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Samstag, 29. Oktober 2022

Du lichtvolles Wesen!


Ich hörte einen Kommentar im Radio: „Wir wurden alle hinters Licht geführt.“ Ich weiß nicht einmal mehr, worum es ging. Es war bestimmt etwas aus der Politik. In der Weltpolitik zeigt es sich immer wieder, dass ständig jemand etwas zu verbergen hat und andere versuchen, das Verborgene ins Licht zu zerren. Ein altes Spiel mit der Absicht: „Ich bin gut und du bist böse.“ Der Enthüllungsjournalismus lebt ja davon, den Schmutz sichtbar zu machen. Und wir reiben uns die Hände, wenn wir alle zu Zeugen werden und das Übel durch Aufdeckung aus dem Weg geräumt wird.
Manchmal möchten wir etwas verbergen, in die Dunkelheit bringen, damit es niemand mehr sehen kann. Unsichtbar für die anderen und vor allem unsichtbar für mich. Müsste ich es betrachten, dann könnte mir die Schamesröte ins Gesicht steigen. Irgendwie verbinde ich die Fastenzeit auch mit so einem Aspekt, die Schattenseiten in uns Menschen zu erlösen. Die Süchte zu kontrollieren, die negativen Eigenschaften abzumildern oder umzuwandeln. Weniger Gier und weniger Sünde. Die negativen Haltungen und Eigenschaften in der Dunkelheit reduzieren. Das kann man so machen, ist aber nicht so sehr mein Weg.
Manche Paare kommen zu mir in die Beratung und machen dem anderen Teil der Partnerschaft vor meinen Ohren nur Vorwürfe. Was alles nicht richtig ist und was richtiger sein sollte. Wie sehr das Gegenüber kränkend mit einem umgeht. Ich sehe das scharfe Schwert in der Hand und spüre den Kampf. Ich hoffe, dass nach einer Stunde noch beide leben und ihre Würde nicht komplett verloren haben. Manchmal wäre es allein schon besser, wenn es weniger Vorwürfe gäbe. Die Hälfte von den nicht ausgesprochenen Vorwürfen würde schon mal das Klima verbessern.
Die Schattenseiten existieren. Bei Politikern, bei meinem Partner, bei meiner Partnerin, bei meinen Kindern und natürlich bei mir selbst. Ich kann in meinem Schatten herumwühlen und in den Wunden meiner Mitgeschöpfe bohren. Ich kann das ans Licht zerren, was so schmutzig ist und mit dem Finger darauf zeigen um meinen Abscheu auszudrücken. Und es gibt vieles in der Welt, das wirklich nicht in Ordnung ist. Wenn ich aber zu viel im Dreck wühle, dann besteht die Gefahr, dass ich mir selbst eine seelische Hölle bereite.
In meinem Theologiestudium wohnte ich zuerst in einer WG, wo alle und jeder durch den Kakao gezogen wurde. Wie furchtbar dieser Kollege ist, wie schlimm jener Ausbilder und wie katastrophal die Kirchenoberen überhaupt. Je mehr darüber gesprochen wurde, desto mehr breitete sich in mir die Depression aus. Das war ein Klima, das mich krank gemacht hat. Das Wühlen in der Dunkelheit und im Schatten ist nicht ungefährlich und kann leicht abfärben. Wie wäre es damit, in der Fastenzeit weniger im Schmutz zu wühlen?
Die von mir sehr geschätzte Sozialarbeiterin und Therapeutin Virginia Satir hat mit Familien gearbeitet, die sehr vorwurfsvoll miteinander umgehen. Sie hat ihnen zuerst einmal empfohlen, den Blick auf das zu richten, was gut ist und rund läuft und dafür auch einmal Danke zu sagen. „Danke, dass du heute für mich den Kaffee gekocht hast. Das hat mir gefallen und gut getan!“ „Schön, dass es dir gelungen ist, heute pünktlich nach Hause zu kommen.“ „Wie schön, dass du in der Schule aufgepasst hast und dich jetzt an deine Hausaufgaben erinnerst.“ Durch die Sammlung und das Aussprechen der Aufmerksamkeiten wächst ein positives Lichtfeld. Die Menschen, mit denen ich zusammenlebe sind keine Feinde. Sie sind zunächst einmal wunderbare Freunde.
Der Blick auf das soziale Wesen an meiner Seite erinnert mich daran, dass ich zum Glück nicht allein auf dieser Welt bin. Da ist jemand an meiner Seite. Das darf ich mir bewusst machen und genießen.
Viele Menschen an meiner Seite sind wirklich wunderbare Lieblingsmenschen. Ich besitze nicht nur eine einzige arme Rose, von der ich abhängig bin. Ich bin eingebettet in einen Strauß voller bunter Blumen. Vielfältiger als die größte Blumenwiese. Ich muss nur an einen bestimmten Menschen denken, dann entfaltet sich in meinem Herzen ein köstlicher Duft von Nähe und Vertrauen. Ich darf ins Licht stellen, was lichtvoll ist. Ich kann diesen Aspekt jeden Tag verstärken indem ich es sehe, würdige, darüber spreche, es vermehre.
Ich möchte mich und dich gerne jeden Tag daran erinnern. Dass du liebe Leserin und lieber Leser ein wunderbar lichtvolles Wesen bist. Du bist ein göttliches Universum voller Liebe und Wahrheit. Wenn es dich nicht gäbe, wäre die Welt ärmer. Aber die Welt ist reich für mich, weil du da bist. Du bist nicht nur eine oder einer von Vielen. Du gehörst zum Großen und Ganzen der Schöpfung dazu. Du magst dich vielleicht nur als kleines Wesen sehen, aber du bist ein unendlich wichtiger Teil davon.
Ich kann in der Fastenzeit und darüber hinaus die Fehler verringern, die Schattenräume kleiner machen und auf Hass und Entwürdigung verzichten. Oder ich kann die Liebe vermehren.
Wie nimmst du dich selber wahr und wie geht es dir damit, wenn ich dich so anspreche. Kannst du das glauben? Dass du ein äußerst liebenswürdiger Mensch bist? Fallen dir bei dir selbst die vielen wunderbaren Seiten ein, die das bestätigen? Oder denkst du eher: „Wenn du wüsstest wer ich wirklich bin oder wer ich sonst sein könnte – dann würdest du dich von mir abwenden. Ich kann mich ja selber nicht einmal vor dem Spiegel ertragen.“
Ich denke, es ist leicht, in der Fastenzeit auf irgendetwas zu verzichten. Aber es ist für viele Menschen schwer, ganz im Licht zu stehen und sehr liebevoll mit sich zu sein. Obwohl ich das so deutlich sage und für so wichtig finde erlebe ich mich darin auch immer noch als Übenden.
Es beginnt ja schon damit, dass ich mich bei den Gedanken ertappe, von etwas weniger zu machen. Ich möchte zum Beispiel weniger kritisieren. Leider ist der Tag so lang und mir passieren so viele Dinge und es gibt so viele Begegnungen, dass sich ein Haufen Kritik ansammelt. Die Kartoffeln waren einen Augenblick zu lange im Wasser. Ein Autofahrer hat beim Überholen nicht genug Abstand gehalten und mich auf dem Fahrrad gefährdet. Die Verkäuferin hat mich nicht angeschaut bei der Rückgabe des Wechselgeldes. Die Kollegin ist an meinem Büro vorbeigegangen und hat sich nicht verabschiedet. Im Wohnzimmer ist es ein wenig zu kühl. An einem Tag kann es eine lange Liste geben von Dingen, die nicht in Ordnung sind. Dabei ist es egal, ob die anderen etwas falsch machen oder ich selber mich falsch fühle.
Auch, wenn die anderen schuldig an meinem Unwohlsein sind und ich alles richtig gemacht habe gibt es dieses Unwohlsein. Es taucht auf, weil ich so viele Kritikgedanken im Laufe des Tages in mir gesammelt habe.  Die Kritikgedanken in mir erschaffen ein schädliches Klima. Wenn ich fürsorglich mit mir umgehe, werde ich etwas dazu beitragen, dass das Lebensklima freundlicher wird.
In Ahlen wird im Augenblick darüber gestritten, ob das alte Rathaus abgerissen oder saniert werden soll. Da haben sich echte Fronten aufgetan. Feindbilder sind entstanden. Unversöhnliche Ansichten stehen sich gegenüber. Kann aus so einem Konfliktpaket etwas entstehen, wo alle Einwohner einverstanden sind? Ist es noch möglich, dem „Gegner“ wohlwollend zu begegnen. Dass beide Gruppen einen Teil von Wahrheit erkannt haben? Manchmal ist es so, dass die Einen sich als „lichtvoll“ erleben und die anderen „dämonisch“. Schon entsteht eine Polarität, die entzweit und trennt. Wer hat Recht, wer ist machtvoller und wer kann sich durchsetzen?
Die Kirche macht es nicht anders. Da gibt es den synodalen Weg und die Frage, wer geweiht werden darf und wer ausgeschlossen wird. Die eine Gruppe der Bischöfe fürchtet um den Verlust der katholischen Identität und die anderen darum, unterzugehen, wenn sich nichts ändert. Was wird aus dieser Atmosphäre entstehen? Wer ist im Licht und wen stecke ich in die dunkle Ecke?
Wie sähe eine Antwort in Richtung Rathaus, synodaler Weg oder deinem eigenen inneren Dilemma aus, wenn ich andere Fragen stelle: Wie kannst du angesichts dieser Situation noch liebevoll sein? Wie kannst du das Wohl aller vermehren? Was kann ich für dich tun und was du für mich? Wie könnten wir beide dazu beitragen, dass das Leben liebenswerter ist? Wenn wir das machen würden – wie sähe dann ein Rathaus aus oder ein synodaler Weg? Gäbe es vielleicht sogar etwas völlig unerwartet Neues? Etwas, was Rathaus oder synodale Wege übersteigt? Was kann ich dazu beitragen, dass das lichtvolle Wesen in jedem Menschen besser leuchten kann? Was lässt Menschen friedvoller werden?
Wie sähe mein oder dein Leben aus, wenn es liebe- und lichtvoller wäre? Gäbe es einen Unterschied zum Jetztzustand? Könnte ich einen kleinen Schritt in die Richtung setzen, dass mehr davon entsteht? Von dem Lichtvollen? Der Wunsch und die Bewusstheit in mir sind da. Und ich kann es immer und an jedem Ort machen. Ich brauche dafür keine Voraussetzung und keine Vorbedingung. Nur den Impuls in mir und die Entscheidung, es einfach zu tun. Hallo du lichtvolles Wesen an meiner Seite und in der räumlichen Ferne! Danke, dass ich das mit dir teilen darf.

