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Samstag, 30. Juli 2022

Bei allem, was du sagst, achte auf den rechten Augenblick. Reden zur unpassenden Zeit sind nicht beliebt. (Ägypten)



Dein Sohn hat den Tisch nicht abgeräumt und als Vater oder Mutter ärgerst du dich darüber. In deinem spontanen Ärger weist du deinen Sohn zurecht, er möge doch Absprachen und Familienregeln einhalten. Der Ärger in deiner Stimme ist deutlich spürbar. Und wie reagiert dein Sohn?
Er wird bockig, er widerspricht, er legt sich mit dir an. Er spiegelt deinen Ärger zurück und dicke Luft ist im Raum.
Immer wieder erlebe ich Paare, die mit "aller Gewalt" versuchen, ihre Konflikt zu klären, wenn sie im Gefühl des Ärgers und der Wut sind. "Ich muss jetzt mit dir reden!" "Das müssen wir hier und jetzt klären!" "So geht das nicht weiter!" "Immer machst du das, nur um mich zu ärgern!" Kennst du diese oder ähnliche Sätze? In der Regel steht am Ende kein Ergebnis wo alle zufrieden sind. Am Ende resigniert einer oder beide sind erschöpft.
Der ägyptische Spruch erinnert dich an den "rechten Augenblick". Auch bei Konflikten gibt es einen rechten Augenblick. Wenn du dich mitten im Gefühl des Ärgers und der Kränkung befindest, ist es sehr schwer, mit deinem Konfliktgegner in einer guten Verbindung zu sein. Er ist eben dein Gegner und nicht mehr dein Partner. Du hast den Eindruck, du musst kämpfen. Du willst dein Recht, du willst gesehen werden, du vermisst das Verständnis und dein Gegenüber empfindet genauso wie du.
Beruhige erst einmal deinen Geist, geh auf Abstand, schlaf eine Nacht drüber, atme ein paar tiefe Atemzüger und triff eine Vereinbarung, wann du reden möchtest, eben... Suche mit deinem "Konfliktgegner" den rechten Augenblick, damit er/sie zu einem Konfliktpartner wird.
Stell dir dabei vor, dass ihr euch nicht gegenübersteht wie Kontrahenten, sondern ihr setzt euch nebeneinander auf eine Bank und schaut in die gleiche Richtung. Ihr schaut gemeinsam auf einen Baum oder eine Blume. Dieser Baum oder diese Blume steht als Symbol da für eure Partnerschaft oder eure Freundschaft. Gemeinsam schaut ihr den Baum an und fragt: "Wie geht es gerade der Ehe, der Freundschaft, der Partnerschaft? Was braucht sie von dir und dem anderen? Was hat gefehlt und wer kann was dafür tun, dass das Fehlende ergänzt wird."
Der richtige Augenblick ist dann, wenn in deinem Herzen wieder mehr Weite als Enge zu spüren ist.

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Freitag, 29. Juli 2022

Mein toter Winkel!



Spätestens seit der Fahrschule weiß ich es ganz praktisch. Beim Überholen in die Spiegel schauen und einen Blick über die linke Schulter werfen. Links von mir gibt es einen Bereich, den ich über den Seitenspiegel nicht einsehen kann. Da gibt es einen toten Winkel. Ein für mich unsichtbares Feld.
Ich weiß um diesen toten Winkel beim Autofahren und kann darauf achten. Es fordert meine sorgfältige Aufmerksamkeit und ich muss regelmäßig vor dem Überholen da hinblicken.
Diese Erfahrung kann ich leicht auf das Leben übertragen. Auch dort gibt es „tote Winkel“. Bereiche, die existieren, aber unsichtbar sind für meine Augen. Weil ich nicht hinschauen mag oder dafür einfach zu blind bin. Auf diese toten Winkel möchte ich gerne mit dir meine Aufmerksamkeit richten. So, wie es inzwischen Spiegel gibt, die den toten Winkel erhellen gibt es vielleicht auch Haltungen und Einstellungen, die inneren toten Winkel von der Unsichtbarkeit zu befreien.
Im Film „The bleep“ wird erzählt, dass die Ureinwohner Amerikas die Schiffe von Christoph Kolumbus nicht sehen konnten obwohl sie in Sichtweite des Strandes waren. So große Schiffe aus Holz mit weißen Männern kamen in ihrer Erfahrung nicht vor und das Bewusstsein weigerte sich, da überhaupt etwas zu sehen, was nicht sein konnte.
In manchen Internetforen wird diese Idee angezweifelt und als Mythos abgetan. Aber ein Vater erzählte von seinem Besuch beim Friseur mit seinen Töchtern. Seine Töchter hätten Läuse und er müsse da was machen. Der Vater selbst konnte aber zu hause keine Läuse entdecken. Einen Tag später ging er mit den Kindern zum Hausarzt und die Arzthelferin entdeckte sofort die ersten Nissen. Der Vater schaute sie sich unter dem Mikroskop an und sah ab dann die Nissen auch auf dem Kopf der Töchter. Das war für ihn der Beweis, dass es diese „Kolumbuserlebnisse“ auch heute noch gibt. Ich sehe nicht alles, was ich sehen könnte. Wenn mir etwas völlig unbekannt ist kann es sich vor meinen Augen scheinbar verbergen obwohl es offensichtlich da ist.
Vielleicht hast du es auch schon erlebt, dass du etwas gesucht hast und es lag direkt vor deiner Nase. So, als ob du den Wald vor lauter Bäumen nicht sehen könnest. Manche Menschen kommen zu mir mit einem Problem und wir kommen sehr schnell auf eine Lösung. Der Ratsuchende wundert sich dann, dass er nicht von selber da drauf gekommen ist. Eigentlich hätte er es einfach wissen können.
Ich lade dich ein zu einer kleinen Phantasiereise: Stell dir vor, dass wir beide uns gemeinsam in einem Raum befinden und uns umschauen. Wir hätten die gleichen Gegenstände in diesem Raum. Würden wir das Gleiche sehen? So ungefähr schon, aber nicht jedes Detail. Und jetzt stell dir vor, wir bekämen die einmalige Möglichkeit, für ein paar Minuten die Augen untereinander tauschen zu können, würden aber unsere Persönlichkeit und unsere bisherige Lebensgeschichte behalten. Ich sehe mit meiner Persönlichkeit die Welt mit deinen Augen. Wie würdest du meine Welt wahrnehmen und wie ich deine? Was würden dann bei dir oder mir für Gedanken auftauchen? Wie wären die Farbeindrücke und welche Gefühle würden wir bekommen? Was würde dich oder mich dabei überraschen?
Unser Verstand gaukelt uns ja ein gewisses Maß an Sicherheit vor. Das, was ich sehe, sehe ich und ich sehe es umfangreich und ganz wirklich. Ich sehe alles mit meinen Augen und mir entgeht nichts. Ich behalte den Überblick und kann auch noch die winzigen Details erkennen. Ich kann mich auf meine Augen verlassen. Und wenn ich eine Brille trage erst recht. Die Brille bestätigt mich, dass sich meine Kurzsichtigkeit korrigieren lässt. Ich sehe klar!
Aber sehe ich alles? Ich wollte mir vor ein paar Jahren einen Teppich kaufen. Ich fand im Geschäft einen, der mir gefiel und hatte zugleich ein nicht verstehbares ablehnendes Gefühl. Diese Ambivalenz konnte ich nicht einordnen. Erst, als ich den dickflorigen Teppich auseinanderbog, sah ich kleine grüne Plastikfäden, die mit eingewoben waren. Etwas in meinem Körpersystem hat mehr wahrgenommen als die Augen. Da gibt es Anteile in meinem Körpersystem, die mehr „sehen“ als die Augen.
Wohin wird mich mein Gedanke führen wenn ich mir vorstelle, dass ich gar nicht alles sehe, was zu sehen möglich wäre. Meine Augen könnten sagen: Die Straße ist gut ausgebaut. Ich habe festen Boden unter den Füßen. Dann würde ich loslaufen und plötzlich abstürzen. Die feste Straße war nur eine Illusion. Ich könnte auf die Idee kommen und feststellen, dass die meisten Dinge nur eine Illusion sind und wir reden sie uns sicher, damit wir ein besseres Gefühl haben. Ohne diese Illusionen würden wir vor Angst vergehen.
Zu mir kam mal ein Mann in die Beratung und erzählte mir ausführlich davon, wie gut alles läuft. Ich wartete auf das Problem und – es kam keines. Es war alles in Ordnung. Worin lag dann der Sinn der Beratung? Er wollte es mir erzählen und im Erzählen erschuf er sich die Sicherheit, dass wirklich alles gut war. Auch der Berater konnte keine Gefahr wahrnehmen. Dieser Mann brauchte mich als Berater um zu überprüfen, ob es für ihn einen toten Winkel gab.
Ich möchte mit dir noch einen Schritt weitergehen in der Beobachtung des toten Winkels. Ich glaube, dass wir Menschen auch im Umgang miteinander unsere toten Winkel haben. Wenn du dich verliebst nimmst du beim Gegenüber nicht alles wahr, was zu diesem Menschen dazu gehört. Vielleicht schlägt deine Freundin die Hände über den Kopf zusammen und sagt zu dir: „Wie kannst dich nur in diesen Menschen verlieben. Weißt du denn nicht...! Siehst du denn nicht, dass ...!“
Du kannst sogar mit einem Menschen über viele Jahre zusammenleben und siehst nur das Bild, dass du dir von ihm gemacht hast. Du siehst deine fürsorgliche wohlwollende Ehefrau und alle anderen in deinem Umfeld denken, wie kannst du dich nur so unterdrücken lassen.
Bis zu einem gewissen Alter hast du die Lust, immer wieder neues kennen zu lernen. Die Welt ist groß und das Abenteuer wartet auf dich. Vielleicht bist du eines Tages satt und fragst dich, was du wohl übersehen haben könntest. Noch weißt du nicht was. Aber dir ist klar, dass es sehr wahrscheinlich ist, dass es da tote Winkel gibt.
Wie wäre es, wenn du dich diesen toten Winkeln im Leben einmal widmen würdest? Du richtest deine Aufmerksamkeit auf diesen Wunsch: „Ich möchte die toten Winkel in meinem Leben sehen, wahrnehmen und kennenlernen.“ Weckt das in dir Angst oder eher Neugier?
Auf den letzten Seiten eines Detektivromans steht der Held in der Regel von dem größten Rätsel. Er hat alles zusammengefügt und dennoch das Gefühl, etwas Wichtiges übersehen zu haben. Dann entdeckt er das fehlende Puzzleteil und die Geschichte bekommt plötzlich Sinn.
Wenn du die Idee davon bekommst, dass dein Leben sich nicht so ganz richtig anfühlt, oder dass da irgendwie etwas quer läuft, dann könntest du mal nach toten Winkeln schauen. Legenden und Mythen erzählen davon, dass das die Lieblingsplätze von Gott sind. Er hält sich dort total gerne auf. Weil da nicht jeder hinschaut und der Platz nicht so arg belebt ist, kann es dort zu intimen Begegnungen kommen. Stell dir vor, dass Gott schon immer in deiner Nähe war, nur halt im toten Winkel. Du musst nur die Augen ein wenig verdrehen, das Herz in eine andere Richtung wenden und schon ist der tote Winkel mit Leben erfüllt.
Genau das erzählt eine alte Sufi Legende. Gott schuf die Erde für den Menschen, aber der Mensch wollte lieber im Himmel bleiben. Die Engel schlugen also vor, den Himmel abzuschließen und den Schlüssel zu verstecken. In die Tiefen des Meeres? Auf dem höchsten Berg? Irgendwo im Weltall? Keine dieser Ideen findet bei Gott gefallen. Dort werden die Menschen bestimmt suchen. Der Erzengel Gabriel schlägt vor, den Schlüssel zum Himmel im Herzen der Menschen zu verstecken und Gott gefällt diese Idee. Dort werden die Menschen bestimmt nicht suchen. In unserem eigenen Herzen befindet sich also der tote Winkel, wo der Schlüssel zum Himmel zu finden wäre?
Ich stelle mir vor, wie ich ständig alles so kompliziert wahrnehme. Ich entwerfe Gedanken, wälze Pläne und suche nach der hundertsten Lösung noch die hundert und erste. Nie bin ich einverstanden mit dem, was ich sehe oder mir so ausdenke. Es könnte so einfach sein, nicht wahr? Der Satz vom kleinen Prinzen bekommt vielleicht hier noch eine kleine Färbung: „Das Wesentliche ist für die Augen unsichtbar.“ Das Auge sieht nicht den Raum, der sich im toten Winkel befindet. Der tote Winkel zirkelt ja einen bestimmten Raum ab. Einen Raum, den ich mir doch einmal anschauen könnte.
„Warst du auch auf der Party? Ich habe dich gar nicht gesehen!“ „Was, du bist schon seit einem Jahr so traurig? Ich habe nichts davon bemerkt!“ „Ich hätte schon vor einem Jahr kündigen sollen, aber ich wollte nicht hinsehen und habe mir alles irgendwie schöngeredet.“ Warum schauen wir nicht in den toten Winkel hinein? Es könnte mir Schmerzen bereiten! Da lauert bestimmt eine fette Krise. Noch ist es ja nicht so schlimm!
Beim Autofahren habe ich die Chance, im toten Winkel ein herankommendes Fahrzeug zu sehen und mögliche Gefahren zu bannen. Wie würde mein Leben aussehen, wenn ich in alle Räume schauen würde, die ich mit dem toten Winkel aus meinem Blickfeld verbanne? Ich schaue über die linke Schulter in das verborgene Feld und verliere für einen Moment die Kontrolle nach vorne. Damit gehe ich ein Risiko ein. Schnell nach links blicken und dann wieder geradeaus. Aber für einen Moment verliere ich die Kontrolle. Da könnte für den Augenblick etwas passieren. Beim Blick nach links in das Feld des toten Winkels. So ist das im Leben auch. Wenn ich in meine toten Winkel schaue gehe ich ein Risiko ein. Da könnte etwas passieren. Ich könnte die Kontrolle verlieren. Das Risiko bleibt, egal, wie ich mich entscheide. Der Raum im toten Winkel lädt mich ein, das Abenteuer zu wagen. Ich lebe jetzt! 

