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Dienstag, 31. Oktober 2023

Im Wunderwerk!

In Oldenburg sah ich ein Ladenlokal mit dem Hinweis am Türrahmen: "Wunderwerk" Das war doch mal eine Einladung. Ich betrete einen Raum, in dem ich ein Wunderwerk sehen darf. Ich betrat also den Raum und sah - edel ausschauende Modeartikel! Als studierter Theologe erwarte ich mehr von einem Wunder. Ein Wunder befindet sich jenseits von meinen Erwartungen und Vorstellungen. Ein Wunder verzaubert und verändert mich. Vorher gab es einen Mangel und dann kommt die Fülle. Und dann gibt es da noch das Staunen.
Das Wunderwerk in Oldenburg konnte dieses Versprechen leider für mich nicht einhalten. Aber ich bin ja auch ein Mann und nicht so an Mode interessiert. Vielleicht ist dieses Geschäft aber ein Wunderwerk für einen bestimmten Frauentyp.
Aber als ich vorbeiging fiel mein Blick auf das Wort "Wunderwerk". Und ich finde, dass die Welt voller Wunderwerke ist. Das Eichhörnchen in unserem Garten. Die Meisen, die flügge geworden sind. Die Tomaten, die jetzt alle reif werden. Der Badesee, in dem ich mich abkühlen darf. Die Eiswunder in unserer Eisdiele. Meine Freundinnen und Freunde. Du und ich! Die Welt ist voller Wunderwerke und wartet darauf, von mir bewusst wahrgenommen zu werden.
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Montag, 30. Oktober 2023

"Ich will singen wie die Vögel singen, ohne mich zu zu sorgen, wer zuhört oder was sie denken." (Rumi)

Manchmal gehe ich in eine Kirche und singe dort Obertöne wenn es eine gute Akustik gibt. Ich mag es, wenn die Kirche leer ist und ich den Raum ganz für mich allein habe. Wenn ich den Raum ganz für mich habe und singe öffnet sich die Tür und es kommt jemand neu dazu.
In diesem Augenblick hört meine Unbefangenheit auf. Ich singe zwar weiter aber es gibt ein kleines Unbehagen. Was denkt dieser Mensch jetzt, der da hereinkommt. "Was ist das für ein merkwürdiger Ton?" "Soll das Obertonsingen sein? Habe ich schon besser gehört!" "Eigentlich wollte ich Stille. Kann der da nicht wenigstens hier in der Kirche Respekt haben vor meinen Bedürfnissen?"
Ich könnte ja auch denken, dass ich nicht nur mir Freude bereite sondern auch diesem neuen Kirchenbesucher. Meine Gedanken gehen aber in die andere Richtung. Mein Herz klopft und ich spüre, wie ich rot werde. Das ist jetzt aber voll peinlich. Dann fühle ich mich abgetrennt von meiner Musik und von meinem Gesang und vom Kirchenraum. Ich singe und es breitet sich die Stille von Einsamkeit um mich herum aus.
Aber ich will wie die Vögel singen, ohne mich zu sorgen, wer zuhört oder was sie denken. Das gefällt mir, was Rumi da sagt. Wir haben immer bestimmte Annahmen im Kopf, wie der andere denkt oder fühlt. Und je nachdem, was wir annehmen, richten wir unser eigenes Denken und Fühlen danach aus. Ich wünsche mir diese innere Unabhängigkeit und Freiheit. Unbefangen zu singen und unbefangen das zu sagen, was ich wirklich denke und fühle. Die Vögel singen einfach so. Sie singen, wenn es für sie dran ist. Es geht darum, in Übereinstimmung mit sich selbst zu sein. Das zu denken, zu fühlen und zu tun, was mir entspricht. Es kann ja durchaus in Respekt und Wertschätzung dem anderen gegenüber sein.
Wie sähe die Welt aus, wenn wir es den Vögeln gleich täten? Wir würden durch die Fußgängerzone laufen und singen. Wir würden in Konferenzen teilen, was wir gerade fühlen und denken. Wir wären einfach lebendiger.
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Samstag, 28. Oktober 2023

Küss mich mal!

Vor einem Schaufenster bleibe ich stehen: "Merry Kisses" lese ich dort. Ach wie schön! Gibt es dort im Laden fröhliche Küsse? Sollte ich mal hineingehen und nachfragen? Ich hätte gerne ein paar fröhliche Küsse! Was kosten sie? Und von wem bekomme ich sie?
Hinter dem Fenster stehen Schaufensterpuppen. Bekomme ich also Küsse von einer Puppe? Ewig jugendlich strahlend aber kalt? Solche Küsse würden mich nicht froh machen. Außerdem müsste ich ja dann küssen und würde nicht geküsst.
Ja, ich wünsche mir fröhliche Küsse. Die Idee gefällt mir. Ein Winken! Ein Handkuss! Ein Küsschen auf die Stirn und jeweils rechts und links auf die Wangen. Fröhliche Küsse! Küsse, die fröhlich machen. Das Januarwetter ist grau und trübe. Ich schließe die Augen und stelle mir vor, dass ganz viele Menschen mir fröhliche Küsse schenken und ich schenke fröhlich zurück! Eine Welt voller "Merry Kisses" - das wünsche ich dir. Und wenn nicht mit dem Mund - dann vor allem mit dem Herzen!
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Freitag, 27. Oktober 2023

Erfahrungen im Labyrinth

Auf Fuerteventura besuchte ich ein Labyrinth. In der Mitte befand sich ein Stein mit lauter Kleinodien. Ein Schatz im Labyrinth.
Wenn du den Weg gehst zur Mitte, dann kommst du automatisch auch zum Schatz. Aber du musst den ganzen Weg gehen. Du drehst Schleife um Schleife. Mal weiter weg und mal näher dran. Du kannst den Schatz von jedem Punkt aus sehen. Du hast ihn immer im Blick. Aber du musst weitergehen, wenn du ihn an dich nehmen möchtest.
Hast du Zugang zu deinen inneren Schätzen? Kennst du deine Fähigkeiten, Begabungen und Ressourcen? Hast du sie im Blick? Bist du dich ihrer bewusst? Stehen sie dir zur Verfügung oder bist du noch auf dem Weg dahin?
Während du durch das Leben gehst befindest du dich oft im Außen. Du reagierst auf die Anforderungen, die das Leben halt so an dich richtet. Viele möchten irgend etwas von dir. Vielleicht bist du mit deiner Aufmerksamkeit auch auf das Außen gerichtet. Mit deinen Ohren, mit deinen Augen und mit deinem Herzen stehst du da und fragst dich: "Wer braucht mich gerade?" Stets bereit wie ein Pfadfinder!
Ist dir bewusst, dass du auch einen Weg nach Innen gehen kannst? Da existiert eine große dir zugleich oft verborgene Welt. Auf dich wartet ein Schatz, den du entdecken darfst. Er erschließt sich dir in der Stille, im Abschalten der Gedanken, in der Wahrnehmung des Ganzen. Im Loslassen der einzelnen Wünsche und Ansprüche. Entdecke den Schatz im Labyrinth deines Lebens. Du kannst ihn nicht verpassen. Aber du musst gehen!
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Donnerstag, 26. Oktober 2023

Zwischen Reiz und Reaktion liegt ein Raum. In diesem Raum liegt unsere Macht zur Wahl unserer Reaktion. In unserer Reaktion liegen unsere Entwicklung und unsere Freiheit. Viktor Frankl

Ich gehe durch die Fußgängerzone und aus der geöffneten Tür des Bäckers kommt mir der Geruch von frisch gebackenem Brot entgegen. Unmittelbar reagiert mein Magen und meldet Hunger an. Ich spüre meine Lust auf frisches Brot und der Speichel beginnt zu fließen. Auf dem Reiz folgt unmittelbar eine Reaktion. Was jedoch liegt zwischen Reiz und Reaktion. Wie schnell reagiere ich? Und wo hört der Automatismus auf und mein Spielraum beginnt?
Viktor Frankl lädt mich ein, meine Aufmerksamkeit auf diesen Bereich zu richten. Zwischen Reiz und Reaktion liegt ein Raum. Diesen Raum kann ich wahrnehmen und für mich nutzen. Ich kann ihn ausdehnen. Ich kann dann, wenn ich beim Bäcker vorbeigehe einfach nur spüren, wie der Duft mich erfüllt. Ich kann meine Körperreaktionen wahrnehmen und meinen Wunsch, in das frische Brot zu beißen. Ich kann es mir verbieten, hineinzugehen. Ich kann es mir erlauben und dennoch nicht tun. Ich kann philosophieren über die Bedeutung von Hunger und ich kann mich entscheiden, statt des Brotes eine Banane zu kaufen. Zwischen Reiz und Reaktion gibt es einen Raum. Dort liegt meine Macht zur Wahl. Ich kann mich immer noch für das Brot entscheiden. Ich muss es aber nicht. Wenn ich für einen Moment innehalte, spüre ich mich selbst. Ich werde mir meiner Körperreaktionen bewusst und genieße die Möglichkeiten, die sich mir eröffnen. Ich weiß, dass ich noch oft an Bäckereien vorbeilaufen werde. Manchmal gehe ich hinein und oft auch vorbei.
Ich bin nicht der Sklave meiner ersten Eindrücke, sondern Gestalter und Schöpfer. Ich muss nicht sauer sein, wenn mich jemand übersieht. Ich brauche nicht gekränkt zu sein, wenn mir jemand einen Vorwurf macht. Ich kann viel dafür tun, meinem Nervensystem Entspannung zu bereiten. Wie gestaltet sich dein Raum zwischen Reiz und Reaktion. Wie hoch und weit oder wie begrenzt nimmst du ihn wahr? Wann ist es leichter und wann wird es so richtig schwer? Wie kannst du diesen Raum ausdehnen? Verspürst du die Lust, dich da einfach mal mehr auszuprobieren?
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Mittwoch, 25. Oktober 2023

Je mehr es dem Menschen um die Lust geht, umso mehr vergeht sie ihm auch schon. Je mehr er nach Glück jagt, um so mehr verjagt er es auch schon. Viktor Frankl

