Translate

Montag, 30. Juli 2018

Urlaubsimpuls Nr. 7: Mit voller Energie!


Die große Urlaubszeit wird irgendwann vorbei sein und der Alltag beginnt wieder. Konntest du die Zeit bislang gut für dich nutzen und hast aufgetankt? Merkst du jetzt den Unterschied von vorher und nachher? Fühlst du dich gesünder an, gibt es weniger Grübeleien oder spürst du die Auswirkungen eher seelisch? Wie nachhaltig waren die Urlaubstage für dich? Wie viele Kilometertage oder Wochen wirst du nun mit dem vollgeladenen inneren Tank fahren können?
Oder gehörst du zu den Menschen, die das nicht hinbekommen, im Urlaub aufzutanken. Es soll Menschen geben, die in der „schönsten Zeit“ des Jahres erst so richtig Stress bekommen. Die Konflikte in der Familie zeigen sich viel deutlicher als im Alltag wenn man jetzt mehr Zeit miteinander verbringt. Oder, da entsteht auf einmal ein Gefühl der Leere und der Sinnlosigkeit, wenn du nicht mehr arbeiten kannst. Du weißt nichts mit dir anzufangen und bist froh, wenn der schnöde Alltag wieder die zuverlässige Zeitgestaltung vorgibt. Mir klingt noch der Satz von meinem Vater in den Ohren: „Es wird Zeit, dass die Schule wieder beginnt. Nichts ist schlimmer zu ertragen als eine Reihe von guten Tagen.“ Mein Vater konnte nie wirklich Urlaub machen während seines Arbeitslebens. In den freien Tagen wurde im Garten gearbeitet oder etwas am Haus renoviert. Vielleicht hat mein Vater den Urlaub aber auch gar nicht gebraucht, weil er mit der damit verbundenen „Philosophie des Ausspannens“ nichts anfangen konnte.
Ich komme noch einmal zurück zu meinen Eingangsfragen. Die „Ferienphilosophie vom Ausspannen“ setzt ja bestimmte Glaubenssätze voraus, die folgendermaßen aussehen. Du arbeitest das ganze Jahr und bist irgendwann müde, erschöpft und urlaubsreif. Dann nutzt du die freie Zeit, deinen leeren Akku aufzuladen und hoffst, dass es reicht bis zu deinem nächsten Urlaub. So „hangelst“ du dich von Ferien zu Ferien ein Leben lang und hoffst, bei einigermaßen zufrieden stellender Gesundheit dein Rentenalter zu erreichen. Im extremen Fall sieht ein solches Leben so aus, dass du nie wirklich lebst, sondern in der Vorbereitung für das Leben steckenbleibst. In der Arbeit erwartest du sehnsuchtsvoll die freie Zeit und bist nicht mehr mit der Arbeit verbunden. In der freien Zeit denkst du daran, dass du schon bald wieder arbeiten musst und kannst die freie Zeit nicht voll ausschöpfen. Im Rentenalter weißt du dann nichts mit dir anzufangen, weil du so an dein Schema und den Rhythmus „Arbeit und Urlaub“ gewohnt bist, dass du dich nicht mehr umstellen magst. Ein solches Lebensmodell finde ich nicht sehr erstrebenswert.
Zugleich kannst du nur wirklich gut leben mit einem gut gefüllten inneren Tank. Die Familientherapeutin Virginia Satir gebrauchte für ihre Klienten immer das Bild vom Energietopf. Gestresste Eltern fragte sie immer: „Wie voll ist dein Energietopf?“ Und wenn sie sagten, dass höchstens noch der Boden bedeckt ist, fragte Virginia weiter, wie sie mit so wenig Energie ihre Aufgaben meistern könnten.
Manchmal kommen Menschen zu mir in die Beratung, die die Freude im Leben verloren haben. Sie fühlen sich überfordert vom Beruf, den Ansprüchen in der Familie, finanziellen Sorgen und gesundheitlichen Problemen, dass es einfach zu viel geworden ist. Ein ganz wichtiger Schritt in der Begleitung wird dann für mich die „Ressourcenarbeit“. Was tut dir im Moment gut? Was brauchst du für dich? Was ist für dich Quelle deiner Freude? Nur mit Energie im Topf lassen sich Aufgaben bewältigen. Energie tanken ist also der erste und wichtigste Schritt vor allen anderen Aufgaben.
Zwei Ideen kommen mir in den Sinn. Die erste heißt: Neben der „Jahresurlaubstankstelle“ tanke täglich auf. Gönne dir Momente des Sitzens und des Nichtstuns. Gestalte zwischendurch Tage der Entspannung und des einfachen Daseins. Genieße es, mit deiner Familie bei einer Tasse Kaffee zu sitzen und die Natur zu betrachten. Fühle deine Dankbarkeit für die vielen kleinen Dinge des Alltags.
Die zweite Idee heißt: Ändere deine Grundeinstellung! Bei meinem Yoga- und Workcamp in Italien hieß die Devise: „Arbeiten ist spielen!“ Wir arbeiten nicht, sondern wir spielen. Kinder spielen zum Beispiel Vater, Mutter, Kind. Familie „spielen“ fühlt sich leichter und erlöster an als „Arbeit an den familiären Strukturen“. Verbinde dich innerlich mit deiner Arbeit und geh in die Leichtigkeit. Sieh die schöpferischen und freudigen Aspekte. So fühlst du dich am Ende des Tages nicht mehr erholungsbedürftig. Du hast ja lediglich gespielt.
Die ersten Menschen im Paradies bestellten ihren Garten Eden und waren mit ihrer Handarbeit glücklich und zufrieden. Nach dem „Sündenfall“ empfanden sie die gleiche Tätigkeit als Mühsal und Plackerei. Interessant, nicht wahr? Du tust das Gleiche und empfindest es je nach innerem Seinszustand paradiesisch oder höllisch. Der „Sündenfall“ war ein „Absonderungsfall“, ein sich loslösen von der göttlichen Quelle. Wenn du dich mit der göttlichen Quelle verbindest bekommt dein Energietopf einen nie versiegenden Zugang. Du kannst also deinen Energietopf immer wieder mühsam anfüllen einmal im Jahr über den Urlaub oder du verbindest dich kontinuierlich mit der Quelle. Darin liegt wohl das Geheimnis der Heiligen, dass sie um dieses Geheimnis wussten, direkt aus der Quelle zu schöpfen.

www.matthias-koenning.de

Samstag, 28. Juli 2018

Urlaubsimpuls Nr. 6: Komme heil an!



