicht sofort meine eigene Geschichte auf der Zunge.
Da entsteht ein kostbarer Moment der Stille. Ich schließe meine Augen so, dass es kurz dunkel wird. Dass in diesem winzigen Augenblick der Dunkelheit eine Anfangsreaktion geschieht. Möchte ich dem Erzähler zunicken oder freundlich anschauen? Möchte ich eine Frage der Vertiefung stellen oder nur ein wenig verweilen und das Gesagte nachwirken lassen. Wenn ich für einen verlängerten Wimpernschlag meine Augen schließe, gibt es eine kleine Verzögerung, in der etwas bewusst entstehen kann.  Jenseits des Automatismus, sofort etwas erwidern zu wollen. Dann sinkt das Gesprochene in mein Herz und ich bewege es hin und her.
Die Fokussierung auf den Wimpernschlag wirkt wie ein Anker. Der Wimpernschlag im übertragenen Sinne meint ja eigentlich die Kürze eines Zeitraumes angesichts der Ewigkeit. Die Existenz der Menschen ist nur ein Wimpernschlag im Gesamt der Existenz der Welt. Aber der Wimpernschlag bekommt seine Bedeutung im Umkehrpunkt. In diesem kleinen Zwischenraum kann ich meine Weichen stellen. Und darin liegt die Magie.
Viele unserer Prozesse laufen automatisch ab. Was ja auch Sinn macht. Ich möchte nicht an jedem Tag so Auto fahren wie an meinem ersten. Alle automatisierten Prozesse erleichtern mein Leben und geben mir Energie für die übrigbleibenden Herausforderungen. Ich muss am Tag so viele neue Aufgaben anpacken und bestehen, dass ich dafür Einiges an Energie benötige.
Es gibt aber auch Automatisierungen, die vielleicht nicht so hilfreich sind. In der Begegnung mit Menschen laufen da oft Programme, die ich verändern könnte. Da spricht jemand zu mir mit lauter Stimme und ich ducke mich sofort. Da fragt jemand: „Wer war das?“ Und schon bekomme ich Schuldgefühle. Da sagt der Marktverkäufer, dass er keinen Salat mehr hat und schon gerade ich in einen panikartigen Zustand. Da plappere ich ein Gebet herunter und habe keine Bewusstheit dafür, dass ich mich mit der göttlichen Quelle verbinde. Dabei könnte ich doch die Qualität meines Lebens verbessern. Für einen Wimpernschlag höre oder sehe ich bewusst und drücke nicht meinen Automatikknopf. Ich bleibe für einen Moment bei mir und spüre in mich hinein. Was löst das gerade in mir aus? Welcher Gedanke taucht auf? Wie fühlt sich das an? Was möchte ich jetzt gerne tun? Dabei bleibe ich dabei, für den Moment nichts zu tun.
Der Wimpernschlag öffnet den Raum der Leere. Den Raum, in dem sich die Geschichte neu schreiben lässt. Da kann schon ein Gefühl der Unsicherheit entstehen. Ich höre jemandem zu und mache eine kleine Pause, bevor ich reagiere.
Ich spüre vielleicht auch, dass da etwas in mir Fahrt aufnimmt und mich antreibt. Unbedingt muss ich jetzt sofort etwas sagen. Sofort muss ich meine Geschichte loswerden bevor ich sie vergesse oder sie nicht mehr passt. Sofort muss ich deutlich machen, dass ich auch wichtig bin und interessante Geschichten erlebt habe.
Während des Wimpernschlages kann ich mich fragen: Was ist das gerade in mir, das mich da so antreibt. Das mich förmlich zwingt, sofort meine eigenen Gedanken in den Raum werfen zu müssen. Wenn ich mich an meine Kindheit zurückerinnere dann hatten wir als Kinder nichts zu sagen. Die Erwachsenen haben sich unterhalten und wir waren nicht interessant. Es gab nur die ständigen Erwachsenenfragen wie: „Wie alt bist du denn jetzt? In welche Klasse gehst du?“ Fragen mit einer kurzen Antwort. Dann wirst du größer und denkst, dass du auch mal dazwischen kommen möchtest. Die Zeit des langweiligen Zuhörens beenden und auch durch das Erzählen deutlich machen, dass du der Erwachsenenwelt angehörst.
Der Wimpernschlag hilft mir, kurz auszusteigen und bei mir zu sein und dann wieder einzusteigen um beim anderen zu sein. Dieser kleine Moment fühlt sich an wie eine Weichenstellung. Je nach dem, wie ich reagiere, dahin bewegt sich mein Zug.
Wenn mir jemand etwas erzählt und ich komme sofort mit meiner Geschichte, dann hänge ich den anderen ab, oder er wartet darauf, dass er noch eine bessere Geschichte hat. Dann werden die nächsten Minuten zu einer Kampfarena der interessantesten oder klügsten Beiträge. Oder ich setze eine ganze Gruppe schachmatt, die nur noch darauf wartet, das Territorium verlassen zu dürfen.
Ich kann aber mein Gegenüber auch anschauen und fragen, wie es ihm damit ergangen ist und ob das Ganze immer noch wirkt. Und was an dem Erzählten ihn besonders beeindruckt hat oder welche Fragen geblieben sind. Dann werde ich spüren, wie der andere aufblüht und sich gemeint fühlt.
Schon während der andere spricht kannst du eine Entscheidung treffen. Du trittst für einen Moment zurück und verzögerst deine Reaktion mit dem Wimpernschlag. Du reagierst nicht automatisch.
Im Wimpernschlag wird dir zugleich bewusst, dass es in dir ein steuerndes Ich gibt. Das „automatisierte“ Ich will ständig etwas. Möchte beachtet werden. Spielt sich auf. Sucht Bestätigung. Befürchtet, nicht beachtet zu werden. Reagiert ganz schnell in der Angst, sonst zu kurz zu kommen.
Das steuernde Ich im Hintergrund kann sich zurückhalten und Raum schenken. Es ist nicht angewiesen auf Bestätigung. Es ruht wohlwollend in sich und genießt es, einfach da zu sein. Manchmal werden wir angetriggert, quasi wie angestochen. Wir geraten in einen Aufruhr, eine Art Anspannung. Wir wollen einen Gedanken loswerden. Uns wichtig machen. Dann verschwindet das steuernde Ich in den Hintergrund und wir werden unbewusst.
Der Wimpernschlag kann so etwas werden wie ein Signal bei der Ausfahrt des Zuges aus dem Bahnhof. Wo möchte ich hin mit meinem Geist, mit meinen Gefühlen und mit meinem Körper. Oder wie Viktor Frankl sagt: „Zwischen Reiz und Reaktion liegt ein Raum. In diesem Raum liegt unsere Macht zur Wahl unserer Reaktion. In unserer Reaktion liegen unsere Entwicklung und unsere Freiheit.“
Ich trete für einen Augenblick zurück und dann begebe ich mich wieder hinein in das Geschehen. Wenn du das probierst wirst du feststellen, dass dich das mit großer Freude erfüllen kann. Du nimmst dein Gegenüber besser wahr mit einer höheren Wertschätzung und du nimmst dich selbst besser wahr in deinen Bedürfnissen und Wünschen.
Bei der Erschaffung der Welt hielt Gott nach jedem Schöpfungstag inne und besah sich sein Werk. Und siehe da, es gefiel ihm sehr gut. Und das ist mein Wunsch für dich. Du betrachtest dich selbst und kommst zu der gleichen Einschätzung. Du gefällst dir sehr gut!