Die Lust zu spüren ist ein wunderbares Geschenk. Da fühle ich mich lebendig. Da bin ich ganz da mit Haut und Haaren. Völlig präsent. Das ist ganz körperlich und sehr befriedigend.
Ich genieße die großen und kleinen Glücksmomente. Den Blick auf das weite Meer. Wie das Eichhörnchen sich meinen Garten erobert und überall Haselnüsse verbuddelt. Ich liebe die Wärme der Sonne auf meiner Haut und das Zusammensein mit Menschen, die ich wirklich mag.
Die Lust auf etwas und die glücklichen Momente im Alltag geben mir eine tolle Motivation, unbedingt hundert Jahre alt werden zu wollen. Die entscheidende Erkenntins dabei: Es ergibt sich einfach so! Ich forciere nichts! Ich hechle dem nicht hinterher. Ich muss es nicht unbedingt haben. Ich bin nicht süchtig danach.
Viktor Frankl macht eine sehr präzise Beobachtung. Wenn du die Lust vermehren willst und dem Glück hinterherjagst, geschieht im Laufe der Zeit das Gegenteil. Dein Nervensystem gewöhnt sich daran und empfindet es nicht mehr als Lust und Glück. Kauf dir ein neues Auto und setze dich am ersten Tag hinein und fahre los. Fühlt sich einfach toll an. Der Geruch, das Neue, die Aufregung! Viele Wohlfühlhormone, die du da produzieren kannst. Wahrscheinlich erlebst du das auch noch am zweiten Tag. Aber schon da nicht mehr bis zur äußersten Spitze. Am Ende des zweiten Tages schleicht sich in deinem Hirn das Gefühl der Gewöhnung ein. Es ist immer noch toll! Aber nicht mehr super toll! Ein paar Wochen später ist es auf jeden Fall sehr schön und dann wird es sehr in Ordnung. Du wirst es nicht bereuen, dein Auto gekauft zu haben. Mehr und mehr übernimmt dein Verstand die Regie und sorgt dafür, dass du einverstanden bist.
Aber die Lust und das Glück haben sich schon lange verabschiedet. Wenn du dich innerlich vom Zwang verabschiedest, unbedingt glücklich sein zu wollen, bist du frei. Es wird schon immer mal wieder eine Überraschung geben für dich! Hör auf, danach zu lechzen und es unbedingt zu wollen. Die Lust und das Glück warten möglicherweise an einer ganz anderen Stelle auf dich und du gehst vorbei, weil du so fixiert bist auf deine Junkie - Objekte. Je weniger es dem Menschen um die Lust geht, umso leichter kann sie kommen. Je weniger der Mensch nach dem Glück jagt, desto mehr kann er mit dem sein, was gerade ist.
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Dienstag, 24. Oktober 2023

Deine Wunderkammer!


 

Vor einiger Zeit stieß ich auf das Wort Wunderkammer und las, dass es sich dabei um eine Art Vorläufer von Kunstmuseen handelt. Reiche Adelige sammelten Objekte, Raritäten, Mineralien und stellten sie in einem geschlossenen Raum aus. Zur Forschung und auch zur Repräsentation. Menschen, die es sich leisten konnten, versammelten auf engem Raum die Welt im Kleinen. Dieses Phänomen begann im 16. Jahrhundert und endete im Verlauf des 19. Jahrhunderts.

Ich fand die Idee faszinierend, die ganze wundervolle und komplexe Welt in einem Zimmer zu versammeln. Die Welt draußen wurde geschrumpft auf ein Kleinformat in den eigenen Räumlichkeiten. So wird die Welt begreifbar und lässt sich untersuchen.

Das Wort „Wunderkammer“ hat in mir eine Reaktion ausgelöst. In den früheren Jahrhunderten wurde die Welt im Außen entdeckt. Darüber haben wir vergessen, dass es auch die Welt im Innen gibt. Die Innenwelt unserer Fantasien, Gedanken und Gefühle. Das körperliche Wunder, das in uns stattfindet und uns ermöglicht, lebendig zu sein. Wie unglaublich ist die Vorstellung, dass jeder Mensch eine eigene Welt darstellt mit Bakterien, Viren, Pilzen, Hormonen und faszinierenden aufeinander abgestimmten Prozessen von Atmung, Versorgen mit Sauerstoff, Aufnahme- und Abgabewegen.

Ich stelle mir vor, dass in dieser meiner menschlichen Körper-Geist-Seele-Welt so etwas existiert wie die Wunderkammer eines alten Schlosses. Meine innere Wunderkammer!

Hältst du den Gedanken für eine sommerliche Spinnerei? Typisch Matthias? Was soll das denn in Realität sein, diese innere Wunderkammer? Sie ist körperlich nicht nachweisbar.

Ich lade dich ein zu einer Spurensuche. In der systemischen Therapie gibt es die sogenannte Wunderfrage. Die funktioniert folgendermaßen. Stell dir vor, dass du ein Problem hast. In der Nacht bekommst du Besuch von einer guten Fee, die für dich ein Wunder wirkt. So wachst du am Morgen auf und dein Problem ist verschwunden. Das Wunder selbst hast du nicht bewusst erlebt, aber die Auswirkungen kannst du spüren. Es fühlt sich in dir verändert an und die Menschen um dich herum können etwas wahrnehmen. Vielleicht so etwas wie: Du siehst fröhlicher aus. Du wirkst gelassener. Du lachst und sprichst mehr. Du bewegst dich so leicht und wirkst etwas ausgelassen.

Übertragen wir das auf die Vorstellung der inneren Wunderkammer. Sie selbst kannst du nicht sehen, aber die Auswirkungen kannst du spüren und wahrnehmen. Wer wärest du als Mensch ohne deine innere Wunderkammer?

Der Einfachheit halber mache ich eine kleine Definition: Ohne Wunderkammer wärest du Alpha und mit Wunderkammer Beta.  Wie würdest du dich als Alpha bewegen? Welche Geschichte würdest du von dir erzählen und wie nähmen dich deine Freunde wahr? Wie verhältst du dich ihnen gegenüber und welche Eigenschaften würden dich ausmachen.

Wer wärest du als Beta im Unterschied zu Alpha. Was würden deine Freunde mir erzählen von dir, wenn ich sie fragen würde?

Vielleicht hältst du mich spätestens jetzt für einen Spinner und legst diesen Brief beiseite. Und zugegeben, ist es bei mir nur eine Gedankenkonstruktion. Vielleicht aber eine hilfreiche und ich lade dich ein zum nächsten Schritt. Und dazu erzähle ich dir eine Geschichte.

Dein Leben, so wie es die Biologen erzählen, begann mit der Verbindung von Samen und Eizelle. Daraus hast du dich entwickelt und dein Eintritt in Zeit und Raum begann damit. Zunächst viele Monate unbewusst und dann mit zunehmender Wahrnehmung und immer mehr Bewusstsein. Da existierte nicht nur ein Körper, der sich biologisch weiterentwickelte. Du hast viel erlebt. Jedes Ereignis hat sich in deinem Körper eingespeichert. In den Zellen, im Gehirn, in der Haut, im Herzen, im Bauch. Als unbeschriebenes Blatt mit einer ungefüllten Kammer haben sich im Laufe deiner Raum-Zeit Erfahrungen angesammelt. Dein Körper bildet so etwas wie diese Kammer, worin du deine Ereignisse abgelegt hast. Ein wildes Durcheinander von bewusst und unbewusst. Von verarbeitet und unverarbeitet. Von angenehm und unangenehm. Von traumatisch und erlöst. Von mangelig bis erfüllt. So, wie das Sammelsurium einer Wunderkammer in einem alten Schloss.

Nur liegen diese Dinge nicht einfach herum. Sie wirken auf dich ein. Sie stoßen dich an, bewegen dich, machen dich ratlos und erfüllen dich. Sie sind äußerst lebendig und aktiv und beeinflussen deinen Alltag von früh bis spät.

Deine innere Wunderkammer bewirkt, dass du tatsächlich eine Geschichte hast. Dass du damit auch ein Gesicht und einen Körper hast, der diese Geschichte widerspiegelt und ausdrückt. Du bist kein programmierter Roboter, der immer gleich denkt und sich in berechenbaren Schritten bewegt.

Der Roboter wäre Alpha und du mit deiner Lebensgeschichte wärest Beta. Weil du ein Mensch bist, bist du automatisch Beta. Du hast diese Lebensgeschichte und im Laufe der Jahre deine Wunderkammer gefüllt. Vielleicht hast du keine Bewusstheit davon, weil du diese Kammer nie besuchst, aber sie wirkt auf dich ein.

Warum denke ich mit dir darüber nach, welchen Sinn das Ganze macht. Du ahnst es schon? Es macht einen Unterschied, unbewusst und ohne Kenntnisse von diesem Geheimnis durchs Leben zu laufen, oder diesen Raum zu nutzen. Ihn zu besuchen, Wege hineinzufinden, Heilsames wirken zu lassen und Traumatisches zu heilen. Ein bewusster Teil von dir könnte sich dafür entscheiden, zum Architekten deiner Wunderkammer zu werden. Wenn ich mir die real existierenden Wunderkammern der Schlösser anschaue, dann wird dort nicht einfach abgestellt. Es wird arrangiert in Vitrinen und Kästen mit Schubladen und sortierten Flächen. Es gibt Wege und es existiert ein Plan. Die gesammelten Dinge werden nach bestimmten Kriterien und Vorstellungen im Gesamtkonzept eingefügt und erhalten ihren Platz. An der Gestaltung der Wunderkammer lässt sich der Architekt ablesen.

Im Laufe unserer Kindheit haben wir auch viele Erlebnisse angesammelt. Wir waren jedoch so sehr mit dem Überleben und Anpassen beschäftigt, dass uns dafür nicht die Zeit blieb. Es war viel zu viel und ging viel zu schnell. Wir waren einfach überfordert. Viele Menschen sind als Erwachsene aus dieser Überforderung nie herausgekommen. Ihre innere Wunderkammer ist völlig chaotisch und ungestaltet. Es geht immer noch ums pure Überleben.

Vereinfacht kann ich dich und mich fragen: Sind wir Kuratoren oder Messies? Ein Kurator im Museum trägt die Verantwortung für den Umgang mit den Objekten. Darin steckt das Wort „curare – Sorgen tragen“. Das Wort „Messie“ kommt aus dem Englischen und meint „mess – Chaos, Durcheinander“.  