Freitag, 28. Oktober 2022

Ein im Herzen eines Apfels versteckter Kern ist ein unsichtbarer Obstgarten. (Khalil Gibran)


Wenn ich einen Apfel esse und bis zum Gehäuse vordringe, dann stoße ich auf die Kerne. Unscheinbare kleine braune bis schwarze Kerne. Ich weiß, dass das die Samen sind für neue Apfelbäume. Doch was sehe ich? Was nehme ich wahr? Wie deute ich ich das, was ich sehe und welche Gefühle entstehen in mir? Khalil Gibran betrachtet einen Kern im Herzen des Apfels und "sieht" einen unsichtbaren Obstgarten.
Er sieht nicht ein "Gehäuse", sondern das "Herz". Nicht ein verborgener Baum sondern einen ganzen Obstgarten. Welche Hoffnung und welch grenzenloser Optimismus! Er sieht im Verborgenen schon die Vollendung. Nicht die Möglichkeit sondern die vorweggenommene Wirklichkeit.
Kann der Apfelkern da noch etwas anderes machen als zu wachsen und zu einem Obstgarten werden? Wie wird aus dem Kern ein Garten? Nun, im Schatten des ersten Baumes werden sich andere Pflanzen ansiedeln. Sie werden den Platz schätzen und sich dort wohl fühlen und mit entwickeln. Der eine Apfelbaum wird zum Paradies. Und das erinnert an das verloren gegangene Paradies in der Bibel. Ich beiße in den Apfel und erkenne den verborgenen Obstgarten, das Paradies auf Erden.

Wofür ist das nun ein Bild? Für dich und für mich! Du bist der Obstgarten! In deinem Herzen steckt dieser Kern. Wie siehst du dich selber? Wie oder was nimmst du von dir selber wahr? Denkst du, dass du ein kümmerlicher schwarzer kleiner Kern bist? Denkst du, dass mit dir nichts los ist und dass du froh sein kannst, irgendwie zu überleben?
Du darfst größer von dir denken. Viel größer! Du bist ein Obstgarten! Vielleicht noch unsichtbar? Mir gefällt die Vorstellung von der vorweggenommenen Wirklichkeit. Nicht die Möglichkeit. Eine Möglichkeit kann kommen, muss aber nicht. Eine vorweggenommene Wirklichkeit tut schon mal so, als sei sie real. Und dazu möchte ich dich einladen. Schau in den Spiegel und entdecke deine Potentiale. Alles ist in dir schon angelegt. Es ist schon vorhanden wie in einem Apfelkern. Du musst nichts von dir neu erfinden oder mühsam suchen. Es ist alles da. Kannst du es entdecken? Was hindert dich noch daran, es wachsen zu lassen? Deine Zweifel? Deine irrigen Glaubenssätze? Deine erdrückende Vergangenheit? Deine schlimmen Kindheitserlebnisse? Du bist ein Obstgarten! Ein Paradies! In dir wohnt Gott. Wo anders sollte er wohnen als in dir? Er wohnt in dir und in seinem eigenen Paradies.
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Donnerstag, 27. Oktober 2022

Tote Zeiten!