Donnerstag, 28. Juli 2022

Wir dürfen nicht zulassen, dass uns die begrenzte Wahrnehmung anderer Menschen definiert. (Virginia Satir)

Du wirst wahrgenommen von den Menschen um dich herum. Sie haben einen Eindruck von dir. Sie leben mit einem Bild, was sie sich von dir gemacht haben. Du hast mal gesagt: "Das ist mir zu teuer." Und du bekommst die Wertung: Der ist geizig. Der schaut aufs Geld. Der ist sparsam... Ständig verhältst du dich zu etwas. Sprichst oder hast einen Gesichtsausdruck. Damit lädst du die anderen Menschen ein, dass sie sich Gedanken zu dir machen und dich am Ende definieren. Das bist du! Genau so! Und nicht anders! Du bist geizig. Du bist launisch. Du bist nett. Du bist cool.
Dann kann es leicht passieren, dass du anfängst, genau nach diesem Bild zu leben. Du verhältst dich so, wie die anderen es von dir erwarten. Und wehe, du machst mal etwas völlig anders. Dann irritierst du die Menschen um die herum. Letztlich geht es beim Bewerten und Einschätzen immer um die Erfüllung des Bedürfnisses nach Sicherheit. Wenn ich einschätzen kann, wie du denkst und dich verhältst, dann kann ich mich sicher fühlen.
Virginia Satir lädt mich ein, dem etwas entgegen zu setzen. Wir dürfen nicht zulassen, durch die begrenzte Wahrnehmung anderer Menschen definiert zu werden. Jeder Mensch ist so unendlich viel mehr als das, was wir wahrnehmen. Und wichtig ist, dass ich mich selbst in meiner Freiheit wahrnehme. Ich darf ganz anders sein und ich habe viele Seiten in mir, die vielleicht noch nicht gelebt werden durften. Und da braucht es auch meine Entschiedenheit. Wenn überhaupt, dann definiere ich mich selbst und nicht mein Gegenüber. Das schafft Freiraum! Ich bin ein Meer voller Möglichkeiten und Wandlungen. Mein Leben ist ein Abenteuer und ich darf immer neues in mir entdecken, das gelebt werden will.
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Mittwoch, 27. Juli 2022

Sei wie du bist. Irgendwann kommt es sowieso raus.


Manchmal strenge ich mich an und zeige mich in einer neuen Gruppe von meiner Schokoladenseite her. Ich gehe auf die Menschen zu. Ich lache oder lächle zumindest. Ich nehme Augenkontakt auf. Ich spreche Komplimente aus und versuche, mich interessant zu machen.
Und das ist anstrengend. In mir gibt es einen Teil der sagt: "Was mach ich hier eigentlich. So bin ich doch gar nicht. Ich bin eher schüchtern und zurückhaltend. Ich bin eher jemand, auf den man zugehen muss und nicht jemand, der auf andere zustürmt."
Der Schüchterne in mir bekommt also gar keine Chance. Der wird plattgebügelt und übergangen. Das mag der Schüchterne in mir überhaupt nicht. Der sagt dann zu mir: "Nie wieder! Nie wieder komme ich mit in eine mir unbekannte Gruppe von Menschen!"
"Sei wie du bist. Irgendwann kommt es sowieso raus." In dir gibt es viele verschiedene Persönlichkeitsanteile, die zu dir gehören. Manche magst du und manche nicht. Und von manchen glaubst du, dass die anderen das nicht mögen werden. Wenn du bestimmte Anteile in dir nicht magst, wie sollen die anderen dann das mögen? Wird in der Regel nicht funktionieren.
Wenn ich das nächste Mal in eine Gruppe komme, wo ich niemanden kenne, werde ich es anders machen. Ich schaue, wer denn vertrauensvoll wirkt. Auf diesen Menschen gehe ich zu und sage: "Entschuldigung wenn ich Sie anspreche. Aber ich bin sehr schüchtern und fühle mich hier gerade sehr unsicher. Darf ich einen Augenblick bei Ihnen stehen? Sie wirken auf mich so vertrauenswürdig." Wenn ich mir vorstelle, dass ich das so machen werde, dann nehme ich den Schüchternen schon mal mit, so dass es leichter wird. Allein die Vorstellung, dass ich es machen könnte, reicht aus.
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Dienstag, 26. Juli 2022

Du bist einmalig, manchmal Stellvertreter, aber kein Ersatzmann


Man kennt das vom Fußball: auf der Ersatzbank sitzen die Spieler, die ausgetauscht werden bei Bedarf. Sie sind Ersatzmänner. Sie sind nicht die erst Wahl. Die erste Wahl steht auf dem Platz. Die Wahl, die der Trainer getroffen hat, ist hoffentlich gut abgewogen im Hinblick auf die gegnerische Mannschaft. 
Der Papst hingegen nennt sich nicht Ersatzmann sondern Stellvertreter. Er ist der Stellvertreter Christi auf Erden. In einer Firma gibt es auch öfter einen Stellvertreter, wenn der Chef nicht erreichbar ist. Ein Stellvertreter erhält gewisse Vollmachten. Diese Vollmachten geben ihm eine eigene Würde. Er bekommt Kompetenzen und Erlaubnisse zugesprochen und hat Anteil an der Macht.
Ein Ersatzmann wird immer das Gefühl haben, nur ein Ersatz zu sein für jemand, der besser ist als er. Der Ersatzmann steht in einem Vergleich, nämlich im Vergleich besser-schlechter. Für das Selbstbewusstsein ist das nicht gerade förderlich. Der Stellvertreter weiß sich zwar im Auftrag von jemand anderem, behält aber seine Würde, wird nicht verglichen, zählt als eigenständige Persönlichkeit. 
Wie ist das so in unseren Betrieben und in der Familie? Wenn da jemand ausfällt, gibt es da Ersatz oder Stellvertreter? Bist du ein Ersatzvater oder ein Stellvertreter? Wenn du keine feste Stelle hast: Bist du in der Firma die Ersatzfrau oder eine Stellvertreterin?
Bewusstsein schafft Veränderung!

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Montag, 25. Juli 2022

Schwarze Schafe sind auch nur Menschen.