Bist du schon zum Kurator deines Lebens geworden? Kennst du deine innere Landschaft? Kannst du Traumata benennen und damit umgehen? Fühlst du dich wohl mit dem, was du in dir wahrnehmen kannst? Bist du vielleicht sogar stolz auf dich? Du könntest es mit voller Berechtigung sein, denn deine Kammer ist unvergleichlich, einmalig und unverwechselbar. Was könntest du mir von deiner inneren Wunderkammer erzählen, wenn ich dich fragen würde? Was von dir würdest du mir voller Freude zeigen, was würdest du lieber verbergen und was würdest du sogar vor dir selbst verstecken?

Oder erlebst du dich eher wie einen Messie. Ständig holen dich Ereignisse aus der Kindheit ein. Du wirst überschwemmt von alten Gefühlen. Du hast viele Erlebnisse nie verarbeitet und das Zeug vergiftet dich von innen her. Du klebst an bestimmten Themen und kannst sie einfach nicht loslassen. Du gehst dir selbst und allen anderen auf die Nerven mit deinen unerlösten Geschichten und Traumata.

Ich erlebe es so, dass die meisten Menschen wie in einem Gemischtwarengeschäft leben. Von allem etwas. Erlöste und unerlöste Anteile. Ordnung und Chaos. Versöhntes und Traumatisches. Wenn du ein reiner Kurator wärest, würde ich dich als erleuchtet bezeichnen oder zweiten Jesus. Dabei sind die Messie-Anteile in uns der Werkstoff, den wir formen und gestalten dürfen. Wir wünschen es uns manchmal weg und würden uns über die Fee freuen, die das Wunder bewirken könnte.

Viele Menschen haben auch einfach zu viel erlebt. Zu viel zum Verarbeiten. Zu viel, um wieder gesund werden zu können. Zu viele Wunden und zu viele traumatische Erlebnisse. Da ist das Überleben allein so etwas wie ein Wunder. Ich habe einen großen Respekt und eine große Achtung vor solchen Menschen, die es schaffen, mit und trotz aller Widrigkeiten zu überleben.

Für viele Menschen und vielleicht auch für dich gibt es die Chance, aus dem Chaos und den schrecklichen Erlebnissen etwas Heilsames zu wirken. In jedem Menschen gibt es diesen Kurator, der die Fähigkeit zum Gestalten besitzt. Ohne deine Erlebnisse hättest du kein Material zur Gestaltung deiner inneren Wunderkammer. Du kannst aus allem etwas machen. Nichts davon ist völlig unbrauchbar und nur negativ. Alles darf seinen Platz bekommen, seine Wertschätzung und Würdigung.

Spürst du einen Widerstand? Ein Aber? Einen Teil, der nicht einverstanden ist? „Ich wüsste nicht, wofür das gut sein soll, dass meine Eltern mich geschlagen haben.“ „Ich wüsste nicht, warum das gut sein soll, dass ich in der Schule gemobbt wurde.“ Ich kann das verstehen und ich kenne auch in mir solche Anteile, für die ich wenig, bis kein Verständnis habe. Anteile, die ich nicht in meine Wunderkammer integrieren möchte. Leider kann ich sie nicht rauswerfen. Sie gehören zu mir, ob ich will oder nicht. Ich kann sie annehmen, verändern, verkleiden, betrauern oder wegsperren. Aber nicht entfernen. Ich kann daran arbeiten, dass es sich immer weniger schlimm anfühlt. Ich kann andere bitten, einen Teil für einen Moment mitzutragen. Und ich kann genauer hinschauen und spüren und dann erzählen mir diese traumatischen Anteile doch eine Geschichte, der ich Zustimmung und Anerkennung geben kann.

Wenn du eine real existierende Wunderkammer besuchst, wirst du nicht nur angenehme und wunderschöne Dinge sehen. Bei manchen Dingen wirst du den Kopf schütteln, dich ärgern oder sogar Ekel empfinden. Manches wird dir rätselhaft erscheinen und manches gehört zu einer Welt, die heute nicht mehr existiert. Du wirst konfrontiert mit Vorstellungen, die sich längst überlebt haben. Mit deiner inneren Wunderkammer ist es nicht viel anders. Wir tragen den heimlichen Wunsch in uns, dass alles immer angenehm sein soll, sinnvoll, positiv und erfüllend. Wenn du dich von diesem Glaubenssatz befreien könntest. Wenn es möglich wäre, dass in dir auch das existieren darf, was sich nicht angenehm anfühlt, was dich schmerzt, abstößt oder ekelig anfühlt. Wenn es möglich wäre, dass dein innerer Bewerter schweigt und sich zurückhält mit seinen Urteilen von richtig und falsch, von angenehm und unangenehm.

Dann würdest du vielleicht wie ein Kind völlig unvoreingenommen zum Staunenden werden über die Vielfalt deines Innenlebens. Du würdest den Reichtum entdecken und keinen Gedanken daran verschwenden, ob etwas da sein darf oder nicht. Alles ist interessant genug, deine Neugier zu wecken und mit allem kannst du etwas anfangen. Dir wäre die Vorstellung fremd, du seist ein Opfer widriger Umstände. Du würdest völlig eintauchen in das Bewusstsein, Schöpferin und Schöpfer zu sein.

So, wie wir die Vorstellung haben können, dass das ganze Universum inklusive deiner Person ein göttlicher Schöpfungsakt aus Liebe ist, bist du mit dir selbst und deinem Inneren ebenfalls ein schöpferisch kreatives Wesen. Ich wünsche dir den liebenden Blick und die Fähigkeit deiner inneren Wunderkammer immer mehr Gestalt zu geben.

 

Montag, 23. Oktober 2023

Sei geduldig mit allen Fragen in deinem Herzen, und versuche, die Fragen an sich zu schätzen. (Rainer Maria Rilke)

Du bewegst eine Frage in deinem Herzen und suchst nach einer Antwort. Deine Ungeduld möchte oftmals eine zügige Antwort, vor allem, wenn du leidest. Du fragst, warum du immer so ungeduldig bist mit dir und den Menschen in deiner Familie. Du fragst dich, warum es dir nicht gelingt, den ganzen Tag ausgeglichen und guter Laune zu sein. Du fragst, warum das Leben so ungerecht zu dir ist. Du glaubst, dass dann, wenn du eine Antwort darauf hast, es dir besser geht.
Nach meiner Erfahrung gibt es keine letzten Antworten auf ein "Warum?". Hinter jedem "Warum" gibt es ein neues "Warum". Schon die Kinder, die so fragen, zeigen es dir. Du beantwortest geduldig jede Frage, aber irgendwann spürst du das brühmte Loch in deinem Bauch und sagst: "Schluss. Kein 'Warum' mehr!"
Rilke lädt dich ein, bei der Frage selbst zu bleiben. Lerne, deine Fragen zu schätzen und nicht eine Antwort zu erwarten. Nehmen wir doch einmal eine sehr philosophische Frage. "Wozu bin ich auf dieser Welt?" Jetzt kannst du dich direkt ans Antworten begeben. Du könntest sagen, weil deine Eltern sich liebten oder weil es im Plan Gottes lag. Du könntest aber auch die Frage einfach einmal stehen lassen. Wozu bin ich auf dieser Welt? Wenn ein Antwortgedanke auftaucht, dann stoppe ihn einfach.
Bleib also bei der Frage selbst stehen, ohne auf eine Antwort zu warten. Welche Erfahrungen machst du dabei? Kommt vielleicht ein Gefühl? Wenn ja, welches? Entsteht Freude oder Trauer? Empfindest du vielleicht sogar einen Schmerz, weil da eine Leere entsteht? Das "Wozu" könnte zu einer sehr tiefen und persönlichen Sinnfrage werden. Wer ist das "Ich", das da fragt? Von welcher Welt sprichst du überhaupt, der sichtbaren oder der unsichtbaren Welt? Wo gehört das hin, was du so selbstverständlich "Ich" nennst? Es kann geschehen, dass du die Frage mehr liebst als die Antwort. Denn jede Antwort wird vorläufig sein. Wenn du deinem Kind eine Antwort gibst bist du froh, wenn es nicht weiterfragt und da eine Zufriedenheit entsteht. Zugleich weißt du, dass deine Antwort dem Kind gegenüber mehr Fragen offen lässt, als du Antwort gegeben hast.
Uns fällt es schwer, etwas im Raum stehenzulassen. Wir mögen Stabilität und nicht die Schwebe. Fragen schweben eher als dass sie stabilisieren. Versuche, die Fragen an sich zu schätzen. Die Fragen wirken wie ein Motor, der dich weiter vorantreibt, neue Erfahrungen zu machen und auf der Suche zu bleiben.
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Samstag, 21. Oktober 2023

Wieder weich werden!


Wenn ich auf die letzten Monate zurückblicke, spüre ich eine gewisse Härte. Mehr Vorwürfe an die Verantwortungslosigkeit der Mitmenschen, die Hilflosigkeit der Politiker und die Strenge der scheinbar willkürlichen Regeln. Die Menschen spalten ich in Impfgegner und Befürworter. Wenn ich in der Familie und im Freundeskreis über das Thema Corona spreche werden schnell die verhärteten Positionen klar. Manche Freundschaften können diese Belastungen nicht aushalten und gehen in die Brüche. In meinen Beratungen merke ich, wie die Menschen mehr und mehr mit ihren eigenen Lebensthemen konfrontiert werden. Alte Ängste und Traumata werden reaktiviert. Ärger und Zorn lassen sich nicht mehr heiter und gelassen unterdrücken. Das ganze Geschehen über Monate bleibt nicht im Verstand, sondern geht tief hinein in alle Muskeln und in den ganzen Körper. Wir wissen schon gar nicht mehr, wie sich Entspannung anfühlt im Unterschied zur momentanen Situation.

Diese Anspannung ist kontinuierlich gewachsen. Wie achtsam muss ich sein? Mit wem darf ich über was sprechen und mit wem auf keinen Fall? Wie verhalte ich mich im öffentlichen Raum, um keinen Ärger zu erregen? Wer beobachtet mich und wie beobachte ich die anderen?  Benehme ich mich regelkonform genug, um nicht bestraft zu werden?  Was muss ich beachten und wie plane und organisiere ich meinen „neuen“ Alltag?

