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Samstag, 22. April 2023

Die Liebe macht den, der von ihr trunken, gleichgültig gegen Ehre und Schande. (Mohammed Ben el-Hosein Ben Musa el-Esd)

Dieses Wort stammt von einem sufischen Mystiker aus dem Mittelalter. Ich möchte den Satz einmal von hinten her aufdröseln.
Du stellst dich einer Aufgabe und hoffst, dass du sie gut erfüllen kannst. Vielleicht sagt dir jemand: "Das hast du gut gemacht!" Dann fühlst du dich bestätigt und richtest dich auf. "Ja, das bin ich! Das habe ich geschafft!" In alter Sprache formuliert vermehrst du so deine Ehre. Die Menschen ehren und achten dich für das, was du geleistet hast. Umgekehrt könnte dir auch jemand sagen: "Das war ein Satz mit X!" Dann bist du gekränkt und fühlst dich beschämt. In alter Sprache ausgedrückt hieße das, dass du Schande in deinem Leben angehäuft hast.
Ständig erfüllst du irgendwelche Aufgaben und ständig kommentieren Menschen das, was du tust. Sie bewerten: Das hast du gut gemacht oder das hast du schlecht gemacht. Oder in alter Sprache: Ehre oder Schande. Da kann es geschehen, dass deine Aufmerksamkeit häufig bei dem Gedanken oder bei der Angst ist: "Bloß keine Schande! Hoffentlich viel Ehre!" So bist du nie bei deiner Aufgabe sondern immer schon bei der Bewertung am Ende. Die Erfüllung deiner Aufgaben wird dann begleitet von deiner Angst und deiner Sorge: "Hilfe! Genüge ich?!" Dann bist du schon raus aus dem "Flow". Es fließt nicht mehr und deine Arbeit wird wirklich zur harten "Arbeit".
Der sufische Mystiker nun glaubt, dass sich mit dir etwas fundamental ändert, wenn du an einer ganz bestimmten Schraube drehst. "Sei in der Liebe!" Wenn du in der Liebe bist, dann bist du im Flow, dann fließt es und du wirst gleichgültig gegenüber den Bewertungen deiner Umgebung. Du "bist" einfach. Zugleich gibt es noch eine Steigerung: Trunken sein von der Liebe. So, wie der Alkohol deine Sinne benebelt, verändert die Liebe dein Gemüt. Die Liebe macht dich unabhängig von menschlichen Urteilen und Verurteilungen. Du kommst dir vor wie im Paradies. Die Unzulänglichkeiten und Fehler treten zurück. Daraus folgt für mich so etwas wie eine Grundhaltung: "Bevor du mit deiner Arbeit beginnst, versetze dich in den Zustand der Liebe." Geht das so einfach? Nicht immer nach meiner Erfahrung. Aber du kannst jetzt etwas dafür tun, indem du beginnst mit der Veränderung deines Bewusstseins. Sei dir ständig bewusst, dass du ein Gottesgeschenk bist, dass du dafür nichts tun musst und dass es völlig ausreicht, einfach nur dazusein.
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Freitag, 21. April 2023

Der Mensch lasse zuerst sich selbst, dann hat er alles gelassen. (Meister Eckhart 1260 - 1327)

Ich schaue oft auf das Außen und mache mich da fest. Wenn mein Arbeitgeber sich verändert, dann geht es mir gut. Wenn das Wetter besser wäre würde ich spazieren gehen. Wenn ich mehr Geld hätte, dann könnte ich mir mehr kaufen und wäre dann glücklicher. Wenn mein Lebenspartner besser zuhören könnte wäre ich mit meiner Ehe zufrieden. Immer muss dann im Außen etwas geschehen.
Stelle dir vor, dass du von dir nach außen hin Fäden knüpfst. Du bist auf der einen Seite und am anderen Ende deines Fadens befindet sich eine "Außenstation". Was dort geschieht kannst du nur schwer beeinflussen. Dort geschieht, was immer geschieht. Du kannst wünschen, bitten, befehlen. Aber am Ende macht der andere Pol deines Fadens das, was dort geschieht.
Das andere Ende des Fadens liegt aber in deiner Hand und in deinem Herzen. Wenn du an dieser Stelle einen Faden loslässt, bist du wieder frei. Dann kann dein Gegenüber machen, was es will. Wenn ich alle Fäden loslasse dann muss ich nichts mehr halten. Nicht mehr ziehen. Keine Kraft mehr vergeuden.
Meister Eckhart geht noch einen Schritt weiter. Er spricht nicht von den "Fäden" im Inneren, die du loslassen sollst, sondern vom Menschen, der zuerst sich selbst lasse. Ich lasse mich los. Mich in meiner Tiefe. Ich gebe mich selber frei. Ich will nichts mehr. Ich halte gar nichts mehr fest. Ich wechsel das Betriebssytem. Mache eine Radikalkur. Ich werde zum Gast auf dieser Erde. Ich darf viel und muss nichts mehr. Ich lasse. Wenn ich also wieder etwas will, und unbedingt will, dann lasse ich als einen ersten Schritt. Ich lasse los, damit ich gar nicht erst festhalte. Ich fange mit dem Festhalten gar nicht erst an. Es macht ja schließlich keinen Sinn. Dann kann das Gewünschte sich ereignen, muss es aber nicht. "Der Mensch lasse zerst sich selbst, dann hat er alles gelassen." Es geht um eine Grundhaltung. Eine Grundhaltung, die grundsätzlich alles verändert. Eine herausfordernde tägliche Übung. Es ist nicht mit einem Beschluss getan. Tägliches Einüben in die Gelassenheit!
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Donnerstag, 20. April 2023

Die Menschen stolpern nicht über Berge, sondern über Maulwurfshügel. (Konfuzius)


Manchmal mache ich aus einer Mücke einen Elefanten. Wenn die Mücke sehr nahe an mein Auge kommt, dann wird sie größer und größer. Und wenn sie in der Nacht in meinem Schlafzimmer summt, wird sie auch immer bedrohlicher. Mücken haben große Macht über mein Wohlbefinden. Obwohl die Mücke klein ist fühlt sie sich an wie ein Elefant. Dem Elefanten kann ich nicht aus dem Weg gehen. Er steht da mit seiner Masse und mit seiner Kraft. Die Mücke braucht das nicht. Sie kommt mit dem Summen und mit dem Stechvermögen aus.
Ich werde konfrontiert mit Mücken und nicht mit Elefanten. Konfuzius hat recht, wenn er sagt, dass wir nicht über Berge stolpern. Wir können zwar stolpernd über einen Berg kommen aber wir stolpern nicht einfach da rüber. Nur in unserer Phantasie. Wir begegnen auch nicht dem Elefanten, sondern der Mücke. Oder mit Konfuzius dem Maulwurfshügel.
Welches sind die Mücken und Maulwurfshügel in deinem Leben? Die Steuererklärung für dieses Jahr? Ein abgebrochenes Teil von einem Gerät? Eine Mail, die nicht beantwortet wird? Ein ausverkauftes Objekt deiner Begierde? Ein fehlender Schirm bei Regen? 10 Cent zu wenig im Portemonnaie um sich einen Kaffee kaufen zu können?
Im Alltag kommen mehr Maulwurfshügel vor als Berge, die wir überwinden müssen. Wir scheitern aber an den kleinen Stolperfallen. Die machen uns das Leben schwer. Welcher niedlicher kleiner Maulwurfshügel wartet darauf, dass du ihn elegant überspringst?