Donnerstag, 14. September 2023

Es ist nie zu spät!


 
Eigentlich wolltest du dich entschuldigen bei deiner Freundin, bei deinem Freund. Dir war klar, dass du dich nicht richtig verhalten hast. Dein enttäuschtes Gegenüber wartet und du bekommst die Kurve nicht. Du schämst dich. Du findest scheinbar nie den richtigen Zeitpunkt. Bis du es doch mal eines Tages hinbekommst. Du hast dich überwunden. Deine eigenen Kränkungen aus dem Weg geräumt. Du stammelst deine Entschuldigung und bekommst die Antwort: „Jetzt ist es zu spät...“ Du hast zu lange gewartet und den Zeitpunkt verpasst wo noch etwas möglich gewesen wäre.
Da gibt es so ein merkwürdiges Ziehen im Bauch und/oder im Brustraum. Ein Teil von dir weiß es. Ein Teil weiß, dass du handeln musst. Ein anderer Teil in dir ist rebellisch. Der Verstand gibt dir klare Botschaften und der Bauch leistet rebellischen Widerstand. Du spürst das Ringen und du spürst den Druck. Eigentlich müsstest du jetzt aktiv werden. Aber es geht nicht.  Du magst es mit Angst bezeichnen oder mit Unsicherheit. Oder mit Widerwillen oder Rebellion. Am Ende zählt das Ergebnis. „Jetzt ist es zu spät...“ Dein innerer Kampf hat zu lange gedauert. Du hast verloren! Wirklich?
Vielleicht hat dein Bauch sich am Ende einfach nur durchgesetzt. Er wollte nicht. Er hat sich stur geweigert und erst nachgegeben, als es eh zu spät war. Der Kopf hatte vielleicht gute Argumente, aber die Gefühle wollten das nicht akzeptieren.
Wann ist etwas zu spät? Manchmal geschieht es einfach durch Zufall. Dann kannst du eh nichts dafür. Es kommt wie es kommt. Du bist ein Spielball der Kräfte. Manchmal jedoch liegt es nur daran, dass du mit dir nicht in Übereinstimmung bist. Kopf und Herz schwingen nicht synchron. Dann ist es deine Aufgabe, wieder mit dir selbst in Übereinstimmung zu kommen.
Wie könnte das aussehen? Für diese konkrete Situation ist es zu spät. Aber es ist nicht zu spät mit dem was jetzt da ist, etwas zu machen. Du kannst beschließen, demnächst nicht so lange zu warten. Du ziehst die Konsequenzen. Du kannst trotz der verpassten Möglichkeiten mit deinen Freunden und Freundinnen in Verbindung bleiben. Wenn durch das „Zu spät“ sich ein Mensch von dir trennt kannst du von deiner Seite her die Verbindung aufrecht halten so gut es geht. Auch wenn es einseitig ist.
Vielleicht folgst du auch nur einem alten Glaubenssatz, den du über Bord werfen darfst. Der „Jetzt ist es zu spät...“ kann leicht in eine Depression führen.  „Es ist nie zu spät...“  Das gilt genauso. Du bist zu spät dran für einen bestimmten Zug, der jetzt weg ist. Dafür ist es noch Zeit für einen Kaffee am Bahnhof und ein Schwätzchen mit einem anderen Reisenden am Bahnsteig. Vielleicht findest du da die Grundlage für eine neue Lebensfreundschaft. Außerdem glaube ich, dass du auf jeden Fall rechtzeitig in der jenseitigen Welt ankommen wirst. „Zeit“ ist lediglich eine irdische Erscheinung.
Es ist weder zu spät noch zu früh. Es ist Jetzt! Und da bist du: Im Jetzt!