Selbst, wenn ich mir vornehme, wieder mehr über andere Themen zu sprechen, bin ich doch Teil der Gesellschaft, Teil eines Arbeitsteams und kann nur bedingt die Themen mitbestimmen. Was geschieht eigentlich mit mir und meiner Psyche, wenn ich zunehmend genervter reagiere? Werde ich schneller bereit, Dinge zu tun, die ich unter normalen Umständen nicht machen würde? Mich schneller aufregen! Aggressiver reagieren! Regeln durchbrechen! Überangepasst reagieren, um Ärger zu vermeiden!

Ich erinnere dich und mich an die Geschichte von den zwei Fröschen, die mit heißem Wasser konfrontiert werden. Den ersten Frosch setzt man in heißes Wasser und er springt vor Schmerzen sofort wieder raus. Den zweiten Frosch setzt man in kaltes Wasser und regelt die Temperatur immer höher. Er gewöhnt sich daran und merkt nicht mehr, dass das Wasser so heiß wird, dass er stirbt.

Ich denke, dass wir uns gesellschaftlich betrachtet im Augenblick in der Geschichte des zweiten Frosches befinden. Wir halten da etwas aus und verlieren das Gefühl für unsere Grenzen. Da gibt es doch das Geschenk des Lebens! Da gibt es doch die wunderbaren Freundinnen und Freunde. Wir sind immer noch ein Teil der großartigen Schöpfung und die Welt ist voller Liebe und Leben. Das möchte ich gerne wieder mehr in den Blick nehmen als unerlässliches therapeutisches Mittel. Auch, wenn die objektive Bedrohung nicht wirklich so hoch ist und genug Lebensmöglichkeiten bleiben, so sagt das subjektive Empfinden und die Botschaften der Medien etwas anderes als Freude.  

 Vor ein paar Tagen bekam ich einen Link zu einem Lied von Joachim Goerke mit dem Text: „Wieder weich, zart und lebendig werden dürfen. Im Fluss meiner Liebe, im Fluss meines Klangs.“

Das hatte mich sehr berührt und mir kamen fast die Tränen. Wieder weich werden! Das ist es! Einfach wieder weich werden. Mir kommen die Menschen, in den Sinn, die mit chronischen Themen zu mir kommen. Die ausweglosen Situationen mit Stress bei der Arbeit. Die Dauerkonflikte in der Ehe. Die Aussichtslosigkeit, dass der Sohn den Weg in die Eigenverantwortung schafft. Die lästige Erkrankung, an der man nicht stirbt, mit der das Leben aber keine Freude mehr macht. Viele von diesen Menschen kommen mit dieser Anspannung und Verhärtung. Das Gesicht wird grauer und verhärmt zunehmend. Diese Menschen wirken wie Pflanzen, die langsam dahinwelken und das rettende Wasser gar nicht mehr aufnehmen können.

Es ist so, dass das Leben manchmal zu Verhärtungen führen kann. Aber ich kann auch wieder loslassen und entspannen. Und dazu möchte ich dich gerne einladen. Es könnte dir und mir und uns allen guttun. Wieder weich werden!

Du spürst in jeden Muskel deines Körpers hinein und schaust, wo es besonders angespannt ist. Vielleicht im Hals, im Nacken und in den Schultern? Wie fühlen sich deine Gesichtsmuskeln an und wie wirkt die Farbe deiner Haut auf dich, wenn du dich im Spiegel betrachtest? Wie atmest du? Flach und in den Brustkorb oder tief hinein bis ins Zwergfell? Magst du dich liebevoll im Spiegelbild anschauen und die Freundschaft zu dir selbst erneuern? „Hallo alte Freundin, alter Freund! Wie schön, dass du mit mir da bist!“

Magst du durch die Fußgängerzone gehen und jedem Menschen per Augenkontakt sagen, dass er wunderbar und großartig ist. Kannst du denken, dass jeder Mensch auf dieser Welt grundsätzlich ein Bruder oder eine Schwester ist. Im Moment vielleicht sich selbst und dir entfremdet, aber potenziell ein Verbündeter. Du könntest jeden in die Augen schauen mit einem freundlichen und zugewandten Lächeln. „Ich freue mich, dich zu sehen.“ Wenn du gerade nicht die Hände schütteln kannst, machst du das indische „Namaste!“ – „Ich grüße das Göttliche in dir!“

Wie erlebst du deine Bewegungen, wenn du läufst? Wie gehst du einkaufen? Schnell aus dem Haus. Auf kürzestem Weg in den Supermarkt. Maske auf und schnell durch die Regale schieben. Niemandem zu nahekommen. Keinen anstecken und nicht angesteckt werden. An der Kasse aufpassen und die Abstände einhalten. Zwischendurch die Luft anhalten. Beim Einkaufwagenabstellen noch einmal Abstand halten und auf direktem Weg nach Hause. Dann erst wieder tief durchatmen. Chronisch seit mehr als einem Jahr die ähnlichen Abläufe im Alltag. Kann dein Körper sich noch daran erinnern, wie entspanntes Einkaufen geht? Du könntest eine kleine Übung ausprobieren. Geh mal gedanklich einkaufen mit fließenden und weichen Bewegungen. Stell dir vor, wie du beschwingt zum Supermarkt läufst und deine Einkaufstasche schlenkert locker in deiner Hand. Du genießt den Weg und spürst die Sonne auf deiner Haut. Die Leuchtreklamen vor dem Supermarkt weisen dich hin auf wunderbare Angebote in leuchtenden Farben. Du freust dich, wie dein Eurostück den Einkaufswagen von den Fesseln befreit und du rollst fröhlich durch den Eingang in der Erwartung von frischem Gemüse. Dann schlenderst du durch die Gänge und prüfst wohlwollend die Qualität der Produkte und die Angebote, die du entdeckst, weil du langsam und nach und nach alles betrachtest, was deine Neugier weckt. Zwischendurch siehst du eine Bekannte und tauscht mit ihr ein paar fröhliche Worte aus. Du wünschst ihr einen angenehmen Tag. An der Kasse lässt du jemanden vor, der nur ein Produkt hat und du betrachtest die Einkaufswägen der anderen Miteinkaufenden und freust dich über deinen gesunden Einkauf von Obst und Gemüse. Ohne Eile und tiefenentspannt packst du ein, schiebst den Wagen elegant zurück und machst dich auf den Heimweg. Male dir den Einkauf in deinen Bildern aus und spüre in deinen Körper hinein, wie sich das anfühlt. Und dann bemerke, ob es einen Unterschied gibt zu deiner Praxis seit einem Jahr.

Wieder weich werden! Lies einmal die polarisierenden Nachrichten in der Zeitung und nimm einen Weichzeichner. Glätte die Wörter und ergänze sie mit „möglicherweise“, „vielleicht“, „Gott sei Dank“, „es kann so sein, muss aber nicht“. Schick der Zeitungsredaktion liebevolle Gedanken. Den Politikern ein weises Wort und Wünsche für ein gutes Gelingen in dieser unübersichtlichen Zeit. Verschicke Aufmunterungen an die Ärzte und alle, die sich mit dem Thema Gesundheit beschäftigen. Stelle dir vor, du wärest Päpstin, Papst, der Dali Lama oder eine indigene Heilerin. Auf deine Art und Weise erteilst du allen und allem deinen mütterlich-, väterlichen Segen. Dann spüre, wie du dabei selbst immer weicher wirst. Der Segen, den du gibst, kommt zu dir zurück und macht dich noch weicher.

Du spürst mehr und mehr den Unterschied in deinem Körper von Härte und Weichheit. Deine Gedanken werden auch zunehmend wohlwollender, weiter und durchlässiger. Du kannst andere Perspektiven zulassen, ohne gleich zu verkrampfen bis in die Muskulatur deines Körpers hinein. „Vielen Dank für deinen Gedanken. Ich werde mich ihm gerne zuwenden und deine Idee willkommen heißen.“

Wenn du wieder weicher wirst, kannst du die Räume der Möglichkeiten betreten. Der Tunnelblick weitet sich und du kannst wieder mehr wahrnehmen. Das geht, das andere geht und das ganz andere geht auch noch. Was du bislang für nicht möglich gehalten hattest zeigt sich als Anfang eines neuen Weges. Wenn du wieder weich wirst, öffnest du den Raum für Wunder.

Es geht nur darum wieder weicher zu werden. Für einen Moment den Gedanken und die Idee zulassen. Stell dir vor, dass eine Stimme zu dir spricht mit der Einladung: „Du darfst wieder weicher werden. Entspanne dich in deinen Körper hinein. In deine Atmung hinein und bis in jede Zelle.“ Es ist so, als wenn dir jemand sagt: „Hast du schon gemerkt? Die Gefahr ist vorüber!“

Warum ist es wichtig, wieder weicher zu werden? Wenn wir uns entspannen, werden wir wieder lösungsfähiger. Der Körper muss nicht mehr angreifen oder weglaufen vor den Gefahren. Der Sauerstoff kommt wieder ins Hirn und meine Fähigkeit wächst, alles wieder klarer zu sehen.

Die Folgen des Virus werden jetzt erst in allen Ausmaßen spürbar und wir sind noch lange nicht am Ende. Krisen stellen das ganze Leben in Frage und nicht nur Teilbereiche. Klimawandel, unser Umgang mit den Ressourcen, die Stabilität unserer Demokratie, die Enttäuschungen über die traditionellen Kirchen, die chinesische Expansionspolitik, veränderte Virusmutanten, wirtschaftliche Auswirkungen…

Was geschieht in dir, wenn ich die Themen alle aufzähle? Spürst du Gefühle von Angst und Ärger. Merkst du, wie schnell es sich wieder in dir anspannt und verkrampft? Ich spüre das deutlich bei mir und kann mich aber auch wieder entspannen. Ja, das Leben zeigt gerade viele harte Seiten bis hinein in die Freundeskreise. Aber ich kann dem Ganzen etwas entgegensetzen. Ich mache das Harte wieder weich und lasse es fließen.

