Translate

Montag, 20. November 2017

Vom Seiltänzer lernen!


Von einem Seiltänzer hörte ich die Worte, die er Kindern beibringt, wenn sie auf das Seil wollen. "Schau dahin wo du hin willst! Wenn du auf den Boden schaust - willst du da hin!"
Den Gedanken fand ich interessant. Wenn ich mich auf das Seil stelle, dann muss ich das Ziel vor mir ins Auge fassen und mich darauf konzentrieren. Dann schleicht die Angst hoch und der Gedanke kommt: "Ich könnte fallen!" Ich schaue nach unten. Ich sehe den Abgrund und  - ich falle. Ich lenke also meine Gedanken vom Ziel vor mir um hin zum Ziel unter mir.
Auch, wenn ich mir sage, dass ich zum Boden nicht hin will - das Unterbewusstsein kann "nicht" ja nicht denken. Es denkt immer positiv. Wenn ich zum Boden schaue und nicht fallen will, programmiere ich mich auf das Fallen. Automatisch!
Der Seiltänzer ist also mit seiner ganzen Aufmerksamkeit auf das Ziel ausgerichtet, das vor ihm liegt. Wie gehst du um mit deinen Zielen? Bist du auf dein Ziel auch ausgerichtet? Mit wie viel Prozent deiner Energie und deiner Achtsamkeit? Lässt du es zu, dass sich "Absturzgedanken" einschleichen? Wenn du das zulässt, hast du schon verloren. Du verkrampfst auf dem Seil deines Lebens und du hörst auf zu tanzen.
Dein Leben gleicht einem ständigen Tanz. Du tanzt und unter dir lauert der Abgrund. Der Abgrund ist da, auch wenn du kein professioneller Seiltänzer bist. Du setzt dich ins Auto und fährst los. Du bewegst dich unter den vielen Autos auf der Autobahn. Kommt dir der Gedanke, dass du sterben könntest? Dass Autofahren total gefährlich ist? Dass du ein unglaubliches Risiko eingehst?
Und wenn du dein Gemüse isst? Weißt du zu hundert Prozent, dass es keine Pestizide enthält? Und wenn du liebst oder in einer Beziehung lebst. Kannst du dich wirklich und total darauf verlassen, dass deine Liebe erwidert wird?
Du tanzt und unter deinen Füßen lauert der Abgrund der Angst. Die Angst sagt dir ständig, dass das Leben nicht sicher ist. Überhaupt nicht! Und? Gehst du mit meinen Gedanken mit oder hast du "STOPP!" gemacht! Bist du bei deinem Ziel geblieben? Der Abgrund ist da. Das Ziel auch. Und du, du tanzt!
Da taucht in mir das Bild auf von einem Menschen, der wie auf heißen Kohlen tanzt. Er möchte sich nicht verbrennen und springt ständig hin und her um sein Leben zu schonen. Du kannst auch so auf dem Seil des Lebens tanzen. Immer mit der Bedrohung im Herzen - da sind die glühenden Kohlen.
Oder du entspannst dich, wirst gelassen und gehst in die Freude des Tanzens. "Schau da hin, wo du hinwillst. Wenn du auf den Boden schaust - dann willst du da hin!"
www.matthias-koenning.de

Samstag, 11. November 2017

Spring doch mal über deinen Schatten!