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Mittwoch, 19. April 2023

Seit ich mich auf das Nichts eingestellt habe fehlt mir nichts. (Johannes vom Kreuz)

Ich stelle mich auf das Mittagessen ein, das vor mir liegt und erwarte etwas, das mir schmeckt: einen köstlichen Salat, frisches Gemüse und einen cremigen Quark.
Ich stelle mich auf eine Geburtstagsfeier ein mit einer fröhlichen Gastgeberin, einem leckeren Essen, einer angenehmen Hintergrundmusik und lockeren Plaudereien mit netten Menschen.
Ich stelle mich ein auf einen entspannten Arbeitstag mit einem guten Maß an sinnvollen Aufgaben, einer kleinen Kaffeepause und gut gelaunten Arbeitskollegen.
Ich habe Erwartungen an das Leben. Ich wünsche mir vieles. Dafür bin ich ja auf diese Welt gekommen. Ich liebe die Fülle und die tollen Möglichkeiten. Ein wenig Paradies könnte es schon sein und lieber sogar noch ein wenig mehr vom Paradies als der Durchschnitt.
Doch wie gehe ich dann um mit den Enttäuschungen? Der Salat war nicht mehr frisch, das Gemüse verkocht, die Geburtstagsfeier langweilig, der Arbeitstag anstrengend! Wenig Paradies und mehr Hölle!
Jetzt teilt der mittlealterliche Mystiker und Theologe Johannes vom Kreuz mit mir seine Erfahrung: "Seit ich mich auf das Nichts eingestellt habe, fehlt mir nichts." Betörend logisch und herausfordernd zugleich. Ich kenne die kastilische Landschaft in der der Mystiker lebte. Karg und öde! Wer als Ordensmensch eh nichts besitzt in einer armseligen Landschaft mag sich gut arrangieren mit dem "Nichts".
Es bleibt der Stachel der unerfüllten Erwartungen und Wünsche. Ich formuliere den Vers des Johannes für mich stimmiger um dann heißt er: "Seit ich alles willkommen heiße, was Ist und mir entgegenkommt, sind die Wünsche verschwunden." Mit dieser Haltung fehlt mir auch nichts mehr.
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Dienstag, 18. April 2023

Das kleine Glück genießen!