Vor einiger Zeit sprang mein Auto nicht an und ich musste mit dem Zug zur Arbeit nach Münster fahren. Mit dem Auto wären es nur 45 Minuten. Mit Fahrrad, Bahn und Bus benötige ich 1,5 Stunden. Ich stehe am Bahnsteig. Der Zug verspätet sich. Ich warte zehn Minuten. In Hamm koppeln sich zwei Züge aneinander und ich sitze dort und warte wieder zehn Minuten. In Münster stehe ich am Busbahnhof und warte noch einmal zehn Minuten. So kommen dreißig Minuten Wartezeit zusammen. Lauter tote Zeiten!
Ich warte vor meiner Kaffeekanne bis das Wasser kocht. Manchmal kann ich etwas parallel in der Küche machen. Jetzt sitze ich an meinem Schreibtisch und rechne die toten Minuten des Tages zusammen. Minuten, wo ich warte. Minuten, wo nichts passiert. Sinnentleerte Minuten. Minuten, die sich unheimlich dehnen. Ich höre einer Predigt zu, die nur zehn Minuten dauert, sich aber wie eine Stunde anfühlt. Ich stehe beim Bäcker oder an der Kasse im Supermarkt und ich sehe die kostbaren Minuten meines Tages dahinfließen. Ich stelle mir vor, wie wir alle in der Corona-Quarantäne hocken und Däumchen drehen.
Ich lese ein paar Artikel aus dem Bereich von Zeitmanagement und erfahre, dass ich tote Zeiten auch nutzen kann. Emails schreiben an der Supermarktkasse. Im Zug meditieren. Statt in Stunden denken, lieber den Tag in Viertelstunden aufteilen. Also tote Zeiten vermeiden oder irgendwie sinnvoll nutzen mit kleinen Dingen.
Und dann kommen dennoch die toten Zeiten. Ich sitze im Wartezimmer beim Arzt und mag weder lesen noch meditieren. Gespräche führen mit den anderen Patienten finde ich auch nicht so spannend. Ich schlage buchstäblich die Zeit tot. Ich sitze mit meiner „Zeitklatsche“ da und schlage Minute um Minute tot. Ich komme einfach nicht dran. Immerhin kann ich die Zeit totschlagen.
Tote Zeiten? Ich sitze da und lese für meine Tätigkeit ein Buch oder einen Aufsatz. Der Text langweilt mich. „Es langweilt mich zu Tode“, sagen wir ja manchmal. Bei einer Fernsehsendung, einem Kinofilm oder einer Konferenz. Dann sitzen wir da und machen etwas, aber es fühlt sich sinnlos an. Wenn eine Tagung wirklich einen ganzen Tag dauert halte ich am Abend Rückschau und denke: „Das hätte ich mir schenken können.“ Tote Zeit! Oder du liest jetzt meinen Text und denkst: „Frustrierend! Kenne ich schon! Nicht besonders interessant!“ Du ärgerst dich, dass du die Zeit verplempert hast.
Toten Zeiten! Wir gehen in den Supermarkt und das Sonderangebot ist schon ausverkauft. Umsonst gelaufen. Du holst den Kuchen aus dem Backofen, der dir so viel Zeit gekostet hat und er ist verbrannt. Stundenlang stehst du am Herd für dein wunderbares Rezept und die Familie mault.
Noch mehr tote Zeiten? Du könntest ja mal Bilanz ziehen im Rückblick auf dein gesamtes Leben. Sprachen, die du gelernt hast und nicht anwendest. Kurse, die du besucht hast und wovon du nichts umsetzt. Freundschaften, die du pflegst, obwohl sie schon lange „tot“ sind. Auf wie viele tote Jahre kommst du?
Woher kommt eigentlich unsere Vorstellung, dass wir unsere Zeit sinnvoll nutzen sollten. Jede Minute an jedem Tag in jedem Jahr und ein ganzes Leben lang! Carpe diem! Da stimmt doch was nicht! An meinem Denken und an meiner Einstellung.
Ich sehe überall Uhren und Kalender. Ich trage dort meine Arbeitszeiten ein. Meinen Urlaub und meine Begegnungen. Im Smartphone, im PC und auf dem Papier.
Ich werde geboren an einem bestimmten Tag in einem bestimmten Jahr und nehme ab dann teil am Erdenleben. Es kommt die Minute und der Tag, an dem ich diese Erde wieder verlasse. Die Zeit begleitet mich nicht nur, sondern sie gibt den Takt vor. Nicht bewusst in den ersten Jahren meines Lebens. Als Baby habe ich völlig unabhängig vom Wochentag geschrien. Da kannte ich die Zeit noch nicht. Aber irgendwann brachten meine Eltern mir bei, wie ich eine Uhr lesen muss und dass es wichtig ist, pünktlich zu sein und sich die Zeit gut einzuteilen. Denn die Zeit ist Geld und die Zeit ist begrenzt.
Als kleines Kind hatte ich noch gedacht, dass ich einfach frei bin. Ich spielte, ich aß, ich schlief. Ich war Teil einer Familie. Bedürfnisse wurden erfüllt oder auch nicht. Dasein in der totalen Gegenwart.
Doch jetzt bin ich ein Wesen, dass einem Kalender und einer Uhr folgt. Die Uhr und der Kalender weisen mich hin auf tote Zeiten. „Mach mehr aus deinem Leben! Hol raus, was du rausholen kannst. Du weißt nicht, ob du morgen noch eine Möglichkeit hast!“
Ich sitze jetzt vor meiner Uhr und schaue sie an. Da laufen Sekunden-, Minuten-, und der Stundenzeiger und versetzen mich in einen Trancezustand. Und jetzt erzähle ich dir, was die Uhr zu mir gesprochen hat. Und wenn du dein Leben so ahnungslos wie bislang weiterführen möchtest dann liest du ab jetzt auf keinen Fall mehr weiter. Es wäre nicht gut für dich! Wenn du weiterliest, gehst du ein Risiko ein. Also überleg es dir gut! Folgendes hat die Uhr mir zugeflüstert:
„Du erlebst tote Zeiten? Gut, dass du sie erlebst. Spürst du den Druck? Du solltest ein sinnvolles Leben führen? Die Zeit ausnutzen? Etwas aus dir machen? Wenn du diesen Druck spürst dann habe ich erreicht, was ich wollte. Ich sage es dir kurz und knapp.
Ich bin die Herrin und du mein Sklave. Es ist doch so, dass du mir gehorchst, nicht wahr? Du stellst mich am Abend ein, damit ich dich am Morgen wecke. Und brav stehst du auf. Du kochst dir den Kaffee und frühstückst mit dem Blick auf mich. Ich stehe an deinem Bett, hänge an deiner Wohnzimmerwand, habe einen Platz an deinem Arm und auf deinem Smartphone. Frühstücke nur, aber behalte mich im Blick. Oder auch nicht. Du kannst mir sowieso nicht ausweichen. Ich klebe wie ein Parasit in deinen Zellen. Du wirst mich nicht los!
Ich arbeite übrigens für deinen Arbeitgeber. Der möchte möglichst viel von dir haben und dass du dich genau an die Zeiten hältst. Ich habe mit ihm einen Vertrag geschlossen, dass du mindestens 140 000 Stunden zur Verfügung stehst. Nicht heute, aber insgesamt. Ich bin ständig präsent und achte darauf, dass du deinen Vertrag einhältst. Ich bin immer mit im Spiel. Es geht nie ohne mich! Selbst im Urlaub bin ich präsent und zeige dir ab dem ersten Tag, dass dein Urlaub bald schon vorbei ist. Ich sehe dir in die Augen und merke, wie du leidest. Du bedauerst, dass du nur zwei Wochen Urlaub hast. Du hättest gerne mehr davon. Ich verlängere um zwei Tage und sehe die Erleichterung in deinem Gesicht. Ich genieße meine Macht und deine Abhängigkeit. Wie du aufatmest bei zwei mickrigen Tagen! Ich bleibe Sieger. Du gehörst mir. Mir, der Zeit. Ich bin der Besitzer und du bist mein Eigentum. Ich lasse es dich nicht spüren. Du sollst mir ja freiwillig gehorchen. Das macht es mir leichter. Ich will dich ja nicht zu den Terminen prügeln. Am Ende stirbst du noch vor der Zeit, die dir biologisch vergönnt ist. Ich lese deine eigene Todesanzeige und dort wird ein Datum stehen. Von dann bis dann hast du mir gehört. Ich bestimme also auch noch das Erscheinungsbild auf deiner Todesanzeige. Oder hast du schon mal eine Anzeige gesehen wo stand: „Das war Matthias! Du warst ein netter Kerl. Wir werden uns gerne an dich erinnern. Mach es gut!“ Nein, dort steht von wann bis wann! Je kürzer die Zeit, desto größer der Schrecken beim Leser. Dann reibe ich mir die Hände. Du wirst dein Tempo erhöhen!
Wenn du im Stau stehst, dann mache ich dir Druck! Ich kann zwar nichts machen und muss es aushalten. Aber ich kann dafür sorgen, dass du dir Sorgen machst. Dass du ein schlechtes Gewissen bekommst. Jeder Stau hilft mir dabei, dass du gehorsamer wirst. Stell dir doch einmal vor, dass es auf der ganzen Welt keine Uhr gäbe! Du würdest im Stau stehen und wärest völlig gelassen. Du müsstest ja nirgendwo pünktlich ankommen. Du würdest vielleicht nur zwei Stunden arbeiten anstatt sieben oder acht. Daran hat dein Arbeitgeber kein Interesse. Er möchte, dass der Betrieb so präzise abläuft wie ich, die Uhr.
Ich weiß, dass es eigentlich unmenschlich ist. Menschlicher wäre es, wenn du mit der Sonne aufwachst und dich dem Rhythmus des Lichtes und des Herzens überlassen würdest. Aber dann würde ich meine Bestimmung verlieren. Ich lebe davon, dass du mir gehorchst.
In den vielen Jahren meiner Existenz habe ich gelernt, ganz dezent im Hintergrund zu arbeiten. Du kannst mein Wirken vergleich mit der Geschichte vom Frosch im heißen Wasser. Wenn ein Frosch ins heiße Wasser fällt dann springt er vor Schreck sofort wieder heraus. Wenn er aber im kalten Wasser ist und ich langsam und stetig die Temperatur erhöhe wird er nicht springen. Inzwischen könnt ihr Menschen nicht einmal mehr ohne mich leben. Ihr verplant euer Leben und ich gebe den Takt vor.
Und dann sind da die geheimnisvollen toten Zeiten. Die sind gefährlich für mich. Wenn du nichts zu tun hast dann wirst du innerlich unruhig. Es kommt dir seltsam vor. Du möchtest etwas Sinnvolles tun. Ich laufe ja immer weiter und habe dich gut konditioniert. Du bist mein pawlowscher Hund. Nur, wenn die toten Zeiten kommen, dann könnte etwas geschehen, wovor ich Angst habe. Ich flüstere es dir jetzt ins Ohr. Komme näher.
Wenn du in einer toten Zeit in dich hineinspürst, dann könntest du bemerken, dass ich dich beherrsche. Du könntest aufwachen und dir sagen: „Genug!“ „Nicht mehr mit mir!“ Du könntest alle Uhren und Zeiten aus deinem Leben verbannen. Du würdest einfach tun was du wolltest. Dir wäre es egal, ob du noch zwei oder zwanzig Jahre Zeit zum Leben hättest. Du würdest angstfrei und gewissenlos werden und nach deinen inneren Impulsen leben. Du würdest nicht mehr berechenbare 40 Stunden für so und soviel Euro arbeiten sondern irgendwie und einfach so. Dein Arbeitgeber wüsste nicht mehr, was er dir bezahlen sollte. Du würdest ihm sagen, dass du gut gearbeitet hast und dir wünschst, dass er dich jetzt gut bezahlt. Alles würde mehr nach einem Gefühl oder zeitlosem Rhythmus laufen.
Ich würde meine Macht und Vorrangstellung verlieren. Und daran habe ich kein Interesse. Es läuft doch prima so, wie es läuft. Nicht wahr? Es läuft und läuft und läuft. Ein kleiner Burnout gefällig? An die Verhinderung muss ich wohl noch arbeiten.
Was wäre das Gegenteil oder der Gegenpol von Zeit? Hast du einmal darüber nachgedacht? Wenn du diesen Pol entdeckst, dann bin ich dich los. Daran habe ich kein Interesse. Und jetzt wach auf und arbeite weiter!“
Ich wache auf und stelle die Uhr beiseite. Ich tauche tief in meine toten Zeiten ein. Wie wäre es, wenn ich nicht die toten Zeiten betrachte mit einem Gefühl des Versagens, sondern die Zeit an und für sich ausschalte oder töte. Es gibt Augenblicke, wo die Zeit gar keine Rolle spielt. Ich denke an das, was ich liebe. Ich fühle es und plötzlich existiert die Zeit nicht mehr. Sie ist gar nicht mehr da. Die Zeitformen von Vergangenheit, Gegenwart und Zukunft verlieren ihre Bedeutung. Zeit zeigt sich nur als Teil meiner menschlich begrenzten Denkweise. In diesem Zustand gibt es kein Gegenteil von Zeit. Auch keinen Gegenpol. Keine grenzenlos ausgedehnte Zeit.
Wenn ich in einer „toten Zeit“ in mein Inneres eintauche werde ich mir meiner selbst bewusst. Ein wort- und gedankenloser Zustand. Worte und Gedanken bin ich los. Stille? Frieden? Verbunden sein? Ein Schweigen!
Vielleicht finde ich in den toten Zeiten das Gegenteil vom Tod. Lebendigkeit. Den Atem, der kommt und geht. Den Puls und den Herzschlag. Das alles kann ich wahrnehmen in toten Zeiten.
In den toten Zeiten komme ich zurück zu meinem natürlichen Zustand. Ich werde mir bewusst, dass es eigentlich keinen Zwang gibt. Das pure Leben an sich ist völlig zwanglos. Löwen teilen auch nicht ein nach Frühstück und Mittagessen. Die Uhr suggeriert mir nur, dass ich mich nach ihr richten muss. Beherrsche ich die Uhr oder beherrscht sie mich. Das Motto für jede Fastenzeit und auch für eine österliche Erfahrung. Beherrsche ich den Alkohol oder beherrscht er mich. Beherrschen mich die Gefühle oder beherrsche ich sie?
Zugleich wird mir bewusst, dass auch das „Herrschen“ und das „Beherrschen“ zu einem Zwang werden kann, der mich unfrei macht. Wie wäre es, mit der Zeit zu spielen? Mit dem Alkohol zu spielen? Mit allen „Herrschaften“ zu spielen! Vielleicht ist es ja möglich, in all den vielen „Herrschaftsräumen“ sich „Freiheitsräume“ zu ermöglichen. Und wenn die Zeit sich als Herrschaftsraum zeigt, dann könnte ich mich ab und zu mal einfach verweigern. In „tote Zeiten“ abtauchen! Mich darin innerlich lebendig fühlen und ein wenig ausdehnen. Jemanden an der Kasse vorlassen. Im Wartezimmer beim Arzt sich fühlen wie in der Sauna. Am Bahnsteig einfach nur herumstehen dürfen. Es gibt nichts zu tun!


