Folgenden
Spruch fand ich auf einer Karte: „Ich fühle mich, als könnte ich Bäume
ausreißen. Also kleine Bäume. Vieleicht Bambus. Oder Blumen. Na gut. Gras. Gras
geht.“
Bäume ausreißen
zu können ist wohl nicht sehr realistisch. Ohne Hilfsmittel reicht es nicht
einmal für einen Baumstumpf. Aber das Gefühl dazu hätte ich gerne und am
liebsten jeden Tag. Leider kenne ich diese Kette der „abfallenden Energien“ nur
zu gut. Nach der Selbstüberschätzung landen wir häufig beim Gras.
Bevor ich
aber mit dir den Grashalm pflücke lade ich dich ein zu einer kleinen Gedankenreise
und wir schauen mal, wo sie uns hinführt. Zunächst einmal sehe ich diesen
immensen Energieaufwand, einen Baum auszureißen! Übertrieben, nicht notwendig
und Anzeichen für ein überdrehtes Ego. Im Hintergrund gibt es das schon
vorhandene und verborgene Wissen, dass ich eigentlich nur Gras schaffe. Ich bin
von meinem Wesen her eher ein „Gras-Rupfer“ als ein „Bäume-Ausreißer“, oder?
Blumen traue ich mir auch noch zu und unter Umständen eine Bambuspflanze. Aber
Bäume? No and never! Aber manche Menschen müssen vor ihren Handlungen zunächst in
die Baumenergie gehen, damit sie wenigstens das Gras schaffen. Besser Gras als
gar nichts.
Der
Bildgegensatz von Baum und Gras führt mich noch zu einem weiteren Gedanken. Ich
kenne es bei mir selbst und auch von anderen Freundinnen, dass sie sagen: „Ich
muss mir meine Kräfte gut einteilen, sonst schaffe ich es nicht.“ Wenn du eine
körperliche Beeinträchtigung hast, dann kommst du gar nicht mehr auf den Gedanken,
dass du Bäume ausreißen könntest. Du bist froh über jeden Grashalm, den du
bewegen kannst. Du machst dir am Anfang der Woche Gedanken über die Anzahl
deiner zu beackernden Halme und teilst gleichmäßig sie auf die einzelnen Wochentage
auf. Für jeden Wochentag machst du erneut eine Aufteilung und schaust, wann du
fit bist und wie viele Grashalme du wann pflücken kannst. So teilst du dir
deine Kräfte sinnvoll ein.
Vielleicht
warst du auch einmal jung und dynamisch und hast dir keine Gedanken dazu
gemacht, ob deine Kräfte ausreichen für deine Unternehmungswünsche. Du hast
einfach gemacht und an das Unmögliche geglaubt. Du warst von deinem Wesen her ein
„Bäume-Ausreißer“! Doch wenn du dich ein paar mal verhoben hast, über deine
Kräfte hinausgegangen bist, die Realität dich eingeholt hat; Oder wenn dich
irreversible körperliche oder psychische Beeinträchtigungen quälen, sieht deine
Welt anders aus. Mehr „grashalm-mäßig“.
Du teilst ein, du berechnest und du wägst ab.
„Ich merk
das schon“, sagen mir ältere Freunde, „dass das nicht mehr so geht wie noch vor
ein paar Jahren.“ Und dann braucht es seine Zeit, alle Kräftestadien zu
durchwandern. Du beginnst mit der überbordenden Baumkraft, gehst noch elegant
zum Bambus, mit Wohlwollen zu den Blumen und landest vielleicht verbittert oder
auch demütig beim Gras, in das du am Ende deines Lebens dann „beißen“ wirst.
Schön, wenn du den Weg dann noch mit Humor gehen kannst.
Es kann dir
also leicht geschehen, dass du genauso dein Leben wahrnimmst, wie ich es gerade
beschrieben habe. Ein kontinuierlicher Abstieg im Nachlassen von Fähigkeiten
und Kräften. Und da sage ich doch mal einfach: „Halt Stopp!“ Das mag alles
irgendwie stimmen. Zugleich stimmt auch etwas anderes. Und darauf möchte ich nun deine Aufmerksamkeit richten.
Ich fühle
mein ganzes Leben wie einen ständigen und kontinuierlichen Wandlungsprozess.