Welch ein Wunsch! Zunächst denk ich natürlich an das Unterwegs sein. Ob im Auto oder im Flugzeug: Reisen ist mit Gefahren verbunden. Du kannst verunglücken. Das wäre das Horrorszenario für dieses kostbare Zeit. Da bereitest du dich vor, freust dich vor, legst hohe Erwartungen in die Reise und machst dich mit Sorgen auf den Weg. „Komme ich wohl heil an? Und komme ich heil wieder zurück?“
Vorsicht und Vorbeugen ist wichtig, aber Angst wäre eine arge Einschränkung. So mancher bleibt aus Reiseängsten zu Hause.
Mich bewegt noch ein weiterer Gedanke. Wenn ich wünsche: „Komm heil wieder!“ setzt der Gedanke voraus, dass ich „unheil“ bin. Ich verreise also mit dem Ziel, heil zu werden. „Heil sein“ empfinde ich als einen sehr hohen Anspruch. Das kann kein Urlaubsziel einlösen. „Heil“ bin ich, wenn ich total glücklich bin, ganz in Übereinstimmung mit mir selbst. „Heil“ werde ich sein, wenn mich keine Krankheit mehr plagt und wenn ich keine Sorgen mehr mit mir herumschleppe.
Ich glaube nicht, dass ich von einem Urlaubsort her „heil“ wieder zu Hause ankommen kann. Eher schon erholt oder entspannt. Ich stelle mir die letzte Reise in meinem Leben vor und wünsche mir, dass mir jemand sagt: „Komm heil an!“ 

Freitag, 27. Juli 2018

Urlaubsimpuls Nr. 5: Mach mal bla, bla, bla!



Im Regal unseres Ferienhauses steht eine Zuckerdose von "Blond Amsterdam" mit dem Bild einer Torte und den Worten "bla bla bla". Erinnerungen steigen in mir auf.
Ich sitze draußen gemütlich mit der Familie vor einem Café. Wir plaudern über dieses und das. Nichts Weltbewegendes. Wer ist gestorben? Wer hat sich gerade wo etwas gekauft? Wer ist krank und wieder gesund? Da taucht vor meinem inneren Auge die Zuckerdose von "Blond Amsterdam" auf: Bla, bla, bla.
So ist das doch oft im Leben, nicht wahr? Du machst Konversation. Smalltalk. Bla bla bla - Gespräche. Es geht um nichts. Trotzdem führst du solche Gespräche - am Frühstückstisch, im Café, während der Autofahrt und in den Pausen am Arbeitsplatz. Bla, bla, bla...
Ich lese diese Worte auf dieser Zuckerdose. Regt sich bei dir gerade ein Widerstand? Ein Protest? Nach dem Motto: "Ich führe auch oft solche Gespräche, aber die sind auch wichtig. Es ist wichtig, über das Leben, die Ereignisse und die Gefühle zu sprechen. Sich austauschen und auf dem Laufenden sein!"
Ich lese wieder die Worte auf der Zuckerdose: Bla, bla, bla. Zuerst habe ich auch die Entwertung gelesen. Da verurteilt jemand die Haltung von lockeren Gesprächen bei einer Tasse Kaffee. Doch schnell legt sich mein eigener innerer Widerstand und ich bekomme eine Zustimmung. Bei "Bla bla bla" Gesprächen geht es nicht in erster Linie um den Inhalt, sondern um die Herstellung von Verbindung. Ich mache Beziehungsarbeit. Ich pflege Kontakte. Ich vergewissere mich, dass meine Familie mich noch mag und dass ich mich auf Freundin und Freund verlassen kann. Hauptsache reden, was auch immer. Und zwischendurch sich freundlich anschauen. Einen Augenblick schweigen. Sich zunicken und die Bestätigung bekommen: "Ja, ich bin dir immer noch gut. Unsere Beziehung hält!" Um das zu erreichen benötigst du mindestens ein Pfund "bla, bla, bla" - oder so viel Zucker, wie in diese Dose passt.
www.matthias-koenning.de

 

Donnerstag, 26. Juli 2018

Urlaubsimpuls Nr. 4: Lasse das Leben auf dich regnen!

 


Was machen Sie? Nichts. Ich lasse das Leben auf mich regnen. (Rahel Antonie Friederike Varnhagen von Ense)

Ein Spruch auf einer modernen Postkarte? Nein, eine Aussage von einer Berliner Salondame, die vor 200 Jahren lebte und sich für die Gleichberechtigung der Frauen einsetzte.
"Was machen Sie?" -  "Nichts. Ich lasse das Leben auf mich regnen. " Ich habe einmal einen Film über die Yanomami gesehen. Das kam mir so ursprünglich vor. So nah bei sich selbst, bei der Natur und bei den Menschen. So stelle ich mir das Leben im Paradies vor. Das Leben bestimmt von selbst die Themen. Wenn ich Hunger habe esse ich. Wenn ein Mensch da ist bin ich gemeinsam mit ihm. Wenn die Sonne scheint halte ich den Bauch da hin.
Wenn ich das wirklich so täte! Ich esse wenn ich keinen Hunger habe und kann mit Menschen nicht gut zusammen sein. Ich schütze mich vor der Sonne wenn sie das und sehne sie herbei, wenn sie sich nicht blicken lässt.
"Was machen Sie?" - "Nichts." Ich mache immer etwas. Ich achte darauf, immer alles richtig zu machen. Im richtigen Rhythmus und zur richtigen Zeit. Ich führe dadurch ein anstrengendes Leben. Das Nichts leiste ich mir nicht einmal im Urlaub. Höchstens mal für einen Tag oder für eine Stunde. Frau Varnhagen von Ense lässt das Leben auf sich regnen. Sie setzt sich dem Leben aus. Sie muss da nicht extra was machen. Vielleicht geht sie auf die Straße und dann begegnen ihr schon die Themen. Ein Hund, eine Sonne, ein Hunger, eine Lust! Vielleicht ist es möglich, auch heute in der Zivilisation wie ein Yanomami zu leben. Im Einklang mit sich, mit den Menschen, mit der Natur. Der Regen ist da und ich auch. Einfach zulassen und nichts weiter machen. Darin liegt schon genug Stoff für das Leben.
www.matthias-koenning.de

Mittwoch, 25. Juli 2018

Urlaubsimpuls Nr. 3: Eine freundliche Zeit mit dir!