Mittwoch, 13. September 2023

Mögest du bei jedem Erwachen eine Stimme hören, die zu dir spricht: Heute wird dir was gutes widerfahren. (irischer Segen)


Du wachst auf und dir wird bewusst, dass heute dein Geburtstag ist. Du wirst Anrufe bekommen von Menschen, die dir Glück wünschen. Du wirst in der Post schöne Karten und Briefe finden von Menschen, die an dich gedacht haben. Es wird im Laufe des Tages mehrfach an der Tür klingeln und Freunde werden dich besuchen mit einem Geschenk in der Hand und Freude in den Augen. Du wachst also auf in dem klaren Wissen: Irgendjemand denkt heute an dich und schenkt dir seine Aufmerksamkeit und Liebe. Wenn du Geburtstag hast gehst du davon aus, dass das geschehen wird.
Es ist ein ganz normaler Tag. Du hast keinen Geburtstag und nichts Besonderes liegt an. Kein Jubiläum, kein Fest, ganz normaler Alltag. Wie viele dieser Tage gibt es in deinem Leben? Tage, an denen nichts geschieht außer eben Alltag? Du wachst am Morgen auf und gehst einfach hinein in deinen Tag ohne Wünsche oder positive Erwartungen. Du stehst auf weil der Wecker klingelt und deine Arbeit dich ruft. Die Tiere wachen auch auf, wenn der Tag beginnt und gehen schlafen, wenn er endet – je nach tierischer Eigenart.
Jetzt stell dir vor, dass du am Morgen eine Stimme hörst, die zu dir spricht: „Heute wird dir was gutes widerfahren.“  Wie wirst du aufstehen? Wie stehst du auf im Unterschied zu den anderen Morgen? Was wird dieser Satz in dir auslösen? Freudige Erwartung? Ungeahnte Kraft und Energie? Frohe Beschwingtheit? Stell dir also vor, dass du diese Stimme hörst. Du wirst die Augen aufmachen, dein Herz öffnen, hinhören und aufmerksam sein. Während des Tages geht deine Aufmerksamkeit hin zu der Erfüllung dieses Versprechens: „Ah, da widerfährt mir etwas gutes!“ Du weißt ja nicht, was geschehen wird. Alles kann für dich gut sein! Der Bus, der pünktlich kommt und der freie Sitzplatz für dich! Der geschenkte Freiraum bei der Arbeit, weil ein Termin abgesagt wurde! Das Sonderangebot in der Modeboutique oder was auch immer.
Die Stimme spricht nicht von vielleicht oder möglicherweise. Sie ist klar und präzise: „Heute wird...“
Jetzt magst du sagen: „Ich habe leider noch nie eine solche Stimme gehört am frühen Morgen.“ „Woher sollte diese Stimme kommen?“ Ich bin schon froh, wenn ich die Augen öffnen kann und alles so einigermaßen seinen geordneten Weg geht.
Wenn du auf die Stimme von außen wartest wirst du wahrscheinlich lange warten müssen. Was hindert dich daran, selber diese Stimme zu sein? Morgen also wachst du auf und sagst dir: „So schlimm kann gar kein Tag sein, als dass da nicht zwischendurch auch einmal ein kleines Wunder geschieht. Heute entscheide ich mich dafür, alle möglichen schlimmen Ereignisse zu übersehen und mich voll und ganz auf das Wunder zu konzentrieren, das heute auf mich wartet.“

Dienstag, 12. September 2023

Lass dich nicht stören!