So ist es! Du kannst einen Menschen als schwarzes Schaf betrachten. Ein Mensch, der alles anders macht. Der sich nicht einfügen möchte. Ein Mensch, der immer auffallen muss und eine Sondereinladung benötigt. Jemand, der sich nicht an gesellschaftliche Konventionen hält. Einer, der sich auf jeden Fall unterscheiden möchte.
Auch so ein schwarzes Schaf bleibt ein Mensch. Ein vielleicht komischer Mensch. Ein unerträglicher Mensch. Ein außergewöhnlicher Mensch. Ein unkonventioneller Mensch. Ein sozial unverträglicher Mensch. Ein Mensch in welcher Art und mit welchem Charakter auch immer - schwarze Schafe sind auch nur Menschen.
Ich glaube, dass es ihnen aber manchmal abgesprochen wird. Es gehört ja dazu, dass ich jedem noch so schwarzen Schaf mit Würde begegne. Ich kann mit bestimmten Handlungen überhaupt nicht einverstanden sein. Da kann jemand für mich wie in einer fremden Welt leben. Aber er verdient meine Achtung. Er ist einer von meiner Art.  
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Samstag, 23. Juli 2022

Die Seele hat die Farbe deiner Gedanken. Mark Aurel

Welche Farbe hat deine Seele? Wenn du von deinen Gedanken auf deine Seele schließen kannst? Welche Farben haben deine Gedanken? Liegen sie im Bereich von weiß, grau oder schwarz? Oder befindest du dich im Spektrum des Regenbogens?
Welche Farben dominieren und welche Farben tauchen nur in ganz bestimmten Situationen auf? Wann hast du zum Beispiel gelbe Gedanken und wann werden sie grün? Ich habe gerade einen orangenen Gedanken. Das fühlt sich sehr weich und warm und wohlig an. Ich kann aber auch ganz schnell einen grauen Gedanken bekommen wenn ich an bestimmte Menschen denke. Vom grauen Gedanken geht es dann schnell ins Herz und erfasst mein ganzes Wesen. Plötzlich bin ich dann grau. Meine Seele mag kein grau. Da bin ich mir ziemlich sicher. Aber weil sie mich liebt erträgt sie es klaglos. Meine Seele ist immer auf meiner Seite. Immer. Aber sie liebt die Farben. Eben auch farbige Gedanken. Meine Seele reagiert unmittelbar und kann sehr schnell wechseln. Ich stelle mir einen Menschen vor, den ich sehr mag und es wird gerade sehr orange bis rot mit vielen gelben Tupfern.
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Freitag, 22. Juli 2022

Einfach mal rumsitzen?


Sei nicht so passiv!
Werde doch mal aktiver!
Du sitzt da nur herum!
Ich habe dir das doch schon so oft gesagt!
Tu endlich mal etwas!
Du bringst mich zur Weißglut!

Du machst mich ganz verrückt!
Wenn ich dich schon sehe, wie du da herumsitzt!
Ist dir denn alles egal?
Muss erste die Welt untergehen, bevor du tätig wirst?
Nur ein mal!
Nur ein mal möchte ich erleben, dass du was machst!
Und nicht nur so herumsitzt!
Wenn jeder das täte!
Wenn alle nur so passiv wären!
Wie würde die Welt dann aussehen!

Ich weiß schon nicht mehr was ich sagen soll!
Ich habe alles versucht!
Ich kann nicht mehr!
Ich gebe auf!
Ich setze mich jetzt hin und komm erst mal zur Ruhe!

So stark verbal würde ich zwar nicht reagieren, aber im Kopf manchmal so oder so ähnlich denken.

Vor einigen Tagen sagte mir jemand: "Ich pflege meine Passivität." Das hat angesichts des aufgeregten Aktionismus durchaus etwas für sich. Manche Dinge erledigen sich von selbst. Es wird nichts so heiß gegessen, wie es gekocht wird. Du bleibst in einem erholsamen Entspannungszustand und sparst Adrenalin und Cortisol. Du kannst mehrmals tief durchatmen... und dann noch einmal durchatmen. Und du kannst denken: "Angesichts der Ewigkeit ist dieses Problem doch sehr gering!"

Die Person am Aktionismus-pol provoziert geradezu eine totale Passivität beim Gegenüber. Und jemand in totaler Passivität provoziert umgekehrt den Aktionismus. Interessanterweise sprechen wir aber vom Aktion -"ismus" und nicht vom Passiv-"ismus". "Ismen" haben immer etwas negatives. Sie übertreiben. "Alkoholismus" und "Individualismus" gehören z.B. dazu. Das Wort "passiv" wird nicht mit "ismus" verbunden sondern mit "Ivität". Bei "Ivität" fällt mir ein "Objektivität" oder "Konstruktivität". Vom Wortspiel scheint "Passivität" mit der innewohnenden "Ivität" eher wertschätzend zu klingen. Nun denn, ich pflege jetzt mal die Passivität und beende diesen Text.
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Donnerstag, 21. Juli 2022

Segen über die Seele (irischer Segen)

Sammler der Seelen,
bringe mir meine zerbrochene Seele zurück.
Möge kein Teil verloren gehen,
und kein Teil sich verirren.
Berge meine Seele in Frieden
im Seelenschrein meines Körpers.

Urlaubszeiten sind Seelenzeiten. Wie fühlt sich diese Zeit bei dir an? Hast du alle Teile von dir und in dir beisammen? Auch ohne Erwerbsarbeit? Manchmal erleben wir etwas, was uns nicht gut tut. Etwas, was uns kränkt. Und manchmal fühlt es sich so an, als ob ein Teil unserer Seele dabei auf der Strecke bleibt. Es fühlt sich dann wund an und ein wenig wie verloren sein.
Wie schön ist die Vorstellung, dass es einen Sammler der Seelen gibt. Einen Sammler, der wieder einsammelt, was im Laufe des Lebens und der Jahre sich verloren hat. Möge dieser Sammler mir meine zerbrochene Seele zurückbringen oder die Teile davon, die ich jetzt gut gebrauchen könnte. Es wäre gut, innezuhalten und in Urlaubszeiten und Freiräumen allen Teilen wieder Aufmerksamkeit zu schenken. Alle Teile der Seele gehören zu mir. 
In dir und in mir gibt es einen Schrein, in dem die Seele sich birgt. Der Seelenschrein! Also schließe ich meine Augen und spüre in mich hinein. Wie fühlt es sich im Herzraum an? Alles vollständig? Braucht es Zuspruch? Gute Worte? Heilende Zuwendung? Dann mache ich das einfach. Ich öffne meinen Seelenschrein und spreche mir gut zu. Den morgigen Tag mit einem versöhnten Herzen beginnen - das wünsche ich dir und mir!

Mittwoch, 20. Juli 2022

Was wirklich zählt! Teil 9: Lebe den Raum zwischen allen Polen!


Manche mögen es eindeutig. Ein klares Nein oder ein klares Ja. Entweder/oder. Schwarz oder weiß. Ich kann es oder ich kann es nicht. Ich liebe oder ich liebe nicht. Beliebt ist dann das Bild von der Schwangerschaft, dass ein bisschen schwanger sein auch nicht geht.
Stell dir ein Pendel vor. Es schlägt nach beiden Seiten hin aus und erreicht jeweils für einen Augenblick in voller Höhe die andere Seite bevor es wieder in die andere Richtung geht. Den größten Teil der Zeit bewegt sich das Pendel jedoch zwischen beiden Polen.
Es gibt immer so etwas wie einen Höhepunkt oder einen Gipfel. Das Ziel der Reise. Das Ja-Wort bei der Trauung. Den Höhepunkt der Show. Den Augenblick wo jemand ein Geschenk auspackt. Der Tag, an dem das Geld auf meinem Konto landet. Ich kann mir angewöhnen diesen Moment besonders zu schätzen. Ich kann aber auch dahin kommen, nur noch solche Augenblicke wahrzunehmen und wertzuschätzen.
Was ist jedoch, wenn das Geschenk mir nicht gefallen wird? Wenn das Ziel sich als völlig unattraktiv entpuppt? Wenn das Geld auf dem Konto mich nicht so befriedigt, wie ich es erhoffte? Es kann passieren, dass ich nur auf wenige Momente im Leben hin lebe. Immer auf den Moment, wo das Pendel den Wendepunkt erreicht. Ich müsste ständig jagen nach dem teuersten Auto nach der schönsten Frau oder dem reichsten Mann. Nach dem besten Restaurant und nach dem günstigsten Supermarktangebot. Ich käme mir vor wie ein Jäger, der nie zur Ruhe kommt.
Ich erinnere mich an Exerzitien mit einem Jesuitenpater, der uns instruierte, mit welcher Entscheidung wir Priester werden sollten. So ähnlich klangen seine Worte: „Geben Sie sich ganz hin! Machen Sie keine halben Sachen. Gott spuckt auf Menschen, die ihr Herz nicht ganz öffnen.“ Seine Sprache wurde immer deftiger. Ich wurde innerlich immer stiller.
Wenn ich ehrlich bin, dann sehe ich mein Leben eher als eine Ansammlung von Alltag. Ein wenig Hingabe und viel Routine. Treue zu  den alltäglichen Dingen wie Brot essen und Zähne putzen. Jeden Tag freundlich sein und das Wetter so annehmen wie es gerade ist. Die völlige Hingabe an das Leben oder an die Liebe gibt es und es ist auch schön. Aber es findet nicht 24 Stunden lang statt an jedem Tag. Das Leben ist alltäglich. Sehr alltäglich! Und noch alltäglicher! Aber – ich kann es wertschätzen. Ich kann es mögen. Ich kann es erforschen und ich kann darauf neugierig sind. 99 Prozent der Menschen sind Könige und Königinnen des Alltags, bewegen sich zwischen den Polen. Sind ein kleiner, aber wichtiger Punkt im Gitternetzwerk aller Menschen weltweit. Wenn du den Raum zwischen den Polen lebst wird dir kein Augenblick wertlos erscheinen. Dein Pendel bewegt sich und bewegt sich. Es verändert ständig ein wenig die Position und du bekommst einen neuen Blickwinkel. Das Geschenk der kleinen Dinge. Heute trägt deine Rose eine kleine Knospe, die vorgestern noch nicht da war. Du kannst dich so sehr über diese kleine Entwicklung freuen, dass dir die völlig entfaltete Rose gar nicht so wichtig erscheint. Du erlebst das Wunder des Alltags. Das alltägliche Wunder! Und du kannst dich wiederum dafür entscheiden. Du kannst dich entscheiden, die Peaks im Leben für nicht mehr so wichtig zu nehmen, sondern dich zu konzentrieren auf die wundervollen Zwischenräume. Stell dir vor, dass du dich ausdehnst. Langsam und beständig. So wie das ganze Weltall. Du konzentrierst dich auf das Ausdehnen und bewohnst mehr und mehr deinen ganzen Raum. Du lässt dich nicht davon ablenken dass du irgendeinen Pol oder ein Ziel erreichen müsstest. Du konzentrierst dich auf den Prozess. Auf das Wahrnehmen dessen, was jetzt gerade ist.
Von der Position des Beobachters aus kannst du beides zugleich machen. Du bist ausgerichtet auf den Gipfel und den Höhepunkt. Und zugleich bist du mit aller Kraft im Erleben des Hier und Jetzt zwischen den Polen.
Vielen Dank für das Lesen meiner Gedanken und dass du meinen Gedanken deine Zeit geschenkt hast. Was zählt für dich? Was habe ich vergessen? Was wirklich zählt ist ja eine sehr persönliche Frage. Wenn du dir die Frage stellst und danach handelst kannst du dir deine Lebenszeit besser einteilen. Du verzichtest vielleicht auf Überflüssiges und konzentrierst dich auf das Wesentliche. Manche Menschen können es auf einen einzigen Satz zusammenfassen. Ich kann die Idee von Augustinus gut teilen wenn er sagte: Liebe und tue, was du willst.  