Ich empfehle dir die Übung aus der „EmoTrance“ von Dr. Silvia Hartmann. Wenn du eine Verhärtung in deinem Körper spürst aufgrund von Stress oder Ärger dann bearbeitest du das in drei Schritten. Berühre mit deiner Hand zunächst die Stelle im Körper, wo es diese Verhärtung gibt. Der erste Schritt heißt: „Es ist alles nur eine Information“. Du sagst dir selbst diesen Satz. Das ist die Grundwahrheit über alles, was existiert in dieser Welt. Es ist einfach eine Information, eine Energie, eine Welle oder ein Teilchen. Rein physikalisch und ohne Bewertung. Damit nimmst du die Wertung aus deinem System. Negative Bewertungen führen zu Härte und Stress. Der zweite Schritt heißt: „Ich mache es weich.“ Du hast die Fähigkeit, per Entschluss und mit deiner Vorstellungskraft, das Harte in dir wieder weich werden zu lassen. Du lässt es zu. Du lässt es geschehen. Du beobachtest die Stelle in deinem Körper. Du nimmst die Unterstützung durch die Wärme deiner Hand. Du machst es weich. Der dritte Schritt heißt: „Ich lasse es fließen.“ Beobachte, wie das Harte in deinem Körper weich wird und ins Fließen kommt. Es fließt zu einer anderen Stelle in deinen Körper und die Starre hört auf. Diese drei Schritte wieder holst du in meditativer Weise, bis die Härte aus deinem Körper hinausgeflossen ist. Damit zeigst du, dass du Einfluss nehmen kannst auf deine Gedanken und auf deinen Körper. Du gestaltest es, wie du dich fühlst und wie du deinem Leben wieder eine Form gibst, die menschenfreundlicher ist. „Alles ist nur eine Information. Ich mache es weich. Ich lasse es fließen.“

Wenn etwas weich wird, kann es wieder ins Fließen kommen und darf sich weiterentwickeln. Mir kommt noch ein wichtiger ergänzender Aspekt im Umgang von Härte und Weichheit. Wenn ich meine Errungenschaften, Werte, Normen, Beziehungen und Ressourcen unbedingt mit aller Macht nicht verlieren möchte, werde ich hart und starr.  Wenn ich in der Lage bin, das alles loszulassen, kann wieder etwas in Bewegung kommen. Ich denke also, dass wir gerne vieles festhalten möchten, was wir eigentlich loslassen müssten. Den übergroßen materiellen Wohlstand, die totale Sicherheit, die Illusionen von Stabilität und Kontrolle. Wer loslässt hat wieder Energie frei für das Neue. Das Leben zwingt uns alle zu mehr Flexibilität. Ich kann das mögen oder auch nicht. Im Augenblick kann da wohl niemand aussteigen. Wenn du damit einverstanden bist, wächst dein Freiraum und es darf wieder weicher werden.  

 

Freitag, 20. Oktober 2023

Als ich aus der Zelle durch die Tür in Richtung Freiheit ging, wusste ich, dass ich meine Verbitterung und meinen Hass zurücklassen musste, oder ich würde mein Leben lang gefangen bleiben. Nelson Mandela

Ein wichtiger Impuls von Nelson Mandela. Da gibt es ja die Erfahrung der Gefangenschaft. Körper in Zelle. Wenn der Körper die Zelle verlässt gibt es wieder das Gefühl von Freiheit. Aber wenn die Verbitterung und der Hass die Zelle mit verlässt, bleibt die Gefangenschaft auf geistig psychischer Ebene.
Wie viele Menschen laufen mit einer Verbitterung durch das Leben. Sie wurden gekränkt, getäuscht und missbraucht. Es gibt viele gute Gründe, diese Erfahrungen nicht loszulassen. Erst, wenn die Gerechtigkeit zum Zug kommt, kann die Verbitterung gehen. Erst wenn der Täter sich entschuldigt. Wenn die Gerechtigkeit aber nicht siegt, wenn es keine Entschuldigung gibt, dann bleibt die Verbitterung als Anteil einer lebenslangen inneren Gefangenschaft.
Wenn du in der Kränkung bleibst, dann hast du einen zweifachen Schaden. Das ungerechte Ereignis und dein immer noch bleibendes negatives Gefühl. Dein Wohlbefinden machst du davon abhängig, ob der andere dein Leid wieder gut macht. Lass deinen Hass und deine Verbitterung zurück. Allein aus dem Grund, dass deine Seele wieder gesunden kann. Die Freiheit wiegt mehr als eine Wiedergutmachung. Wie hat Mandela das wohl geschafft? Was war sein Geheimnis, dass er die Verbitterung zurücklassen konnte? Der Traum von einer besseren Welt? Die neuen Chancen, die er bekam? Das sich Einlassen auf das Hier und Jetzt? Vergeben können? Eine tiefe Liebe zu seinem Land und zu seinen Menschen? Ich glaube, dass die Liebe heilt.
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Donnerstag, 19. Oktober 2023

Wir müssen lernen, die Komödie zu Ende zu spielen. Wir müssen das Unglück müde machen. Charles Dickens

Aus deinen Lebenszusammenhängen kannst du nicht einfach so aussteigen. Du hast vielleicht eine Arbeit, die dich oft nicht erfüllt oder unglücklich macht. Du lebst mit Familienmitgliedern zusammen, die dich eher aufregen. Du beschäftigst dich mit vielen Baustellen und nirgendwo ist deine Welt in Ordnung. Irgendwann wirst du müde und erschöpft sein von den vielen Anstrengungen.
Charles Dickens schlägt einen anderen Weg vor. Dein Leben ist eine Komödie und kein Drama. Da verwechselst du etwas. Und es gibt eine Möglichkeit, mit dem Unglück umgehen zu können. Mache es einfach müde. Es erschöpft sich irgendwann. Weil alles einmal ein Ende hat. Mach es müde bevor du selber müde wirst. Hallo Unglück! Ich halte länger aus als du! Aber wenn du willst, dass lass es uns darauf ankommen. Ich werde dich nicht bezwingen und auch nicht bekämpfen. Irgendwann powerst du dich selber aus. Ich werde währenddessen zuschauen oder bei dieser Komödie mitspielen. Muss ich ja sowieso bis zum Ende meines Lebens. Aber ich entscheide, ob es Komödie ist oder Drama. Und ich entscheide auch, wie intensiv und wie lange ich mitmache!
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Mittwoch, 18. Oktober 2023

Du wolltest als Kind zum Zirkus? Jetzt bist du mitten drin!

Wolltest du auch als Kind zum Zirkus? Ich auf jeden Fall! Ich wollte Clown werden. Die Clowns haben mich immer am meisten fasziniert. Wahrscheinlich weil ich so gerne lache. "Du wolltest als Kind zum Zirkus? Jetzt bist du mitten drin!" Den Satz fand ich auf einer Spruchkarte.
Schade, dass der Zirkus dabei so schlecht weg kommt. "Was macht ihr nur für einen Zirkus" "Was ist das hier für ein Zirkus!" Unsere Eltern hatten wohl dabei die Fantasie, dass es drunter und drüber geht. Alles durcheinander. Keine Regeln werden mehr beachtet. Der Anfang vom Ende. Die Aufforderung, unbedingt wieder für Ordnung zu sorgen.
Ja, manchmal gerät alles durcheinander oder aus den Fugen. Nichts passt mehr zusammen. Auch wenn es in einer Zirkusvorstellung bunt und quirlig zugeht - es gibt dennoch eine klare Ordnung. Außer den Clowns vielleicht stört kein Artist den anderen bei seiner Nummer. Es gibt einen Platz für die Zuschauer und eine Manege für die Akteure. Das Programm hat ein Anfang und ein Ende und folgt genau einer Choreographie. Da wechseln sich rasante Stunts mit beschaulichen Pferdenummern ab. Für die Zuschauer werden immer neue und andere Gefühle aktiviert. Da stecken viele Planungen und Überlegungen hinter.
Ja, manchmal gerät das Leben durcheinander. Aber mit Zirkus hat das nichts zu tun. Dennoch sagen wir es so! Möge doch unser Leben wirklich wie ein Zirkus sein. Dann würden wir gar nicht durcheinander geraten! Durcheinander gerät das Leben ja nur, weil etwas nicht mehr stimmt! Weil bestimmte Bedürfnisse nicht mehr erfüllt werden. Wenn Menschen sich nicht mehr verstehen. Wenn etwas total quer läuft. Es gibt also immer einen guten Grund!
Was wäre aber, wenn wir wirklich mitten im Zirkus wären? Wir nehmen das Leben ja sehr ernst. Wir erledigen brav unsere Arbeitsaufgaben, sind gut zu unseren Kindern und rücksichtsvoll im Straßenverkehr. Wir haben hohe moralische Messlatten. Für das Zusammenleben ganz sinnvoll. Aber wie sähe unser Leben aus, wenn wir mitten im Zirkus wären? Wir würden vielleicht bemerken, dass das Leben nur ein Spiel ist. Wir spielen miteinander. Wir denken, es wäre ernst, aber es ist nur ein Spiel. Wenn du Kinder beobachtest kannst du sehen, wie spielen geht. Du kannst Zirkus und Ernst gut miteinander verbinden. Der Unterschied ist nicht so groß. Du "spielst" nur eine Nummer in deinem Programm, manchmal akrobatisch und manchmal dressiert.
Und doch mag ich den Clown im Zirkus. Er ist dort fest verankert. Er hält dir den Spiegel vor und macht dir klar, dass du alles ernst nehmen darfst aber dich dabei nicht so wichtig nehmen sollst. Zirkus ist gar nicht so schlecht!
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Dienstag, 17. Oktober 2023

Mit Eleganz und Leichtigkeit

In dieser Woche werde ich alle Dinge mit Eleganz und Leichtigkeit lösen. So, wie diese Frau auf dem Bild. Mit all ihrer Pracht und Fülle strahlt sie Eleganz und Leichtigkeit aus.
Manchmal fühlen sich die Dinge so gewichtig und schwer an. Die ganze Zukunft hängt von meiner Entscheidung ab. "Da hängt so viel dran!" Ja, die Dinge hängen zusammen. Alles hat seine Auswirkungen. Wenn ich A mache, dann passiert irgendwo B. Wenn ich Angst habe vor den Auswirkungen werde ich A nicht machen. Aber auch wenn ich A nicht mache hat es Auswirkungen. Ist C dann nicht besser? Vielleicht! Aber ich kann das gar nicht so genau berechnen. Ich kann die Zukunft nicht voraussagen und weiß auch nicht, ob A oder C auf die Dauer besser wäre. Nur - je länger ich nachdenke und den Gedanken Gewicht verleihe, desto schwerer werde ich.
Jetzt entscheide ich mich für Eleganz und Leichtigkeit und spüre mal in mich hinein, wie sich das anfühlt und wie sich das auswirkt. Ich fühle mich wie ein Schmetterling und die Welt ist eine Frühlingswiese. Für jetzt entscheide ich mich für den Schmetterling. Und das fühlt sich gut an!
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Montag, 16. Oktober 2023

