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Samstag, 5. September 2015

Reißt du Bäume aus oder pflückst du Gras?



Folgenden Spruch fand ich auf einer Karte: „Ich fühle mich, als könnte ich Bäume ausreißen. Also kleine Bäume. Vieleicht Bambus. Oder Blumen. Na gut. Gras. Gras geht.“
Bäume ausreißen zu können ist wohl nicht sehr realistisch. Ohne Hilfsmittel reicht es nicht einmal für einen Baumstumpf. Aber das Gefühl dazu hätte ich gerne und am liebsten jeden Tag. Leider kenne ich diese Kette der „abfallenden Energien“ nur zu gut. Nach der Selbstüberschätzung landen wir häufig beim Gras.  
Bevor ich aber mit dir den Grashalm pflücke lade ich dich ein zu einer kleinen Gedankenreise und wir schauen mal, wo sie uns hinführt. Zunächst einmal sehe ich diesen immensen Energieaufwand, einen Baum auszureißen! Übertrieben, nicht notwendig und Anzeichen für ein überdrehtes Ego. Im Hintergrund gibt es das schon vorhandene und verborgene Wissen, dass ich eigentlich nur Gras schaffe. Ich bin von meinem Wesen her eher ein „Gras-Rupfer“ als ein „Bäume-Ausreißer“, oder? Blumen traue ich mir auch noch zu und unter Umständen eine Bambuspflanze. Aber Bäume? No and never! Aber manche Menschen müssen vor ihren Handlungen zunächst in die Baumenergie gehen, damit sie wenigstens das Gras schaffen. Besser Gras als gar nichts.
Der Bildgegensatz von Baum und Gras führt mich noch zu einem weiteren Gedanken. Ich kenne es bei mir selbst und auch von anderen Freundinnen, dass sie sagen: „Ich muss mir meine Kräfte gut einteilen, sonst schaffe ich es nicht.“ Wenn du eine körperliche Beeinträchtigung hast, dann kommst du gar nicht mehr auf den Gedanken, dass du Bäume ausreißen könntest. Du bist froh über jeden Grashalm, den du bewegen kannst. Du machst dir am Anfang der Woche Gedanken über die Anzahl deiner zu beackernden Halme und teilst gleichmäßig sie auf die einzelnen Wochentage auf. Für jeden Wochentag machst du erneut eine Aufteilung und schaust, wann du fit bist und wie viele Grashalme du wann pflücken kannst. So teilst du dir deine Kräfte sinnvoll ein.
Vielleicht warst du auch einmal jung und dynamisch und hast dir keine Gedanken dazu gemacht, ob deine Kräfte ausreichen für deine Unternehmungswünsche. Du hast einfach gemacht und an das Unmögliche geglaubt. Du warst von deinem Wesen her ein „Bäume-Ausreißer“! Doch wenn du dich ein paar mal verhoben hast, über deine Kräfte hinausgegangen bist, die Realität dich eingeholt hat; Oder wenn dich irreversible körperliche oder psychische Beeinträchtigungen quälen, sieht deine Welt anders aus. Mehr „grashalm-mäßig“.  Du teilst ein, du berechnest und du wägst ab.
„Ich merk das schon“, sagen mir ältere Freunde, „dass das nicht mehr so geht wie noch vor ein paar Jahren.“ Und dann braucht es seine Zeit, alle Kräftestadien zu durchwandern. Du beginnst mit der überbordenden Baumkraft, gehst noch elegant zum Bambus, mit Wohlwollen zu den Blumen und landest vielleicht verbittert oder auch demütig beim Gras, in das du am Ende deines Lebens dann „beißen“ wirst. Schön, wenn du den Weg dann noch mit Humor gehen kannst.
Es kann dir also leicht geschehen, dass du genauso dein Leben wahrnimmst, wie ich es gerade beschrieben habe. Ein kontinuierlicher Abstieg im Nachlassen von Fähigkeiten und Kräften. Und da sage ich doch mal einfach: „Halt Stopp!“ Das mag alles irgendwie stimmen. Zugleich stimmt auch etwas anderes. Und darauf  möchte ich nun deine Aufmerksamkeit richten.