Lass dich nicht stören wenn du diese Zeilen liest. Lass dich bloß nicht stören! Auch wenn gleich jemand in dein Gesichtsfeld kommt. Oder wenn dein Handy einen Ton von sich gibt. Oder wenn ein Hinweis aufpoppt, dass du eine Mail bekommen hast.
Lass dich nicht stören, auch wenn gerade ein Gedanke kommt. Ein Gedanke, dass du unbedingt noch was zu erledigen hast. Vielleicht möchtest du jetzt einfach in Ruhe lesen und wünschst dir, dass dich niemand stört. Allein der Gedanke endlich ungestört zu sein bewirkt vielleicht, dass du ganz bestimmt gestört wirst.
Ich werde übrigens ständig gestört. Egal wo ich bin und was ich mache. Wenn ich im Zug lese streift jemand mit seinem Rucksack meine Arme. Im Garten trinke ich meinen Kaffee und eine Fliege setzt sich hartnäckig immer wieder auf meine nackten Füße. Ich werde gestört und lasse mich stören. Ich werde unterbrochen und ich lasse mich unterbrechen bei dem, was ich gerade mache.
Lass dich nicht stören! Wenn das so einfach wäre. Es muss nichts besonderes passieren. Nicht mal eine Fliege. Ich sitze im Büro und höre drausßen ein Auto vorbeifahren. Die Sonne sticht mir in die Augen und mein Magen grummelt. Immer kommt etwas dazwischen.
In Besprechungen heißt es immer "Störungen haben Vorrang". Zuerst muss die Störung bearbeitet werden, dann können sich alle wieder auf das Wesentliche konzentrieren. Lass dich nicht stören!
Und? Lässt du dich stören? Stört dich etwas? Jemand? Leicht oder massiv?
Für mich gehören Störungen dazu. Sie tauchen irgendwann auf und verschwinden auch manchmal. Zum Glück gibt es die vielen Stellen, die sich mit Störungen beschäftigen. Bei der Bahn, bei den Telefongesellschaften, den Callcentern, den Beratungsstellen. Ich würde gerne wissen, wie viele Menschen ihr Geld verdienen mit der Beseitigung von Störungen.
Wie würde ein Leben völlig ohne Störungen aussehen? Alles würde wohl reibungslos funktionieren! Wie am Schnürchen! Wie eine Maschine? Wie ein Roboter? Vielleicht sind Störungen ja ganz hilfreich. Ich spüre mich! Ich merke, dass ich noch da bin. Ich habe etwas zu tun. Ich bekomme einen Adrenalinschub bevor ich einschlafe vor lauter Reibungslosigkeit. Ja, ohne Störungen liefe alles reibungslos. Ohne Reibung! Durch Reibung entsteht Energie. Ein Leben ohne Störungen wäre energiearm.
Ich kann mich gegen Störungen wehren oder mit den Störungen gehen. Du kannst dich jetzt ruhig stören lassen und liest trotzdem meinen Gedanken bis zum Ende. Du kannst aufhören mit den Vorwürfen: "Bitte stör mich nicht! Ich lese gerade!" Die Autos müssen nicht anhalten und die Sonne muss sich nicht verstecken. Die Fliege darf fliegen und dein Smarphone darf Geräusche machen. Du bedankst dich für die Reibungsenergie und machst weiter. Die Störung wird erst zur Störung, wenn sie dich hindert, weiterzumachen. Und wenn du tatsächlich aufhörst wegen der Störung wird es auch für etwas gut sein. Jede Störung gibt dir einen Hinweis. Noch bist du nicht im Paradies. Noch lebst du auf einer unvollkommenen Erde. Noch ist alles im Werden. Störungen gehören einfach dazu!
www.matthias-koenning.de

Montag, 11. September 2023

Glück ist wenn die Katastrophe eine Pause macht!

Glück ist, wenn die Katastrophe eine Pause macht. Ich kenne Menschen, die geraten von die eine in die nächste Katastrophe. Immer ist etwas los. Der erste Sohn verliert seinen Job. Der andere Sohn verliert seinen Führerschein durch zu schnelles Fahren. Der Mann geht fremd und die Tochter macht, was sie will. Die "Klangende" selbst leidet unter unerträglichen Rückenschmerzen. Alle Ereignisse verteilen sich nicht auf mehrere Monate sondern sind das Ergebnis von einer Woche.
Nach einer solchen Katastrophenwoche gibt es keine Pause. Es folgen die nächsten Hiobsbotschaften in dichter Folge. Ich frage mich dann, wie Menschen es schaffen, ständig Katastrophen an sich zu ziehen. Wie machen die das nur? Die Postkarte gibt mir eine mögliche Antwort. Wenn die Katastrophen mal kurz eine Pause machen, dann fühlt sich das Leben gleich wie ein unbeschreibliches Glücksgefühl an. Glück nicht als ein an sich positiver Wert sondern als Abwesenheit von Pech. Als Ruhephase in den Schicksalsschlägen. Ich habe eine Frau vor Augen, die mir häufiger von diesen Katastrophen erzählt. Merkwürdigerweise wirkt sie darin sehr lebendig und zugleich "lustvoll". Katastrophen als Droge? Bei uns ist wenigstens was los! Da schleicht sich bei mir ein Verdacht ein, dass manche Familienmitglieder solche Situationen geradezu gestalten, damit Mutti keine Langeweile bekommt.
Zugleich beruhigt es mich, dass selbst Katastrophen hin und wieder eine Pause brauchen, bevor sie wieder in Erscheinung treten. Es wäre doch schön, wenn auch die Medien "katastrophenfreie" Tage einrichten würden. Am Sonntag möchte ich einmal nur schöne Nachrichten hören. Da gibt es doch bestimmt genug von, die man erzählen könnte.
www.matthias-koenning.de