Dienstag, 19. Juli 2022

Was wirkliche zählt! Teil 8: Du gehörst dazu Kraft deines Willens und deiner Entscheidung.


Hattest du in deinem Leben auch die Phase, wo du das Gefühl hattest, nicht zu deiner Familie dazuzugehören? Dir war völlig klar, dass deine Eltern dich irgendwann einmal adoptiert und es dir verschwiegen hatten. Du kamst dich so verschieden vor von deinen Eltern und fühltest dich sehr fremd.
Kennst du das heute auch noch, dass du dich in deinem Verein umschaust und eine gewisse Distanz bemerkst? Da sind die anderen und da bist du. Alle lachen über eine komische Situation und nur du findest es nicht witzig. Du machst dir Sorgen über irgendein Thema und alle anderen schauen dich befremdlich an. Du bist der einzige Mensch, der noch raucht oder nicht Vegetarier ist. Du sitzt im Zug und denkst, dass alle Menschen sich dort fremd sind und niemand mit niemandem verbunden ist.
Du gehörst nicht dazu. Die Vorstellung kann sich in deinem Inneren so ausbreiten, dass es dich völlig isoliert. Oder die Sehnsucht in dich wachruft zu der Welt zurückzukehren, wo du eigentlich hingehörst. Denn wahrscheinlich bist du ein verlorener Engel oder bist das Wesen von einem fremden Planeten. Du bist auf der Erde nur zu Besuch und wirst gleich wieder verschwinden.
Dieses Gefühl der „Nichtdazugehörigkeit“ ist für mich ein ganz natürlicher Bestandteil des Erdendaseins. Wir sind ja alle irgendwie nur Gast auf dieser Erde. Wir sind einmal gekommen und gehen wieder. Wir leben für ein paar Jahre in und mit unserer Herkunftsfamilie und gehen wieder auseinander. Entweder haben wir eine gute und erfüllte Zeit miteinander oder auch nicht. Aber wir werden uns auf jeden Fall eines Tages wieder trennen und neue Menschen finden.
Ich gehöre zu Tausenden von Welten nicht dazu. Ich fahre mit dem Zug von Hamm nach Berlin und komme an viele Städte vorbei mit vielen Menschen, zu denen ich nicht gehöre. Es ist normal, nicht  dazuzugehören. Ich gehöre nur manchmal zu etwas ein wenig dazu. Zu meiner Familie, zu den Menschen in der Nachbarschaft, zu meinem Freundeskreis, zu meinen Arbeitskollegen. Ein Teil in mir wird immer auch die Fremdheit spüren können.
Schwierig wird es, wenn sich die „Nichtdazugehörigkeit“ vertieft hin zu Isolation, Entfremdung, Depression und Abgetrennt sein. Wenn es dazu kommt dann bist du zu weit in diesen Pol hineingerutscht. Das tut niemandem gut. Und es stimmt auch nicht. Denn du gehörst ja dazu.
Und das ist ganz einfach. Du bist auf dieser Welt und darum gehörst du dazu. Du musst dich nicht extra anstrengen. So nach dem Motto: „Ach, ich gehöre nicht dazu. Was müsste ich denn leisten, damit ich es mir verdiene? Soll ich besonders nett sein? Besonders angepasst oder auffallend humorvoll? Soll ich ein paar Bücher lesen und schlau werden? Oder mehr aus meinem Äußeren machen?“ Nein, das alles musst du nicht. Du gehörst dazu, weil du existierst.
Zugleich darfst du aber auch eine Entscheidung treffen. Auch das macht einen Unterschied. Du kannst am Tisch sitzen mit deiner Familie und das Gefühl von Fremdheit hochkommen lassen oder du kannst dich satt hineinsetzen. Du kannst dich einfach entscheiden dazuzugehören. Wenigstens für diesen einen  Augenblick. „Jetzt gehöre ich dazu.“ Du schaust dich um und dir wird bewusst, dass du mit jedem in der Runde etwas erlebt hast. Mit jedem in deiner Familie hast du eine Geschichte. Vielleicht nicht immer eine glücklicher, aber trotzdem eine gemeinsame. Ohne dich hätte das Ereignis nicht stattgefunden oder ganz anders. Du hast diese Begegnung einmalig gemacht. Deine Schwester und du, ihr habt euch einmal in die Augen geschaut und euch gegenseitig wahrgenommen. Und schon gibt es diese Zugehörigkeit. Du kannst deine Schwester oder deinen Bruder jetzt wieder anschauen und dich erinnern, dass ihr einen kleinen Abschnitt miteinander unterwegs wart. Ihr habt einen kleinen Ausschnitt der Weltgeschichte miteinander geschrieben. Einen winzig kleinen, aber dennoch einen sichtbaren. Zumindest für euch. Dann gehörst du zu dieser Geschichte dazu.
Du kannst dich auch in den Zug setzen und an einem ganz bestimmten Tag nach Köln fahren. Dann gehörst du zu diesem Ereignis der Menschen dazu, die mit dir nach Köln gefahren sind.
Je länger du über deine „Nichtzugehörigkeiten“ nachdenkst und dir dessen bewusst wirst, desto mehr sorgst du dafür, dass ein dazu gehöriges Gefühl sich in dir ausbreitet. Du erschaffst dir mehr und mehr ein schweres und leeres Dasein. Je mehr du dir deiner „Dazugehörigkeiten“ bewusst  wirst, desto mehr vergrößerst du das Feld der Daseinsberechtigung. Du entscheidest also ob du verhungerst oder ob du satt wirst. 

Montag, 18. Juli 2022

Was wirklich zählt! Teil 7: Nicht ohne deine Lieblingsmenschen!


Glücksforscher haben schon lange herausgefunden, dass ein Mensch nicht allein leben kann. Er braucht gute soziale Kontakte um sich wohlzufühlen. Du brauchst ein Gegenüber und schon Martin Buber hat gesagt. Der Mensch wird am Du zum Ich.
Denke an deine wirklichen Lieblingsmenschen. Verbinde dich jetzt in diesem Augenblick mit ihnen. Lächle innen und außen und winke diesen Menschen zu. Vielleicht gehören welche dieser Lieblingsmenschen zu deiner Familie. Vielleicht auch eher zu deinen Freunden und Freundinnen. Sind männlich und/oder weiblich. Vielleicht hast du aber auch einen Lieblingsmenschen, der dich gar nicht kennt. Ein verstorbener Dichter oder eine Schriftstellerin, ein Mensch aus der fernen Vergangenheit. Oder ein Mensch in deiner Fantasie!
Stell dir einen Kreis von Menschen vor und du bist ein Teil dieses Kreises. In diesem Kreis stehen jetzt deine Lieblingsmenschen. Sie alle bekommen jetzt in diesem Augenblick mit, dass sie deine Lieblingsmenschen sind. Vorher waren sie es auch schon, aber jetzt sagst du es ihnen. „Hallo mein Lieblingsmensch! Schön, dass du mit mir in diesem Kreis bist!“ Schau dabei nach und nach jeden einzeln an. Wenn du diese Menschen gedanklich und gefühlt in deinen Kreis stellst, was glaubst du, wie du dich fühlen wirst? Einsam? Auf keinen Fall! Es macht dir deutlich, dass du zu einer Familie gehörst, blutsmäßig oder per Wahl.
Jederzeit kannst du deine Lieblingsmenschen zu dir einladen oder sie besuchen. Du kannst das physisch nicht immer, aber gedanklich auf jeden Fall. Du kannst dir dessen bewusst werden, dass du Lieblingsmenschen hast. Du bist nicht allein. Wenn du an deine Lieblingsmenschen denkst und dich mit ihnen verbindest wächst dir Kraft und Freude zu. In der Bibel wird erzählt, dass Gott die ersten Menschen erschuf. Auch er fühlte sich dann nicht mehr allein sondern hatte ein Gegenüber. Er konnte so kommunizieren und musste nicht mehr Selbstgespräche führen. Wer nur mit sich spricht wird wahrscheinlich zum Eigenbrötler. Vielleicht musste Gott den Menschen erschaffen damit er nicht zu eigenbrötlerisch wird. Auch er schuf sich Lieblingsmenschen. Wusstest du schon, dass du zu seinem Kreis dazugehörst? Im Kreis deiner Lieblingsmenschen kannst du dich satt hineinsetzen und dich ausgefüllt und wohlfühlen.
Und dann gibt es noch die ganz große Herausforderung. Ich meine die Gruppe der Menschen, die nicht zu deinen Lieblingsmenschen zählen. Die Gruppe, mit der du nicht kuschelst. Die aber dennoch wichtig sind für dich. Ich spreche von den „Entwicklungsmenschen“. Die Menschen, die dich herausfordern. Die dich ärgern. Die du nicht magst. Die dir fremd sind. Mit denen du Konflikte hast. Um die du einen großen Bogen machst. Die du auf keinen Fall in den Kreis der Lieblingsmenschen holst. Alle diese Menschen sind sehr wertvoll für dich. An denen kannst du wachsen und reifen. Sie sind dein kostbarstes Geschenk. Ohne sie würdest du einschlafen und dahindümpeln. Du würdest in deiner Kuschelgruppe ersticken. Du wünschst dir diese Menschen weit weg von dir. Und vielleicht hast du inzwischen festgestellt, dass dir das nicht gelingt. In der Familie hast du ein schwarzes Schaf, in der Nachbarschaft diesen penetranten Ordnungsfanatiker. Am Arbeitsplatz die faule Socke, die sich um jede Arbeit drückt. Manchmal erscheint dir die Welt voll mit „Entwicklungsmenschen“ und du freust dich auf den Himmel, weil du dann endlich von ihnen befreit bist.
Irrtum! Du triffst sie wieder. Alle! Sie sind einfach da. In dieser Welt und in der jenseitigen auch. Und es wird Menschen geben für die du selbst ein „Entwicklungsmensch“ bist. Die auch hoffen, dich so selten wie möglich zu sehen. Und? Musst du deshalb weichen? Auf keinen Fall! Du bist ja wichtig für die Weiterentwicklung dieses dir fremden Menschen.
So wichtig deine Lieblingsmenschen sind für deinen Kuschelfaktor so wichtig sind auch deine „Entwicklungsmenschen“.
Falls du feststellst, dass dir noch ein paar Lieblingsmenschen fehlen und du mehr „Entwicklungsmenschen“ an deiner Seite hast – herzlichen Glückwunsch. Du nimmst die Herausforderungen des Lebens ernst. Du willst dich wirklich weiterentwickeln! Und zugleich genieße es, dass du Lieblingsmenschen haben darfst. Mindestens einen!