Hebt man den Blick, so sieht man keine Grenzen. (Japan)



Wenn ich mich selber beobachte stelle ich fest, dass ich oft auf den Boden schaue, wenn ich traurig bin. Dann sehe ich nur die wenigen Quadratmeter um mich herum. So eng, wie es sich in meinem Herzen anfühlt, so eng sieht dann meine Umgebung aus.
Wenn ich mit der Trauer und Enge im Herzen mich aufrichte und mein Blickfeld ausweite geschieht fast sofort eine Verwandlung. Die Veränderung des „Augenblicks“ bewirkt eine Gefühlsveränderung. Wenn es im Außen weit wird, wird es auch im Innen weit.
Oft erleben wir unser Leben begrenzt. In der Trauer werden die Grenzen enger abgesteckt. Wir wollen für uns sein. Wir möchten uns schützen. Wir fühlen uns getrennt von den anderen Menschen und von der Welt.
Wenn wir uns jedoch freuen wird der Raum weiter, die engen Grenzen werden gesprengt. Du richtest dich so weit auf, dass du den Horizont siehst. Da kommt der Punkt, wo die Erde aufhört und der Himmel beginnt. Zunächst scheint da noch ein Unterschied zu bestehen. Hier die Erde, dann der Himmel. Wenn am Horizont der tiefen Freude jedoch Himmel und Erde ineinander übergehen, veränderst du noch einmal deinen Blick. Du fixierst nicht mehr den Übergang, sondern siehst das Ganze. Das Ganze zu sehen und wahrzunehmen macht dich zugleich innerlich Ganz, „Ganzheitlich“ und verbunden. Hebe also deinen Blick und die Grenzen verschwinden. 

Freitag, 13. Oktober 2023

Was für den einfachen Menschen ein Stein ist, ist für den Wissenden eine Perle. (Rumi)

Was siehst du, wenn du deine Augen öffnest? Steine oder Perlen? Nicht jeder kann Steine von Perlen unterscheiden. Der Wissende erkennt den Wert, so mein Rumi.
Steine: Manchmal begegne ich Menschen und ich schlage die Hände über den Kopf zusammen. Menschen, die ständig nörgeln! Menschen, die über Leichen gehen. Menschen, die völlig unsensibel sind. Menschen, die egoistisch nur nach den eigenen Bedürfnissen handeln. Dann sehe ich Steine. Manchmal echte Stolpersteine. Menschen, die mir den Tag verderben und das Leben erschweren.
Wenn ich diese Menschen so wahrnehme, also als Steine, bin ich dann selbst ein eher "einfacher" Mensch, also unwissend? Wenn ich wirklich wissend wäre, würde ich in jedem menschlichen Stolperstein eine Perle sehen. Das ist eine echte Herausforderung. In liebenswürdigen und zuvorkommenden Menschen kann ich schnell eine wunderbare kostbare Perle entdecken. Aber die egoistischen und unsensiblen? Perlen?!
Ich könnte ja meine Augen noch einmal so richtig aufmachen. Mein Herz öffnen. Genauer hinspüren. Wo liegt die Perle im Stein? Der Nörgler, der mich nervt erinnert mich daran, dass ich selber die Tendenz zum Nörgeln habe. Ich mache das nicht so laut, aber ich kann das ganz gut innerlich. Wenn ich mein inneres Nörgeln liebenswert anschaue, entdecke ich die Perle. "Ach ja!" Mensch sein ist echt nicht leicht! Die Welt ist so unvollkommen! An allen Ecken! Aber wer sagt, dass es anders sein müsste? Unvollkommen darf doch sein, oder?
Ich sehe diesen Egoisten, der nur die eigenen Bedürfnisse sieht und sehe mich selbst. Ich sehe mich bei einer Feier beim Essen ordentlich zulangen. Ich habe Hunger und Sorge, dass für mich nicht genug da ist. Da bin ich doch gerne der Erste, der zulangt. Ich sehe den Stein und sehe zugleich die Perle in mir. Ja, so ist das eben mit dem Hunger. Ich bin manchmal echt hungrig. Hungrig nach Leben!
Wo siehst du Steine, wo zugleich Perlen sind? Wie kannst du wissend werden? Ich stelle mir vor, dass ich einfach aufmerksam bin. Ich bin bereit, die Perle zu sehen. Ich warte so lange, bis ich sie sehe. Mit Aufmerksamkeit und Geduld.
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Donnerstag, 12. Oktober 2023

Das Leben ist eine Reise. Nimm nicht zu viel Gepäck mit!

Vor drei Jahren bin ich in den Urlaub geflogen nur mit Handgepäck. Keine Warteschlange am Check-in Schalter, kein Warten am Gepäckband. Reisen nur mit dem Rucksack.
Hast du schon mal die Erfahrung gemacht, mit wenig Gepäck zu reisen? Nur so viel, wie du tragen kannst? So wenig, dass du auch einen langen Weg gehen kannst? Du musst dir gut überlegen, wie viel du einpackst. Ganz ohne wäre eine echte Herausforderung. Das schafft wohl keiner. Aber sich reduzieren auf das Notwendigste. Auf das, was die Not wendet, wenn sie mal kommen könnte.Wenn ich meinen Koffer zu voll packe, dann werde ich nicht vorankommen.

Das Leben an sich ist eine Reise. Welches Gepäck hast du dabei? Ich finde, dass wir oft Dinge im Gepäck haben, die wir längst nicht mehr brauchen. Kränkungen aus früheren Begegnungen. Traumata, die uns bis heute belasten. Negative Belastungen, die zu einschränkenden Glaubenssätzen geführt haben. Wir tragen Giftdepots in unserem Körper mit. Groll in unserem Herzen. Vergiftete Erinnerungen in unserem Geist. Manchmal macht es Sinn, eine Pause zu machen und den Koffer auszupacken. Was möchtest du abladen und was möchtest du weiter mit dir herumtragen?
Es reicht nicht aus, das alle zehn Jahre mal zu machen. Hilfreicher wäre es, wenn du es jeden Tag machst. Einfach aufräumen. Was möchte ich heute loslassen und verabschieden? Was möchte ich mitnehmen in den neuen Tag und welches Neue möchte ich mich einlassen.
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Mittwoch, 11. Oktober 2023

Das Wunderbare sehen!

Wartest du auf ein Wunder? Das Wunder, dass du einmal ganz reich und einmal ganz glücklich sein wirst? Eines Tages? Wartest du auf das Wunder, dass dein Traumprinz vor dir steht und schon eine Ewigkeit auf dich gewartet hat? Wartest du auf das Wunder, dem du nachspürst, wenn du du dich in einen Roman vertiefst und verlierst?
Pearl S. Buck meint sagt: "Die wahre Lebensweisheit besteht darin, im Alltäglichen das Wunderbare zu sehen." Wenn du die Erfüllung eines Wunders in der Zukunft siehst, dann bist du nicht mehr da in deinem Körper und deinem Geist. Dann bist du schon aus dir ausgewandert in das Land deiner Phantasie. So kann es geschehen, dass das kleine Wunder um Hier und Jetzt gar keine Chance hat, dich zu erreichen. Da gibt es den Vogel draußen auf dem Baum, der dich mit seiner Lebensfreude anstecken kann. Da gibt es den Sonnenstrahl, der deine Haut gerade jetzt erwärmt. Da genießt du die erste Tasse heißen Kaffee am frühen Morgen. Dir wird bewusst, dass du ein Dach über dem Kopf und eine warme Stube hast. Es gibt so viele Alltäglichkeiten, die das Wunder bergen. Wohin lenkst du deine Aufmerksamkeit? In die ferne Zukunft oder in die Gegenwart? Bist du noch da? Wo bist du gerade? Was nimmst du jetzt in diesem Augenblick wahr, wo du diese Zeilen liest.
Ich gestehe dir, manchmal versinke ich auch in meine großen Zukunftswunder. Doch jetzt, in diesem Augenblick bin ich bei dir. Du liest meine Zeilen und mein Herz wird weit.

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Dienstag, 10. Oktober 2023

Was ich dir empfehle!

Hättest du gerne eine Empfehlung für die Woche?

Der Gemüseladen empfiehlt Salat.
Der Fleischer seinen Hackbraten.
Der Bäcker den Bauernlaib.
Und der Elektroladen ein schönes Auslaufmodell.

Der Arzt empfiehlt regelmäßige Bewegung.
Der Pastor die Beichte mit der Befreiung von Sünden.
Der Psychologe das Reden über die Gefühle.
Und der Heilpraktiker Globuli genau auf dich abgestimmt.

Kinder empfehlen ein Eis am Stil.
Väter die Sicherheit eines vollen Bankkontos.
Mütter empfehlen, dass sich alle vertragen.
Und Omas und Opas empfehlen Gelassenheit.

Politiker empfehlen, dass man ihren Worten vertraut.
Polizisten, dass man sich an die Regeln hält.
Richter, dass man nicht kriminell wird.
Sozialarbeiter empfehlen einen gut funktionierenden Sozialstaat.

Was empfiehlst du?
Für diese Woche?
Für diesen Augenblick?
Und überhaupt?

Ich empfehle: "Sei freundlich zu dir!"
Darin ist schon alles enthalten.
Überprüfe es mal und fang diesen Text von vorne an.
Sei freundlich zu dir!

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Montag, 9. Oktober 2023

Vier Schritte für ein helfendes Gespräch

Bei David Servan-Schreiber lese ich im Buch "Die Neue Medizin der Emotionen" einen hilfreichen Gesprächsleitfaden, wenn jemand zu dir kommt, der Unterstützung sucht, weil er etwas Stressauslösendes erlebt hat. Um sich die Schritte zu merken, nennt er sie "Else". Voran geht die Frage:
"Was ist passiert?" Du lässt den Menschen drei Minuten ungestört reden und du hörst aufmerksam zu ohne zu unterbrechen. Drei Minuten reichen aus, dann unterbrichst du.