Es gibt Momente im Leben, da weißt du gar nicht, wie dir geschieht! Da lacht dich ein geflügeltes Herz an. Die Uhr hört auf, mit ihren Einschränkungen zu drohen. Dir selber wachsen Flügel und du genießt den Duft einer Blume. Dein Leben fühlt sich leicht an, einfach nur leicht. Wie kostbar sind solche Augenblicke!
An dieser Stelle könnte ich einfach schon Schluss machen mit meinem Brief und dich einladen. Werde aufmerksam für das, was jetzt gerade in diesem Augenblick geschieht. Was hörst du? Was nimmst du wahr mit deiner Nase oder deinen Augen? Sitzt du gerade bei einer Tasse Kaffee oder Tee und liest diese Zeilen? Freust du dich an dem Engel auf dem Bild oder genießt du noch etwas ganz anderes.
Gedanklich bin ich bei dem Satz auf der Postkarte hängen geblieben. Konkret bei der Vorstellung von einem kleinen und/oder großen Glück. Das große Glück erscheint doch sehr verlockend! Romane erzählen und leben von der ganz großen Liebe und wie sie im Laufe von vielen Seiten Wirklichkeit wird.
 Das große Glück erzählt von komfortablen Eigenheimen in eleganter Wohngegend, tollen Reisen, wunderbaren Kindern und einen erfüllenden Beruf ganz im Sinne einer Berufung des Herzens. Aber wann stellt sich dieses ganz große Glück ein? Hat es sich schon in deinem Leben erfüllt? Oder gehörst du auch zu den Wartenden?
Vielleicht gehörst du wirklich zu den ganz Glücklichen, die vor Jahren schon die große Liebe gefunden haben und die das Glück nie verlassen hat. Vielleicht schmunzelst du jetzt und kannst dieses Gefühl sofort in dir aktivieren.
Vielleicht jedoch gehörst du zu denen, die das ganz große Glück eher nur flüchtig kennen. Es ist „geflüchtet.“ Ja, du bist zufrieden mit deinem Leben. Zufrieden mit den Kindern, mit der Beziehung und dem Beruf. Du bist zufrieden mit allem, was du erreicht hast. Ist das schon das große Glück? War’s das schon? Oder sparst du nicht doch für ein großartiges „Etwas“, das du dir demnächst leisten wirst, weil das große Glück dich verlockt und einlädt. Bist du noch verführbar?
Das „ganz große Glück“ ist ein wirklich „ganz großes Thema“. Das brennt wie eine Sehnsucht in uns Menschen und kann uns ganz schön süchtig machen. Ich kenne junge Menschen, die noch voller Energie darauf ausgerichtet sind. Ich kenne ältere Menschen, die nach einem langen Weg voller Enttäuschungen einfach resignieren. Ich kenne Menschen, die ihre ganze Lebenskraft für das ganz große Glück investieren. Sie setzen darauf, dass sie eines Tages zu den „Glücksmillionären“ gehören werden. Ich will das auch gar nicht kleinreden. Wir leben schließlich alle von dieser Sehnsucht, die uns antreibt.
Der Spruch auf der Karte will uns das auch nicht ausreden. Es erweitert lediglich die Perspektive. Du hast genug Zeit, auf das große Glück zu warten! Aber bis es kommt, kannst du die Zeit besser nutzen, als darauf zu warten.
Genieße das kleine Glück! In der Fastenzeit kannst du dich einüben in den Verzicht. Das kannst du machen. Du kannst auch auf das große Glück der österlichen Auferstehung warten. Die ereignet sich Gott sei Dank sowieso. Aber wie ist das mit dem kleinen Glück? Was passiert da eigentlich? Warum ist das so wichtig? Und wie verändert das mein Leben, wenn ich da meine Aufmerksamkeit hin lenke?
Das große Glück findet in den Gedanken statt. Ich stelle mir vor, wie mein Leben aussehen würde, wenn es denn käme. Ich wache aber immer wieder auf und sehe den Mangel. Ich sehe das, was ich nicht habe. Ich fühle mich unglücklich und unzufrieden. Ich produziere vielleicht Stresshormone und muss irgendwie mein Unglück kompensieren, ständig! Ich esse vielleicht zu viel. Ich nörgele herum. Ich sehe immer das, was nicht gelungen ist bei mir oder bei anderen. Ich trete ein in eine Spirale von Unzufriedenheit, die sich ständig erweitert und größer wird. Je länger ich auf das große Glück warten muss, desto unzufriedener fühlt sich mein ganzes Lebenssystem an.
Wenn du dich jedoch auf das kleine Glück besinnst veränderst du etwas. Du wachst am Morgen auf und atmest bewusst ein paar Züge ein und aus. Du freust dich über die geschenkte Zeit der Erholung und darüber, dass du jetzt gleich unter die Dusche springen darfst. Ganz achtsam stellst du dich unter den Strahl der Dusche und spürst, wie das Leben in deinen Körper zurückkehrt. Du bist gerüstet für den Tag und sagst dir: „Hallo Tag! Ich bin bereit! Was hast du mit mir vor!“
Du freust dich, dass dein Brot noch frisch ist nach einem Tag. Du nimmst den Duft von Kaffee in deine Nase auf und lauschst nach draußen, welche Vögel dir ein Morgenlied singen. Du wunderst dich über die scheinbar tausend Kleinigkeiten, die deinen Alltag verschönern. Ständig gibst du deinem Körper Impulse von Wohlbefinden. Dein Gehirn stößt Glückshormone aus und diese lassen dir Flügel wachsen. Allein durch deine Achtsamkeit für den Augenblick kannst du das beeinflussen. Die Aufmerksamkeit für das kleine Glück lässt dich jetzt leben. Nicht morgen oder übermorgen.
Wenn du auf das große Glück wartest, ohne das kleine Glück zu genießen, könntest du schlicht emotional verhungern. Mit dem Blick auf die kleinen Dinge kannst du also aktiv deinen Hormonhaushalt beeinflussen. Du verminderst die Stressaktivitäten in deinem Gehirn und wirst gelassener. Je tiefer du in dein kleines Glück eintauchst, desto weniger bist du angewiesen auf das große Glück.
Du wohnst zur Miete und wünschst dir ein eigenes Haus? Mach es dir auf deinem Sofa in der Mietwohnung bequem. Schau aus deinem Fenster und genieße den Blick in den Himmel.  So anders wird über deinem eigenen Haus nicht aussehen. Genieße deinen Kaffee und wisse, dass du keine ganze Kaffeerösterei dafür benötigst.
Die Idee vom kleinen Glück hat einen zutiefst spirituellen Hintergrund. Du stellst dir Gott oft vor als den ganz Großen und ganz Anderen. Mit seiner unendlichen Schöpferqualität. Er, der in einer ganz anderen Liga spielt. Der unsere bekannten Dimensionen überschreitet und jenseits von allem Irdischen ist. Wenn du so denkst, dann entspricht das der Qualität des „großen Glückes“. Dieser Teil ist auch in dir angelegt, denn du bist Gottes Ebenbild. So ist auch dieser göttliche Aspekt in dir vorhanden.
Dieser Wunsch nach „Ewigkeit“ und „Absolutheit“ kann jedoch so mächtig werden, dass du aus deinen „irdischen Schuhen“ herausfällst. Du möchtest nicht den Schweiß, die Tränen, die Schwere, die Mühsal. Lieber gleich ab in das ewige Glücksgefühl. Auferstehung und Ostern sofort und in vollem Umfang!
Wenn du an diesem „Extrembild“ festklebst dann geht dir leider viel verloren. Du bist ein Geschöpf dieser Erde. Mit ihrer Schönheit. Mit ihrer Schlichtheit. Mit den kleinen und großen Wundern. Mit der Vielfalt. Mit der Körperlichkeit. Mit den kleinen und großen Gefühlen. Mit all den Möglichkeiten zur persönlichen Weiterentwicklung. Mit den Chancen zum Wachsen und Reifen. Mit der Erlaubnis, scheitern zu dürfen und neu anzufangen. Aber auch mit den Einschränkungen, Mängeln und mit der Fehlerhaftigkeit.
Darin liegen die vielen kleinen Glücksmomente verborgen. Wie versteckte Diamanten in einem lehmigen Acker. Und immer nur für den Augenblick. Nicht auf Vorrat. Deine Glückshormone bekommst du auch nur im Jetzt. Dein Glück von gestern ist längst vergangen und dein mögliches Glück von morgen wird sich vielleicht gar nicht oder völlig anders ereignen. Also: Viel Freude beim Genießen des kleinen Glückes! 
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Montag, 17. April 2023

Lehne dich zufrieden zurück, wenn du eine gelungene Arbeit vor Augen hast, aber nicht zu weit, dass du deiner Arbeit zu Füßen liegst. (irischer Segensspruch)


Ich musste lachen als ich diesen Vers las. Ich sah mich zu Füßen meiner Arbeit liegen. Ich klopfte mir auf die Schulter und sagte zu mir: Das hast du gut gemacht! Das hast du wirklich toll hinbekommen! Dafür darfst du dir ein dickes Lob aussprechen! Ich steigerte mich so herein in das Klopfen auf die Schulter, dass mich mein Lob selber umhaute.
Jetzt wache ich auf aus diesem Bild und ergründe noch einmal den Sinn dieses irischen Segensverses.
Ich gehöre eher zu den Menschen, die kritisch mit der eigenen Arbeit sind. Ich sehe oft, was ich noch besser hätte machen können und reagiere allergisch, wenn mich jemand auf meine Defizite hinweist.
Dabei weiß ich aus langjähriger Erfahrung wie wichtig ein gesundes Selbstbewusstsein und Vertrauen ist. Ich sage es mir jedes Mal neu: „Lehne dich doch zufrieden zurück. Deine Arbeit ist  dir gut gelungen!“
Der irische Vers spricht von „Zufriedenheit“. Sei zufrieden mit dem, was du getan hast. Sei dabei zugleich nicht überheblich. Vielleicht liegt die Wahrheit wie so oft zwischen zwei Polen. Zwischen Überheblichkeit und zerfleischender Selbstkritik gibt es viele Möglichkeiten der Anerkennung. Nutze diese Spielräume einfach mehr aus!

Freitag, 14. April 2023

Von "eigentlich" zum Eigentlichen

  


„Eigentlich müsste ich heute noch in den Garten. Die neuen Pflanzen brauchen unbedingt Wasser, sonst gehen sie nicht an.“ „Eigentlich müsste ich in der Küche noch den Kühlschrank sauber machen. Die Flecken kann ich nicht mehr übersehen.“ „Und eigentlich geht es mir gut. Darüber bin ich sehr froh.“  

Hörst du etwas, das ich nicht gesagt, aber mitgedacht habe? Ich meine das Wort „aber“. So machen viele Menschen das gerne im Alltag. Sie fangen mit „eigentlich“ an und dann kommt das Wort „aber“. Durch das Wort „aber“ im zweiten Teil des Satzes nehme ich die Klarheit aus dem ersten Teil. Aus einer Art „Ja“ wird eine Art „Nein“. Ich würde lieber „Nein“ sagen, das klingt „aber“ nicht gut. So kann ich unpräzise und unklar bleiben. Ich klebe im Zwischenraum. Gehe ich in den Garten oder nicht? Mache ich den Kühlschrank sauber oder nicht?