Samstag, 16. Juli 2022

Was wirklich zählt! Teil 6: Rufe in den richtigen Wald hinein!


Ich traf einmal eine Frau, die sehr unglücklich war. Sie erzählte mir, dass sie zu ihren Arbeitskollegen immer nett und freundlich sei. Sie würde alle am Morgen grüßen und sich am Abend verabschieden. Aber niemand würde höflich zurückgrüßen. Und wenn diese Kollegen nicht mehr mit ihr reden, dann würde sie auch nicht mehr mit ihnen sprechen wollen. Der Satz würde nicht stimmen: „So, wie du in den Wald hineinrufst, so kommt es auch zu dir zurück.“ Sie würde sich immer bemühen, aber es würde nichts nutzen. Sie könne sich anstrengen so sehr sie wolle.
Dann fragte ich sie, in welchen Wald sie denn hineinrufe? In den Wald der Kolleginnen und Kollegen oder in den eigenen inneren Wald. Da stutzte sie einen Moment. Ihr wurde klar, dass sie gar nicht nach außen rief. Die Kolleginnen nahm sie gar nicht richtig wahr. Sie blickte in ihren eigenen einsamen, verlassenen und unfreundlichen Wald. Wie kann ein verdorrter Wald im eigenen Inneren einen blühenden Wald in der Außenwelt grüßen und glauben, da käme freundlich etwas zurück.
Die Frau erzählte mir, dass sie über die Jahre hin einsam geworden sei. Sie glaubte nicht mehr an das Glück an ihrem Arbeitsplatz und überhaupt. Irgendwann resignierte sie und gab innerlich auf. Ihr wurde klar, dass sie erst einmal ihren eigenen inneren Wald wiederbeleben muss. Noch war nicht alles verloren. Wurzeln graben sich tief ein und können längere Zeiten überstehen. Was braucht der innere Wald, damit er sich lebendig anfühlt und damit er freudig in andere Wälder hineinrufen kann? Eine gute Portion Selbstliebe! Selbstvertrauen und Glaube. Ein inneres Wissen, selber die Schöpferin und der Schöpfer des Waldes zu sein. Der innere Wald lebt oder vertrocknet in der Weise, wie ich es gestalte. Zu meinem inneren Wald hat niemand sonst einen Zutritt und niemand trägt die Verantwortung dafür außer mir selbst.
Seitdem beobachte ich mich verstärkt, wie es denn so ist mit meiner Außenwirkung. Wenn ich voller Freude durch die Welt gehe rufe ich viel lebendiger und liebevoller. Es kommt unweigerlich Liebe und Freude zurück. Und wenn mal nichts zurückkommt macht das nichts. Ich bin ja nicht darauf angewiesen. Um meinen inneren Wald kann ich mich immer kümmern.
Erinnerst du dich an die Anfangsfrage im letzten Brief, ob du noch ertrinkst oder schon surfst? Ein Ertrinkender wird zum Bettler, der schreit, ob ihn jemand rettet. So wie es Ertrinkende tun müssen. Wenn du surfst muss dich niemand retten. Du nimmst die Wellen wie sie kommen und gleitest durch das Auf und Ab hindurch. Dein inneres freies Kind erwacht und lacht und jauchzt. Du brauchst ein gutes Körpergefühl, ein gesundes Selbstvertrauen und die klare Vorstellung, dass du das kannst.
So wie du in deinen inneren Wald hineinrufst, so verlässt es deinen Körper und erreicht die Welt. Was andere tun kannst du nicht steuern und beeinflussen. Du bist davon auch nicht abhängig. Du bist nur der Hüter deines eigenen inneren Waldes. Da kannst du flüstern und rufen. Schmeicheln und flirten. Spaß machen und trösten.

Freitag, 15. Juli 2022

Was wirklich zählt! Teil 5: Dein innerer Beobachter

Wie kannst du im Dschungel der vielen Herausforderungen dein Leben meistern ohne die Angst vor dem Untergang. Ich gehe davon aus, dass wir Menschen drei Energiezentren haben, die uns zur Verfügung stehen beim Bestehen des Lebens.
Der Verstand bildet die mentale Ebene. Wir machen dort Pläne, überlegen, grübeln und sortieren. Im Herzen verorte ich die Gefühlsebene. Dort erleben wir das Energiezentrum, das uns Impulse gibt von Freude, Angst, Ärger, Trauer und Scham. Dort tanken wir auf um die Kraft zum Handeln zu bekommen. Vom Bauchzentrum her gehen wir in die konkrete Handlung, in die Aktion und in die Umsetzung. Nicht jeder Mensch ist im gleichen Zentrum gleich stark. Du kannst ja einmal überlegen ob du eher verkopft bist oder stark fühlst oder immer gleich in die Handlung gehst.
Die Gefahr besteht nun darin, sich in einem Zentrum zu verlieren ohne sich noch selbst steuern zu können. Du grübelst zum Beispiel ständig über ein bestimmtes Thema und nimmst gar nicht wahr, dass dir niemand mehr zuhört. Oder du bist so traurig über einen Verlust, dass du sehr einsam wirst und dich in dein Schneckenhaus verkriechst. Oder du landest in eine Art Aktivismus und brichst vor Erschöpfung zusammen.
Es fehlt also in meinem Energiemodell noch der Teil, der alles zusammenhält. Diesen Teil nenne ich den inneren Beobachter oder den Regisseur oder spirituell gesehen das „Höhere Selbst.“ Wenn du mit deinem Bewusstsein dir vorstellst, dass es für den Beobachter in dir einen eigenen Ort gibt außerhalb des Körpers kraft deiner Vorstellung wirst du feststellen, dass er sich unterscheidet von den drei Zentren. Dort ist es ruhig. Es gibt dort nichts zu tun. Alles ist an diesem Ort in Ordnung. Es wird dort nicht gewertet. Alles darf, und nichts muss sein. Wenn es um die Frage geht, was wirklich zählt, dann gehört es unbedingt dazu, dass du diese Position des inneren Beobachters für dich entdeckst und ausfüllst. Von dieser Position aus kannst du entscheiden ob du mit dem Grübeln aufhörst, ob es Sinn macht, jetzt zu handeln und auch, was du mit deinen heftigen Gefühlen machst.
Von der Position des Beobachters aus schwemmen dich die Gefühle nicht weg und du ertrinkst nicht darin, sondern du kannst entscheiden, was du jetzt mit diesen Gefühlen machst. Bist du die Angst oder fühlst du sie lediglich? Begleitest du die Trauer oder identifizierst du dich damit? Durchatmest du Wut und zerplatzt du in dem Gefühl? Du überlässt es nicht einfach den aufkommenden Gefühlen was geschieht, sondern du wirst zum Surfer deines Lebens.
Zum Surfen gehören ein paar hilfreiche Grundideen oder Glaubenssätze, die aus der Position des Beobachters heraus deinem Leben mehr Profil und Tiefe geben. Du erinnerst dich an den ersten Teil, wo es um die Selbstliebe ging, um die angstfreie Weiterentwicklung und um die Entscheidung, sich immer wieder zu verbinden. Heute geht es weitere Impulse, deine Beobachterposition zu stärken.
www.matthias-koenning.de 