Dann kommen die vier Schritte.
Schritt 1 steht für die Frage nach E = Emotion: Was hast du dabei empfunden, gefühlt? Im Erzählen des Gefühlten bist du mitten bei den Belastungen.

Schritt 2 steht für die Frage nach L = "Lass mich das Schwierigste wissen." Du weißt nicht, was dein Gegenüber am stärksten belastet. So kommt ihr auf die Spur, den Gipfel des Erlebten ausmacht.

Schritt 3 steht für S = "Was hilft dir am meisten, standzuhalten?" Damit sprichst du die Ressourcen deines Gegenübers an. Welche Stärke hilft, genau in dieser Situation wieder Boden unter die Füße zu bekommen.

Schritt 4 steht für E = Empathie. Du drückst deinem Gegenüber dein Mitempfinden aus und teilst für einen Augenblick die Last mit dem Anderen.

Viel Freude und Erfolg bei deinen nächsten hilfreichen Gesprächen.

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Samstag, 7. Oktober 2023

Mögest du bei jedem Erwachen eine Stimme hören, die zu dir spricht: Heute wird dir was gutes widerfahren. (irischer Segen)


Du wachst auf und dir wird bewusst, dass heute dein Geburtstag ist. Du wirst Anrufe bekommen von Menschen, die dir Glück wünschen. Du wirst in der Post schöne Karten und Briefe finden von Menschen, die an dich gedacht haben. Es wird im Laufe des Tages mehrfach an der Tür klingeln und Freunde werden dich besuchen mit einem Geschenk in der Hand und Freude in den Augen. Du wachst also auf in dem klaren Wissen: Irgendjemand denkt heute an dich und schenkt dir seine Aufmerksamkeit und Liebe. Wenn du Geburtstag hast gehst du davon aus, dass das geschehen wird.
Es ist ein ganz normaler Tag. Du hast keinen Geburtstag und nichts Besonderes liegt an. Kein Jubiläum, kein Fest, ganz normaler Alltag. Wie viele dieser Tage gibt es in deinem Leben? Tage, an denen nichts geschieht außer eben Alltag? Du wachst am Morgen auf und gehst einfach hinein in deinen Tag ohne Wünsche oder positive Erwartungen. Du stehst auf weil der Wecker klingelt und deine Arbeit dich ruft. Die Tiere wachen auch auf, wenn der Tag beginnt und gehen schlafen, wenn er endet – je nach tierischer Eigenart.
Jetzt stell dir vor, dass du am Morgen eine Stimme hörst, die zu dir spricht: „Heute wird dir was gutes widerfahren.“  Wie wirst du aufstehen? Wie stehst du auf im Unterschied zu den anderen Morgen? Was wird dieser Satz in dir auslösen? Freudige Erwartung? Ungeahnte Kraft und Energie? Frohe Beschwingtheit? Stell dir also vor, dass du diese Stimme hörst. Du wirst die Augen aufmachen, dein Herz öffnen, hinhören und aufmerksam sein. Während des Tages geht deine Aufmerksamkeit hin zu der Erfüllung dieses Versprechens: „Ah, da widerfährt mir etwas gutes!“ Du weißt ja nicht, was geschehen wird. Alles kann für dich gut sein! Der Bus, der pünktlich kommt und der freie Sitzplatz für dich! Der geschenkte Freiraum bei der Arbeit, weil ein Termin abgesagt wurde! Das Sonderangebot in der Modeboutique oder was auch immer.
Die Stimme spricht nicht von vielleicht oder möglicherweise. Sie ist klar und präzise: „Heute wird...“
Jetzt magst du sagen: „Ich habe leider noch nie eine solche Stimme gehört am frühen Morgen.“ „Woher sollte diese Stimme kommen?“ Ich bin schon froh, wenn ich die Augen öffnen kann und alles so einigermaßen seinen geordneten Weg geht.
Wenn du auf die Stimme von außen wartest wirst du wahrscheinlich lange warten müssen. Was hindert dich daran, selber diese Stimme zu sein? Morgen also wachst du auf und sagst dir: „So schlimm kann gar kein Tag sein, als dass da nicht zwischendurch auch einmal ein kleines Wunder geschieht. Heute entscheide ich mich dafür, alle möglichen schlimmen Ereignisse zu übersehen und mich voll und ganz auf das Wunder zu konzentrieren, das heute auf mich wartet.“

Freitag, 6. Oktober 2023

Möge es in deinem Leben keine verschenkten Tage geben, aber viele, die du anderen schenkst. (irischer Segen)


Im Auto erzählte mir eine Freundin von ihrem „verschenkten“ Tag. Solche Tage kenne ich auch. Du fängst mit einer Arbeit an und kommst nicht voran trotz all der Zeit, die du investiert hast. Du rufst an und erreichst niemanden. Im Laden ist das Produkt ausgegangen, das du gesucht hast. Du machst einen Besuch und durch deine Ungeschicklichkeit reißt du dir einen Knopf vom Hemd an einer Stelle, wo es gleich auffällt. Und das alles nicht in einem Monat, sondern an einem einzigen Tag. Da bekommst du wirklich den Eindruck: Das war ein verschenkter Tag. Da hätte ein spontaner Ausflug oder ein entspannter Nachmittag im Garten mehr Sinn gemacht. Manchmal deuten wir verschenkte Tage eher als „vergeudete“ Tage.
Um „vergeudete“ Tage geht es in diesem irischen Segensspruch. Das sind Tage, zu denen du nicht innerlich Ja sagen kannst. Tage, die du anders geplant und dir anders vorgestellt hast. Da kommt schon mal das Gefühl hoch von Sinnlosigkeit und Leere.
Es gibt daneben aber auch die Erfahrung eines verschenkten Tages in dem Sinne, dass du dich entscheidest, eine bestimmte Zeit mit einem anderen Menschen zu verbringen. Du verschenkst Zeit, du bist sogar so großzügig, dass du einen ganzen Tag schenkst. Es wird dich mit Freude und Zufriedenheit erfüllen und dir helfen, ganz im Sein zu sein. 
Ich glaube, dass kein Tag vergeudet sein muss wenn du ihn als sinnvoll deutest. Auch wenn alles schief geht kannst du sagen: Ich habe wertvolle Erfahrungen gemacht! Also: „Möge es in deinem Leben keine verschenkten Tage geben, aber viele, die du anderen schenkst."

Donnerstag, 5. Oktober 2023

Es ist ein Riss in allen Dingen. Da kommt das Licht herein. (Leonard Cohen)

Ein Riss geht durch unsere Gesellschaft. Auf der einen Seite leben die Reichen und auf der anderen die Armen. Ein Riss geht durch die Menschen, die Frauen und Männer voneinander trennen. Ein Riss im Boden lässt zwei Teile entstehen. Risse durchziehen die Kontinentalplatten und diese driften auseinander. Es ist ein Riss in allen Dingen. Ich schaue in meine Kaffeetassen und sehe, wie überall die Glasur von Rissen durchzogen ist.
Ein Riss geht durch meine Seele, wenn ich an alle Kränkungen denke, die ich im Laufe meines Lebens erfahren habe. Ein Riss geht durch mein Herz, wenn ich an Trennung denke. Wenn ich vorsichtig bin, kann ich es manchmal verhindern, dass ein Riss entsteht. Eigentlich möchte ich es ja heile haben. Wir mögen ja auch lieber Gesundheit anstelle von Krankheit. Leben anstelle von Tod. Liebe anstatt Hass. Aber unsere Erde ist durchzogen von Rissen. Ich kann noch so sehr aufpassen. Weder mein eigenes Leben noch das Leben insgesamt kann ich vor Rissen bewahren.
Mein Foto zeigt ein zersplittertes Glas. Es hält so gerade noch zusammen. Leonard Cohen sagt in einem Lied: Es ist ein Riss in allen Dingen. Da kommt das Licht herein. Risse betrachten wir ja eigentlich als trennend. Die Glassplitter verletzen uns und das Glas selbst wird unbrauchbar. Aber wenn die Sonne darauf scheint, dann bricht sich darin das Licht. Besonders in den Rissen. Ich kann meinen Blick auf die Zerstörung richten und auf den Schmerz oder aber auch auf das Licht, das durch die Risse hineinkommt.
Darin sehe ich eine Einladung. Zwischen Mann und Frau gibt es oft Risse und die Erfahrung der Unterschiedlichkeit und des Unverständnisses. Aber in dem Riss kommt das Licht herein. Wenn ich den Blick auf das hereinkommende Licht richte beginne ich zu staunen. Ah, da gibt es einen Reichtum, den ich entdecken kann. Überall gibt es Risse und die Idee von Trennung. Und überall gibt es den Reichtum des Lichtes als Geschenk. In einer Weiterbildung fragte uns ein Trainer angesichts von negativen Erlebnissen: "Worin liegt das Geschenk?" Und das möchte ich dir auf den Weg geben. Wenn du dir der Risse in deinem Leben schmerzhaft bewusst wirst - wird es auch das Licht geben, dass du hereinlassen kannst. Wo also siehst du dein Geschenk?
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Mittwoch, 4. Oktober 2023

Was uns vom Paradies geblieben ist...

 

Immer wieder kommt es vor, dass wir Menschen etwas oder jemanden verlieren. Manchmal macht es uns nicht so viel aus, weil wir nicht daran hängen. Aber oft fühlt es sich schmerzhaft an. Wenn ein geliebter Mensch nicht mehr da ist. Wenn eine gesundheitliche Beeinträchtigung uns daran hindert, Fahrrad zu fahren. Ich vermisse immer noch einen Pullover, den ich bei einer Tagung vergessen habe. Es gibt Verluste, die mir wirklich weh tun und Verluste, die ich kaum bemerke. Und manchmal wundere ich mich, dass ich materiell wertvolle verlorene Dinge gar nicht betrauere, aber an ein paar alte Socken hänge.

Wie kommst du mit Verlusten klar? Kannst du so gut auf dich aufpassen, dass du nie etwas verlierst? Spürst du die Trauer und den Schmerz eines Verlustes oder kannst du alles erfolgreich bearbeiten oder verdrängen? Wie sicher fühlt sich im Moment dein Leben überhaupt an? Immerhin befinden wir uns seit ein paar Monaten in einem Ausnahmezustand durch die Gegenwart des Corona Virus. Wie intensiv erlebst du die Gruppen und Gemeinschaften, die dir sonst Halt gaben und die du nicht mehr triffst? Was hat sich bei dir verändert seit März? Wie gesund oder wie krank empfindest du dich?