Samstag, 9. September 2023

Nahrung für das innere Kind: Balancieren auf der Bordsteinkante

Wann fühlte sich dein Leben einmal völlig unbeschwert an? Für einen Augenblick abtauchen in dem, was du gerade machst? Als Kinder konnten wir noch spielen. "Warte, bis der Ernst des Lebens beginnt!" warnten uns die Erwachsenen. Dann tauchten wir vielleicht verstört aus unserem Spiel auf und rätselten, was unsere Eltern damit meinten. Dann wurden wir erwachsen und vergaßen die Spiele und das Glück von damals. Es wird Zeit, das Verlorene wieder zu aktivieren! Dein inneres Kind braucht Nahrung! Wie wäre es mit einem kleinen Energieschub?

Erinnerst du dich an das Balancieren auf der Bordsteinkante? Du breitest die Arme aus und setzt einen Fuß vor den anderen. Auf der einen Seite der breite und sichere Weg und auf der anderen Seite der Abgrund. Schaffst du noch den nächsten Schritt? Der Abgrund ist nicht tief. Du kann ein wenig stolpern, aber nicht wirklich fallen. Dieses lustvolle Gefühl, das durch den ganzen Körper geht! Schwanken und sich dennoch halten. Flexibel und beweglich sein! Spaß haben beim Fallen. Sich ein wenig ärgern und wieder auf die Bordsteinkante. Sich lustvoll bewegen. Zu den Eltern schauen. "Schau mal was ich alles kann!" Balancieren als einen Vorgang purer Freude!

Heute erarbeite ich mit Kunden einen mühevollen Weg, wieder in die Balance zu kommen. Zu viel Arbeit und zu wenig Erholung? Wovon mehr und was weniger? Die Balance wiederfinden in einem mühevollen Veränderungsprozess. Darin besteht der erwachsene Alltag. Wie geht denn das noch mal mit dem Balancieren auf leichte Art? Du warst als Kind darin einmal ein Profi. Du hast es einfach gemacht. Hast dich auf die Bordseinkante gestellt und die Arme ausgebreitet. Ein Glucksen im Bauch und einen Freudeflash durch den Körper jagen und dann los! Schritt für Schritt! Vielleicht könntest du in dieses Lebensgefühl zurückfinden wenn du dich einfach mal wieder auf die Bordsteinkante stellst und es machst. Das Gefühl wird schon wiederkommen! Und wenn du es machst und das Gefühl dafür wieder bekommst - was wird sich bei dir dadurch verändern? Wirst du dich selbst anders empfinden? Kannst du das Kind in dir wieder zum Leben erwecken? Und danach? Wie verändert sich dein Alltag dadurch? Möge mehr Freude in deiner Seele einziehen!
www.matthias-koenning.de

Freitag, 8. September 2023

Nahrung für das innere Kind: Fliegen!

"Ich möchte fliegen! Spielst du mit uns Flugzeug?" Mein Vater oder mein Onkel packten mich als kleines Kind dann an Hand und Fuß und schleuderten und drehten uns im Kreis. Die erste Achterbahnfahrt! Welch ein Lebensgefühl und welches Vertrauen hatte ich in diesen Erwachsenen. Der wird mich nicht loslassen. Aber ich lasse los! Ich mache mich ganz locker und breite den freien Arm und das freie Bein aus und lasse mich herumwirbeln. Ich schreie mir die Seele aus dem Leib und fühle mich lebendig wie nie. Noch einmal! Noch eine Runde! Es braucht keine Pause.

Erinnerst du dich an dieses Spiel zwischen Kind und Erwachsenen? Als wir größer und schwerer wurden ging das leider nicht mehr. Wir mussten andere Möglichkeiten suchen, diesen besonderen Kick zu erfahren.

Oder gehörst du zu den Kindern, die sich nie getraut haben. Du warst viel zu vorsichtig, viel zu ängstlich, dich auf solch ein Wagnis einzulassen. Bis heute geht es dir so, dass du dem Leben und den Herausforderungen skeptisch gegenüberstehst. Überall lauert die Gefahr. Der Tod ist allgegenwärtig. Vielleicht nicht in deinen Gedanken, aber im Körpersystem.