Donnerstag, 14. Juli 2022

Was wirklich zählt! Teil 4: Du darfst dich angstfrei weiterentwickeln


 
„Ich tue das nie, nie wieder!“ In mir entsteht das Bild von mir als ich ein kleiner Junge war. Ich möchte einmal diese wunderbare bunte chinesische Tasse in der Hand halten und befühlen. Dabei werde ich erwischt und lasse vor Schreck die Tasse fallen. Mutter steht zornig und enttäuscht vor mir. Ich bekomme ihre ganze Wut und den Ärger ab. Die schöne chinesische Tasse von meiner Tante liegt nun in tausend Scherben da.
Ich bin ein Verbrecher. Man wird mich von meinen Eltern entfernen und ich lande im Heim. Unter lauter fremden Kindern. Ich werde alles verlieren. Meine Mutter wird mich nie wieder lieben und bei Vater werde ich auch keinen Trost finden. Ich bin schuldig. Die Scherben liegen da. Das Bild prägt sich ein wie das Brandmal bei einem Kalb. Die zerbrochene Tasse, die wütende und aufgelöste Mutter und ich hilflos und voller Angst. Nichts kann mich trösten oder beruhigen. Unauslöschlich gräbt sich das Erlebnis ein in jede Zelle meiner Haut.
Ich übertreibe? Ja, aus der Perspektive eines Erwachsenen. Du würdest es nivellieren. Es war schlimm und so schlimm auch wieder nicht. War ja nur ein Tasse. Die kann man ersetzen. In der Erwachsenenhaut gibt es das Erschrecken und das Beruhigen. Die Einsicht, dass ein Schaden entstanden ist. Ich entschuldige mich und bezahle die Rechnung. Ich vergewissere mich, dass die Beziehung nicht gelitten hat und dass wir uns wieder gut sind. Das Ganze dauert zehn Minuten.
Aber aus der Perspektive eines Kindes? Du hast keine Vorstellungen von Zeit, Kosten, Folgen oder Bewertungen. Du erschrickst, erstarrst und fühlst dich dem Tode nahe. Du bist nicht in der Lage, damit umzugehen. Du musst es erst noch lernen. Wenn du als Kind so hilflos und ohnmächtig dastehst wirst du alles dafür tun, dass dir das nie wieder geschieht.
„Ich tu das nie, nie wieder!“ So schnell wirst du keine Porzellantasse mehr in die Hand nehmen. Die Angst wird dich hindern. „Lass es stehen! Sonst lässt du es fallen und du weißt genau, was passieren wird. Willst du, dass die Welt zusammenbricht und alle geliebten Menschen sich von dir entfernen?“ Das willst du nicht, weil du ja alleingelassen sterben müsstest. Du bist angewiesen auf deine Eltern und auf ihr Wohlwollen!
Dabei fing alles so verheißungsvoll an. Du kommst als Schöpfer, als Erfinder und Entdecker auf die Welt. Voller Lust und positiver Energie drückst du dich aus. Das Wort Angst kennst du nicht im Zusammenhang mit Menschen. Höchstens mit normalen Abläufen des Alltags wie bei den Tieren. Da kommt plötzlich und unerwartet etwas auf dich zu, das dich erschreckt. Die Nacht bricht herein und du siehst nichts mehr. Geräusche dringen an dein Ohr, die du nicht deuten kannst.
Direkt bei dir jedoch hast du Kontakt zu deinen Eltern. In ihrer Nähe fühlst du dich sicher und geborgen. So lernst du eine gesunde Mischung aus Vertrauen und den Umgang mit unbekannten Situationen. Die Nähe deiner Eltern verleiht dir den Mut, deine Komfortzone zu verlassen und Neues zu wagen.
Wie jedoch entwickelst du dich, wenn deine Eltern unsicher sind? Wenn Vater und Mutter in einer angespannten Beziehung leben? Wenn deine Mutter Angst um dich hat und dir nichts zutraut? Wenn sie dich permanent beschimpft und überfordert? Wenn du in einem Umfeld von Angst aufwachsen musst? Die ersten Jahre deines Lebens prägen dich. Und als Erwachsener musst du mit deiner Prägung das Leben bestehen.
Vielleicht erinnerst du dich gar nicht mehr an die einzelnen Ereignisse aus deiner Kindheit. Aber du wirst ein Grundgefühl entwickelt haben. Du wirst eher vertrauen und dir kraftvoll das Leben erobern oder dich zögerlich zurückhalten und dich eher verweigern.
Wenn du angstvoll aufgewachsen bist bleibt dir nichts anderes übrig, als damit zu leben. Du wirst in der Regel sehr vorsichtig sein. Du wirst dazu neigen, viele Versicherungen abzuschließen, Türen und Fenster in deiner Wohnung zu verriegeln und ständig zu überprüfen. Dir unbekannte Menschen werden erst einmal beweisen müssen, dass sie vertrauenswürdig sind. Dein Immunsystem wird stark herausgefordert sein und du wirst stärker zu Allergien neigen als andere. Du wirst oft das Für und Wider abwägen und dich nicht gut entscheiden können. Du wirst dazu neigen, die Schuld auf dich zu nehmen und lieber kein Nein zu riskieren. Du wirst Lebensmittel nicht essen wenn sie nicht absolut sicher sind. Du wirst das Gefühl haben als ob um dich herum eine Mauer aufgebaut ist, die du nur angestrengt überwinden kannst. Je größer die Angst, desto höher und dicker die Mauern und das Bemühen, dir Sicherheit zu verschaffen.
Und du machst die Erfahrung, dass es nie genug ist. Noch eine Versicherung zusätzlich, noch vorsichtiger sein, noch weniger wagen. Die Angst und die Angst vor der Angst lauern dir ständig auf.
Wenn du dich weiterentwickeln möchtest bleibt dir nichts anderes übrig, als zu lernen, mit der Angst umzugehen. Menschen, die relativ angstfrei aufwachsen können sich da nicht wirklich gut einfühlen. Welche Möglichkeiten hast du? Du kannst weitermachen und alles, was Angst macht, vermeiden. Du flüchtest! Oder du stellst dich mutig den Herausforderungen. Du durchlebst die Angst. Du lässt dich von ihr überfluten. Du setzt dich daneben. Du lernst, trotzdem zu atmen. Du entschließt dich dazu, der Angst nicht mehr so viel Raum zu geben, dass sie dein Leben verhindert. Du entschließt dich zu einer neuen Lebensphilosophie: „Ich habe Angst davor, also mache ich es.“ Mach dir keine Sorgen. Es wird noch genug Angst übrig bleiben. Aber du wirst dich weiterentwickeln.
Stell dir aber vor, dass es den großen Tag geben wird, wo du dich weiterentwickelst jenseits der Angst. Einfach nur weil du Freude hast. Tiefe Freude an dir, an den Menschen um dich herum und an den Dingen. Du kehrst zum Anfang deines Daseins zurück. Du erinnerst dich daran, dass du mit voller Energie und grenzenlosem Vertrauen ausprobieren und gestalten darfst. Du darfst wie ein Baby die Welt erobern und machst das mit einer Bewusstheit von absoluter Sicherheit.
Du kannst es lernen, den Raum der Angst zu überwinden und zu ersetzen durch das Wissen, dass du Teil eines göttlichen Ursprunges bist. Deine Angst verzerrt dir den Blick auf die Wirklichkeit. Mit deiner Angst wirst du in vielen Menschen einen Feind sehen, der dich ausbeuten, betrügen und übervorteilen wird. Jenseits der Angst jedoch wirst du in jedem Menschen einen Bruder oder eine Schwester sehen. Einen Spielkameraden, mit dem du die Welt erkunden darfst.
Wo befindest du dich gerade in deiner persönlichen Entwicklung? Hast du schon alle Urängste kennengelernt und überwunden? Lebst du schon in der Freiheit der Kinder Gottes? Ich merke immer wieder, dass meine Vergangenheit ihren Schatten über mich legt, aber die Macht verschwindet mehr und mehr und das fühlt sich gut an. Stell dir vor, dass du dich angstfrei weiterentwickelst. Stell dir vor, dass du das kannst und dass das ganz selbstverständlich ist. Lerne solche Menschen kennen und lass dich von ihnen anstecken. Spüre den Unterschied, der einen Unterschied macht. Du kannst lustvoll und neugierig die neuen Räume betreten oder vorsichtig und zurückhaltend. Sterben musst du sowieso. Aber es reicht, das am letzten Tag deines Lebens zu machen. Sonst stirbst du jeden Tag und hast gar nicht gelebt. 