Du sitzt im Eiscafé und bestellst dir ein Eis. Allein die Vorstellung erfüllt dein Herz und deine Seele. Du freust dich und das Wasser läuft dir im Munde zusammen. Du siehst das Bild auf der Eiskarte und weißt, gleich ist es so weit. Die nette Kellnerin bringt dir dein Eis in einem tollen Becher, wunderbar dekoriert mit einer Waffel, köstlicher Sauce und einem langen Löffel.
Dann steht das Eis vor dir und du nimmst den Löffel in die Hand. Du entscheidest dich für eine ganz bestimmte Stelle deines Bechers. Du nimmst so viel, wie du nehmen möchtest und führst den Löffel zum Mund. Du weißt, was geschieht, sobald deine Zunge in Kontakt kommt mit diesem ersten Löffel Eis. Dein ganzer Körper reagiert. Er explodiert förmlich! Du schüttelst dich vor Freude. Köstlich! Einfach köstlich! Du wanderst schlemmend durch deinen Becher und entdeckst die verschiedenen Nuancen und Kompositionen von Geschmäckern. Köstlich! Immer wieder!
Du arbeitest dich zum Boden des Bechers durch und dir geht ein Gedanke durch den Kopf. Gleich ist es vorbei. Gleich ist der Becher leer. Schade! Aber jetzt darf ich noch genießen! Noch sind ein paar Löffel Eis vorhanden. Dann kommt der Zeitpunkt des letzten Löffels und du musst dich verabschieden. Aus und vorbei! Vielleicht freust du dich auf das nächste Eis. Leider musst du ein Eis zügig essen, sonst ist es kein Eis mehr. Eis essen folgt einem eigenen Gesetz.
Warum erzähle ich dir diese Geschichte und mache deinen Mund wässrig? Ich komme jetzt zum nächsten Schritt. Stell dir vor, du könntest das Eisessen irgendwie ausdehnen, verlängern. Die Augenblicke des Genießens strecken! Aber dein Eis sagt dir deutlich. Diese Menge ist da. Mehr nicht und dann aus und vorbei.
Lässt sich Vergnügen dehnen oder vermehren. Steckt in uns allen ein kleiner Brotvermehrer wie bei jesus in der Wüste? Klar! Auf jeden Fall! Vor ein paar Tagen hörte ich ein Interview im Radio. Da ging es bei einer Kindersendung darum, welche Süßigkeiten sie mögen und welche nicht. Wie kann man als Kind lernen, dass Paprika toll ist? Welche Strategien entwickeln Kinder sich bestimmten Nahrungsmitteln zu nähern. War interessant.
Ich wurde hellhörig, als ein Mädchen erzählte, wie es mit Lakritzschnecken umging. Das katapultierte mich sofort zurück in meine Kindheit. Es ging dem Mädchen darum, möglichst viel von diesem Genuss zu haben. Wie sprengt man die Grenzen, wie dehnt man das Vergnügen aus? Wie erreicht man sozusagen eine wunderbare Lakritzschneckenvermehrung?
Das Mädchen erzählte, dass es die Schnecke erst einmal abrolle. Dann würde die Schnecke der Länge nach geteilt und so ergäben sich automatisch schon mal zwei. Eine Schnecke misst der Länge nach ca. 60 cm. Eine zweigeteilte Schnecke bringt es dann auf 1,20 Meter.
Im ersten Schritt verdoppelst durch die Schnecke durch Teilen. Dann dehnst du langsam den Lakritz auf 2,40 Meter. Anschließend beißt du ab und kaust so lange auf diesem Stück, bis du allen Geschmack ausgepresst hast. Der Rest der Schnecke kommt zurück in die Tüte. Du wartest ein paar Minuten und achtest auf dein Verlangen. Du hast Vergnügen an diesem Verlangen und erst dann, wenn du es nicht mehr aushältst, beißt du wieder ein Stück Schnecke ab. So machst du aus einem eigentlich kurzen Vergnügen ein Spiel der Fülle.
Die Schnecke selbst gibt ja schon das Thema vor. Du folgst ihrem Gesetz. Du verlangsamst. Du dehnst aus! Du vermehrst natürlich nicht das Gewicht einer Lakritzschnecke, aber du machst dennoch mehr daraus.
Das Mädchen erinnerte mich an Salmiakpastillen. Als Kinder haben wir sie zusammengefügt zu einem Stern und auf die Hand geklebt. Sah toll aus! Dann konnten wir daran schlecken und behielten den Geschmack im Mund und hatten etwas davon für  eine lange Zeit.
Und das ist aus diesen Gedanken abgeleitet mein Wunsch für die Urlaubszeit. Das Tempo herausnehmen! Dehnen und genießen! Die Bilder im amerikanischen Spielfilm laufen mir zu schnell. Manche Familien streiten sich in einem Tempo, dass ich nicht folgen kann. Wer hat da gerade was gesagt? Wer macht was wann dann? In der Beratung hänge ich noch ganz zuhörend bei dem traurigen Sohn, da springen die Eltern schon zum nächsten Thema. Halt Stopp, ich komme nicht mehr mit!
Das Internet wird schneller. Ich kann überall und zu jeder Zeit surfen, chatten, telefonieren, simsen und mailen. Zeitgleich arbeite ich einen Vortrag aus. Und am Ende weiß ich nicht mehr wo ich bin und vor allem wer ich bin. Wer ist diese Person, die da gerade sitzt und im ICE Tempo durch das Leben rast?
Dann halte ich diese Schnecke in der Hand und rieche Lakritz. Ich löse vorsichtig ein Ende und rolle langsam ab. Ich passe auf, den Doppelfaden dabei nicht zu zerstören. Die Schnecke löst sich auf und verwandelt sich in eine lange Kordel. Ich erinnere mich an Charly Chaplin, der in einem Spielfilm als armer Held ein Schuhband aß. Ich habe mal gelesen, dass dieser Schnürsenkel aus Lakritz bestand.
Im Abwickeln der Schnecke sehe ich meinen eigenen Lebensfaden. Das, was sich da so zusammenstaucht, bekommt auf einmal Raum und weitet sich aus. Ich sehe Abschnitt für Abschnitt. Da gibt es die Abrisse im Leben. Das, was nicht so glatt war. Ich rolle weiter und komme zum Zentrum und ... es löst sich auf. Ja, alles im Leben löst sich auf. Die Blume in der Vase wird irgendwann zu Humus. Aus meinem Eis bekomme ich Energie für die nächsten Augenblicke.
Jetzt beginne ich zu teilen. Wie schön, Zeit zu haben und sich mitzuteilen. Dass es zwei Hälften gibt! Eine für mich und eine für dich! Es reicht für mich und es reicht für viele. Ich kann eine wunderbare Schneckenvermehrung initiieren. Für wie viele Menschen würde eine Schnecke reichen? Ich tippe mal auf 200!
Ich werde immer langsamer und überlege, welchen Menschen ich ein Stück Schnecke schenken könnte. Es fallen mir viele ein und ich muss mein Stück Lakritz dehnen. Ich mache es langsam, im Tempo der Schnecke.
Zugleich stelle ich fest: Das bin ja gar nicht ich! Ich bin keine Schnecke! Ich bin schnell! Ich bin superschnell! Ich bin ein Wusel! Ich lebe auf der Überholspur. Entschleunigen bedeutet für mich harte Arbeit. Das mit dem Lakritz dehnen ist wohl eher was für Kinder.
Und dennoch! Ich komme immer wieder zurück zur Schnecke. Ich meditiere. Ich sitze auf meinem Stuhl in der Sonne und mache...nichts. Ich schaue den Vögeln zu und wenn keine da sind den Bäumen. Und wenn keine Bäume da sind nehme ich wahr, wie ich einfach ein Sehender und Hörender bin und  beobachte mich, ob ich da bin. 
Wenn ich mit dem Leben rausche dann bleibt dafür keine Zeit. da besteht eine große Gefahr. Ich verliere mich! Ich bleibe auf der Strecke bei dem Vielen, was da ist. An Eindrücken, Bildern, Gesprächen, Aufgaben, Menschen, Dingen, Terminen...
Ich lese im Markusevangelium (6,31): Kommt mit an einen einsamen Ort, wo wir allein sind, und ruht ein wenig aus. Wahrscheinlich kannte Jesus das Geheimnis der Lakritzschnecke. Einen Schritt zurücktreten, eine Außenposition einnehmen, das Tempo verlangsamen, etwas scheinbar völlig Unproduktives und Sinnloses tun. Pause vom Heilen, Wunder wirken und predigen.
Lakritzschnecken im übertragenen Sinne zu dehnen ist eine wirkliche Kunst. Die Urlaubszeit lädt dich ein, dich in dieser Kunst zu üben. Mach es mit Freude und mit Neugier. Wie geduldig und behutsam kannst du die Schnecke ausdehnen? Wie lange kannst du dich mit ihr beschäftigen ohne dass etwas Neues kommen muss? Im Vorgang des Dehnens könnte etwas in deinem Inneren geschehen. Virtuell schenke ich dir eine Lakritzschnecke oder fünf Salmiakpastillen und wünsche dir, dass Körper, Geist und Seele sich erholen. Wenn du dir weggelaufen bist, dann gib dir Zeit, dass du dich wieder einholen kannst damit es zum „Erholen“ kommt! Eine freundliche Zeit mit dir!

