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Montag, 23. Mai 2016

Vermieten - verleihen - verschenken


Wenn ich vermiete, dann nehme ich dafür einen Gegenwert. Ich vermiete also gegen Geld eine Wohnung und verdiene damit mein Geld.
Wenn ich verleihe, dann stelle ich auch etwas zur Verfügung. Verleihen funktioniert jedoch ohne Bezahlung. Höchstens ein Pfand darf ich nehmen, damit ich das Verliehene auch zurück erhalte. Es ist interessant, wie die "Leihbörsen" in den Großstädten plötzich wachsen und sprießen. Da entsteht eine ganz neue Kultur. Menschen stellen Geräte oder Spielsachen zur Verfügung, weil sie sie nicht ständig brauchen. Beim Verleihen bleibt der Besitzer jedoch der Besitzer.
Wenn ich verschenke, dann gebe ich völlig her und lasse los. Das Geschenk gehört mir nicht mehr. Ich behalte vielleicht nur noch die immateriellen Werte wie Erinnerung, Freude oder Verbundenheit.

Ich könnte eine Hierarchie erstellen des Loslassens mit der Reihenfolge behalten - verkaufen - vermieten - verleihen - verschenken. Dabei kommt mir die Idee, ob es auch dazu menschliche Typen gibt. Als ein typischer Verkäufer oder "Verschenker". Bei ebay zum Beispiel finde ich all die Verkäuferseelen. Sie preisen ihre Dinge an mit schönen Photos, günstigen Preisen und sie beherrschen mehr oder weniger die Kunst der Verführung.
Andere behalten lieber und wollen weder verkaufen noch vermieten und erst recht nicht verschenken. Sie kleben an Besitz, an Menschen, an Gesundheit, an Erinnerungen. Angst vor Verlusterfahrungen?
Die Vermieter sind gleichzeitig Behalter und Verkäufer. Sie schaffen es, zugleich etwas zu behalten und dennoch damit Geld zu verdienen. Der Verkäufer muss immer wieder neu nach Waren suchen und der Vermieter "verkauft" seine Waren gleich mehrfach.
Der Verleiher kommt mir eher vor wie ein Behalter, der immerhin nicht für sich allein behält. Das ist jemand, der ab und zu loslassen kann. In seinem Bewusstsein bleibt jedoch das Wissen: "Das gehört mir!"
Der Verschenker steht auf der anderen Seite dem Behalter gegenüber. Der lässt los. Vielleicht belastet ihn der viele Besitz ähnlich wie im Märchen von Hans im Glück. Oder er hat Freude daran, dass andere Freude haben. Oder er "erkauft" sich dadurch zukünftige Kunden. "Ich schenke dir einen Kugelschreiber. Dann bleibe ich bei dir in guter Erinnerung, wenn ich einmal einen Staubsauger verkaufen will." Schenken mit Hinterabsichten.
Zugleich glaube ich, dass jeder Mensch entweder eher Behalter oder eher Verschenker ist. Welcher Typ bist du und welche Einstellung dem Leben gegenüber drückst du damit aus? Immerhin gibt es vor der Kette von Behalten - verkaufen - ... auch noch das Bekommen und Kaufen. Du selbst bist auf die Welt gekommen. Musstest du das Leben erkaufen? War es ein Geschenk? Warst du einfach so da? Deine körperliche Existenz gleicht nach meiner Ansicht eher einer Leihgabe. Du hast dir diesen Körper geliehen. Du darfst ihn keinesfalls behalten. Du musst ihn wieder hergeben. Die dahinter liegende spirituelle Grundhaltung heißt da für mich: "Mir steht etwas zur Verfügung in dieser Lebenszeit. Ich kann es nutzen, gebrauchen, etwas damit machen. Es gehört zu mir für einen begrenzten Zeitraum, aber es gehört mir nicht als Besitz." Bevor es mir genommen wird spätestens am Ende des Lebens lasse ich lieber von Anfang an freiwillig ein Stück davon wieder los.
Wo bist du zu Hause? Im Behalten, oder doch eher im Verschenken?
www.matthias-koenning.de

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