Mittwoch, 13. Juli 2022

Was wirklich zählt! Teil 3: Nimm wahr, dass du äußerst liebenswert bist



Du kannst es nicht leugnen. Du bist da auf dieser Welt. Du kannst es befühlen und du kannst dich im Spiegel anschauen. Du existierst! Und du bist dir dessen bewusst. Doch wie bist du dir deiner selbst bewusst?
Du warst einmal ein wunderbar süßes kleines Baby. Deine Mutter und dein Vater haben dich angestrahlt und ihr Herz für dich geöffnet. Und wenn der Vater fehlte und die Mutter nicht so herzlich war, dann gab es einen anderen Menschen. Am Anfang stand ein großes Willkommen über deinem Leben. Du hast als ein äußerst liebenswertes Wesen das Licht der Welt erblickt. Niemand hat etwas von dir erwartet. Du musstest nichts dafür leisten und du konntest es nicht bezahlen. „Sei bitte freundlich zu mir Mama, dann bekommst du einen Euro von mir.“ Allein eine solche Vorstellung wäre völlig absurd. Ohne dein Zutun wurdest du geliebt.
Irgendwann gab es den Augenblick, wo du nicht mehr ganz so hilflos warst. Du konntest etwas. Greifen, dich umdrehen, krabbeln, lächeln. Deine Eltern sahen, dass du dich entwickelst und freuten sich mit dir. Und sie freuten sich, dass sie nicht mehr alles für dich tun mussten. Dass wieder etwas Energie und Zeit für sie selber blieb. Nur ein paar Minuten zwar, aber immerhin. Etwas später, als du sprechen konntest, und deine Eltern etwas für dich tun wollten, hast du so einen Wiederstand entwickelt. Mit allem Zorn hast du deutlich gemacht: „Alleine!“ Ah, du wolltest es alleine machen. Ohne fremde Hilfe! Da wurde in dir das Bedürfnis nach Freiheit und Autonomie wach. Die befriedigende Erfahrung, nicht abhängig zu sein. Nicht warten zu müssen. Nicht mehr diese entwürdigende und hilflose Erfahrung machen zu müssen, auf jemanden angewiesen zu sein.
Und deine Eltern? Sie erlebten vielleicht so eine ambivalente Mischung von Stolz und Furcht. „Ich werde nicht mehr gebraucht? Ich bin überflüssig? Ich werde zurückgestoßen?“ Die erste echte Kränkung deiner Eltern. Und diese Geschichte wird sich fortsetzen. „Kind, können wir etwas für dich tun?“ „Nein, vielen Dank, das schaffe ich selbst.“ Auch deine Reaktion war ambivalent. „Darf ich das alleine? Kränke ich nicht jetzt meine Eltern?“ Und schon sehr früh in der Interaktion zwischen dir und deinen Eltern taucht irgendwann der Gedanke auf, dass du nicht in Ordnung bist. Du kannst immer noch nicht laufen, nicht richtig sprechen, haust andere Kinder, quengelst, willst Sachen, die aus der Sicht des Erwachsenen völlig daneben sind, und, und, und...
Diese Erfahrungen kannst du sammeln und zu einem erschreckenden Ergebnis kommen. Du bist überhaupt nicht in Ordnung. Du bist ein Monster! Du machst viel falsch und nur wenig richtig und du nimmst es sehr persönlich. Du kommst zu dem Ergebnis, nicht, dass du etwas falsch machst, sondern dass du völlig falsch bist.
Du wirst älter und älter und vergisst den Anfang deiner Lebensgeschichte: Dass du ein äußerst liebenswerter Mensch bist. Du triffst andere Menschen und wirst vorsichtig. Werden sie dich mögen? Wenn ja, unter welchen Bedingungen und Voraussetzungen? Wird sich das Drama im Elternhaus fortsetzen? Der Kampf um Anerkennung und Liebe?
Bitte keinen Vorwurf an deine Eltern! Sie sind wie sie sind und sie tragen nur einen kleinen Teil zu deiner Misere bei. Selbst, wenn sie dir alle ihre Liebe schenken, wirst du dahin kommen, wo alle Menschen heute sind. Im Zweifel, wirklich liebenswert zu sein. Einfacher ist es natürlich, wenn du einen Schuldigen findest. Weil meine Mutter mich nicht genug gestreichelt hat, bin ich jetzt so kühl. Weil mein  Vater mir nichts zugetraut hat, habe ich jetzt kein Selbstvertrauen. Ich kenne solche Schuldzuweisungen und sie stimmen auch. Aber es nutzt dir nichts. Du bist jetzt auf dieser Welt und darfst mit dem Erbe deiner Eltern leben. Ich kenne keinen Menschen, bei dem nicht ab und zu die Frage auftaucht, ob er liebenswert genug ist. Vielleicht war Jesus davon befreit oder der Dalai Lama. Aber sicher bin ich mir da nicht.
Fühlst du dich als ohnmächtiges Produkt deiner Lebensgeschichte? Nicht genug geliebt und unfähig zu lieben? Du bist äußerst liebenswert, weißt du das? Du bist so was von wunderbar und es ist toll, dass du mit mir auf dieser Welt bist. Ich meine das so und ich fühle das mit allen Fasern meines Körpers. Selbst, wenn ich dich gar nicht persönlich kenne. Ich schließe meine Augen und stelle mir vor, dass du da bist. Mein Herz geht auf und ich spüre die Liebe zu dir. Wow, welch ein wunderbares Wesen du bist!
Jetzt könnte ich von dir schwärmen und viele Worte für meine Freude finden. Aber was ist, wenn du mir nicht glaubst? Wenn du mich abweist. Wenn meine Worte dein Herz nicht erreichen können.
Viel entscheidender wäre es, wenn du selbst auf diese Idee kämest. Wenn du die Augen schließt und in dein Herz gehst und anfängst, über dich zu staunen. Wenn du sagen könntest: „Ja, ich bin total liebenswert! Wie wunderbar, dass ich da bin. Und dass ich da bin, genauso wie ich da bin!“ Dass du das zu dir selber sagst. Du könntest gedanklich zurückgehen zu deiner Geburt und noch weiter zurück zu deinem Dasein in der Höhle deiner Mutter, noch weiter zurückgehen zu dem Zeitpunkt, wo du gezeugt wurdest und noch weiter zurück, wo die Bausteine von Same und Zelle entstanden und noch weiter zurück zum Ursprung deines Bewusstseins. So weit zurück, bis du dich deiner göttlichen Quelle erinnerst und sie wieder verinnerlichst. Werde dir deines göttlichen Ursprunges bewusst. Trage es wie ein Siegel auf deinem Herzen. „Ich bin äußerst liebenswert.“
Dieses Bewusstsein will gepflegt werden, weil die Gefahr besteht, dass du es schnell wieder verlierst. Da nimmt dir jemand die Vorfahrt. Da übersieht dich jemand bei einer Begrüßung. Da bricht jemand den Kontakt zu dir ab. Mehrmals am Tag kannst du die Erfahrung machen, die dich abrutschen lässt in eine tiefe Verlorenheit. Erinnerst du dich daran? „Du bist äußerst liebenswert!“ Mach doch mal die Übung und zähle auf, was genau du an dir liebenswert findest. Insgesamt bist du liebenswert. Ja? Aber du kannst auch ins Detail gehen. Du bist ja eine Komposition aus vielen Elementen, ein buntes Mosaik von Liebenswertigkeit. Niemand kennt diese Zusammensetzung so wie du.
Ist dir schon einmal aufgefallen, dass Menschen von außen dich ganz anders wahrnehmen als du dich selbst. Ich bin manchmal total erstaunt, was Menschen an mir liebenswert finden. So genau habe ich für mich noch gar nicht hingeschaut. Ich schaue, was andere Menschen als liebenswerte Wesen ausmacht und kann das schnell herausfinden. Warum gelingt mir das nicht mit mir selbst?
Fühlt sich das dann sofort an wie Eigenlob? Eigenlob stinkt? Bin ich ein Narzisst, wenn ich so denke und verführe ich dich zu einer sehr unchristlichen Haltung? Im Laufe des Lebens haben wir ja das Bewusstsein dafür verloren, wie kostbar und wertvoll wir sind. Wir haben uns daran gewöhnt, wie mangelhafte Wesen herumzulaufen. Ständig bewertet und kritisiert. Wir sind unser größter Feind und Kritiker. Wir erkennen unsere Fehler und Schwächen und schämen uns dafür und sind damit beschäftigt, sie zu vermeiden, unsichtbar zu machen, auszumerzen. Immer mit der Absicht, dadurch liebenswerter zu sein. Dabei wächst der Schmerz, weil es uns eigentlich gar nicht gelingt. Jedes Scheitern bestätigt unser chronisches Versagen.
Wie würde sich dein Leben anfühlen, wenn du diesen ablehnenden Teil deines Lebens einmal ruhen lassen würdest. Und stattdessen dich so anschaust, wie andere liebevolle Menschen dich anschauen. Sieh dich an mit dem Blick deiner Eltern und wenn du gläubig bist mit dem Blick Gottes. Erinnerst du dich daran? Du bist äußerst liebenswert! Ich erinnere dich und mich ständig daran. Sobald ich dich frage, was dich in deiner Kindheit traumatisiert, dich eingeschränkt oder gekränkt hat, werden die entsprechenden Bilder, Gefühle und Bewertungen wach. Schon hast du wieder vergessen, dass du äußerst liebenswert bist. Kränkungsbilder sind unglaublich mächtig. Du glaubst ihnen lieber als der anderen Wirklichkeit. Das geht sehr schnell: „Ach, ich bin ja doch nicht liebenswert. Ich habe es immer schon gewusst. Mein Gefühl täuscht mich nicht.“ Du musst um diese Wirkmechanismen wissen. Die Wirkmächtigkeit deiner lebenslangen Glaubenssätze.
Als kluger Mensch wirst du vielleicht denken, dass es stimmt, dass du äußerst liebenswert bist. Aber dieser Gedanke ist oft nicht stark genug. Da sagt dir ein Mensch: „Du hast mich total enttäuscht!“ Und schon fällt deine Selbstliebe wie ein Kartenhaus zusammen. Kannst du dir vorstellen, dass die Vorstellung, dass du äußerst liebenswert bist, zu einem neuen Leitwert in deinem Leben wird. Du kannst dich dafür entscheiden. Du gibst immer wieder dein Ja dort hinein. Wenn dieser Mensch dir sagt, wie sehr er enttäuscht ist, wirst du vielleicht für einen kurzen Moment diese Trauer oder den Ärger spüren und zugleich den Lichtschalter anmachen: „Auch wenn ich jetzt diesen Kloß im Hals habe, bin ich total liebenswert.“ Du trainierst es und die „böse Welt“ und die „ablehnenden Menschen“ werden zu deinen effektivsten Sparringspartnern. Übe an deinen „Feinden“, dass du ein äußerst liebenswerter Mensch bist. Jetzt schließ die Augen und lass in dir das Bild entstehen wie du selber als Baby in der Wiege lagst. Was für ein liebenswertes Wesen!   

Dienstag, 12. Juli 2022

Was wirklich zählt! Teil 2: Verbinde dich lieber anstatt dich zu trennen



Du lebst in einer Welt in der alles voneinander getrennt ist. Zumindest kann ein solcher Eindruck entstehen. Du trennst Arbeit von Freizeit und hast für jeden Bereich unterschiedliche Ansprüche. Du möchtest in deiner Freizeit nicht gestört werden und in deiner Arbeit achtet dein Arbeitgeber darauf, dass du nichts Privates machst. Kinder werden von Erwachsenen getrennt. Die Welt von Kita und Schule für die Kinder, die Arbeitswelt für die Erwachsenen. Wir trennen die Grundstücke und errichten Grenzen. Hier wohne ich und dort wohnst du.
Deine Freundin macht dir einen Vorwurf, dass du ihr nicht zuhörst und du fühlst dich abgetrennt. Manche trennen sich von ihren Gefühlen und bleiben lieber im Kopf. Mit dem Kopf kannst du planen und kontrollieren. Deine Gefühle machen, was sie wollen. Sogar in deinem Verstand gibt es Trennung. Ein Teil von dir möchte sich ausruhen und ein anderer Teil möchte etwas erleben. Wieder ein anderer Teil möchte anerkannt werden und fühlt sich dennoch verurteilt.
Neben dir im Zug sitzt ein Mensch aus einem fremden Kulturkreis und du findest nichts, was dich mit ihm verbindet. Du kannst eine Brille aufsetzen mit der du alles was du siehst, trennst. Sogar bei einer Tasse mit Blumenmuster siehst du die Farben und Formen und denkst, dass rot ganz anders wirkt als blau. Beim Betrachten von blau bekommst du andere Gefühle als beim Betrachten von Rot. Die Tasse gefällt dir nicht und schon bist du von der Tasse getrennt. Außerdem besteht ihr Material aus Steingut und du bist aus Fleisch und Blut.
Du sitzt mit anderen Menschen zusammen und denkst, wie verschieden sie von dir sind. Deinen Nachbarn findest du zu leise, den nächsten zu laut, wieder jemand ist vom anderen Geschlecht, das du sowieso nie richtig verstehst. Einer hat die Macht und andere sind ohnmächtig.