Vielleicht gehörst du aber auch wie ich zu den Menschen, die als Kinder gerne geflogen sind. Die es einfach geliebt haben. Aber irgendwann gab es einen Einbruch. Ein erstes Stolpern. Ein Schock, an den du dich nicht einmal erinnern kannst. Irgendetwas ist passiert. Und dann gibt es in dir zwei Bestrebungen. Du möchtest eigentlich das Abenteuer, aber das Trauma hält dich davon ab.

Mir hat mal ein Freund gesagt, dass er nur dieses eine Leben jetzt hat. Und das Leben ist viel zu schade, es in Watte zu verpacken und vor Angst zu vergehen. Jetzt habe ich die Chance. Tot sein werde ich noch früh genug. Ich muss mich nicht so verhalten, als sei ich schon tot. Das Leben ist dafür da, das Abenteuer zu wagen.

Ich schließe die Augen und hole mir das Bild aus Kindertagen zurück. Wie sich das Fliegen angefühlt hat! Großartig! Ich denke an die Worte meines Freundes, dass das Leben ein Abenteuer ist. Dann kommt die nächste Aufforderung an mein Erwachsenenleben: "Machst du mit?" Ich spüre ein Ja und ein Zögern! Ich gebe der aufkommenden Angst nur einen kleinen Moment der Aufmerksamkeit und sage Ja zum Abenteuer. Sterben muss ich sowieso!
www.matthias-koenning.de

Donnerstag, 7. September 2023

Nahrung für das innere Kind: Matschen!

Ich liebe es, den Hefeteig zu kneten! Voll mit den Händen hinein in Mehl und Wasser und ordentlich matschen! Die Finger verklebt, Mehlstaub auf dem Pullover und ein Glücksgefühl, das durch den ganzen Körper geht. Alle Aggressionen kann ich in den Teig hineinhauen. Ich kann diesen Teig förmlich verprügeln und er ist auch noch dankbar dafür.
Durftest du als Kind im Dreck matschen und Erde essen? Durftest du dir deine Kleidung versauen und man hat dich einfach in Ruhe gelassen? Dann bist du reich beschenkt worden. Auf alternativen Bauernhöfen sehe ich manchmal Schweine sich im Dreck suhlen. Ein Teil von mir möchte einfach mitmachen. Die Bibel erzählt davon, dass wir Menschen aus Lehm gemacht sind.
Du und ich, wir sind "Lehmlinge", "Erdgeschöpfe", "Wühler", "Schöpfer". Wir dürfen mit den Händen matschen und dabei Dinge erschaffen. Evolutionär, aus Zufall oder tief liegender Intuition. Einfach machen und im Machen entstehen lassen. Ohne zu werten! Nur aus Freude am Tun. Matschen ist so herrlich überflüssig!
Gehörst du zu den Menschen, die schon als Kinder lieber im sauberen Wohnzimmer spielten. Die sich nicht auf die Straße trauten? Am Rand vom Sandkasten saßen und hilflos mit der Schaufel herumfuchtelten in der Hoffnung auf Mama, die dich von diesem schrecklichen Platz wieder wegholen möge?
Vielleicht bist du ja ein verborgener Engel, der mit der Körperlichkeit doch so seine Schwierigkeit hat - damals als Kind und heute auch noch. Magst du mit den Händen essen oder doch lieber mit einem Werkzeug, so dass du dir die Finger nicht schmutzig machst. Hast du Angst vor Bakterien, Viren und Bazillen? Bist du ständig auf Alarm? Im roten Bereich?
Oder reibst du dir die Hände jetzt wo du schon lange erwachsen bist und hältst jetzt gerade die Augen auf, wo du mal wieder so richtig matschen kannst! Du kannst im Blumenkasten wühlen, in deinem Garten oder dir einen Kneteteig erstellen. Einfach mal wieder matschen und die Erfahrung machen, wie du dich als "Lehmling" anfühlst. Es setzt einfach Energien frei! Schon beim lesen und es sich vorstellen.

www.matthias-koenning.de

Mittwoch, 6. September 2023

Nahrung für das innere Kind: Hütten bauen!