Mittwoch, 26. Oktober 2022

Jede Krise birgt auch eine Chance!

                                                                                              
Das Kind bekommt ein schlechtes Zeugnis und wird nicht versetzt in die nächste Klasse. Da kann man nichts machen!
Das Paar hat sich heillos zerstritten und reicht die Scheidung ein. Da kann man nichts machen.
Der Kranke liegt im Sterben und der Tod wartet vor der Tür. Da kann man nichts machen.

Klingt wie Resignation, nicht wahr. Manchmal müssen wir uns dem "Schicksal" ergeben. Das Kind hat sich alle Mühe gegeben und dennoch die erforderlichen Noten nicht geschafft. Das Ehepaar war sogar in einer Beratung und der Kranke hat lange gekämpft. Da kann man nichts machen. Es mag sein, dass das Kind nicht versetzt wird, das Paar sich trennt und der Kranke stirbt. In jeder Situation "kann man dann dennoch etwas machen".
Das Kind kann daraus eine Lektion für die Zukunft lernen und andere Wege gehen. Das Paar findet in der Krise vielleicht einen neuen Anfang. Der Kranke kann noch vor dem Tod seinen Angehörigen seine Liebe zeigen.
Die Situationen können wir manchmal nicht verändern, aber unsere innere Einstellungen. Jedes Ereignis, das uns herausfordert, gibt uns die Gelegenheit zum inneren Wachsen.

Du kannst dein Leben bejahen mit allen Facetten. Es gibt nichts zu tun.
Du kannst Ja sagen auch  zu deinen Fehlern. Dann gibt es nichts zu tun.
Du kannst dich mit dir selber aussöhnen. Dann gibt es nichts zu tun.

Da kann man nichts machen - Resignation.
Es gibt nichts zu tun - einfach im Sein sein!

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Dienstag, 25. Oktober 2022

Wir hinterlassen Spuren... aber nicht immer!


Manchmal verschwindet etwas spurlos. Socken verschwinden in der Waschmaschine und Pullover befinden sich plötzlich nicht mehr im Schrank. Du bist dir sicher, wo du deine Sachen abgelegt hast und auf einmal sind sie nicht mehr da. Spurlos verschwunden. Ich vermisse meinen Personalausweis. Er ist spurlos verschwunden. Ich habe alle Schubladen abgesucht und alle Jacken- und Hosentaschen gefilzt. Ich habe an jeden auch nur erdenklichen Ort nachgeschaut und jetzt blicke ich der Tatsache ins Auge. Mein Peronalausweis ist unauffindbar. Dabei steht doch darauf, wer ich bin. Mein Name, meine Anschrift, die Körperlänge und die Farbe meiner Augen. Merkwürdig, nicht wahr? Zur gleichen Zeit befinde ich mich in einer Identitätskrise. Vor zwei Jahren wusste ich noch, wer ich war. Das weiß ich im Moment nicht mehr. Ist es da nicht folgerichtig, dass sich der Personalausweis auch auflöst? Wie im Inneren so auch im Äußeren. Ich versuche, eine Weile ohne Identität auszukommen und probiere es auch mit meinem Ausweis. Wenn ich hoffentlich irgendeine Identität wiedergefunden habe wird sich auch der Ausweis einfinden.
Spurlos verschwinden Dinge und auch Menschen. Hast du schon erlebt, wie Menschen in deinem Leben spurlos verschwunden sind? Sie haben sich nicht verabschiedet und du hast auch nicht selbst Abschied genommen. Ihr habt euch nicht gestritten und nicht bewusst getrennt. Aber wenn du genau hinspürst, dann ist es doch stimmig. Es ist nicht grundlos, dass diese Menschen aus deinem Leben verschwunden sind.
In einer Achtsamkeitsübung habe ich gelesen, dass ich für eine Woche einen Raum in meiner Wohnung nur so benutze, dass nach der Aktion keine Spuren sichtbar sind. Ich räume also meine Küche so auf, dass ein Fremder denkt, die wird gar nicht benutzt. 
Manchmal ist es gut, wenn die Dinge oder Menschen verschwinden. Wir können eh nichts festhalten. Alles im Leben ist wie Sand und zerrinnt zwischen den Fingern. Wenn etwas spurlos verschwindet gibt dir das Leben die Möglichkeit, eine Lektion zu lernen. Lasse los!

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Montag, 24. Oktober 2022

Ubuntu - ich bin, weil du bist!





 
Mein altes Windows XP hatte irgendwann seinen Geist aufgegeben. Jemand empfahl mir als neues Betriebssystem für meinen alten Laptop „Ubuntu“.  Das Wort heißt in der einfachsten Übersetzung „Menschlichkeit“ und wird unentgeltlich angeboten, damit es jeder nutzen kann. Ein paar Tage später hörte ich dann folgende Geschichte im Radio. Auch wenn sie vielleicht nur er- oder gefunden wurde, gefällt sie mir. 
„Ein Anthropologe bot Kindern eines afrikanischen Stammes der Xhosa-Kultur ein neues Spiel an. Er stellte einen Korb voller Obst in der Nähe eines Baumes und sagte ihnen, wer zuerst dort ist, gewinnt die süßen Früchte. Als er ihnen das Startsignal gab, liefen sie alle zusammen und nahmen sich gegenseitig an den Händen, setzte sich dann zusammen hin und genossen ihre Leckereien.
Als er sie fragte, weshalb sie so gelaufen sind, wo doch jeder die Chance hatte, die Früchte für sich selbst zu gewinnen, sagten sie: “Ubuntu, wie kann einer von uns froh sein, wenn all die anderen traurig sind?”
Ubuntu in der Xhosa-Kultur bedeutet: »Ich bin, weil du bist, und ich kann nur sein, wenn du bist.«.“

Die Geschichte habe ich dann bei netzfrauen.org wiedergefunden. Die Ubuntu Geschichte kannte ich bislang noch nicht. Sie hat mir gleich beim ersten Hören gefallen.

Wenn es eine Chance gibt, dass alle froh sein können, dann sollte man doch diese Chance ergreifen. Mir gefällt die Vorstellung beim eigenen Glück auch das Glück der anderen mit im Blick zu haben.