Wenn du die Brille der Trennung aufsetzt kannst du dich in Trennungsgedanken hineinsteigern. Der Abstand zwischen dir und den Anderen wird immer größer und größer und plötzlich fühlst du dich allein. Du bist wie unter einer Glasglocke und du hast mit allem, was du siehst, nichts mehr zu tun. Wenn du es aushältst gibt es nichts zu tun. Es ist ja ein Teil der Wirklichkeit. Oder? Da bist du und da ist das Fremde gegenüber und du bist nicht das Fremde und das Fremde ist nicht du. Wahrscheinlich kannst du dich nicht mehr daran erinnern, wie du als Baby geschrien hast und niemand gekommen ist. Du warst allein mit deinem Bedürfnis und mit deinem Schmerz. Dabei lebte in dir noch die glasklare Gewissheit, dass du tief mit der Mutter verbunden bist. Du kamst doch aus ihrem Bauch. Du warst ein Teil von ihr. Nichts deutete darauf hin, dass du allein bist in dieser Welt. Du lagst dort in deinem Bettchen und konntest dir nicht helfen. Du konntest ja noch nicht aufstehen und deine Mutter suchen. Du musstest es aushalten und schreien und warten. Diese Erfahrung hat sich in dir eingebrannt. Die Mutter ist nicht zuverlässig da. Sie mutet dir den Schmerz der Trennung zu.
Wie mag sich das auf dich ausgewirkt haben. Hast du alles dafür getan, dass das nie wieder passierte? Hast du so lange geschrien, bis deine Mutter verstand, dass du immer bei ihr sein wolltest? Und heute klammerst du immer noch? An Menschen oder Dingen? Dein Klammern diente ja nur dem Ziel, bloß nicht getrennt zu werden. Aber eigentlich warst du da gefühlt schon getrennt. Verbunden mit der Mutter, aber in tiefer Angst vor Trennung.
Oder du hast schicksalsergeben geschwiegen und resigniert. Du schreist und niemand kommt und du musst das Schicksal annehmen. Ja, du bist getrennt und niemals wieder wird jemand kommen und dir etwas vormachen können. Wenn deine Mutter jetzt kommt wirst du denken, dass sie sowieso gleich wieder geht. Freude und Wohlbefinden lohnen sich nicht. Halte dich zurück, damit du nicht gleich wieder enttäuscht wirst. Und so wächst du auf mit der Idee, dass eigentlich alles von dir getrennt ist. Die andere Wirklichkeit möchtest du nicht mehr sehen und wahrnehmen.
Die andere Wirklichkeit darfst du wieder entdecken. Die Wirklichkeit, dass du mit allem was ist, verbunden bist. Im Bettchen als kleines Baby musstest du das Unerträgliche ertragen. Aber jetzt als Erwachsener kannst du laufen. Du kannst dich bewegen. Mit deinem Körper, mit deinen Gedanken und mit deinem Herzen. Du kannst dich zu jedem Zeitpunkt deines Lebens dafür entscheiden, dich wieder zu verbinden. Der Verbindungsfaden ist vorhanden. Du kannst im Kreis deiner Menschen sitzen und das Verbindende sehen. Da sitzen lauter Menschen so wie du. Da schaut dich jemand an und du schaust zurück und im Augenblick gibt es eine Verbindung über den Blick. Ist dir schon einmal bewusst geworden, welche Energie im gegenseitigen Anschauen liegt.
Du schaust jemanden an und dieser Mensch schaut zurück und ihr trefft euch mit den Augen. In diesem „Augenblick“ steht die Welt still und es gibt keine belastete Vergangenheit und keine beängstigende Zukunft. Nur du bist da und dein Gegenüber. Du kannst mit vielen Menschen zusammensitzen und lauter überflüssiges Zeug sprechen. Allein dieser „Augenblick“ löscht alles Widrige aus. Du lebst im Geschenk. Und davon gibt es unendlich viele. Jemand berührt dich mit der Hand. Ganz sanft und nur so eben und scheinbar so nebenbei. Spürst du die Elektrizität, die durch deinen Körper geht? Du bist gemeint! Da nimmt dich jemand wahr. Über diesen Hautkontakt gibt es eine Verbindung. Ganz kurz flammt im Unterbewusstsein die Erinnerung auf, dass es eine Nabelschnur gab. Darüber wurdest du versorgt. Neun Monate und ohne Unterbrechung. Dann berührt dich jemand und das ganze Programm der Versorgung wird wieder aktiv. Wow, du bist verbunden!
Im Mutterleib gab es zwar eine Verbindung ohne Unterbrechung. Aber es hatte auch ein „aber“. Aber du konntest nicht unabhängig dein Eigenes machen. Um dein Eigenes machen zu können, was ja sehr befriedigend ist, musst du dich kurzfristig trennen. Du trennst dich und verbindest dich mit etwas anderem. So ist das Spiel: sich trennen und verbinden. Um sich wieder zu trennen und wieder zu verbinden. Du wanderst quasi von Verbindung zu Verbindung und bist eigentlich nie wirklich getrennt. Es sei denn, du nimmst es so wahr. Trennung über Trennung! Niemand mag mich und bei niemandem halte ich es aus.
In deinem Geist und in deiner Seele kannst du eine bewusste Entscheidung treffen. Du spielst mit allen Menschen ein schöpferisches Spiel. Die ständig sich wiederholende Freude, in immer wieder neue Verbindungen zu gehen. Oder du bewegst dich in der ständigen Angst, alles zu verlieren. Dann lebst du in dieser Angst wie in einem Dauerzustand. Mal gefühlt, oft aber auch verdrängt. Im Bewusstsein der Trennung bist du auch abgeschnitten von allen Quellen, die dich speisen können. Umgekehrt leidest du keinen Mangel, wenn du Teil eines wundererfüllten Netzwerkes bist. Du empfängst und du gibst weiter.
Stell dir die Beziehung zu einem guten Freund oder einer guten Freundin vor. Es beglückt dich, dass jemand für dich da ist und auch umgekehrt. Jetzt sagt dieser Mensch etwas zu dir, das dich kränkt. Für einen Moment fühlst du dich verraten und zurückgestoßen. Wie kann dieser Mensch diese  Freundschaft so verraten und mit Füßen treten. Du steigerst dich herein und deine Phantasie geht mit dir durch. Dein Freund war immer schon unehrlich und du hast dich ausnutzen lassen. Du wurdest belogen und betrogen und dieser Mensch hat deine  Freundschaft nicht verdient. Du selbst merkst nicht, wie du immer mehr in einen abgetrennten Zustand gerätst. Du kannst gar nicht mehr überprüfen, ob deine Gedanken wirklich wahr sind oder nur Produkte deiner Phantasie. In dieser Abtrennung fühlst du dich verraten und zugleich immer trauriger wütender und ängstlicher. Du bestrafst dich damit selbst, indem du dich in diesen schrecklichen Zustand hineinversetzt. Du erlebst den Kern dessen, was die christliche Höllenvorstellung ausmacht. Scheinbar angestoßen durch den Verrat des Freundes katapultierst du dich in deinen inneren Höllenzustand. Je öfter du das erlebst, desto schneller funktioniert dieser Mechanismus.
Was setzt du dieser zerstörerischen Energie entgegen? Wir Menschen haben einen starken Geist. Du kannst diese Gedanken stoppen und dich daran erinnern, dass es diese wunderbare Freundschaft gab. Du kannst die Frage in dir zulassen, ob es möglich ist, dass diese Freundschaft auch jetzt noch besteht. Eher im Pausenmodus, aber latent vorhanden. Du kannst dich an alle freundschaftlichen Begegnungen und Ereignisse erinnern und diesen Bedeutung und Kraft geben. Du kannst die Augen schließen, dich in dein Herz hineinbewegen und das Gefühl der Trennung fühlen und zugleich zulassen, dass dieser Zustand gefüllt wird mit Erinnerungen an diese Liebe. Je mehr dieses Bewusstsein von Liebe in dein Herz strömt, desto mehr besänftigt sich der innere Aufruhr. Ja, du spürst die Kränkung und ja, du spürst auch die Liebe. Indem du dich dafür entscheidest, die Verbundenheitsgefühle und Gedanken zuzulassen verändert sich deine innere Landschaft. Und du kannst dich dafür entscheiden, das fortlaufend zu trainieren. Die Welt mit all den Trennungsmöglichkeiten ist dein Sparringspartner deiner persönlichen Entwicklung. Jedes Auto, das dir entgegenkommt, jeder Regentropfen und jede Begegnung mit einem Menschen können in dir Höllenzustände oder himmlische Gefühle auslösen. Du selbst sitzt in deinem Herzen an der Weichenstellung und entscheidest, wohin es geht.
Ohne Zweifel magst du denken, dass es Menschen gibt, die es leichter haben. Sie haben mehr Verbundenheitsanteile geschenkt bekommen als Trennungsmöglichkeiten. Sie sind scheinbar vom Glück geküsst worden. Das ist bestimmt so. Aber du hast dein eigenes Leben und deine eigenen Herausforderungen. Und wenn du dich mit anderen Menschen vergleichst, bist du gleich wieder in der Hölle. „Die anderen haben Glück und ich? Ich muss im Elend aushalten.“ Nicht das Glück der anderen macht dich elendig, sondern der Vergleich, den du anstellst und bewertest.
Bleibe lieber bei deiner inneren Herzensweiche und entscheide dich für dein eigenes Leben. Du kannst die Hölle verstärken oder den Himmel. Es gibt keinen Tag, wo du nicht diese Herausforderung hast. Darin liegt zugleich das Geschenk. Du hast jeden Tag die Möglichkeiten zu wählen. Verbindest du dich oder trennst du?