"Räum dein Zimmer auf! Zieh die Schuhe aus! Wasch dir die Hände! Schrei nicht so herum! Mach die Türen zu!" Solche und ähnlich Sätze geistern bis heute durch meinen Kopf. Worte meiner Mutter. Sie machte sich solche Sorgen um das Haus. Es sollte unbedingt sauber sein! Strom sparen! Keinen Dreck machen!
Als Kinder gingen wir in den Wald und bauten Hütten. Behausungen für ein paar Tage. Ein paar dicke morsche Äste zusammenschieben und mit Laub verkleiden. Fertig! Sich reinsetzen und Vater, Mutter, Kind spielen. In dieser Hütte durften wir schreien. Wir durften auf dem Boden sitzen und mussten uns keine Hände waschen. Aufräumen war völlig überflüssig und Türen gab es eh nicht.
Meine Hütte! Hier war ich König! Eigene vier Wände! Keine Kosten! Es gab keinen Erwachsenen, der etwas vorschrieb. Auch nicht erklärte. Wie schiebe ich Äste zusammen, so dass sie halten? Sie sind halt mehrmals zusammengebrochen bis wir es heraushatten. Wir durften experimentieren ohne dass die Erwachsenen sich einschalten konnten. Der Wald gehörte uns! Und wir waren Hüttenbauer!
Wie viele Verbotsschilder stecken heute in unserem Erwachsenenkopf! Was wir alles nicht dürfen! Als Staatsbürger, als Arbeitnehmer, als Kirchenmitglieder, als Vereinsangehörige! Manchmal schließe ich ich die Augen und gehe in Gedanken in den Wald meiner Kindheit. Ich schiebe ein paar Äste zusammen und lege Laub auf das Dach. Dann setze ich mich hinein in die Hütte und sage mir: "Hier bin ich König! Hier bestimme ich! Und so, wie ich es gemacht habe, so ist es genau richtig!"
Davon wünsche ich mir mehr für dich und mich: Dass der Blick nicht zuerst auf die Vorschriften und Verbote geht, sondern auf die Möglichkeiten und die Einladungen. Einfach wieder Hütten bauen!
www.matthias-koenning.de

Dienstag, 5. September 2023

Nahrung für das innere Kind: Sandkastenspiele!

Erinnerst du dich noch an deine ersten Sozialaktionen? Im Sandkasten! Deine Mutter hat dich ausgerüstet mit Sieb, Eimer und Schaufel. Sie hat dich in den Sankasten gesetzt und dann durftest du mit den Nachbarskindern spielen. Alle mit ähnlichen Ausrüstungsgegenständen. Du hattest deinen Platz, deine Schüppe und deinen Radius. Manchmal ging es gut mit der Nachbarin und manchmal musstest du einfach deine Schüppe einsetzen um deinen Sandhügel zu verteidigen. Du hast Kuchen gebacken und jeder durfte mal probieren. Und wehe, es schmeckte nicht!
Jetzt bist du erwachsen, oder? Von wegen! Du sitzt an deinem Arbeitsplatz und um dich herum die Kollegen und Kolleginnen. Alle sind ausgerüstet mit Computer oder anderen Arbeitsgeräten. Jeder beansprucht einen Platz für sich und interagiert mit den Nachbarn. Du sorgst dafür, dass alle mit Kaffee versorgt sind und andere fragen dich, ob du gut geschlafen hast. Wie im damals im Sandkasten. Andere Spiele vielleicht, aber mit ähnlichen Gefühlen. Verbundenheit und Harmonie, wenn alle einträchtig beisammen sind. Ärger und Frust, wenn es Kränkungen gibt.
Die ganze Welt, so könnte man sagen, ist doch ein einziger großer Sandkasten. Dort wird gespielt. Manche geben gerne ihre Schüppe und ihren Eimer ab und andere achten darauf, dass niemand sich an Sieb und Förmchen vergreift. Meins!
Wenn ich heute als Erwachsener "spiele" in der Erwachsenenwelt und es emotional hoch hergeht, dann schließe ich für einen Augenblick die Augen und versetze mich zurück in den Sandkasten. Alles nur ein Spiel! Nimm es nicht so wichtig! Du kannst auch aufstehen und dir einen neuen Platz suchen. Die Spielwiese ist groß genug! Und zugleich ist es schön auf dem "Marktplatz" Sandkasten. Einfach schön, mit anderen zusammen.
www.matthias-koenning.de

Montag, 4. September 2023

Entleere mich, bitte. (Leonard Cohen)

Kennst du folgendes? Du hast viele Termine. Viele Begegnungen. Du hast viel gearbeitet und noch viele Pläne. Es kommt immer wieder etwas hinzu. Wenn du gefragt wirst sagst du: Ich bin ganz voll und es passt nichts mehr hinein. Eigentlich bräuchte ich eine ganz lange Pause. Aber es geht nicht. Ich muss da jetzt wohl durch und hoffe, dass es in ein paar Wochen besser wird.
Aber es wird nicht besser. Du hast weiterhin viele Begegnungen. Nimmst viele Termine wahr. Arbeitest noch mehr und es kommt noch mehr dazu. Dein Gefäß kann das alles schon lange nicht mehr halten. Du fühlst dich schon so schwer an, dass du gar nicht mehr die Kraft hast, deine Lebensschale zu erleichtern. Du kennst nur noch das Füllen aber nicht mehr das Entleeren.