Noch mehr gefällt mir der Gedanke, dass diese Kinder das Spiel nicht mitgespielt haben. Aus dem Vorschlag des Anthropologen haben sie ihr eigenes Spiel entwickelt, nach ihren Ideen und Vorstellungen. Darin zeigen sie Unabhängigkeit, Weisheit und ein besonderes Gespür für die wichtigen Dinge im Leben.


Du lebst nicht allein auf einer Insel. Du bist immer in Verbindung im Zusammenhang mit vielen Menschen – in deiner Familie, in der Nachbarschaft, in der Stadt. Dein Glück hat Auswirkungen auf das Glück der anderen. Ich weiß nicht ob das geht, aber ich wünsche dir ein sattes „Ubuntu“.

Samstag, 22. Oktober 2022

Ich habe Beschwerden, postraumatisch aus einem anderen Leben

Wenn ich Beschwerden habe, dann suche ich nach einem Grund.
Ich habe Bauchschmerzen und das Falsche gegessen. Oder jemand hat mich geärgert.
Ich habe Kopfschmerzen und hatte irgendwo einen Zug oder mir zu viele Sorgen gemacht.
Ich habe einen Muskelkrampf wegen Überlastung oder innere Anspannung.

Wenn ich so denke, dann muss ich Verantwortung übernehmen. Die Beschwerden kommen nicht einfach so. Ich habe etwas dafür getan, dass sie kommen. Ich kann auch dafür sorgen, dass es wieder besser wird. Für einen großen Teil meiner Beschwerden. Nicht für alle.

Wenn ich aber keinen Grund finde für meine Beschwerden. Wenn ich nicht die Verantwortung übernehmen will. Wenn ich die Zusammenhänge überhaupt nicht verstehe. Wenn es keine Erklärung gibt. Keiner, der mir auch nur annähernd einen Grund sagen kann - dann muss es aus einem früheren Leben kommen. Möglichst noch posttraumatisch. Meine Bauchschmerzen können also daher stammen, dass ich in einem früheren Leben erdolcht oder vergiftet wurde. Bei Kopfschmerzen hat mich jemand erschlagen und die Krämpfe bekomme ich, weil man mich mal erhängte.

Die Lösung findet ich eigentlich ganz praktisch und auch sehr zeitgemäß. Wenn ich eine Schraube nicht in meinem Lieblingsbaumarkt finde, dann kaufe ich wo anders. Wenn ich mit dem Bus nicht nach B komme, dann nehme ich das Auto oder das Fahrrad. Ständig bin ich auf der Suche nach Lösungen. Manche sind praktikabel und manche auch nicht.

Die Existenz von früheren Leben ist sehr praktikabel. Ich muss nicht mehr ständig nach einer Schuld suchen, die vielleicht gar nicht vorhanden ist. Ich bin nicht schuldig, wenn ich Bauchschmerzen habe. Aber es ist egal ob eigenes Versagen oder früheres Leben. Wenn du die Bauschmerzen hast, dann musst du damit umgehen. Hier und Jetzt! So ist es mit allen Phänomenen. Wie du damit umgehst, das kannst du gestalten. Da bist du kein Opfer. Verwende also weniger Zeit für die Suche nach Ursachen und mehr Zeit für das Finden von Lösungen!
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Freitag, 21. Oktober 2022

Hebt man den Blick, so sieht man keine Grenzen. (Japan)



Wenn ich mich selber beobachte stelle ich fest, dass ich oft auf den Boden schaue, wenn ich traurig bin. Dann sehe ich nur die wenigen Quadratmeter um mich herum. So eng, wie es sich in meinem Herzen anfühlt, so eng sieht dann meine Umgebung aus.
Wenn ich mit der Trauer und Enge im Herzen mich aufrichte und mein Blickfeld ausweite geschieht fast sofort eine Verwandlung. Die Veränderung des „Augenblicks“ bewirkt eine Gefühlsveränderung. Wenn es im Außen weit wird, wird es auch im Innen weit.
Oft erleben wir unser Leben begrenzt. In der Trauer werden die Grenzen enger abgesteckt. Wir wollen für uns sein. Wir möchten uns schützen. Wir fühlen uns getrennt von den anderen Menschen und von der Welt.
Wenn wir uns jedoch freuen wird der Raum weiter, die engen Grenzen werden gesprengt. Du richtest dich so weit auf, dass du den Horizont siehst. Da kommt der Punkt, wo die Erde aufhört und der Himmel beginnt. Zunächst scheint da noch ein Unterschied zu bestehen. Hier die Erde, dann der Himmel. Wenn am Horizont der tiefen Freude jedoch Himmel und Erde ineinander übergehen, veränderst du noch einmal deinen Blick. Du fixierst nicht mehr den Übergang, sondern siehst das Ganze. Das Ganze zu sehen und wahrzunehmen macht dich zugleich innerlich Ganz, „Ganzheitlich“ und verbunden. Hebe also deinen Blick und die Grenzen verschwinden. 

Donnerstag, 20. Oktober 2022

"In der Tiefe der Geduld ist der Himmel." (aus Afrika)



Das Volk der Kanuri lebt in der zentralen Zone des Sudan und am Tschadsee. Ich habe keine Ahnung, warum sie der Geduld eine solche Aufmerksamkeit schenken. In einer Wüstenzone braucht es aber sicherlich Geduld, die nächste Oase zu erreichen. Der Weisheitsspruch der Kanuri hat es in sich: „In der Tiefe der Geduld ist der Himmel.“
In der Regel möchte ich in kurzer Zeit meine Ziele erreichen. Ich bin ein flotter und effektiver Arbeiter in allen Bereichen des Lebens, in der Küche, beim Einkaufen, im Garten ja, und leider auch manchmal in der Beratung von Menschen. Die Sache ist doch klar, schon auf den ersten Blick. Mach zuerst A, dann B und zum Schluss mach C.
Wenn ich mir die Pflanzen im Garten betrachte, dann brauchen sie die Zeit, die sie brauchen zum Wachsen. Sie wachsen so wie sie wachsen. Sie wachsen so, wie es ihnen entspricht, ihrem Wesen nach.
Wenn ich Geduld habe, „dulde“ ich, gestehe ich zu, dass alles den Raum braucht, den es braucht. Auf einmal hört der Druck auf, dass etwas geschehen muss. Der Stress löst sich auf. Alles darf und nichts muss sein. Ich überlasse mich dem Lauf der Dinge, dem Gang des Lebens.
Im großen Bogen der Evolution ist meine momentane Sorge, dass sich etwas weiterentwickelt schier unbedeutend. Wenn mein Freund heute nicht kommt, kommt er vielleicht morgen, vielleicht sehe ich ihn auch erst im nächsten Jahre und vielleicht auch in einer veränderten atomaren Zusammensetzung in der Ewigkeit.
„In der Tiefe der Geduld ist der Himmel.“ Jetzt gehe ich doch einfach mal in meine eigene innere Tiefe, in die Mitte meines Herzens und sage Ja zu dem, was ist. Was will ich mehr? Das Ja zu allem was ist, ist doch Himmel, oder?

Mittwoch, 19. Oktober 2022

Wäre das Wort ›Danke‹ das einzige Gebet, das du je sprichst, so würde es genügen. (Meister Eckhart 1260 - 1327)

Wenn du Danke sagen könntest, so dieses Wort als Gebet genügen. Wie einfach! Es braucht nicht mehr. Keine langen Sätze. Keine verschraubten Gottesvorstellungen. Einfach danken!

Es ist so einfach und doch das Ergebnis eines langen Weges. Als kleines Kind haben deine Eltern dir ihre Aufmerksamkeit geschenkt. Du hast dich gefreut. Du warst im Kontakt. Es hat dein Herz bewegt und deinen ganzen Körper durchströmt. Wie ein Energiestrom durchzog es dein ganzes Wesen. Du kanntest das Wort "Danke!" noch nicht, aber du warst innerlich erfüllt von einem Zustand der Allverbundenheit.

Dann wurdest du älter und hast vielleicht festgestellt, dass du nicht so ganz in Ordnung warst. Deine Eltern haben dich nicht mehr nur liebevoll angeschaut. Auch mal kritisch! Mit einem Stirnrunzeln. Mit harschen Worten. In dir breitete sich mehr und mehr ein Gedanke aus, dass du nicht richtig warst. Etwas war falsch mit dir und war falsch mit der Welt. Die ersten großen und kleinen Trübungen. Und du solltest vor allem immer "Danke!" sagen als Erziehungsmaßnahme. Danken ohne das Gefühl der Allverbundenheit.

Jetzt bist du vielleicht schon seit vielen Jahren erwachsen und erinnerst dich an diesen Zustand der dankbaren Allverbundenheit. Du erinnerst dich aber auch an all die zerstörten Verbindungsfäden. Deine Zustände von Trennung und Isolation.