In diesen inzwischen chronischen Tagen von Corona werden für mich die Verluste spürbarer. Im Moment kommen Menschen zu mir in die Beratung, die etwas verloren haben. Manchmal deutlich und klar, viele aber eher undefiniert und unbeschreiblich. Es fühlt sich nicht mehr an wie früher. Da gibt es ein Unwohlsein. Ein Schwinden der Arbeitsfähigkeit. Weniger Sinnhaftigkeit. Eine Art Überleben im Funktionsmodus. So etwas Gleichgültiges und Antriebsarmes. Zugleich werden die Menschen dünnhäutig und genervter. Und manchmal spüre ich eine Verwunderung und große Erleichterung, wenn etwas einfach ganz normal wie früher läuft.

Das Geld ist nicht weniger geworden und die Arbeit auch nicht. Aber Menschen im Homeoffice vermissen ihre Arbeitskollegen und Kolleginnen. Sie fühlen sich zunehmend einsam und verlassen. Nicht mehr gesehen und angebunden. Ihnen fehlen die Gespräche zwischen Tür und Angel. Der Austausch bei einer Tasse Kaffee. Sie müssen ihren Arbeitsalltag selber strukturieren und fühlen sich überfordert damit. Kompletter Rückzug ins Private. In der Küche wird gekocht und gegessen, spielen die Kinder und machen Hausaufgaben, befindet sich der eigene Arbeitsplatz, das neue und komplette Corona Leben im Küchenraum. Die Grenzen zwischen Arbeit und Privatleben verschwimmen. Menschen bemerken mehr und mehr das Schwinden von Sicherheit, spüren das Bedürfnis nach mehr Freiraum und Entfaltung. Und obwohl eigentlich alles noch läuft und funktioniert liegt über allem eine gewisse Schwere und Erschöpfung.

Irgendwie erinnert mich die jetzige Wirklichkeit an die erste Geschichte in der Bibel vom Verlust des Paradieses. Die Menschen essen vom verbotenen Baum und müssen den Hort der Geborgenheit verlassen. Statt Freude und Verbindung wird ab jetzt alles grau und tödlich. „Hätten wir doch nicht vom Baum gegessen! Was haben wir uns da eingehandelt? Werden wir je wieder glücklich werden?“

Jetzt zeigt sich zugleich, wie widerstandsfähig wir Menschen sein können. Ist alles verloren? Siegt die Depression auf ganzer Linie? Schon Dante Alighieri fand sich nicht mit dem Verlust ab. Er sagte: „Drei Dinge sind uns aus dem Paradies geblieben: die Sterne der Nacht, die Blumen des Tages und die Augen der Kinder.“

Dante erinnert mit seinem Vers an einen himmlischen Urzustand. Wir kommen alle aus dem Paradies. Dort sind unsere Wurzeln, dort finden wir unsere Heimat. Vielleicht ist es auch nur ein Wort der Sehnsucht. Wir werden erinnert an die ersten Menschen, die nach dem Essen vom verbotenen Baum von Gott aus dem Paradies vertrieben wurden. Dabei ist der Verlust des Paradieses ein ganz natürlicher Prozess und hat nichts mit Sünde oder Versagen zu tun. Als Geschöpfe in der Welt leben wir in der Polarität von Gewinn und Verlust.

Im übertragenen Sinne gleicht unsere erste Bewusstseinsstufe als Embryo im Bauch unserer Mutter diesem paradiesischen Urzustand. Ich bin eins mit der Mutter, eins mit der Göttlichkeit. Es gibt kein Du im Gegenüber und kein Ichbewusstsein. Ich schwimme in der Einheitssuppe und mir geht es einfach nur gut.

Dann wachse ich im Bauch meiner Mutter heran und irgendwann wird mein Paradies getrübt. Meine Mutter erschreckt sich. Sie hat Angst vor irgendetwas. Sie isst etwas, was ihr nicht bekommt. Und ich bekomme immer etwas davon ab. Mein Paradiesgefühl geht schneller verloren als ich denke. Ich komme auf die Welt und die erweist sich als hell, grell und laut.

Aber mir bleibt die Erinnerung an einen heilen Anfangszustand. Den möchte ich wiederhaben. Dieses Ursprungsgefühl, dass ich mit Allem verbunden bin. Mein Leben erweist sich von Geburt an als ein Abenteuer, das ich bestehen muss. Ich laufe, falle schmerzhaft und stehe wieder auf. Ich lalle bis ich spreche. Ich mache in die Hose bis ich Kontrolle über meine Körperfunktionen erlange. Ich werde mühsam nach vielen Jahren irgendwann erwachsen.

Als Erwachsener befinde ich mich ständig in diesem Wechsel von Verlusterfahrungen und himmlischen Glückszuständen. Die Sehnsucht nach dem heilen Urgefühlszustand bleibt. Zwischen den mühseligen Schritten, das Leben zu bewältigen winkt das Paradies wie ein Geschenk und eine Verheißung dir immer wieder einmal zu. Du siehst den phantastischen Sternenhimmel über dir und du bekommst eine Ahnung von der Größe Gottes und der Großartigkeit deines Lebens. Du atmest den Duft der Blumen ein und das Leben erscheint dir göttlich.

Oder du blickst in die Augen der Kinder. Auf einmal gibt es Frieden im Herzen. Du musst dich nicht mehr anstrengen. Es geht alles ohne Mühe. Deine Augen treffen die Augen des Kindes und in dir wird es ruhig. Du kommst zu der Erkenntnis: Das Paradies gab es, gibt es immer noch und du gehst zugleich darauf zu, bist manchmal mitten drinnen und weißt, dass deine Sehnsucht nicht vergeblich ist.

Sterne, Blumen und die Augen der Kinder waren die drei übrig gebliebenen Elemente aus Dantes Paradies. Wenn du jetzt einmal deine eigenen Verluste betrachtest aus den vergangenen Wochen ist dir vielleicht ein Stück Paradies verloren gegangen. Aber hast du alles verloren? Konntest du etwas retten? Was ist dir geblieben aus deinem Paradies und wo und wann geht dein Herz auf?

Stell dir vor, dass du heute in der Nacht träumst. Im Traum begegnest du der guten Fee, die dir sagt, dass du drei Wünsche frei hast. Es können aber nur Wünsche sein, die ihren Ursprung im Paradies haben. Wünsche aus einer anderen Quelle kann die Fee dir nicht liefern. Sie wären außerdem nicht förderlich für deine Gesundheit und dein psychisches Wohlergehen. Du hast jetzt nicht einfach wie üblich drei Wünsche frei, sondern drei Dinge, die du aus dem Paradies mit in dein verlustreiches Leben nehmen darfst. Magst du dich verständigen auf die gleichen Dinge wie Dante? Sterne, Blumen und Kinder? Du darfst Dantes Anregungen übernehmen. Oder möchtest du dein Eigenes finden? Wie könntest du das anstellen?

Jetzt wird es interessant. Wenn du anfängst nachzudenken, dann kommt etwas aus dem Verstand. Genug Geld, mehr Sicherheit, eine größere Freiheit, eine Umgebung von gesunden Bäumen, liebevolle Menschen. Es kommt das, was du dir jetzt überlegst. Du bist jetzt auch schon voreingenommen durch Dante. Dein Verstand kann sich aber an das Paradies nicht erinnern. Er erinnert sich nur an das, was er schon kennt. Dein Verstand kennt dich gut und macht dir ein paar Vorschläge aus seiner „Bibliothek der erinnerten Erlebnisse oder Bücher“. Du überlegst dir etwas und stimmst zu oder lehnst ab.

Wie wäre es, wenn du nicht nachdenken würdest über die drei Dinge aus deinem Paradies. Wie wäre es, wenn du auf einen entsprechenden Traum wartest. Dann hast du Ergebnisse aus deinem Unterbewusstsein oder dem kollektiven Unbewussten. Oder du gehst in die Stille und meditierst. Das habe ich gemacht und war überrascht.  Oder du bittest die drei Dinge aus dem Paradies, dass sie sich in den nächsten Wochen in deinem Alltag einfach zeigen.

Die letzte Idee gefällt mir besonders gut. Ich werde in den kommenden Tagen neben den Meditationserfahrungen aufmerksam sein für das, was mir entgegenkommt. Es wird etwas sein, bei dem mein Herz eine zustimmende Bewegung macht. Es wird sich anfühlen wie Ankommen und es wird sich jeder Bewertung entziehen. Es kann ein Blick in den Sternenhimmel sein, muss es aber nicht. Aber es mag sich so ähnlich anfühlen.

Dir wird also in den nächsten Wochen etwas begegnen das sich anfühlt wie ein Gruß und Entgegenkommen aus dem Paradies. Du wirst es dir nicht erdacht oder ausgesucht haben. Es kann sogar sein, dass es dir sehr vertraut ist, weil es schon immer bei dir war. Dir ist es nur nie aufgefallen, weil du deine Aufmerksamkeit nicht dahin gelenkt hast.

Corona und andere Viren werden uns vermutlich noch lange begleiten. Sie werden unser Leben einschränken und verändern. Wir werden manches als Verlust empfinden und darunter leiden. Das mag so kommen, aber es muss dich nicht beeindrucken. Richtest du deinen Blick auf die Verluste oder auf das, was dir aus dem Paradies geblieben ist?

Vielleicht ist es für dich auch schon zu spät und du hast dich der Erschöpfung und der Resignation hingegeben. Das fände ich bedauerlich. In jedem Menschen gibt es einen verborgenen Schalter, den er betätigen kann. Die ständigen Verluste betrauern oder sich dem Leben wieder zuwenden. Den Schalter betätigen und dich entscheiden kannst du nur selbst. Das kann dir niemand abnehmen. Für beide Richtungen gibt es genügend berechtigte Gründe.

Ich möchte nicht dauerhaft in einer maskierten Welt leben. Ich möchte in das unverhüllte Angesicht der Menschen sehen dürfen und darin die Ebenbildlichkeit Gottes erkennen. Weil mich das stärkt und weil es für mich ein bleibender Teil aus dem Paradies ist.

 

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