Aber vielleicht hast du noch eine Bitte in dir. Ein letzter Satz, bevor du im übertragenen Sinne stirbst. "Entleere mich, bitte." Es ist egal, an wen du diese Bitte richtest. Ans Universum, an deine Geliebte, an dein Mutter oder an einen weisen Menschen. Das Geheimnis der Rettung liegt darin, die Bitte zu äußern. Es zu sagen. Die Ohnmacht einzugestehen und aufzugeben. Der Gedanke, dass ein anderer dich beim Entleeren unterstützt verschafft dir die Erleichterung, die du jetzt unbedingt brauchst. Die Bitte verschafft dir den ersten Freiraum. "Entleere mich, bitte." entspricht dem Seufzer deiner Seele, wenn es einfach zu viel geworden ist. Dann musst du nicht einmal selber loslassen, was dir ja schwer fällt. Du erteilst die Erlaubnis, dass ein anderer das für dich macht. Probier es mal aus: "Entleere mich, bitte."
www.matthias-koenning.de

Samstag, 2. September 2023

Auch wenn der Lack bröckelt, auf die Grundierung kommt es an!


Mein Lack bröckelt. Vielleicht seit zehn Jahren? Zuerst wollte ich es nicht sehen. Es fiel nicht ins Gewicht. Ich war ja einfach fit. Beweglich und schlank. Ich war stolz darauf, dass ich essen konnte was ich wollte. Ich nahm kein Gramm zu. Mein Körper konnte alles verwerten und ich war supergesund. Auch ohne Sport! Ich habe mich immer bewegt, aber keine Programme absolviert.
Irgendwann vor zehn Jahren stieg ich auf die Wage und sah eine andere Zahl. Ein Zahl, die mir bislang völlig unbekannt war. Ich erschrak! Ich schob es auf die alte Waage, die nicht mehr so ganz funktionierte. Das war der erste Riss im Lack. Eine winzig kleine Schramme.
Ein Teil von mir hat das schnell wieder zur Seite geschoben. War ja nur eine kleine Schramme. Nicht der Rede wert. Aber diese Schramme hat einen Kratzer im Gehirn hinterlassen. Es ist so weit! Du gehörst dazu! Zu denen, für die die Uhr abläuft. Unwiederbringlich! Zum ersten Kratzer kommt ein zweiter dazu. Wie bei einem neuen Auto. Im ersten Jahr passt du einfach gut auf. Dann irgendwann kommt der erste Kratzer und noch einer und noch einer. Bis du denkst: Was soll ich auch von einem Auto erwarten? Es wird halt alt! Ist ein Gebrauchsgegenstand!
Die Kratzer bei mir vermehrten sich. Im Moment verbinden sie sich untereinander und es bröckelt so leicht. Noch bin ich beweglich. Noch kann ich mein Gewicht beeinflussen. Noch kann ich gesund leben. Mehr auf die Nahrungsmittel achten. Für einen gesunden Ausgleich sorgen. Verantwortlich und behutsam mit mir umgehen. Ich kann das Bröckeln hinausschieben. Aber eben nur schieben - nicht verhindern.
Aber ich bin grundiert! Ich bin so was von gut grundiert! Jetzt, wo es bröckelt, sehe ich erst, wie gut es bei mir grundiert ist! Und erst wenn der Lack ab ist. Der ganze Lack! Dann sehe ich die ganze Grundierung. Mir wird klar, dass ich gar nicht mehr brauche. Der Lack ist wunderbar für dieses Leben - aber, auf die Grundierung kommt es an! Und? Was meinst du dazu?
www.matthias-koenning.de

Freitag, 1. September 2023

Oh, wie schön!

Oh, wie schön!
Ich war eingeladen zu einer Tagung. Auf einem Tisch gab es Saft, Wasser, Kaffee, Kuchen und diverse Kleinigkeiten. Und es lagen dort Servietten mit der Aufschrift: "Oh, wie schön, dass ihr alle hier seid!"
Die Servietten ohne alle die köstlichen Kleinigkeiten wäre nur ein Blatt Papier gewesen mit einer Aufschrift. Aber an den vielen köstlichen Kleinigkeiten konnte ich erkennen: Ich hatte einen Gastgeber mit Herz. Ich war willkommen und ich fühlte mich willkommen.
Auf dem Tisch gab es auch etwas für mich. Ich mochte das frische Obst und den kleingeschnittenen Kuchen. Halt so kleine Häppchen. Köstliche kleine Häppchen. Ich las den Spruch auf der Serviette und sah vor meinem geistigen Auge das Gesicht der Gastgeberin. Ich sah, wie sie in ihrer Küche alle diese Dinge zauberte und dabei an mich dachte. Das hat mir Freude bereitet. Es macht mir Freude wenn ich daran denke, wie andere mir Freude bereiten. Und es macht mir Freude, meine Gastgeber dabei zu beobachten, wie sie sich freuen, wenn sie mir Freude bereiten.
Wie ansteckend doch Freude ist. Da lass ich mich doch lieber anstecken von Einladungen zu köstlichen Kleinigkeiten als von Grippeviren. Oh, wie schön, wenn du meinen Blog liest! Oh, wie schön, dass ich meine Gedanken mit dir teilen darf. Oh, wie schön, dass du hier bist! Oh, wie schön!
www.matthias-koenning.de