Ich fühle mein ganzes Leben wie einen ständigen und kontinuierlichen Wandlungsprozess. Ich investiere meine Kräfte und gewinne Erkenntnisse. Ich setze mich ein und mache Erfahrungen. Ich setze meine Lebensenergie um. Wenn ich das mache, dann sehe ich auch die Ergebnisse. Ich nehme den Umfang und Wert meiner vielen Millionen Gedanken wahr. Ich sehe die vielen Beziehungen, für die ich mich eingesetzt habe. Ich betrachte die Werke meiner Hände und die tausenden von bewältigten Aufgaben. Ich zähle die Wäscheberge, die ich gebügelt habe. Ich halte mir den Kartoffel- und Gemüseacker vor Augen, den ich im Laufe meines Lebens vertilgt habe.  Ich nehme wahr, dass ich meine Kräfte ganz oft für viele wichtige Dinge verwendet habe. Da kann ich gut „Ja!“ sagen.
Ich stelle mir also vor, dass mein Leben ein ständiges Umsetzen von Energie ist. Ich verwende meine Kräfte und erreiche etwas damit. Somit ist nichts verloren gegangen. Sogar dort, wo du die unnötigen Bäume ausgerissen hast kannst du „Ja!“ sagen. Dort hast du die vielleicht wichtigsten Lernprozesse gemacht und Erkenntnisse für dein Leben gewonnen.
Jetzt kannst du zwei Geschichten erzählen. Du erzählst die Lebensgeschichte von deinem Beginn mit dem Baum und dem Ende mit dem Grashalm. Oder du erzählst die Geschichte von deinen Prozessen der Verwandlungen, Erfahrungen und Erkenntnissen! Beide Geschichten gehören zu deinem Leben dazu.
Ich erinnere mich daran, dass Jesus auch beide Erfahrungen kennt. Einmal spricht er davon, dass ein Hausherr nur ein Haus bauen sollte, wenn er die Kosten vorher ordentlich berechnet hat. Ein anderes Mal spricht er von dem Glauben, der in der Lage ist, Berge zu versetzen.  Zwei Weisheiten, die sich scheinbar widersprechen: „Sei klug und vertraue!“
Und hier wird es interessant. Als körperlich und psychisch begrenzte Menschen leben wir in der Erfahrung der Endlichkeit. Wir unterliegen den Naturgesetzen. Der Apfel fällt! Die Zellen altern! Die Kräfte schwinden!
Zugleich unterliegen wir jedoch einem anderen Gesetz. Auf der geistigen Ebene haben wir unbegrenzte Kräfte und dürfen ewig leben. In unserem Bewusstsein können wir uns vorstellen, dass wir zu einer größeren und umfassenderen Welt gehören als der Körper uns vorgibt. Dein Körper sitzt jetzt auf dem Platz, wo du diese Zeilen liest und dein Geist kann sich ausdehnen über dein Zimmer hinaus, die Wohnung, die Stadt, bis zur Sonne und weiter. Dein Körper gibt dir das Signal: „Ich kann nicht mehr!“ oder „Jetzt geht es noch ein wenig!“ Zur gleichen Zeit kennt dein Bewusstsein das Wort Erschöpfung nicht. 
Irgendwie müssen wir als Menschen den Spagat hinbekommen. Wir nehmen unseren Körper und unsere Kräfte wahr als Konstanten, die uns lebenslang begleiten. Zugleich gibt es für uns als spirituelle Wesen die Möglichkeit, darüber hinauszuwachsen. Während du mühsam deinen Grashalm pflückst, kannst du zur gleichen Zeit im Herzen voller Freude und Dankbarkeit sein über das Bewusstsein, dass du „Du“ bist. Du kannst einen Grashalm pflücken und trauern über deine mangelnden Möglichkeiten - oder Grashalme pflücken in der Wahrnehmung einer unendlichen Dankbarkeit dem Leben gegenüber. In einem Augenblick der Verbundenheit entscheidest du dich für die Fülle und im nächsten Augenblick des Mangels für die Trennung.  
Wenn du das Gefühl hast, dass du Bäume ausreißen könntest, dann bist du vermutlich in diesem grandiosen Bewusstsein der Verbundenheit. Du bist erfüllt von dem Göttlichen, das durch dich hindurchfließt. Ob du am Ende auch materielle Bäume damit ausreißt oder Berge versetzen kannst ist dabei nicht so wichtig. Vielleicht wäre es grundsätzlich hilfreich, zu einer Haltung zu gelangen, bei der du in die „Bäume-Ausreiß-Qualität“ kommst. Also vor jeder Aufgabe sich hinsetzen und tief durchatmen. Werde dir deiner Schöpferkraft bewusst und sage dir: „Ich bin ein Kind Gottes!“ 
www.matthias-koenning.de 

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