In einem Beratungsgespräch kommt es oft zu dem Punkt, wo mein Gegenüber eingesteht: „Eigentlich haben Sie recht. Ich sollte das wirklich einmal probieren.“ Dann folgt: „Aber das ist nicht so leicht, weil…“ Aus der guten Idee weicht die Energie ab und das „Aber“ führt zu Resignation und Enttäuschung. Es breitet sich nach und nach ein Gefühl der Ohnmacht und Hilflosigkeit aus. Oft steht so ein „Eigentlich-Satz“ nicht allein da, sondern produziert viele Schwestern und Brüder mit viel „aber“ Potential.

In welchen Situationen verwendest du selbst gerne diese Kombination von „Eigentlich“ und „aber“? Bist du dir dann dessen bewusst? Steuerst du dagegen? Magst du dich selber nicht leiden, wenn du so sprichst?  

Jetzt könntest du sagen: „Da hast du mich bei etwas erwischt, was ich kenne. Ab jetzt mache ich alles anders und entscheide mich klar und präzise.“ Bevor du auf deine „Aber-Geister“ verzichtest möchte ich dich jedoch einladen, meinen nächsten Gedanken zu folgen. Ich entscheide mich lieber für ein noch genaueres Hinsehen und für mehr Verständnis.

Wenn ich in meinen Beratungen auf das „Aber“ hinweise und dass das dann eigentlich ein „Nein“ bedeutet, fühlen sich die Kunden wie auf frischer Tat ertappt und wollen es schnell abstellen.

Für mich hat dieses Denken und Sprechen durchaus eine Qualität und hat damit zu tun, dass sich unser Leben ständig in Ambivalenzen und Widersprüchen befindet.

Mein Tag hat genau 24 Stunden und nicht mehr. Er ist zu kurz für alle Pläne, Wünsche, Aufgaben und Herausforderungen. Außerdem bin ich so widersprüchlich in mir selbst. Ich müsste eigentlich, aber ich bin gerade müde oder lustlos oder habe sonst einen Widerstand. Ich fühle mich überfordert oder höre Ansprüche, die meinen Widerstand herausfordern. Meine innere Seelenlandschaft gleicht einem undurchdringlichen Dickicht, in dem klare Entscheidungen ohne Wenn und Aber nur schwer möglich sind. Wenn dein Denken im Alltag eher einfach gestrickt und weniger komplex ist, werden dich meine Gedanken nicht sehr interessieren. Du gehörst zu den wundervollen Menschen, die ihr Ding einfach machen und eine Kiste voller guter Ratschläge haben für alle Familienmitglieder in Not. „Eigentlich – Gedanken“ sind dir sehr fremd.

Ich möchte dich trotzdem zu einem Ausflug in den „Eigentlich-Bereich“ einladen. „Eigentlich geht es mir gut, aber…“ heißt dann ansatzweise und vereinfacht mit anderen Worten übersetzt: Es gibt Anteile in mir, mit denen ich sehr einverstanden bin. Ich habe Kraft und Energie für meine Aufgaben heute. Ich habe gerade gegessen und bin satt. Ich freue mich über das wunderbare Wetter und genieße die Freiräume, die ich spüre. In diese Empfindungen und Gedanken könnte ich mich satt reinsetzen, wenn da nicht auch das andere wäre. Ich bin mit Teilen meines Lebens einverstanden, aber nicht mit dem Ganzen. Ich habe jetzt in diesem Moment Kraft und Energie, weiß aber nicht, für wie lange es reicht. Ich genieße das wunderbare Wetter. Ich weiß aber, dass sich für heute noch ein Regen angekündigt hat. Auf die Frage: „Wie geht es dir?“ kann ich nicht so einfach und schnell eine Antwort finden. Ich finde wohl so etwas wie ein Grundgefühl. Angenehm oder unangenehm. Dann, wenn ich vereinfache, was „eigentlich“ nicht legitim ist. Wenn ich aber in die Komplexität meines Lebens und meiner Sorgengedanken eintauche, geht das einfache Gefühl von angenehm und unangenehm verloren.

Menschen, die so auf dieser Welt sind, führen ein oft anstrengendes Leben und können sich selbst manchmal nur schwer auszuhalten. „Eigentlich müsste ich in den Garten gehen, aber…“ Es geht einfach nicht, weil da so viele Gedanken kommen. Was spricht dafür und was dagegen? Wo gibt es die unbedingte Notwendigkeit und wie viel Spielraum könnte ich mir geben? Die Pflanzen vertrocknen sicher nicht in der nächsten halben Stunde. Aber vielleicht nehmen sie doch Schaden, wenn es länger als eine halbe Stunde dauert. Was wird die Familie dazu sagen. Zu meiner Verantwortungslosigkeit und Faulheit? Wenn sie es sagen, sollte es mir eigentlich egal sein, ist es aber leider nicht…

Menschen, die häufig ein „Eigentlich – aber“ in ihrem Leben mit sich herumschleppen erlebe ich als sehr gewissenhaft und verantwortungsvoll. Sie wollen alles richtig und perfekt machen und suchen die Beste aller Möglichkeiten. Sie können sehr komplex denken und wissen, wie viel von einer einzigen Entscheidung abhängt. Sie können Folgen voraussehen und berechnen. Sie spüren die Tragik des Lebens und leiden unter möglichen negativen Konsequenzen. In einer meiner Beratungen hat mir ein Kunde einmal so eine quälende Gedankenkette von „eigentlich“ und „aber“ aufgezeigt. Ich müsse mich aber auf wenigstens eine halbe Stunde einrichten. Sein Thema hieß: „Eigentlich müsste ich Rasenkantensteine setzen…“ Nach ein paar Minuten musste ich aufgeben und aussteigen, weil ich die Zusammenhänge nicht mehr verstand. Ich hätte mich fast angeboten, diesen Job zu machen, auch wenn ich keine Ahnung davon habe. Ich vermute, dass Schachspieler ähnlich gestrickt sind. Auch sie brauchen die Fähigkeit für komplexes Denken.