Dienstag, 24. Juli 2018

Urlaubsimpuls Nr. 2: Gute Erholung!



Das Wort „erholen“ kommt ursprünglich aus der Medizin. Nach einer Phase der Krankheit geht es darum, wieder gesund zu werden.  Der Körper soll nach einer Anstrengung wieder Zeit bekommen zur Regenerierung, vielleicht nach dem Motto: „Hole dir deine Gesundheit wieder.“
Wenn wir uns vor dem Urlaub wünschen: „Erhol dich gut!“ dann verbinden wir damit den Wunsch nach einer Regeneration. Das setzt ja voraus, dass der entsprechende Mensch tatsächlich krank war oder eine anstrengende Phase hinter sich gebracht hat.
Es wäre schön, wenn wir auch die Arbeitsphasen im Leben so gestalten, dass wir nicht erholungsbedürftig werden. Interessanterweise sprechen wir auch nicht von Erholungsbedürftigkeit nach einem anstrengenden Sport. Ein anstrengender Sport führt zur Erholung und eine anstrengende Arbeit zur Erholungsbedürftigkeit.
Ich glaube, da stimmt was nicht.
Statt „Erholung“ rede ich lieber von „Pause“. Untersuchungen zeigen, dass wir Menschen uns nur 90 – 120 Minuten konzentrieren können und dann eine Unterbrechung brauchen. Einfach für ein paar Minuten nichts tun und Körper und Geist zur Ruhe kommen lassen. Wenn wir am Tag genug pausieren, wird der Urlaub nicht zu einer Art selbstfinanzierter Reha Maßnahme.  Der Urlaub wird zur zweckfreien Zeit und zu einer ausgedehnten Pause.
www.matthias-koenning.de

Montag, 23. Juli 2018

Urlaubsimpuls Nr.1: Genieße!



Ja, genieße die Zeit deines Urlaubes. Genieße die Sonne, das Essen, die Natur, die Ausflüge, das Wandern, deine Familie! Lass die Beine baumeln, gib der Seele Nahrung und freue des Lebens. Du hast Zeit! Du darfst auf Termine verzichten! Du musst nicht planen! Du kannst essen, wenn du isst und du kannst wandern wenn du wanderst.

Dann kommst du wieder nach Hause. Und dann?

Ja! Dann genieße die Zeit. Genieße die Arbeit, genieße den Alltag, erfreue dich an der Zuverlässigkeit in deinen Beziehungen. Genieße das tägliche Brot und freue dich über einen erholsamen Schlaf.
Das Genießen von Zeit ist nicht auf den Urlaub beschränkt. Und, wenn ich genau nachdenke, dann finde ich Zeit ungenießbar. Genießen kann ich, was ich in einem bestimmten Zeitraum unternehme. Also, genieße das Leben, im Urlaub und auch jetzt!

Freitag, 20. Juli 2018

Die fünfte Freiheit nach Virginia Satir: Ich gehe Risiken ein in eigener Verantworung!


Die fünfte Freiheit: Die Freiheit in eigener Verantwortung Risiken einzugehen, anstatt immer nur auf Nummer sicher zu gehen und nichts Neues zu wagen.  