Das sagt sich so leicht: "Spring doch mal über deinen Schatten!" Mach einmal etwas, was du sonst nicht tust. Es entspricht nicht deinen Gewohnheiten. Du schämst dich, wenn du es tätest. Es geht dir gegen den Strich. Es spricht gegen deine Glaubensüberzeugungen.
Du willst z.B. gerecht sein. Gerechtigkeit ist eines deiner höchsten Werte. Wenn du etwas tun müsstest was ungerecht wäre, würdest du es nie machen. Du müsstest da über deinen Schatten springen.
Genau betrachtet funktioniert das eigentlich gar nicht. Kein Mensch kann über seinen Schatten springen. Wenn du springst springt dein Schatten immer mit. Der lässt sich nicht austrixen. Dein Schatten gehört zu dir. Du kannst ihm nicht ausweichen. Du kannst dich wegdrehen und ihn nicht sehen. Aber er bleibt da. Und du weißt es. Schatten haben es an sich, in der Regel nicht gemocht zu werden. Darum führen sie ja auch ein Schattendasein. Der Schatten beinhaltet die Eigenschaften, die wir an uns gar nicht mögen. Wir verleugnen sie sogar. Wir sehen sie beim Gegenüber und regen uns fürchterlich darüber auf. Aber dass diese bestimmte Eigenschaft des anderen auch zu uns gehört würden wir strikt ablehnen. Wir Menschen sind häufig Künstler darin, unseren Schatten so zu verbergen, dass wir ihn selber nicht mehr sehen oder wahrnehmen können.
Aber auch wenn wir ihn nicht sehen, bleibt er uns erhalten und geht jeden Schritt mit uns. Tag und Nacht. Er beeinflusst unser Leben und unsere Entscheidungen. Je mehr wir ihn verleugnen, desto wirksamer setzt er sich in Szene.
Es gibt jedoch eine Möglichkeit, den Schatten zu verändern. Wenn Licht dahin fällt. Wenn Licht auf den Schatten fällt, dann verschwindet er. Das gilt im bildlichen und auch im übertragenen Sinn.
Wenn du Licht auf die Eigenschaften richtest, die du nicht magst und liebevoll damit umzugehen lernst, wird der Schatten immer kürzer. Der lange Schatten verkürzt sich und kommt auf dich zu. In dieser Phase lernst du dein "Geister" und "Gespenster" so richtig kennen.
Bei einem ganz bestimmten Sonnenstand verschwindet der Schatten fast gänzlich. Du lässt zu, dass überall Licht einfallen darf auf deine Schattenseiten. So geht der Prozess der Erleuchtung! Du entscheidest dich für  einen Friedens- und Versöhnungsprozess, den Schatten zu integrieren und als einen Teil deiner selbst anzunehmen.
Leider musst du diese Übungen täglich machen. Solange wir Menschen existieren wird es auch die Neigung zum Schatten geben. Er gehört zu uns dazu. Mal mehr und mal weniger. Wann bist du das letzte mal über deinen Schatten gesprungen und wie ist es dir bekommen? Wie hast du das geschafft?
www.matthias-koenning.de


Donnerstag, 9. November 2017

Das Staunen ist der Anfang der Erkenntnis (Platon)


Alles hat einen Anfang! Auch die Erkenntnis fängt mit etwas an. Wie läuft ein Erkenntnisprozess? Ich werde zuerst mit einer Idee konfrontiert oder einem Ereignis. Das Erlebte verarbeite ich und ich denke darüber nach. Am Ende des Denkprozesses gibt es ein Ergebnis: Die Erkenntnis.
Jetzt hat Platon eine interessante Idee. Am Ende steht die Erkenntnis und am Anfang ist das Staunen. Das "Staunen" ist eine wunderbare Gabe für uns Menschen. Wann hast du das letzte Mal gestaunt? Kinder staunen ständig! Wenn du ihnen etwas erzählst, dann werden die Augen ganz groß und sie sperren den Mund auf. Sie sagen laut: "Oooooh!" und "Aaaaaah!" Sie sind ganz außer sich und völlig erfüllt von dem Erleben. Sie saugen das Gesehene oder Gehörte förmlich in sich auf. Sie erschaudern und sind tief bewegt. Sie wollen mehr davon. Sie wollen es tiefer erfassen.
Wir Erwachsenen sind da schon viel abgebrühter. Es muss schon ein Smartphone mit besonderen technischen Raffinessen sein, das uns staunen lässt. Wenn ich im Urlaub ans Meer fahre dann staune ich über die Weite! Wenn ich in die Berge fahre dann staune ich über die Erhabenheit! Wenn ich dann jeden Tag aufs Meer schaue verändert es sich schon. Das Staunen wird geringer, die Selbstverständlichkeit wächst. Wir tauschen das "Staunen" gegen die "Macht der Gewohnheit." Ja, die Gewohnheiten sind auf die Dauer mächtiger als das Staunen. Schade eigentlich! Wenn wir nicht mehr staunen können nach Platon, dann hören auch die Erkenntnisse auf. Wir nehmen ja nichts mehr wirklich wahr. Wir gehen daran vorbei.
Du kannst ja auch nicht immer ans Meer oder in die Berge fahren damit du mal staunen kannst. Manche Menschen brauchen immer den letzten Kick damit sie sich das Staunen erhalten können, und das "Ooooh"-Gefühl. Wenn ich heute wieder verstärkt staunen möchte dann braucht es mehr Aufmerksamkeit. Ich blicke in den Garten und schaue mir die Eibe an. Das mache ich über einen längeren Zeitraum. Ich beobachte die Meisen, die darin herumhüpfen und Beeren picken. Ich nehme die Schönheit des Baumes wahr und vertiefe mich in das immerwährende Grün. Ich merke, wie das Staunen sich so langsam im Körper ausbreitet. Ich lebe Seite an Seite mit einem Baum, der jeden Tag ganz zuverlässig an seinem Platz steht. Jahr für Jahr! Jeden Tag und ohne Ausnahme steht er da in seinem Grün und gibt mir Schatten und den Vögeln Nahrung.
Meine Aufmerksamkeit geht jetzt am Frühstückstisch zu meinem Lieblingsbäcker. Ich mag sein Brot. Ich kann es jeden Tag essen. Mir wird es nicht überdrüssig. Er backt es zuverlässig jeden Tag für mich. Ich staune über die Kontinuität. Kuchen kann ich nur ab und zu genießen. Frischen Brot mag ich jeden Tag. Und wiederum breitet sich ein langsames und stetiges Staunen aus.
"Das Staunen ist der Anfang der Erkenntnis." Das hieße für mich, bei jedem Anfang dem Staunen mehr Chancen zu geben, wenn sich in mir so ein Gewohnheitsgefühl breitgemacht hat. Ich lade dich ein zum Staunen über all die vielen Anfangssituationen, die dir geschenkt werden im Leben.
www.matthias-koenning.de