Du kannst zurückkehren zum "Dankbewusstsein". Du "denkst" "dankend" daran zurück, dass du verbunden bist. Verbunden mit allem, was ist. Die Welt ist freundlich zu dir. Die Menschen sind freundlich zu dir. Du darfst freundlich zu dir selbst sein. Du kannst dich hinstellen, Augen und Herz öffnen und es in dein Bewusstsein wieder einsinken lassen mit einem Lächeln. "Ich bin verbunden!" Das Wort "Danke!" wird wieder zu dem, was einmal war. Das bestätigenden Wort einer inneren Erfahrung. Wie "Amen!" oder "Ja!" oder "Wow!"
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Dienstag, 18. Oktober 2022

Wer die Welt nicht leicht nimmt, dem macht sie Schwierigkeiten. Hafis (Ḥāfeẓ)

Du gehst in eine Arbeitsgruppe und freust dich. Du bist voller Lösungen und guter Gefühle. Du glaubst, dass alle nach ein paar Minuten fertig sind und sich erholen dürfen und die Sonne genießen können. Du bist ja voller super Ideen.
Mit deiner Leichtigkeit gehst du in die Arbeitsgruppe und strahlst alle an. Ja, du wirst gleich deine vielen Ideen teilen und alle werden dir wunderbar dankbar sein und deine Kreativität und deinen Geist schätzen. Du siehst dich schon mit einer Tasse Kaffee in der Hand gleich in der Sonne sitzen. Du ahnst schon was da kommt, oder? Kennst du! Ich muss nichts mehr sagen.
Du sitzt mit lauter Menschen zusammen, denen der Lehm an den Füßen klebt. "Was ist das aber auch schwer! Wie sollen wir das bloß schaffen! Das ist viel zu viel. Das ist viel zu schwer. Das ist eine Zumutung!" Du kommst mit deinen leichten Lösungen und die erste Person sagt: "Danke für deine tolle Idee. Aber..." oder "Eigentlich gefällt mir, was du sagst..." Den Rest des Satzes kannst du dir denken.
Die Sonne geht unter. Der Kaffee wird kalt. Deine Laune sinkt. Du hast verloren. Wer die Welt nicht leicht nimmt, dem macht sie Schwierigkeiten. Niemand in deiner Arbeitsgruppe kennt das Geheimnis des Lebens. Du bist der Schöpfer, die Schöpferin. Wenn du es dir schwer machst, wird es schwer. Du hast es ja so erschaffen. Und wenn in einer Arbeitsgruppe zwei oder drei Menschen so drauf sind, dann musst du einpacken und das Weite suchen.
Wenn du in die nächste Arbeitsgruppe gehst lass dir die Leichtigkeit nicht nehmen. Nimm dir vor, fest dabei zu bleiben, dass es ganz leicht ist. Du weißt ja, dass die Welt Schwierigkeiten macht, wenn jemand die Welt nicht leicht nimmt. Die anderen werden auf jeden Fall versuchen, schwer zu sein! Sie wollen es so! Du wirst sie nicht davon abbringen. Bleibe auf jeden Fall leicht. Egal, was die anderen machen. Geh innerlich einen Schritt zurück und gib deinem Team Anerkennung. Sie wollen das beste, so wie du. Aber sie können nur schwer. Sie wissen noch nicht, dass sie Schöpfer sind. Sie empfinden noch wie Sklaven, wie Abhängige! Puste virtuelle Seifenblasen in den Raum. Lass geistige Federn schweben und bleib auf jeden Fall leicht. Denke an Momo von Michael Ende. Da gab es doch dieses grauen Männer. Du bist keiner von ihnen! Ich flüstere es dir jetzt ins Ohr. Komm mal ganz nahe zu mir: "Du bist ein Engel! Ein wunderbarer leichter Engel! Vergiss das nicht!"
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Montag, 17. Oktober 2022

Wenn die Vergangenheit anruft, geh nicht ran. Sie hat dir nichts Neues zu sagen.


Ruft die Vergangenheit dich auch manchmal an? Du sitzt da still für dich und trinkst eine Tasse Kaffee? Auf einmal werden Erinnerungen in dir wach. Eine Begegnung, die dich gekränkt hat. Eine Beziehung, die in die Brüche gegangen ist. Ein Freund, der sich seltsam dir gegenüber benommen hat. Dann nimmst du diese Erinnerung auf und kaust das Erlebte noch einmal durch.
Wie oft hast du es schon durchgekaut? Wie viele neue Aspekte gibt es dieses mal? Ist eine neue Erkenntnis dabei? Eine Erkenntnis mit dem Effekt, dass du jetzt loslassen kannst? Oder hältst du ständig ausgelutschte und alte Teebeutel immer wieder in deine Tasse?
Die Vergangenheit ruft immer wieder mal an. Besonders in stillen Stunden. Dann, wenn du es dir erlauben kannst. Und du gehst immer ran, oder? Oder kannst du beim Anruf sagen: "Nein, jetzt nicht! Ich trinke gerade meinen Kaffee und gönne mir eine Pause." Stell dir dabei einen alten vergammelten Teebeutel vor, der dir den Kaffee versauen will. Er will unbedingt in deine Tasse. Und du sagst: "Nein! Heute nicht!"
Das Vergangene drängt sich einfach auf! Weißt du warum? Sie hat dir nichts Neues zu sagen. Es gibt keine neuen Aspekte. Aber es gibt manchmal etwas nachzuholen. Etwas, was du versäumt hast. Du hast wahrscheinlich versäumt, das dazugehörige Gefühl zu fühlen. Da ist noch ein Ärger. Eine Angst. Ein Schmerz. Wenn also die Vergangenheit anruft, dann geh nicht mit dem Kopf dran. Mit deiner Stimme. Aber mit dem Herzen. Fühle mal deine ganze Geschichte in Ruhe durch, oder auch in Aufregung. Einfach nur durchfühlen. Bis es sich auflöst.

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Samstag, 15. Oktober 2022

Auch die zweitbeste Lösung ist eine Lösung!



