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Freitag, 20. November 2015

Besucher der Nacht!


Da kriechen die kleinen und dem menschlichen Auge unsichtbaren Käfer nachts in unserem Bett herum. Sie leben von unseren Hautschuppen und dem Staub. Haustaubmilbe heißt eine von diesen nächtlichen Besuchern. Ein ganzer Kosmos bewegt sich in unserem Bett! Eine große bevölkerte Stadt, eine Metropole! Ich schlafe und bekomme nichts davon mit?

Eine andere Schar von Besuchern dringt ein bis in meinen Tiefschlaf. In meinen Träumen werde ich verfolgt und nehme ständig an Filmen teil, die ich mir nicht ausgesucht habe. Die Mitspieler zwingen mich zum Mitmachen. Manchmal habe ich den Eindruck, dass sie mich einfach nur ärgern wollen. Sie brauchen Mitspieler und ich kann mich nicht wehren.

Und dann gibt es noch die Besucher am frühen Morgen. Sie nutzen die Gelegenheit meines Dämmerzustandes aus. Die Milben im Außen und die Traumgesichter liefern die Vorlage dazu. Die Morgengeister gehören mit zu der Invasion der Besucher der Nacht. In dieser Zeit bin ich quasi wehrlos. Da kommen die unerledigten Geschäfte auf die Bettdecke. Die Störungen in meinen menschlichen Beziehungen. Die Kränkungen und Verletzungen! Längst erlebte und erledigte Geschichten werden wieder aufgearbeitet und durchgedacht. Hier schlägt die Stunde des inneren Kritikers. Er weiß, dass ich mich nicht wehren kann. Er breitet sich aus und bewirkt eine totale Lähmung! Nach dem Verklingen der letzten Träume schleicht er sich still und heimlich ein. Seine Art der Ausbreitung wird mit "grübeln" bezeichnet. So, wie der Zahnarzt deinen Kiefer betäubt, um sich an deinen Zähnen auszutoben, nutzt der innere Kritiker den Schlafzustand für sich aus.
Du hast doch noch Zeit bis der Wecker klingelt! Du möchtest diese Zeit zum Schlafen und Ruhen nutzen. Da vermasselt dir der innere Kritiker mit seinen Grübelattacken den erholsamen Frieden. Aus und vorbei! Die Besucher der Nacht hast du nicht eingeladen. Sie kommen einfach so!

Und jetzt lies meine philosophische Erkenntnis! In jeder Nacht übst du dich ins Sterben ein. Dein Körper mit deinem Gehirn und den Nervenzellen gehört dir nicht. Du bewohnst dein System nur zeitweise. In der Nacht musst du loslassen und dich den Momenten des Sterbens hingeben. Du übst schon mal für die letzte Stunde. Sich wehren ist zwecklos. Je mehr du dich wehrst, desto heftiger toben die Milben, die Traumspieler und die Grübelgedanken am frühen Morgen.
Wenn ich mit Kindern auf dem Teppich tobe, bin ich irgenwann erledigt und stöhne mit letzter Kraft: "Ich ergebe mich!" Dann hört der Kampf auf und Ruhe kehrt ein. Stell dir vor, du machst das auch mit allen deinen nächtlichen Besuchern. Du gibst einfach auf und ergibst dich! Sag deinem Kritiker ruhig, dass er sich ausbreiten mag. Dann schickt er dir dein erstes Defizit. Du fragst ihn, ob er noch mehr drauf hat und bittest ihn, noch eine Grübelei dazuzufügen. Dann fragst du ihn, ob das schon alles war, diese paar depressiven Attacken. Lade ihn ein, einmal zu zeigen, was er wirklich drauf hat. Vielleicht zeigt sich, dass er am Ende doch nur ein Gespenst ist. Seine Kraft verpufft irgendwann.
Du stehst auf, schüttelst den Spuk von dir ab und trinkst deine erste Tasse Kaffee. Die Besucher der Nacht verschwinden und erwarten dich in der nächsten Nacht leider wieder neu.

Machen wir einen Perspektivwechsel!
Wer bist eigentlich du selbst aus der Perspektive der Besucher der Nacht? Wer bist du für die Milben, für die Nachtgesichter und die inneren Kritiker? Ich verrate es dir. Du bist ihr Gott! Sie sind von dir abhängig. Ohne dich können sie nichts machen. Sie brauchen dich! Sie leben von dir! Und wenn du nicht mehr da bist sterben sie. Augenblicklich! Du bist ihr Gott! Sie mögen dich und sie hadern mit dir. Genauso wie du mit deinem Gott! Du bist einfach Teil eines Großen und Ganzen. Du hast dich entschieden, dieses Spiel mitzuspielen.
Heute Nacht gehst du schlafen und beim Einschlafen wirst du dir bewusst: In den nächsten Stunden bist du der Gott oder die Göttin einer großen Nacht- und Schattenwelt.
www.matthias-koenning.de

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