Mittwoch, 1. November 2017

Jetzt ist es rund!



Du liebst es, wenn etwas sich so richtig rund anfühlt, nicht wahr? Du hast zu deinem Geburtstag eingeladen. Die Gäste waren da und die Stimmung war prächtig. Das Essen hat geschmeckt und alle haben sich gut verstanden. Wenn die Gäste gegangen sind setzt du dich mit einem Glas Wein gemütlich auf das Sofa und blickst zurück mit der Erkenntnis: „Das war so richtig rund!“
Wenn ein neues Projekt anläuft dann gibt es zu Beginn häufig noch Ecken und Kanten. Wir sagen: „Es läuft noch nicht richtig rund. Wir müssen noch nachbessern.“ Beim Einkaufen wird schon einmal auf- oder abgerundet mit dem Ziel der Vereinfachung und dem Wunsch, es runder zu machen.
Braut und Bräutigam stecken sich beim Ja-Wort den Ring an den Finger. Der Ring ist rund, glatt, kostbar, glänzend. Als wollte der Ring das ausdrücken, was sich das Paar wünscht. Die Beziehung möge rund und glatt sein. Ohne Dellen und Blessuren. Ohne Kratzer und Verletzungen. Die Liebe möge glänzen und leuchten. Eben rund sein! Du stellst dir vor, dass du am Ende des Ehe-Weges voll und ganz „Ja“ sagen kannst wenn der Tod euch scheidet.
Im November blicken wir zum Einen auf die Ernte zurück.  Und zugleich sehen wir in der Natur, dass alles sich vorbereitet auf die Winterruhe. Nicht umsonst verorten wir hier die Totengedenktage. Bei Beerdigungen tragen Angehörige oft den Wunsch in sich, dass beim Abschied alles rund sein möge. Eine persönliche Feier. Eine positive Bilanz für den Verstorbenen, die rund ausfällt, damit die Familienmitglieder gut abschließen und beruhigt weiter gehen können. Keine Gespenster von unerledigten Geschäften und Gefühlen!
Meine Gedanken möchte ich gerne mit folgender Geschichte ins Wort bringen.
Jetzt ist es rund!
Der Großvater schlug in den Balken der Holzhütte den letzten Nagel ein und trat einen Schritt zurück. Dann schaute er stolz seinen Enkel Tim an und sagte zu ihm: „Jetzt ist es rund, nicht wahr Tim?“
Tim verstand aber nicht, was sein Großvater meinte. „Was meinst du damit, dass es rund ist. Die Hütte ist doch sehr gerade geworden. Die Balken sind gerade, das Dach ist gerade und die Fenster auch. Alles ist wunderschön gerade und genau richtig geworden.“ „Ja genau,“ sagte da der Großvater, „das meinte ich ja, es ist alles so richtig rund geworden.“ Dann erklärte er seinem Enkel, was er damit meinte. „Das sagt man halt so. Wenn du so richtig zufrieden bist mit deiner Arbeit und alles gut gelaufen ist. Wenn du dich freust und dein Werk dir anschaust, dann mag eine Hütte vielleicht eckig bleiben, aber es fühlt sich so rund an. Rund ist einfach nur ein gutes Gefühl.“
„Ich verstehe, was du meinst,“ sagte dann Tim nachdenklich zum Großvater. „Wenn ich in der Schule eine Arbeit habe und am Ende das Heft zumache und alles aufgeschrieben habe was ich wusste, dann fühlt es sich auch manchmal rund an, nicht wahr?“ Der Großvater nickte und gemeinsam standen sie vor der Hütte, die so exakt eckig aber zugleich auch so rund war.
Beim Betrachten der wundervollen Hütte sah Tim plötzlich einen langen Riss in einem der Balken. „Schau mal Großvater, es ist doch nicht so rund, wie du gedacht hast. Siehst du den Riss dort im Balken. Die Hütte ist nicht perfekt. Was sollen wir jetzt machen?“