Bis zu einem gewissen Grad sind die „Eigentlich-Gedanken“ zum Treffen von Entscheidungen sehr hilfreich. Nicht kurzfristig und blauäugig etwas machen, was man später bereut. Bei den Meister*innen des „Eigentlich – aber“ stelle ich jedoch fest, dass sie irgendwann nicht mehr ins Handeln kommen. Sie blockieren sich am Ende und es fehlt die Energie für die Umsetzung. Auf dem Grabstein könnte dann so etwas stehen wie: „Eigentlich hätte er viel erreichen können, wenn er nicht im Aber stecken geblieben wäre.“

Ich lade dich ein, mit mir einen Schritt weiterzugehen, ausgehend von der Wortbedeutung. Das Adjektiv „eigen“ kommt aus dem Mittelhochdeutschen und dazu gab es im Ursprung ein Verb, das verloren gegangen ist mit der Bedeutung von „haben“ und „besitzen“. Es steckt noch im Wort „aneignen“. Wenn du die Worte „eigenständig“, „eigenmächtig“ und „eigennützig“ hörst, dann klingt das durchaus kraftvoll und energisch. Da verbirgt sich kein „aber“. Ich mache mir etwas zu eigen. Da gehört etwas substantiell zu mir und zu meiner Persönlichkeit. Ich mache etwas wirklich „eigentlich“. Es könnte hilfreich sein, dem Wort „eigentlich“ wieder etwas von dieser Bedeutung zurückzugeben.

Wie klingt es für dich, wenn du den „Eigentlich – aber“ Satz veränderst, so dass das „Eigentlich“ wieder seine Kraft bekommt? Mein Vorschlag: „Eigentlich muss ich in den Garten, und…“ Das „Aber“ verwandelt den Wunsch und die Absicht in Negativität. Das „Und“ führt in die Öffnung und in den Möglichkeitsraum. „Eigentlich muss ich in den Garten, und wenn ich mich jetzt aufraffe, werde ich erfolgreich sein.“ „Eigentlich geht es mir gut, und wenn ich noch einmal darüber nachdenke, kann ich genau benennen, was diese guten Teile ausmachen.“  

Die tiefere Dimension von eigentlich wird noch spürbarer, wenn wir es Substantivieren und zum „Eigentlichen“ kommen. Dir ist bestimmt der Satz aus dem Kleinen Prinzen vertraut, wo es heißt: „Man sieht nur mit dem Herzen gut. Das Wesentliche ist für die Augen unsichtbar.“ Eugen Drewermann übersetzt an dieser Stelle: „Das Eigentliche ist für die Augen unsichtbar.“ Es gibt etwas, das dich als Menschen ausmacht. Etwas, was vom Ursprung und Uranfang an zu dir gehört. Etwas, das schnell in Vergessenheit gerät oder aus deinem Bewusstsein verschwindet. Deine Einmaligkeit!

In Besprechungen schleichen wir manchmal um die Themen herum bis jemand sagt: „Lass uns doch mal zum Wesentlichen kommen. Was ist der Kern der Sache.“

Vielleicht liegt darin überhaupt die Lust unseres Lebens, das uns Eigene zu finden und auszudrücken. Als wir noch Kinder waren schauten wir auf unsere Eltern und diese brachten uns das bei, was ihnen selber wichtig war. Wir dachten dann, dass das unbedingt und lebenslänglich wichtig ist, für uns als Kinder und im erwachsenen Leben. So macht man das. Unsere Eltern gaben uns ein Bündel von Werten und Vorstellungen mit auf dem Weg in der Hoffnung, dass wir damit gut durchs Leben kommen.

Als Erwachsener halte ich manchmal inne, wenn da so eine Stimme kommt, die mir sagt: „Mach das jetzt mal ordentlich. Was werden die Leute sonst denken!“ „Stell dich nicht so an, das ist doch gar nicht schlimm.“ „Wenn du das angefangen hast, musst du es auch durchhalten. Schließlich haben wir viel Geld dafür bezahlt.“ Beim Innehalten höre ich die Stimme meiner Mutter oder meines Vaters. Aber ist das meine Stimme? Möchte ich mir diesen Wert als Erwachsener wirklich zu eigen machen? Kann ich mich damit identifizieren?

Betrachte ich meine Persönlichkeit, so komme ich mir manchmal vor wie ein zusammengesetztes Mosaik aus vielen bunten Steinen. Ich denke in einer bestimmten Art und Weise. Ich verhalte mich anderen Menschen gegenüber, so wie ich es gelernt habe. Ich gebe nicht einfach so Geld aus, sondern kaufe mit dem erhofften Segen meiner Eltern. Doch was von all dem ist wirklich meines, mein „Eigentliches“? Wofür lohnt sich der Einsatz, in sein Eigentliches zu kommen?

Je mehr du zu deinem Eigentlichen kommst, desto stimmiger wirst du dich fühlen. Deine Eltern haben dich oft ermahnt als du noch ein Kind warst. Die mahnenden Sätze waren so mächtig, dass sie auch funktionierten, wenn deine Eltern gar nicht in der Nähe waren. Ihre Stimmen klangen im inneren Ohr. Das sogenannte „schlechte Gewissen“ besteht letztlich darin, dass sie die Stimmen unserer Autoritätspersonen konserviert haben. Auch als Erwachsener hörst du ständig diese verborgenen Stimmen, die dafür sorgen, dass du dich schlecht fühlst, wenn du das Wertesystem deiner Eltern nicht befolgst.

Wenn du anfängst, dein Eigenes zu machen, dann melden sich die alten Stimmen aus deiner Kindheit besonders stark und sagen dir: „Sei wie deine Eltern. Sei deine Eltern! Mach bitte nicht deins. Das ist nicht gut für dich!“

Aber das Eigentliche, das dir Eigene lässt dich nicht los. Es ruft dich und fordert dich heraus. „Werde wesentlich! Entwickle dich in das dir Eigene hinein.“ Das kann sich zunächst nackt und ungewohnt anfühlen, weil die Erlaubnis fehlt. Doch um in das Eigentliche zu kommen bedarf es der Erlaubnis, die du dir nur selber geben kannst. Der Ruf deiner inneren Stimme, die dir sagt: „Das gehört zu dir!“ Der Weg dahin führt wie durch einen dunklen Tunnel und diesen Weg muss jeder Mensch selber gehen. Am Ende des Tunnels vollendet sich die Verwandlung und du triffst lauter Menschen, die in ihr Eigenes gegangen sind. Der Ausdruck kann sehr unterschiedlich sein, sehr individuell. Doch das ist nicht von Bedeutung. Von Bedeutung ist lediglich die Erfahrung, die du selber ausdrückst: „Ich bin in meinem Wesen angekommen. In mein Eigentliches!“ Genau das wünsche ich dir. Und auf keinen Fall weniger als das.