Ich gehe auf Nummer sicher. Das haben wir immer schon so gemacht. Das hat doch bis heute gut funktioniert. Warum sollte ich etwas ändern? 
Da gibt es doch die Weisheit von dem toten Pferd, von dem man absteigen soll, oder? Ich glaube, dass wir oft unsere toten Pferde weiter reiten. Das alte System funktioniert zwar nur noch so ungefähr aber nicht mehr wirklich. Wir sind ja unglaubliche Künstler darin, das Tote schön zu reden. Wir setzen die rosarote Brille auf. Wir ignorieren die Veränderungen. Wir tun so als ob alles in Ordnung wäre. Wir kleben an unseren Überzeugungen und Glaubensätzen fest. Wir schauen uns das tote Pferd an und sagen, es schläft ja nur!
Dahinter steckt unser Bedürfnis nach Sicherheit. Da weiß ich Bescheid. Das ist bequem. Da kenne ich mich aus. Da blamiere ich mich nicht. Da habe ich ein gutes Gefühl. Das erspart Zeit und Ärger. Wenn ich auf Nummer sicher gehe dann kann es geschehen, dass die Nummer gar nicht mehr so sicher ist wie sie erscheint. Klar, ein totes Pferd wird keiner weiter reiten. Aber du gehst zu deiner Arbeit, obwohl sie dich nicht mehr erfüllt. Du bleibst verheiratet obwohl deine Beziehung schon lange nicht mehr stimmt. Du trittst nicht aus der Kirche aus, obwohl du keinen stichhaltigen Grund mehr dafür findest, dabei zu bleiben. Du wohnst mit deinem Mann, deiner Frau in einem Haus, das einmal für eine fünfköpfige Familie gedacht war, und das du heute gar nicht mehr mit Leben füllen kannst.
Für eine Phase in deinem Leben war das einmal ganz stimmig, was du so machst und denkst. Aber ist es heute auch noch stimmig? Wer sagt dir, dass du es beibehalten musst? Du musst nichts behalten. Du darfst alles loslassen. Im Tod musst du loslassen. Jetzt darfst du es freiwillig machen.
Stell dir einmal vor, dass du stirbst. Du kommst an die Pforte des Himmels und Petrus öffnet die Tür. Du stehst da sehr unentschlossen herum. du willst ja gar nicht in den Himmel. Du weißt ja nicht, was da auf dich wartet. Vielleicht würdest du zu Petrus sagen: "Schick mich wieder zurück in mein altes Leben! Das ist mir vertraut!" Dann würde Petrus zu dir sagen: "Das geht leider nicht. Ich kann dich nicht in dein altes Leben lassen, denn dein Körper funktioniert nicht mehr und einen anderen kann ich dir nicht zur Verfügung stellen. Wenn du damals deine Chancen mehr genutzt hättest, wärest du jetzt gut vorbereitet auf das, was auf dich wartet. Der Himmel ist voller Überraschungen. Du wirst ihn jeden Augenblick neu erleben und neu gestalten. Der Himmel ist nicht vorgefertigt, sondern du gestaltest ihn."
Wir sind auf dieser Erde, damit wir Erfahrungen machen können. Wenn du eine bestimmte Erfahrung gemacht hast, dann kannst du doch abschließen und eine neue Erfahrung machen. Virginia Satir lädt ein, in Freiheit die Verantwortung für das Leben zu übernehmen. Es ist dein Leben! Du darfst Risiken eingehen! Es ist darf etwas schief gehen! Es darf alles schief gehen! Es darf etwas gelingen und es muss gar nichts gelingen! Du brauchst nicht das Leben deiner Eltern fortsetzen und auch nicht deiner Lehrer oder sonstiger Menschen. Du hast dein ganz eigenes Leben. Du hast den Bauch deiner Mutter verlassen und sie hat dir gesagt: "Jetzt mach mal!" Also los: "Jetzt mach mal!"
www.matthias-koenning.de

Donnerstag, 19. Juli 2018

Die vierte Freiheit nach Virginia Satir: Ich bitte direkt um das, was ich brauche!


Die vierte Freiheit: Die Freiheit um das zu bitten, was ich brauche, anstatt immer erst auf Erlaubnis zu warten.

Manchmal muss man Sätze von Virginia Satir quer lesen. Ich habe die Freiheit um das zu bitten, was ich brauche. Moment einmal! Im Allgemeinen finde ich das Bitten sehr unangenehm und vermeide es wenn möglich.
Stell dir vor, du siehst eine Galerie und dort findet gerade eine Ausstellungseröffnung statt. Du stehst vor der Tür und möchtest da herein. Du bist neugierig auf die Bilder, auf die Künstlerin und auf die Gäste. Aber du bist nicht eingeladen. Jetzt stehst du vor der Tür und hoffst. Du hoffst, dass dich jemand sieht und hereinbittet. Du wünschst dir, dass dir jemand die Erlaubnis gibt, diese Eröffnung zu besuchen. Jetzt stell dir vor: Niemand kommt! Niemand erteilt die Erlaubnis! Niemand bittet dich herein!
Jetzt könntest du fortgehen oder dich überwinden und nachfragen. Du könntest die Galeristen bitten, dabei sein zu dürfen. In deinem gängigen Verhaltensmuster würdest du dich dazu überwinden. Dur würdest dich durchringen. Es wäre dir peinlich und unangenehm. Du würdest es vielleicht nur im Notfall machen. Du würdest nur fragen, wenn es dir ganz wichtig wäre.
Jetzt kommt dieser so nenne ich ihn "Quersatz" von Virginia. Du hast die Freiheit um das zu bitten, was du brauchst. Zugegeben, der Besuch einer Ausstellung ist vielleicht nicht nötig. Aber vielleicht brauchst du ja jetzt diesen Input und diese Erfahrung. Du hast die Freiheit zu bitten. Es gibt keine Notwendigkeit, keinen Zwang, keine Scham und keine Peinlichkeit. Du hast die Freiheit!
Um in Freiheit fragen zu können ist es wichtig, dass du ein Bewusstsein davon erlangst. Du musst dir bewusst werden in jeder Situation deines Lebens, dass du frei bist. Du kannst fragen und bitten, aber du musst nicht.
Wo kommt es in deinem Leben vor, dass du etwas brauchst. Dein Gegenüber sieht es nicht und du denkst, er müsste es aber doch sehen! Du brauchst Zuwendung, Trost, ein offenes Ohr, Zeit, Verständnis oder sonst etwas  wichtiges. Da geht es um mehr als um eine Bilderausstellung. Da geht es um ganz fundamental menschliche "Notwendigkeiten". Du kannst leer ausgehen, weil dich niemand beachtet. Da bleibst du am Ende frustriert stehen! Niemand hat dich gesehen! Niemand gibt dir eine Erlaubnis! Und warum? Weil du nicht fragst! Weil du dich nicht getraut hast! Weil es dir peinlich ist! Weil du dich schämst! Weil du schon groß bist! Weil es eine Bedürftigkeit offenbart?
Es kann geschehen, dass du dir selber eine so hohe Hürde aufbaust, dass du lieber verzichtest, anstatt zu fragen. Stell dir vor, du hast Durst. Du möchtest einen Becher Wasser. Dein Gegenüber sieht nicht, dass du Durst hast. Wärst du bereit zum Sterben? Würdest du verdursten oder doch irgendwann fragen?
Du könntest eine Grundsatzentscheidung treffen um ein für alle mal dieses "Spiel" zu beenden. Du gibst dir die Freiheit, immer zu fragen. Du fragst halt einfach. Du fragst und fragst. Irgendwann wird es zu einer Selbstverständlichkeit und du wunderst dich, warum du nicht schon viel früher damit angefangen hast. Bitte doch um das, was du brauchst! Nur du kennst deine Bedürfnisse! Niemand sonst, und an deiner Nasenspitze kann man sie nicht ablesen!
www.matthias-koenning.de