Da schaute sich der Großvater den Riss genauer an und kam zu dem Urteil: „Der Riss macht nichts. Die Hütte steht und wird diesen kleinen Riss vertragen.“ Dann inspizierten sie noch einmal die Hütte und entdeckten beim genaueren Hinsehen hier eine Macke, dort einen Riss und hier und da eine Unebenheit.  Da wurde Tim sehr traurig. „Ach Großvater, es war doch alles so rund und jetzt fühlt es sich so eckig an. Die Hütte finde ich jetzt gar nicht mehr schön!“
Der Großvater ließ sich jedoch nicht beirren. „Nichts ist perfekt. Weder die Hütte noch deine Schularbeiten noch sonst etwas. Es kommt auf den Gesamteindruck an. Insgesamt bleibt unsere Hütte rund. Und wenn du genau hinschaust, dann machen die kleinen Risse und Macken doch erst unsere Hütte aus! Die Risse und Macken machen unsere Hütte unverwechselbar!“
Da wischte sich Tim die letzten Tränen aus seinem Gesicht und schaute zufrieden seinen Großvater an. „Ja“, sagte er, „du und ich. Wenn wir zusammen etwas machen, dann ist es rund, egal was dabei herauskommt. Du und ich, wir zwei zusammen, das ist so richtig rund. Viel runder als jede Hütte.“
Tief in uns Menschen gibt es den Wunsch nach einem absoluten „Ja“ zu einem gelingenden Leben. Die „Paradiessehnsucht“ begleitet uns und treibt uns voran. Am Ende des Lebens möge alles rund sein. Wenn es dann nicht die Einschränkungen gäbe! Wenn du stirbst hinterlässt du viele positive Werte. Aber auch deine Hypotheken, Verletzungen und Kränkungen gegenüber deinen Angehörigen. Die unvollendeten Aufgaben! Deine Fehler und Unzulänglichkeiten hinterlassen eine so deutliche Spur wie auch deine gelungenen Anteile. Wie du es drehst und wendest: Dein Lebensring ist zugleich rund und besitzt Scharten und Schrammen. Mit dieser „Hypothek“ muss deine Nachwelt weiterleben.
Neben deinem Leben wird die ganze Welt „eckig“ bleiben, bis sie in das Göttliche des Ganzen jenseits und am Ende der Zeiten zurückkehrt. Zugleich jedoch wird sie ebenfalls die runden Anteile haben – immer dann, wenn die Liebe zum Zuge kommt. Das Eckige und Kantige ist nicht immer leicht zu tragen und zu ertragen. „Ich hätte es so gerne rund!“ Da gibt es den Schönheitsfehler bei der Geburtstagsfeier, dass ein Gast sich daneben benommen hat. Da gibt es den Schmerz, dass du nicht das passende Geschenk gefunden hast für Weihnachten. Da hast du deinen Arbeitskollegen gekränkt und konntest es nicht wieder gut machen. Schau dir einmal in einer Mußestunde den Scherbenhaufen an, an dem du irgendwie mit beteiligt warst. Schau dir in dieser Mußestunde aber auch alle die vielen runden Dinge deines Lebensjahres an. Welche bunten Luftballons durften aufsteigen und den Himmel verschönern? Wie viele runde Smileys hast du Menschen geschenkt oder entgegengenommen? Mach nicht die Bilanz und wäge ab, ob es mehr Eckiges oder Rundes gab. Du landest dann zu schnell in eine Wertung, die dich unzufrieden macht.
Vielleicht kommst du ja zur Erkenntnis, dass das Raue und Eckige auch da sein darf. Dann kann wie in der Geschichte beides mit einem großen „Ja!“ nebeneinander und miteinander stehen bleiben. Rund und eckig ergibt? Mir fällt das Bild einer runden Kartoffel ein, die im Laufe der Zeit runzelig und schrumpelig wird. Das Runde ist noch deutlich erkennbar und wunderschöne Falten zeugen gleichzeitig von der langen Lebensgeschichte. So wie bei dir! Dein rundes Gesicht wird vielleicht auch ein wenig runzelig im November deines Lebens. Hoffentlich gehst du gnädig und liebevoll mit dir um, wenn du dann in den Spiegel schaust und bei dir das Runde und Eckige erkennst. 
www.matthias-koenning.de