 

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Donnerstag, 13. April 2023

Ich habe keine Lösug, aber ich bewundere das Problem

Ich betrachte Probleme als Probleme und suche für ein Problem eine Lösung. Wenn ich die Lösung gefunden haben besteht das Problem hoffentlich nicht mehr. Ein Problem wird ja dadurch zu einem Problem, dass ich mich damit hilflos fühle. Ich finde keinen Ausweg. Ich möchte diese ungute Situation beseitigen.
Manchmal habe ich zwar ein Problem, aber keine Lösung dafür. So sehr ich auch suche, ich habe dieses Problem. Ich kann in die Beratung gehen und einen Berater bitten, mir bei der Lösung zu helfen. Ein Problem wird ja eben dadurch für mich zu einem Problem, weil ich keine Lösung finde. Und ich denke, dass eine Lösung das Problem lösen würde. Logisch, oder?
Manchmal ist das Problem aber nicht wirklich ein Problem, sondern meine Lösung. Ich mache das, was mir möglich ist. Ich mache eigentlich immer das, was mir möglich ist. Die Lösung mag mir nicht immer super gefallen, aber es ist eine Lösung. Ich könnte sogar sagen: Ich habe kein Problem, weil ich schon eine Lösung habe. Die mir bestmögliche Lösung. Eigentlich geht es nur um das Gefühl zum Problem.
Wenn ich ein Problem habe, fühle ich mich schlecht. Wenn ich eine Lösung habe, fühle ich mich gut. Wenn ich das Problem nicht mehr als Problem definiere, fühle ich mich auch nicht mehr schlecht. Wenn das Problem zum Lösungsansatz wird, könnte ich mich schnell wieder gut fühlen. Auf meiner Postkarte lese ich: "Ich habe keine Lösung, aber ich bewundere das Problem." Wenn ich das Problem bewundere, dann verschwindet das schlechte Gefühl. Dann fühle ich mich trotz Problem besser. Ich kann sagen: "Wow, ich habe da ein tolles Problem! So eines hat niemand sonst! Ich sollte es behalten. Es ist außergewöhnlich. Eine echte Herausforderung. Ich kann daran wachsen und reifen."
Ich könnte mir also eine menge Probleme wünschen, damit ich daran wachsen und reifen kann. Sonst rosten meine Zellen ein. Ich werde fett und behäbig. Wer will das schon. Lieber ein Problem als passiv herumsitzen. Wer keine Probleme hat kann auch getrost sterben. Wozu noch? Absurder Gedanke?
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Mittwoch, 12. April 2023

Da geht noch was!

                                                                                              
Das Kind bekommt ein schlechtes Zeugnis und wird nicht versetzt in die nächste Klasse. Da kann man nichts machen!
Das Paar hat sich heillos zerstritten und reicht die Scheidung ein. Da kann man nichts machen.
Der Kranke liegt im Sterben und der Tod wartet vor der Tür. Da kann man nichts machen.

Klingt wie Resignation, nicht wahr. Manchmal müssen wir uns dem "Schicksal" ergeben. Das Kind hat sich alle Mühe gegeben und dennoch die erforderlichen Noten nicht geschafft. Das Ehepaar war sogar in einer Beratung und der Kranke hat lange gekämpft. Da kann man nichts machen. Es mag sein, dass das Kind nicht versetzt wird, das Paar sich trennt und der Kranke stirbt. In jeder Situation "kann man dann dennoch etwas machen".
Das Kind kann daraus eine Lektion für die Zukunft lernen und andere Wege gehen. Das Paar findet in der Krise vielleicht einen neuen Anfang. Der Kranke kann noch vor dem Tod seinen Angehörigen seine Liebe zeigen.
Die Situationen können wir manchmal nicht verändern, aber unsere innere Einstellungen. Jedes Ereignis, das uns herausfordert, gibt uns die Gelegenheit zum inneren Wachsen.

Du kannst dein Leben bejahen mit allen Facetten. Es gibt nichts zu tun.
Du kannst Ja sagen auch  zu deinen Fehlern. Dann gibt es nichts zu tun.
Du kannst dich mit dir selber aussöhnen. Dann gibt es nichts zu tun.

Da kann man nichts machen - Resignation.
Es gibt nichts zu tun - einfach im Sein sein!

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Dienstag, 11. April 2023

Ein Blinder liebt es, von Wundern zu hören. (jüdische Weisheit)


Ein Blinder kann keine Wunder sehen, aber er kann davon hören. Vielleicht möchte er sie eigentlich lieber sehen. Das kann er nicht. Dazu müsster ein Wunder an sich selbst erleben. Aber er kann von Wundern hören und sehnt sich danach zu hören, dass andere Blinde geheilt wurden. Wenn er hört, dass nur ein Blinder wieder sehen kann, dann kann er für sich selber weiterhoffen.
Und er liebt diese Wundergeschichten und kann nicht genug davon bekommen. Und er möchte mehr von diesen Wundern hören. Seine Hoffnung benötigt diese Wundernahrung. Eines Tages....

Du bist auf der Suche nach deinem Traumhaus. Du möchtest nicht länger zur Miete wohnen. In eigenen Wänden! Mehr Platz! Einen Garten! Deine Träume verwirklichen. Wie sähe dein Lebenssatz aus? "Ein Mieter liebt es, in Wohnzeitschriften zu blättern."
Ein Mensch mit Fernweh schaut sich Reisemagazine an. Eine Frau oder ein Mann auf der Suche nach einem Partner tummelt sich auf Partnerbörsen. Ein Kranker pilgert von Arzt zu Arzt in der Hoffnung, irgendwann den richtigen zu finden.

Alle verbindet die Sehnsucht, dass sie gerne etwas hätten, was sich noch nicht oder wovon sie nicht genug haben. Wie sähe das Leben aus, wenn die Sehnsucht aufhören würde. Wenn du genug davon hättest, den Mangel auffüllen zu müssen. Wenn du nicht mehr wie ein Bettelnder durch das Leben gehen würdest? Die Werbung könnte einpacken. Sie würde nicht mehr gebraucht. Du wärest nicht mehr verführbar. Du würdest es nicht mehr lieben, wie ein Blinder Wundergeschichten hören zu müssen. Du würdest dich der Realität stellen und annehmen was ist. Vielleicht wäre das eine Befreiung!
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Freitag, 7. April 2023

Wege aus dem Abgrund


Heute und in den kommenden Tagen geht es um Sätze aus der tiefsten Seele. Sätze aus dem Abgrund verbunden mit dem Wunsch. Wie komme ich da jetzt raus? Wenn aus quälenden Gedanken wieder quellende und pulsierende Lebensimpulse werden, kann das zu einer österlichen Erfahrung werden.
 