Mittwoch, 18. Juli 2018

Die dritte Freiheit nach Virginia Satir: Ich stehe zu meinen Gefühlen!


Die dritte Freiheit: Die Freiheit zu meinen Gefühlen zu stehen, und nicht etwas anderes vorzutäuschen.

Stell dir dein inneres vor wie ein Team. Da gibt es ganz viele Persönlichkeitsanteile, Gefühlsebenen und Identitäten. Stelle dir deine reiche Gefühlswelt vor. Du magst wahrscheinlich die Freude in dir. Du magst deine Fähigkeiten und alles wozu du vorbehaltlos "JA!" sagen kannst.
Dann gibt es noch Gefühle, die empfindest du eher als zwiespältig. Wie ist das zum Beispiel mit der Angst? Du wirst mir vielleicht zustimmen, dass die Angst manchmal notwendig ist. Du bist dadurch vorsichtig im Straßenverkehr. Du passt auf dich auf, damit dir nichts geschieht. Die Angst warnt dich vor möglichen Gefahren. Du empfindest die Angst als manchmal notwendig aber manchmal steht sie dir auch im Weg. Du möchtest mutiger sein und mehr wagen. Da kommt dann die Angst und sagt: "Mit mir nicht!" In diesem Augenblick magst du die Angst gar nicht mehr und schiebst sie aus dem Weg, kämpfst mit ihr, ignorierst sie oder lässt sie gewinnen. Dann wird die Angst, die dich vor Gefahren schützt, zu einem unüberwindlichen Hindernis in deiner Weiterentwicklung.
Neben der Angst gibt es andere Gefühle, die ähnlich ambivalent, unwillkommen oder ungeliebt sind. Da gibt es die reiche Palette von Ärger bist Wut, den Ekel, die Traurigkeit. Ich kenne Menschen, die ganz viel Zeit und Kraft darauf verwenden, diesen Gefühlen möglichst keinen Raum zu geben. Sie lesen dann gerne Bücher über die Kraft des positiven Denkens oder ähnliche Literatur.
Kennst du das auch: Du fühlst dich mies und jemand fragt dich, wie es dir geht? Du sagst dann: "Danke, mir geht es gut!" Oder traust du dich zu sagen: "Mir geht es echt Scheiße!" Ich traue mich das nicht! Ich gehöre zu den Berufsoptimisten! Ich schaffe das auch ganz gut, meine "negativen Gefühle" auszublenden. Das ist nicht wirklich gut!
Manchmal schaffe ich es aber auch, mein ganzes Team im Inneren willkommen zu heißen. Das fühlt sich dann sehr rund an, wenn ich zu meinen Gefühlen stehen kann. Willkommen Angst! Willkommen Ärger! Hallo Wut, du hast auch deinen Platz! Ich sage innerlich "JA!" Und wenn ich mich traue, auch den anderen gegenüber zu meinen Gefühlen zu stehen, fühlt sich das sehr frei an! Wenn die so genannten "negativen und belastenden Gefühle" dasein dürfen, verlieren sie ihre Macht. Sie müssen nicht mehr kämpfen und um Erlaubnis bitten. Sie "müssen" sich nicht mehr mit aller Macht bemerkbar machen. Sie haben ja die Erlaubnis, da sein zu dürfen. Im Innen wie im Außen. Und auch im sich Äußern!
www.matthias-koenning.de

Dienstag, 17. Juli 2018

Die zweite Freiheit nach Virginia Satir: Ich spreche aus, was ich wirklich fühle und denke!


Die zweite Freiheit: Die Freiheit das auszusprechen, was ich wirklich fühle und denke, und nicht das, was von mir erwartet wird.