Benötigst du auch jeden Tag viel Zeit für das Finden von Lösungen? Was kaufe ich ein und wo finde ich die Produkte, die ich benötige? Fahre ich mit dem Auto, mit dem Rad oder gehe ich zu Fuß? Wann habe ich Lust, wann kann ich überhaupt und zu welcher Zeit ist es im Geschäft nicht zu voll? Finde ich alles in einem Laden oder muss ich mir eine Tour überlegen? Vielleicht fallen dir selbst noch viel mehr Fragen ein, die du vor einem Einkauf für dich klären musst, um zu einer guten Lösung zu kommen.
Wenn es nur dieses eine Thema des Einkaufens gäbe, wären deine Aufgaben ja gut lösbar. In der Regel jedoch beschäftigst du pausenlos deinen Geist damit, für viele Aufgaben eine Lösung zu finden. Was muss ich heute unbedingt noch erledigen? Mit wem muss ich etwas besprechen? Fragen für kurz-, mittel- und langfristig. Wer hat Erwartungen an mich und an wen habe ich Erwartungen? Erst, wenn du eine Lösung gefunden hast, kannst du eine Frage abhaken und dein Geist hört auf, dich zu plagen. Manche Fragen werden zum Problem, wenn du keine Lösung finden kannst. Dann kreisen deine Gedanken pausenlos weiter. Das kann sich sogar so weit ausdehnen, dass du dich völlig blockierst, weil du unbedingt für eine bestimmte Aufgabe eine Lösung finden möchtest.
Wenn dir dein Leben egal wäre, dann würdest du einfach irgendetwas irgendwie machen. Du könntest z.B. in den nächsten Laden gehen, deine Hände ausstrecken, ein Produkt in den Korb legen und an der Kasse bezahlen. Etwas wird schon dabei sein, dass deinen Hunger stillt.
Du könntest zusätzlich versuchen, dein Leben insgesamt möglichst plan- und gedankenlos zu verbringen. Von außen würde es wahrscheinlich wie Demenz wirken, aber innerlich wärest du befreit von der ständigen Anspannung, etwas entscheiden zu müssen. Du könntest dich dafür entscheiden, nichts mehr zu entscheiden und ließest auf dich zukommen, was immer auch kommen würde. Du würdest einfach völlig entspannt mitschwingen. Hilfreich wäre dabei allerdings die Fähigkeit, das Denkvermögen auszuschalten.
Stell dir doch einfach mal vor deinem geistigen Auge ein Pendel vor. Dieses Pendel schwingt von links nach rechts. Wenn es nach rechts außen ausschlägt, so findest du dort die völlige Planlosigkeit. Das Chaos. Das Unentschiedene. Die Gedankenlosigkeit.
Dann betrachtest du das Pendel auf der linken Seite wiederum ganz außen. Dort findest du immer und beständig den super perfekten Plan für dein Leben. Du hast alles durchdacht und findest immer die ideale Lösung. Dort gelingt dir einfach alles, weil du von A bis Z durchstrukturiert bist. Du kannst deine Gedanken ständig in höchsten Tönen loben, weil du mit deinen Leistungen sehr zufrieden bist. Alle werden dich bewundern und du wirst nominiert für irgendeinen Nobelpreis.
Unser Pendel schwingt also zwischen Perfektion und Chaos. Wenn du dich einmal selber einschätzen müsstest: Wo würde sich dein vertrauter Bereich befinden? Bist du eher der Chaos-Typ oder der Perfektions-Typ? Wohin schlägt dein Pendel mehr aus? Und mit welchem Anteil bekommst du in der Regel innerlich Konflikte? Und welche Menschen im Außen bedrohen deinen Standpunkt?
Ich möchte mit dir jetzt noch einmal einen Ausflug machen zur linken und geordneten Seite des Pendels. Wahrscheinlich, weil ich mich eher dorthin einsortiere.  In der Regel versuche ich immer, für jede Aufgabe und jedes Problem die beste Lösung zu finden. Ich beobachte mich dabei, wie ich ein gutes Ergebnis meines Nachdenkens gefunden habe. Aber dann fällt mir noch etwas ein und noch etwas und noch etwas. Ich finde also ständig Lösungen. Warum? Ich werde angetrieben von dem Wunsch, die beste Lösung zu finden!
Geht es dir ähnlich? Du suchst unbedingt die beste Lösung. Nicht irgendeine. Sondern die beste! Wenn du einen Kunden bedienst, dann möchtest du nicht nur, dass er zufrieden ist mit deiner Leistung. Du möchtest doch, dass er das Gefühl bekommt, wirklich ein König zu sein. Ob du dich als Krankenschwester um deine Patienten kümmerst, als Rechtsanwalt um deine Klienten, als Berater um deine Kunden oder als Mutter und Vater um deine Kinder. Immer geht es darum, dass du das Beste möchtest. Der glückliche Patient macht dich selber glücklich. Je besser dein Service, desto glücklicher dein Gegenüber und auch du.
Wenn du hingegen nur irgendeine x-beliebige Lösung anstrebst: Was werden die anderen von dir denken? Was du von dir selbst? Du wirst auf jeden Fall immer die beste Lösung anstreben, nicht wahr? Oder hältst du es aus, wenn dich jemand anspricht und sagt: „Das hättest du mit deinem Wissen aber wirklich besser machen können. Du bleibst hinter deinen Möglichkeiten zurück.“ Vielleicht bist du ja ein völlig abgebrühter und gelassener Typ und lehnst dich zurück nach dem Motto: „Mit diesem Thema habe ich Gott sei Dank nichts zu tun! Kritik hat bei mir kaum eine Chance!“ Wetten, dass es irgendwo ein Thema gibt, wo auch du nach der besten Lösung suchst! Es gibt einfach Themen, für die wir gehen. Wo wir uns engagieren. Wo das Herz sozusagen blutet. Für die Kinder, für den Partner, den Geliebten, für Menschen in Not...
Ich befinde mich in Gedanken immer noch auf der linken Seite des Pendels. Ich bin auf der Suche nach der besten Lösung. Ich bin es mir wert! Mein Gegenüber ist es mir wert! Ich möchte auch keine Kritik einstecken, wenn es sich vermeiden lässt. Wenn es nur nicht das große „LEIDER“ gäbe.
Was meine ich damit? Die beste Lösung, die ich mir ausgedacht habe, lässt sich „leider“ nicht immer umsetzen. Das Geschäft führt ein bestimmtes Produkt nicht mehr. Mein Fahrrad ist platt. Mein Kunde kommt auf einmal mit ganz anderen Wünschen. Der Patient ist trotz meiner tollen Pflege gestorben. Ich selber bin schlecht drauf oder nur für einen Augenblick unachtsam. Es kommt sowieso etwas dazwischen in meiner Zeitplanung. Während du also voller Engagement am linken Ende des Pendels die beste Lösung suchst, schleichen sich dort einfach Chaoselemente ein.
Diese „Chaoselemente“ warten nicht, bis du mit deinem Pendel nach rechts ausschlägst. Sie üben ihre Macht heimlich aus und behindern deine Anstrengungen. „Du wirst es nicht schaffen, die beste Lösung umzusetzen!“ flüstern sie dir ein.
Und das macht dein Lebensgeschäft so unglaublich anstrengend. Die beste Lösung lässt sich nur mit einem sehr hohen Preis umsetzen. Im Untergrund wabern die chaotischen Elemente, die du nicht berechnen kannst. Und wenn du zu den „ordentlichen“ Menschen gehörst, wirst du diese Elemente vielleicht sogar ausblenden und unterdrücken. Es wird dir nichts nützen. Je weniger du damit rechnest, desto mehr werden sie ihr Werk verrichten.
Irgendwo hörte ich in einer Ansprache folgenden Satz: „Leider konnten wir die beste Lösung nicht umsetzen und müssen nun mit der zweitbeste vorliebnehmen.“ Im Vortrag klang es wie ein Bedauern. Schade! Wir hätten die beste Lösung verdient. Jetzt wird es nur die zweitbeste.
Beim Fußball ist Erstklassigkeit auch besser als die Zweitklassigkeit. Der Zweite im Sport bekommt nur Silber. Lieber wäre ihm bestimmt Gold. Vor allem, wenn der Abstand zum Sieger nur gering ist. Der Zweitklassige will erstklassig werden und der Erstklassige zur Spitze in der Liga von da aus in die Superliga und dort an die Superposition. Von da oben aus gesehen ist die zweitbeste Lösung ein echter Verlust.
Aber wie gesagt: Die beste Lösung fordert in der Regel einen hohen Preis. Bin ich bereit, immer diesen hohen Preis zu zahlen? Ständig diese Überforderung, dieser Anspruch, diese Absolutheit!
„Wir haben die zweitbeste Lösung gefunden.“ In meinen Ohren klingt es nicht wie Mangel sondern wie Erlösung! Ich gebe mich tatsächlich mit dem Zweitbesten zufrieden. Warum nicht? Ich kann doch diesen Gedanken mal einfach zulassen. Ich betrachte mir einmal ganz genau diese zweitbeste Lösung. Die ist gar nicht schlecht! Da tauchen auf einmal Überraschungen auf. So könnte mir die zweitbeste Lösung bei der Suche nach dem richtigen Geschäft die Nähe zum Altglascontainer bescheren.
So weit hatte ich bisher gar nicht gedacht. Die zweitbeste Lösung für den Kunden lässt einen finanziellen Spielraum für andere Wünsche. Ich verkaufe nicht das beste Gerät aber ein anderes noch hinterher.
Wenn ich mich im „zweitbesten Lösungsraum“ bewege verschwindet die Obergrenze. Das „Müssen“. Der Absolutheitsanspruch! Es tritt ein wenig Gelassenheit ein. Ich kann mich entspannen. Ich entdecke, dass sich in diesem Lösungsraum auch noch Möglichkeiten zeigen, an die ich bisher gar nicht dachte. Wenn das Pendel also ein wenig zur Seite ausschwingen darf, kann ich die „Chaoselemente“ für mich nutzen. Chaos bedeutet ja nicht einfach nur ein schreckliches Durcheinander, sondern zugleich das Meer der tausend Möglichkeiten. Die zweitbeste Lösung heißt: Ich entscheide mich für eine insgesamt gute Lösung und habe noch zusätzliche Optionen!
Es wäre also hilfreich, sich von dem Streben nach der besten Lösung zu verabschieden. Wenn sie eintritt, auch gut. Das muss aber nicht sein. Ich könnte von vornherein die zweitbeste Lösung anstreben. Was würde das verändern, wenn ich das täte? Ich persönlich würde mit dem Suchen nach Lösungen eher aufhören. Wenn ich drei Ideen hätte, würde ich einfach Schluss machen. Genug Lösungen gefunden! Die zweitbeste wird auch dabei sein und das genügt mir.
Wo ich mich schon von der besten Lösung verabschiedet habe könnte ich doch jetzt auch mal zur dritt- oder viertbesten Lösung hinschauen. Was würde ich in diesen „Lösungsräumen“ finden? Eine Idee dazu kommt mir, dass die „Euroshops“ nach diesem Prinzip funktionieren. Ich finde dort etwas, das mir im Augenblick weiterhilft. Ein Markenprodukt wäre toll! Aber jetzt gerade würde das Preiswertprodukt für mich ausreichen.
Wenn ich jedoch das Prinzip der besten Lösung verlasse, öffne ich einen Weg mit einem neuen Glaubenssatz, den ich vielleicht gar nicht betreten möchte. Ich müsste mich verabschieden von meinen hohen Zielen. Ich müsste vor allem meinen Absolutheitsanspruch verlassen. Da höre ich schon: „Wehret den Anfängen!“ - „Wer A sagt muss auch B sagen!“ „Ich möchte mir treu bleiben!“
Da kann ich dich nur daran erinnern, dass wir uns immer noch im Pendel des Lebens befinden. Der Anspruch nach der besten Lösung hat seine Berechtigung. Die Einflüsse und Einwirkungen des Chaos auf der anderen Seite aber auch. Du magst es nicht mögen. Aber es ist Realität. Das Chaos auf der anderen Seite des Pendels sagt dir: „Ich bin da! Ich gehe nicht! Du kannst nur mit mir arbeiten oder gegen mich. Aber mich nicht verdrängen! Was willst du tun?“
Welche spirituelle Haltung steckt hinter der Idee von einer zweitbesten Lösung? Ich muss mich nicht fixieren auf nur eine einzige umsetzbare Möglichkeit. Im Universum existieren Tausende von Möglichkeiten mit wiederum Tausenden von Auswirkungen und Folgen. Die Schöpfung ist vielfältig. Wenn das Samenkorn an dieser Stelle nicht aus dem Boden kriechen kann, dann aus einer anderen. Das Pflänzchen bleibt nicht vor der Betondecke stecken sondern sucht die zweitbeste Lösung. Es kriecht und kriecht, bis die Erde wärmer wird und die Sonne lockt. Es findet den Spalt, wo es hindurchkriechen kann. Das Lebensmotto dazu heißt: „Wenn nicht das, dann das andere. Und wenn nicht das andere, dann vielleicht wieder etwas anderes.“ Das Chaos zeigt sich als das Feld aller Möglichkeiten. Die „beste“ Lösung zeigt sich am Ende lediglich als eine der unendlich vielen Umsetzungen aus dem Feld aller Möglichkeiten.
Wenn du dein Einverständnis gibst zu diesen Prozessen musst du nicht mehr deine „beste“ Lösung finden. Du schwimmst ja schließlich im Meer der Unendlichkeit. Öffne mal jetzt im Frühling deine Augen in der Natur. Was meinst du, wie oft es eine Entscheidung gibt für die zweitbeste Lösung?
Zu welcher spirituellen Gruppe gehörst du? Bist du christlich, muslimisch, atheistisch, freikirchlich, oder…? Welche bietet die beste „Gottes“-Losung? Und welche die zweitbeste? Macht es einen Sinn, so zu fragen? Wenn du an der besten Lösung klebst gibt es nur diese eine! Doch jenseits davon erkennst du das große Mehr der vielen Möglichkeiten. Dort beginnt die Freiheit!