Ich habe exemplarisch lediglich ein paar Sätze aus dem Abgrund ausgewählt. Ich vermute, dass jeder einen anderen „lebensbedrohlichen“ Satz kennt. Deiner war möglicherweise gar nicht dabei. Es geht auch nicht so sehr um den Satz, sondern um das damit verbundene Gefühl der Ohnmacht, der Angst und der Hilflosigkeit.
Niemand hält sich gerne in diesen schrecklichen Feldern auf. Du fühlst dich abgeschnitten vom Leben und von der Liebe. Du hast den Eindruck, dass du da auch so schnell nicht wieder herauskommst. Die Abgrunderfahrungen erscheinen zugleich so absolut und so bodenlos. Ein Abgrund kann zwei Meter oder schnell auch zwanzig Meter tief sein. Bei zwei Metern funktionieren noch die eingeübten Überlebensstrategien. Du denkst zuerst nach. Du suchst dann nach Lösungen. Du erinnerst dich an deine Fähigkeiten. Du findest Lösungsstrategien. Du bist noch nicht am Nullpunkt.
Wenn du jedoch tiefer rutscht, weil das Ohnmachtsgefühl stetig zunimmt, näherst du dich einem Zustand, in dem die Resignation überhand nimmt bis du dich ihr ergibst.
Bis dahin leistest du Widerstand.
Jetzt stell dir einmal vor, dass du ab einem gewissen Zeitpunkt den Widerstand aufgibst. Du rutscht wirklich hinein bis in die tiefste Tiefe. Normalerweise wehrst du dich. Jetzt lass mal einfach die Frage zu, die da heißt: Was kommt nach dem Abrutschen? Was liegt unter dem Abgrund? Wer bin ich jetzt, wenn ich da so liege? Welche „Ich-Anteile“ liegen da in der Tiefe des Abgrundes? Alle? Wirklich alle? Vielleicht gibt es noch ein anderes „Ich“, das nicht da liegt? Nach diesem „Ich“ könnte ich jetzt fragen. Diesem Teil könnte ich mich jetzt zuwenden.
Und der Teil, der im Abgrund liegt, muss vielleicht dort liegen, weil dieser Teil nicht mehr gebraucht wird. Weil dieser Teil sterben muss. Weil dieser Teil begraben werden möchte. Totes stößt du in den Abgrund und überlässt es der Erde für den Kompostierungsprozess.
Vielleicht sind alle deine Notschreie am Rande des Abgrundes: „Wie lange muss ich das noch aushalten!“ „Warum immer ich!“ „Hätte ich doch was gesagt!“ lediglich das Material, das du zum Kompostieren abgeben möchtest. Es geht ja um deine Weiterentwicklung. Die Glaubenssätze, die dich hindern, kannst du der Erde übergeben. Du hast sie für ein paar Jahre deines Lebens gebraucht und ordentlich gefüttert! Mit allen dazugehörigen Erfahrungen, die dein Leben so ohnmächtig hat werden lassen. Weg mit dem ganzen Müll! Nur ein Teil von dir liegt im Abgrund. Ein anderer Teil ruft dich zum Aufstehen und zur Auferstehung. Der göttliche Teil in dir möchte solche lebensfeindlichen Sätze abstreifen. Sie sind vergleichbar mit einem Computerprogramm aus längst vergangenen Tagen.
Somit musst du nicht nach Wegen aus dem Abgrund suchen. Dort landet das, was dort irgendwann landen muss. Aber du kannst nach den Anteilen schauen, die dich leben lassen und die eine andere Sprache sprechen. Eine Sprache der Liebe und eine Sprache des kraftvollen „Ja“. Der Teil im Abgrund darf ruhig ohnmächtig werden -  genauer betrachtet heißt es ja „ohne Macht“. Du entziehst den tödlichen Sätzen die todbringende Macht. Das ist eine Kernidee von Ostern. Keine Flucht vor dem Abgrund. Keine Angst vor dem Tod. Eine Entscheidung für das Leben und für die Liebe. 

Donnerstag, 6. April 2023

Als wir das Ziel aus den Augen verloren hatten, verdoppelten wir unsere Anstrengungen. (Mark Twain)


Was geschieht, wenn du das Ziel aus den Augen verlierst? Wenn du dich auf ein Ziel fokussierst hast du zugleich mit im Blick, was du dafür brauchst. Alle deine Handlungen sind diesem Ziel zugeordnet. Und die lebst von der Energie, unbedingt das Ziel zu erreichen.
Wenn du das Ziel aus den Augen verlierst, geht dir auch ein großer Teil der Energie verloren. Du fängst an, dich zu verzetteln. Du erledigst Aufgaben, die vielleicht gar nicht sinnvoll sind. Es wird immer anstrengender weil du von deinen Reserven lebst.
Welche Ziele verfolgst du im Moment? Oder von welchen Visionen lebst du? Was möchtest du unbedingt noch machen bevor du dieses Leben beendest? Vielleicht kommt es nicht darauf an das Ziel zu erreichen. Es geht darum, es in den Blick zu nehmen.
Du möchtest zum Beispiel gelassener werden. Wenn du jetzt in diesem Augenblick etwas vorhast kannst du dich fragen, ob es dem Ziel der Gelassenheit dient oder ob es dich eher davon abbringt. Du musst eine Aufgabe erledigen und dir fallen tausend Sachen ein, die dazu gehören. Du wirst hektisch und fahrig. Wenn du aber das Ziel hast, gelassener zu werden, würde es Sinn machen diesen Aspekt immer im Fokus der Aufmerksamkeit zu haben.
Ab wann fange ich an hektisch zu werden? Was verträgt mein System noch? Wann lege ich einen Gedankenstopp ein? Wann bin ich erschöpft? Schaffe ich es, so mit mir umzugehen, dass ich nie in den Bereich von Stress gelange?
Ziele können auch verführerisch sein. Wenn ich mein Ziel zu stark fokussiere. Wenn ich etwas total und unbedingt will. Quasi mit aller Gewalt und totaler Ausschließlichkeit. Dann werde ich blind für meine Ressourcen und Möglichkeiten. Ich verfolge als mein Ziel im Rahmen meiner Ressourcen und Fähigkeiten und sorge gut für mich. Ich verliere das Ziel nicht aus den Augen - muss es aber auch nicht erreichen.
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Mittwoch, 5. April 2023

"Mach Tempo, dann lebst du doppelt so viel!"


Verlockend, nicht wahr? Mit ein wenig Geschick und Organisationstalent schaffst du das Doppelte an einem Tag. Du könntest mit deinem Arbeitgeber sprechen, dass du schneller arbeitest, dafür früher nach Hause gehst und dort dich den Dingen widmest, die dir sonst noch am Herzen liegen. Familie, Hobbys, Weiterbildung, Renovierungen... Du könntest gleichzeit das Leben eines Rentners und eines Arbeiters führen. Du würdest doppelt so viel leben.
Im Buch Momo kommen ja die grauen Männer und rechnen den Menschen vor, wie sie Zeit sparen können, damit sie mehr Zeit haben.  Und nach diesem Prinzip funktioniert ja auch die Wirtschaft. "Mach Tempo, dann lebst du doppelt so viel!" Diesen Spruch habe ich im Radio gehört in einem Beitrag, wo es um den Umgang mit der Zeit geht.
"Mach Tempo!" Das erinnerte mich an meine Kindheit und Jugendzeit. Mein Vater arbeitete in einer Schuhfabrik und versorgte die ganze Familie mit Heimarbeit. Schule, Mittagessen, Hausaufgaben, "Heimarbeit", Freizeit... Das unterschied uns von vielen anderen Familien. Der Berg von Schuhschäften! Arbeiten im Akkord! "Mach Tempo!" Dann bist du schneller fertig und kannst auf die Straße. Das hatte durchaus eine eigene Kinderlogik. Dadurch prägt sich schnell ein bestimmter Lebensstil ein. "Immer schnell!" Im rasanten Tempo durchs leben. Ich könnte ja am Ende auch früher Schluss machen, denn ich habe ja alles erledigt!
Ich behaupte einfach mal das Gegenteil: "Mach langsam, dann lebst du doppelt so intensiv!" Das ist der Nachteil am Tempo. Das Genießen kommt zu kurz und die Seele bleibt auf der Strecke. Ich wünsche dir einen guten Ausgleich zwischen Tempo und Müßiggang, damit sich dein Leben kohärent anfühlt und du in einer guten Balance bist.
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Dienstag, 4. April 2023