Was wird von dir erwartet? Von einer Mutter wird erwartet dass sie empört ist, wenn das eigene Kind ungerecht behandelt wird. Von einem Kind wird erwartet, dass es auf  seine Eltern hört.
Was wird von dir in einer Beziehung erwartet? "Wenn du mich wirklich liebst, dann wüsstest du jetzt wie es mir geht!" "Wenn ich wirklich wichtig für dich wäre, dann würdest du dich heute nicht mit deinen Freunden treffen sondern bei mir bleiben!"
Ich kenne solche Merkwürdigkeiten zur Genüge aus meiner Kindheit. Häufig hatte ich so Fragen und
Sätze im Kopf wie: Wie sage ich es meiner Mutter? Wie sage ich es, wenn mir etwas kaputt gegangen ist? Mir ist einmal eine kostbare Tasse auf den Boden gefallen und sie ging dabei kaputt. Eigentlich war mir diese Tasse egal. Eine Tasse ist eine Tasse. Mir war nicht egal, dass meine Mutter vielleicht traurig war, aber die Tasse an sich fand ich nicht wichtig. Also musste ich überlegen wie ich mich denn jetzt gegenüber meiner Mutter verhalte. Was erwartet sie? Sie erwartet bestimmt, dass ich den Kopf senke, mich entschulde, drei Tage mit einem schlechten Gewissen herumlaufe, mich klein mache, mich nie wieder aufrichte usw. In meiner Phantasie malte ich mir aus, wie schlecht es jetzt meiner Mutter geht und was ich alles dazu beigetragen habe dass es ihr jetzt so schlecht geht. Ich war also immer damit beschäftigt, was meine Mutter erwartet, was ich jetzt fühlen müsste.
Ich erinnere mich an so einen Spruch von meinem Vater: "Du müsstest dich schämen!" Aber ich schämte mich nicht. Sich nicht zu schämen war also falsch! Für das, was ich getan hatte, musste ich mich schämen. Scham war das angemessene und richtige Gefühl.
So kann es kommen, dass du ständig mit der Frage beschäftigt bist, wie muss ich denken und fühlen, dass die anderen das als richtig empfinden. Irgendwann kenne ich meine eigenen, unmittelbaren und ursprünglichen Gefühle gar nicht mehr. Ich fühle und denke, was die anderen meinen, das ich fühlen und denken müsste. So wirst du zu einem Sklaven von fremden Gefühlen und Gedanken.
Ich las einmal von einer Frau, die mit einem ehemaligen Mönch zusammenlebte. Ihr Mann war kaum in der Lage, eigene Bedürfnisse zu äußern. Das mönchische Leben hat ihn bedürfnislos gemacht. Das Leben war bestimmt durch die Klosterregeln und dem Gehorsam gegenüber dem Abt.
Jetzt stell dir vor, dass du eigene Gedanken und eigene Gefühle hast. Es sind deine! Nicht die deiner Eltern, deiner Freunde, deiner Familie oder deines Arbeitgebers. Es sind deine Gefühle! Sie gehören zu dir. Du darfst sie haben, deine Gedanken und deine Gefühle! Niemand kann sie dir absprechen. Niemand hat das Recht, sie zu bewerten. Und wenn, musst das nicht beachten. Du hast die Freiheit das auszusprechen was du wirklich selber fühlst und denkst. Das ist wichtig, damit du spürst, wo du stehst und wer du gerade bist.
Zugegeben! Es ist nicht immer leicht, die eigenen Gefühle auszusprechen. Möglicherweise wirst du dein Gegenüber enttäuschen. Dein Gegenüber hat etwas anderes erwartet. Aber zugleich ist es wichtig, dass dein Gegenüber auf ein wirkliches "Du" trifft und nicht auf eine "Eigenprojektion". Wenn den Gegenüber enttäuscht ist über deine Gedanken und Gefühle gibst du die Möglichkeit, dass dieser sich von seinen "Täuschungen" befreien kann. Du gibst ihm die Gelegenheit, dich wirklich kennenzulernen und wahrzunehmen, was du gerade fühlst und denkst.
Du hast die Freiheit auszusprechen was du denkst und fühlst! Die Freiheit, nicht den Zwang. Es heißt nicht, dass du das tun musst. Dann wäre das ein neuer Zwang. Du kannst es dir einfach mal überlegen ob das für dich eine Möglichkeit sein kann. Hin und wieder experimentierst du uns sprichst aus, was du wirklich denkst und fühlst. Du darfst, aber du musst nicht! Du hast die Freiheit!
www.matthias-koenning.de

Montag, 16. Juli 2018

Die erste Freiheit nach Virginia Satir: Sieh und höre, was jetzt da ist!


Virginia Satir war eine wichtige systemische Familientherapeutin und lebte von 1916 - 1988. Sie hat wertvolle Impulse gesetzt für familäre Strukturen und sehr wertschätzend und ressourcenorientiert gedacht und gehandelt. Sehr bekannt geworden sind ihre "fünf Freiheiten", die ich gerne nach und nach erschließen möchte.

Die erste Freiheit: Die Freiheit zu sehen und zu hören was im Moment wirklich da ist, anstatt was sein sollte, gewesen ist oder erst sein wird. 

Mein Mann sollte mir besser zuhören können. Dann wäre das Leben viel schöner. Mein Kind sollte mehr aufräumen, dann wäre ich viel entspannter. Mein Arbeitgeber sollte sehen, was ich alles leiste, dann würde ich viel lieber arbeiten.
Oder: Früher war doch alles besser. Die Bahn war pünktlicher. Die Brötchen schmeckten frischer und waren günstiger. Die Milch kam noch von der Kuh. Ich war körperlich fit. Die Welt war einfach schöner. Die Leute hatten alle mehr Zeit.
Oder: Wenn ich in Rente gehe, dann werde ich mehr Zeit haben. Wenn meine Kinder groß sind, dann werde ich endlich tun können was ich immer schon tun wollte.
Du denkst oft mit den Worten: "sollte" du gehst in die "gute Vergangenheit" oder phantasierst dich in eine "bessere" Zukunft. Du machst das schon automatisch, ständig oder mehrmals am Tag. Du verlässt die Gegenwart und den Augenblick und merkst nicht, wie unfrei du dadurch wirst. Du wirst wie ein Sklave, der sich die Freiheit wünscht: Wenn ich erst einmal diese Fesseln los werde, dann wird alles anders! Pustekuchen!
Virginia Satir lädt dich ein zu einem ganz bestimmten Aspekt der Freiheit. Du entscheidest dich für das "sollte" "die tolle Vergangenheit", die "bessere Zukunft". Du trägst die Verantwortung dafür, wohin deine Phantasie, Sichtweise, dein Ohr und deine Gedanken gehen.
Und du hast die Freiheit, dich jetzt neu zu entscheiden! Du kannst dich dafür entscheiden und hast die Freiheit das zu sehen und zu hören, was im Moment wirklich da ist. Du musst dir nichts vormachen. Du brauchst nichts beschönigen. Du musst dir die Zukunft nicht toll vordenken. Bekommt das, was ist, jetzt von dir die Erlaubnis da zu sein?
Mein Mann kann nicht zuhören. Das ist so. Aber ich kann ihn immer wieder darauf hinweisen, dass er das jetzt in diesem Augenblick tun kann. Mein Kind ist kein Aufräumer. Das ist einfach so. Und mein Kind ist trotzdem in Ordnung. Die Welt wird nicht untergehen, wenn es nicht aufräumt und es bleibt mein Kind. Mein Arbeitgeber ist blind für die Leistungen der Angestellten. Das ist einfach so! Aber ich kann für mich würdigen, was ich leiste. Und ich leiste was! Und das fühlt sich stark an! Egal, ob es der Chef sieht oder nicht.
Ich warte nicht bis zur Rente, damit ich mehr Zeit habe. Jetzt in diesem Augenblick nehme ich mir die Zeit. Es ist meine Zeit, meine Lebenszeit. Heute schmecken mir die Brötchen und außerdem bin ich ein toller Bäcker. Und heute noch werde ich tun, was ich immer schon gerne tun wollte.
Spürst du wie es ist, wenn du ein Gespür für deine Freiheit wieder findest und entwickelst? Wenn du unerfüllten Sehnsüchten hinterherträumst kann es dich viel Kraft und Energie kosten und irgendwann bist du weg! Du bist nicht mehr da. Gedankenverloren schlürfst du deinen Kaffee und weißt gar nicht, was du getrunken hast. Was kannst du jetzt in diesem Moment hören und sehen?
www.matthias-koenning.de

Samstag, 14. Juli 2018

Wo liegt dein Venedig?