Ich investiere meine Kräfte und gewinne Erkenntnisse. Ich setze mich ein und
mache Erfahrungen. Ich setze meine Lebensenergie um. Wenn ich das mache, dann
sehe ich auch die Ergebnisse. Ich nehme den Umfang und Wert meiner vielen
Millionen Gedanken wahr. Ich sehe die vielen Beziehungen, für die ich mich eingesetzt
habe. Ich betrachte die Werke meiner Hände und die tausenden von bewältigten
Aufgaben. Ich zähle die Wäscheberge, die ich gebügelt habe. Ich halte mir den
Kartoffel- und Gemüseacker vor Augen, den ich im
Laufe meines Lebens vertilgt habe. Ich
nehme wahr, dass ich meine Kräfte ganz oft für viele wichtige Dinge verwendet
habe. Da kann ich gut „Ja!“ sagen.
Ich stelle
mir also vor, dass mein Leben ein ständiges Umsetzen von Energie ist. Ich
verwende meine Kräfte und erreiche etwas damit. Somit ist nichts verloren
gegangen. Sogar dort, wo du die unnötigen Bäume ausgerissen hast kannst du „Ja!“
sagen. Dort hast du die vielleicht wichtigsten Lernprozesse gemacht und Erkenntnisse
für dein Leben gewonnen.
Jetzt kannst
du zwei Geschichten erzählen. Du erzählst die Lebensgeschichte von deinem Beginn
mit dem Baum und dem Ende mit dem Grashalm. Oder du erzählst die Geschichte von
deinen Prozessen der Verwandlungen, Erfahrungen und Erkenntnissen! Beide Geschichten
gehören zu deinem Leben dazu.
Ich erinnere
mich daran, dass Jesus auch beide Erfahrungen kennt. Einmal spricht er davon,
dass ein Hausherr nur ein Haus bauen sollte, wenn er die Kosten vorher
ordentlich berechnet hat. Ein anderes Mal spricht er von dem Glauben, der in
der Lage ist, Berge zu versetzen. Zwei
Weisheiten, die sich scheinbar widersprechen: „Sei klug und vertraue!“
Und hier
wird es interessant. Als körperlich und psychisch begrenzte Menschen leben wir
in der Erfahrung der Endlichkeit. Wir unterliegen den Naturgesetzen. Der Apfel
fällt! Die Zellen altern! Die Kräfte schwinden!
Zugleich
unterliegen wir jedoch einem anderen Gesetz. Auf der geistigen Ebene haben wir
unbegrenzte Kräfte und dürfen ewig leben. In unserem Bewusstsein können wir uns
vorstellen, dass wir zu einer größeren und umfassenderen Welt gehören als der
Körper uns vorgibt. Dein Körper sitzt jetzt auf dem Platz, wo du diese Zeilen
liest und dein Geist kann sich ausdehnen über dein Zimmer hinaus, die Wohnung,
die Stadt, bis zur Sonne und weiter. Dein Körper gibt dir das Signal: „Ich kann
nicht mehr!“ oder „Jetzt geht es noch ein wenig!“ Zur gleichen Zeit kennt dein
Bewusstsein das Wort Erschöpfung nicht.
Irgendwie
müssen wir als Menschen den Spagat hinbekommen. Wir nehmen unseren Körper und
unsere Kräfte wahr als Konstanten, die uns lebenslang begleiten. Zugleich gibt
es für uns als spirituelle Wesen die Möglichkeit, darüber hinauszuwachsen.
Während du mühsam deinen Grashalm pflückst, kannst du zur gleichen Zeit im
Herzen voller Freude und Dankbarkeit sein über das Bewusstsein, dass du „Du“
bist. Du kannst einen Grashalm pflücken und trauern über deine mangelnden
Möglichkeiten - oder Grashalme pflücken in der Wahrnehmung einer unendlichen
Dankbarkeit dem Leben gegenüber. In einem Augenblick der Verbundenheit
entscheidest du dich für die Fülle und im nächsten Augenblick des Mangels für
die Trennung.
Wenn
du das Gefühl hast, dass du Bäume ausreißen könntest, dann bist du vermutlich
in diesem grandiosen Bewusstsein der Verbundenheit. Du bist erfüllt von dem
Göttlichen, das durch dich hindurchfließt. Ob du am Ende auch materielle Bäume
damit ausreißt oder Berge versetzen kannst ist dabei nicht so wichtig. Vielleicht
wäre es grundsätzlich hilfreich, zu einer Haltung zu gelangen, bei der du in
die „Bäume-Ausreiß-Qualität“ kommst. Also vor jeder Aufgabe sich hinsetzen und
tief durchatmen. Werde dir deiner Schöpferkraft bewusst und sage dir: „Ich bin
ein Kind Gottes!“ www.matthias-koenning.de
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