Möge das Leben dich lehren dir selbst ein guter Freund zu sein. (Irischer Segensspruch)


Bist du dir selbst ein guter Freund/ eine gute Freundin? Ich kenne viele Menschen, mich eingeschlossen, die sich selber oftmals sehr kritisch betrachten. Du bist nicht klug genug, du hast diese oder jene Aufgabe nicht optimal erfüllt. Du bist keine wunderbare Ehefrau oder kein aufmerksamer Ehemann. Du fährst mit deinem Wagen zu langsam oder zu schnell. Du beachtest alle Verkehrsregeln supergenau und nahezu penetrant oder du hältst die Regeln alle nur so ungefähr ein. Du schaust dir deine Schulzeugnisse über die Jahre an und erinnerst dich an all die Fächer, in denen du besser hättest abschneiden können, wenn du nur genug geübt hättest. Dir kommen all die Tests vor Augen, die du nicht wichtig genommen hast und überlegst, wo du stehen würdest, wenn du immer die optimale Lösung gefunden hättest auf deinem Weg.
Du gehst zurück in die Vergangenheit und betrachtest deine Gegenwart. Beim Einkauf hast du das Salz vergessen. Die Kartoffeln haben heute fünf Minuten zu lange gekocht, du hast dir beim Essen ein paar Saucenspritzer auf dein frisch gewaschenes Hemd eingehandelt. Du hast dem einen  nicht aufmerksam zugehört und jemand anderem bist du auf die Nerven gegangen.
Du ärgerst dich über deine Schusseligkeit und dein Unvermögen. Kannst du dir trotzdem ein guter Freund, eine gute Freundin sein? Wie oft erlebe ich es, dass ein Freund mir sein Unvermögen beichtet: „Ich habe vergessen dich anzurufen.“ „Ich muss dir doch noch dein Buch zurückgeben, das du mir geliehen hast.“ Dann antworte ich: „Ist doch nicht so schlimm!“
Kann ich mir das auch selber sagen? Ist doch nicht so schlimm? In wie viele Fallen musst du doch noch tappen? Wie viele Dinge müssen dir noch misslingen bis du anfängst, dich dafür zu verurteilen? Möge das Leben dich lehren, dir selbst ein guter Freund zu sein. 
 

Montag, 3. April 2023

Eigentlich würde ich lieber Ja sagen.

Ich habe Nein gesagt.
Ich werde nicht zur Geburtstagsfeier gehen.
Ich bin sauer auf meinen Gastgeber.
Der hat mir nicht einmal zu meinem Geburtstag gratuliert.
Der hat mich nur eingeladen, weil er ein Selbstdarsteller ist.
Er umgibt sich gerne mit vielen Menschen weil er zeigen will, wie beliebt er ist.

Ich wollte kein schmückendes Beiwerk sein.
Ich wollte mich nicht missbrauchen lassen.
Der hat sich bisher noch nie bei mir entschuldigt.
Im letzten Jahr war ich noch dort.
Und alle haben ihn bewundert.
Das tolle Haus, die tolle Familie, der tolle Hund, das tolle Essen. Toll!

Er hatte nicht mal mein Geschenk ausgepackt.
Kurz gratuliert und schon wieder weg!
Ich hätte im letzten Jahr schon Nein sagen sollen.
Aber mein Nein musste wohl noch wachsen und klarer werden.
In diesem Jahr habe ich Nein gesagt.
Ich habe Nein gesagt ohne eine Begründung.
Damit es ordentlich weh tut.
Darf ich dich einladen?
Nein!

Aber eigentlich...
Eigentlich würde ich lieber Ja sagen.
In dem Nein steckt so viel Kränkung.
Die ist nicht weggegangen.
Ich habe Nein gesagt und die Kränkung ist geblieben.

Daraus habe ich gelernt.
Ich sage weiterhin Nein. Das fühlt sich richtig an.
Aber wenn ich eigentlich lieber Ja sagen würde,
sage ich nicht mehr Nein.
Ich arbeite dann an dem "eigentlich" bis es klar wird.

Bis Kopf, Herz und Bauch übereinstimmen.
Dann gibt es manchmal interessante Lösungen.
Ich sage Ja aber mit Vorbehalt.
Ich sage Nein aber mit Möglichkeit, dass es noch Ja werden kann.
Ich sage Nein und springe trotzdem über meinen Schatten.
Ich sage Ja und mache dennoch Nein.
Ich befreie mich vom Diktat von Ja oder Nein und frage nach meinen Bedürfnissen.
Wenn ich da angekommen bin, lässt sich vieles leicher klären.

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Samstag, 1. April 2023

No me como la cabeza - die spanische Art, sich nicht den Kopf zu zerbrechen


In unserer deutschen Sprache reden wir davon, dass wir uns nicht den Kopf zerbrechen möchten. Ich habe ein Problem, das sich nur schwer lösen lässt. Ich verzichte auf das Nachdenken, weil mein Kopf zerbrechen könnte. Aus Fürsorge gegenüber meinem Kopf verzichte ich also auf das Lösen meines Problemes. Es würde mich überfordern.
Der Spanier drückt diese Erfahrung etwas anders aus: "No me como la cabeza" - "Ich esse mir nicht den Kopf". Bei manchen Problemen fühlst du dich beim Nachdenken darüber so, als würde dein Gehirn zu Brei werden. Du könntest also durch das Essen deines Kopfes deinen Verstand verlieren. Oder du würdest eben kopflos herumlaufen. Du hättest die Orientierung verloren. Durch zu viel Nachdenken verlierst du den Zugang zu dem, was dir jetzt weiterhelfen würde.
Wenn das Bild tatsächlich möglich wäre: Wie viele Spanier würden heute ohne Kopf herumlaufen und wie viele Deutsche hätten einen zerbrochenen Kopf? Die Empfehlung lautet: Denke nicht zu viel nach und mache irgendwann Schluss. Eine Pause! Auf Abstand gehen! Den Bauch fragen! Das Herz sprechen lassen! Zerbrich dir nicht den Kopf, du hast nur einen! Que no te comes la cabeza!
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