Vor ein paar Tagen las ich von Lippstadt als dem Venedig Westfalens. Kannte ich noch nicht! Dann begann ich zu recherchieren und fand heraus, dass es die Venedig des Nordens gibt mit Giethoorn in Holland. Dazu kommen noch Amsterdam, Brügge, Kopenhagen und Friedrichstadt. Im Osten tummeln sich als Venedig Städte wie Dresden, Breslau und St. Petersburg. Im Westen gibt es auch Orte mit dem gleichen Beinamen wie Westport in Irland und Nantes in Frankreich. Um die Venedigs zu komplettieren wandern wir in den Süden nach Recife, Puerto de Mogan auf Gran Canaria und nach Bangkok.
Ergänzen wir dann noch die Vendigs für die Städte, die sich ein wenig zurücknehmen, dann gelangen wir zu den "Kleinvenedigs" nach Berlin, Colmar und Bamberg. Und mitten drin: Lippstadt, das Venedig in Westfalen! Herrlich!
Ein paar Venedigs habe ich bestimmt noch vergessen. Mir geht es jedoch um das Thema, das sich dahinter verbirgt. Wir möchten alle im Paradies leben. Ein paar Kanäle, schöne Häuser, Orte des Verweilens, ein Straßencafé. Einfach im Sein sein! Manchmal entscheiden wir uns für diesen Ort und fahren nach Venedig im Original. Wir haben die Hoffnung, dass sich da unsere Träume und Sehnsüchte erfüllen.
Die Sehnsucht treibt uns voran und zieht uns an sich. Das lässt sich auch gut vermarkten. Sobald eine Stadt ein wenig Venedig ausstrahlt, lässt sich das mit der Sehnsucht der Menschen verknüpfen nach dem Motto: "Komm nach Lippstadt und deine Seele findet, was sie sich wünscht!" Und so nebenbei lässt du den einen oder anderen Euro im dahinsiechenden emotionalen Sehnsuchtszustand fallen.
Das erinnert stark an die ersten Geschichten im Buch Genesis. Die Menschen verlieren ihr Paradies, weil sie von der verbotenen Frucht essen. Sie werden vertrieben, aber die Erinnerung bleibt und die Sehnsucht auch, wieder dahin zu finden.
Im psychologischen Sinn war unser erstes Paradies der Mutterleib. Den mussten wir verlassen bei der Geburt. Jeder Mensch trägt also eine Geschichte der Verlassenheit in sich. Und zugleich eine Geschichte der Sehnsucht. Ich will zurück! Zurück an dem Ort des Glückes.
"Venedig" wird zu einem modernen Bild unserer Sehnsucht. An das Paradies glaubt ja keiner mehr. Mit dem lässt sich auch kein Geld verdienen.
Wo liegt dein Venedig, wenn wir schon einmal bei dem Thema sind? Wann kannst du entspannen. Wo und was brauchst du dafür, wenn du etwas brauchst? Siechst du noch dahin in deiner Sehnsucht? Bist du also "süchtig" oder bist du schon angekommen? Bist du vielleicht noch verführbar? Wenn ja, wie stark? Welches "Venedig" steht dir zur Verfügung und nach welchem "Venedig" schmachtest du?
Wenn du magst, dann öffne doch mal dein Herz und schau da rein. Vielleicht entdeckst du, dass ein Stück Venedig dort verortet ist und du aufhören kannst mit dem Suchen. Frohes Entdecken!
www.matthias-koenning.de

Freitag, 13. Juli 2018

Fantasie, komme zurück - die Realität war gemein zu mir...

Ich stehe zu spät auf und verpasse den Zug. Außerdem regnet es und ich verschlafe den ersten Termin. Ausgerechnet heute!
Der Salat im Supermarkt sah so gut aus. Ich öffne zu hause die Schale mit dem Feldsalat und entdecke, dass er kurz vor dem Ende ist. Ich hatte mich so darauf gefreut und keine echte Alternative.
Ich habe die Ankündigung eines tollen Kinofilmes gelesen. Nur gute Kritiken! Ich gehe hin - und der Film gefällt mir nicht. Ich bin enttäuscht.

Wie oft kommt es vor, dass die Realität uns nicht gefällt. Sie macht nicht das, was wir wollen. Wir haben den Eindruck, dass sie macht was sie selbst will. Und vor allem haben wir manchmal den Eindruck, dass sie sich gegen uns verschworen hat. Da kommen die schwarzen Freitage, die Verkettung von unglücklichen Umständen, die Tage, die du vergessen möchtest...
Der Realität scheint es egal zu sein, wie es mir geht. Das sollte es ihr aber nicht! Ich möchte mich ja schließlich wohl fühlen. Kennst du auch diesen Zustand der Enttäuschung, der Lähmung und der Resignation. Wenn ich das Gefühl vermeiden kann, dann mach ich das. Und wie?
Ich gehe in die Fantasie! Ich male mir meine graue Enttäuschungswelt farbenfroh und bunt.  Manchmal funktioniert es. Aber, wenn der Frust tief sitzt, dann kann ich nur die Fantasie herbeibitten und hoffen, dass sie kommt.
Hin und wieder gelingt mir aber eine andere Einstellung. Ich nehme die Realität wie sie kommt. Ich lehne sie nicht ab. Ich bejuble sie auch nicht. In mir macht sich eine Empfindung von Gleichmut breit. Ich schwimme mit der Welle, mit dem Sturm und mit dem regungslosen Wasser. Die Realität haut mich nicht um und ich gebe ihr keine Macht. Ich bleibe in meiner eigenen! Wenn es mir gelingt, fühlt es sich gut an.
www.matthias-koenning.de