Freitag, 14. Oktober 2022

Auswege aus den "never ending storys"!

Never Endig Story - Eine kurze Zusammenfassung für Erfahrungen, die bestimmt jeder kennt.
Da gibt es in Konferenzen die immer gleichen Themen ohne eine für befriedigende Lösung. Sie tauchen in regelmäßigen Abständen in der Tagesordnung auf und verursachen ein Aufstöhnen: "Nicht schon wieder!"
Du hast den Mitgliedern deiner Familie mühsam beigebracht, dass eine verschlossene Zahnpastatube dich sehr viel glücklicher macht. Eine Woche lang geht alles gut und du kommst ins Bad: Die Zahnpastatube ist offen und du musst dir das Scheitern deiner Erziehungsmaßnahmen eingestehen.
Deine alte Mutter ruft an und erzählt dir sehr gefühlvoll und betroffen von der neuesten Erkrankung der schrecklichen Nachbarin. Du kennst dieses Thema schon. Diese dir fremde Nachbarin ist ständig präsent mit ihrem Gesundheitszustand. "Hilfe! Nicht schon wieder! Wann stirbt sie endlich!"
Im Laufe der letzten Jahre sind mir so manche Konferenzen auf den Keks gegangen. Immer die gleichen Geschichten und Themen ohne handfeste Ergebnisse und Beschlüsse. Du kannst nicht ausweichen.
Welche Themen verfolgen dich? In welchen "Never Ending Storys" bist du verwickelt? Wo grüßt dich ständig das Murmeltier? Wie viele Lösungen hast du schon ausprobiert und wie hoch ist noch deine Fähigkeit, das ewig Gleich auszuhalten?
Manchen Storys kannst du kaum ausweichen. Wenn du Teil einer Firma mit Konferenzen bist wird erwartet, dass du teilnimmst. Die Mitglieder deiner Familie kannst du ja auch nicht erschießen, nur weil sie nicht die Zahnpastatube zudrehen. Da sind andere Lösungen gefragt. Hier kommen meine Vorschläge zum Umgang mit "Never Ending Storys":
1. Kapituliere! Füge dich in das Schicksal und ertrage es einfach! Du hörst auf zu kämpfen und kannst die freigewordene Energie gut nutzen.
2. Steige innerlich aus diese Szene aus und schalte deinen Beobachter ein: "Das kenne ich doch! Ich bin mal gespannt auf die heutige Variante! Vielleicht gibt es ja etwas Neues!"
3. Suche Lösungen auf einer völlig neuen und unerwarteten Ebene. Wie meine ich das? "Ewigkeitsthemen" bei Konferenzen dürfen nur noch im Stehen auf einem Bein verhandelt werden. Zahnpasta kaufst du als Spendenbox mit Selbstverschluss. Deine Mutter fragst du beim Erzählen ihrer Krankheitsgeschichten treu und immer, was sie sich denn nun zum Geburtstag wünscht.
4. Du wiederholst beim Auftauchen jeder Story laut den folgenden Satz: "Und wenn sie nicht gestorben sind, dann leben sie noch heute!" Glaube mir, irgendwann geht allen das Licht auf, dass sie in einer "Murmeltiergeschichte" gefangen sind.
5. Betreibe Bewusstseinsarbeit, indem du deine "Never Ending Storys" als solche enttarnst, entlarvst, aufdeckst und benennst. Es geht dann nicht mehr um eine Zahnpastatube sondern nur eine "Never Endig Story". Du kannst dann neu entscheiden, ob du dabei mitmachst oder nicht. Du kannst dich auch entscheiden, eine Runde auszusetzen.
6. Du gestehst dir ein, dass du diese Dinge auch lieben kannst wie die tägliche Tasse Kaffee und ein frisches Brötchen. Dir wird die Möglichkeit geschenkt Dampf abzulassen und deine Aggressionen auszudrücken. Du darfst dich in Geduld üben und freust dich über die Erleichterung, wenn das Thema für einen Moment gegessen ist. Gefühle der Erleichterung sind wirklich schön!
7. Wegen der Heiligen Zahl 7 müsste ich noch eine weitere Lösung anbieten. Da fällt mir noch die spirituelle Variante ein. Ich wünsche mir auch für mein und für dein Leben ganz persönlich eine "Never Ending Story", auch über den Tod hinaus.
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Donnerstag, 13. Oktober 2022

Viele Probleme bleiben ungelöst, weil wir die Lösungen fürchten.


Wer diesen Satz gesagt hat konnte ich nicht herausfinden. In der Beratung frage ich manchmal was die Leute machen würden, wenn das Problem nicht mehr wäre.
Ein Beispiel? Jemand leidet unter schweren Depressionen. Darum bekommt er jede Woche ein Therapiegespräch. Wäre es gut, wenn der Therapeut es schaffen würde, den Klienten von seinen Depressionen zu befreien? Nicht unbedingt! Wenn der Klient keine andere sozialen Kontakte hätte würde er ja in ein tiefes Loch fallen wenn er den Therapeuten nicht mehr bräuchte! Für ihn wäre es also besser sein Problem zu behalten damit er weiterhin Therapie machen kann. Also wegen eines wichtigen sozialen Kontaktes.
Ich sollte also das eine oder andere Problem behalten, weil es eigentlich beim näheren Hinsehen eine Lösung ist. Die Alternative wäre ein noch größeres Problem. Probier es doch einfach mal aus! Welches Problem beschäftigt dich schon über einen längeren Zeitraum. Stelle dir alle möglichen Lösungen vor und überlege die Folgen. Ist das, was folgt, besser für dich? Wenn nicht, solltest du dein Problem auf jeden Fall behalten. Besser ein kleineres schlimmes Problem als ein großes noch schlimmeres Problem.
Vielleicht kommt aber dennoch eine andere Lösung in Frage. Du fürchtest ja nur die Lösung. Die Lösung an sich ist also nicht schlecht. Schlecht ist nur deine Furcht davor. Die Angst vor den Konsequenzen. Die meisten lösen ihr Problem nicht, weil sie sich fürchten. Dann wäre es doch mal an der Zeit, sich mit der Furcht und der Angst zu beschäftigen. Wenn du dich vor der Umsetzung einer Lösung nicht mehr so fürchtest, hättest du mehr Möglichkeiten. Das Lösen von Problemen scheitert also oft nur an meiner Angst.
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