Schon lange begleitet mich dieser Vers von Meister
Eckhart. Gerade in der Urlaubszeit kommt er mir wieder in den Sinn.
„Gott ist in uns daheim, wir sind in der Fremde.“ Der Vers spielt mit
dem Gegensatzpaar „Daheim“ und „Fremde“.
Mit dem Wort „Daheim“ bekomme ich ein Wohlgefühl.
Ich bin geborgen und fühle mich angekommen. Ich darf gelassen sein und
mich entspannen. Dieser Platz gehört mir und ich muss nicht darum
kämpfen. Ich muss nicht fragen, ob ich bleiben darf oder gehen muss. Ich
bin „daheim“.
Mit dem Wort „Fremde“ verbinde ich ein ganz anderes
Gefühl. Kinder fremdeln, wenn sie jemand Unbekanntem begegnen. In der
Fremde befinde ich mich in einem mir unbekanntem Land und betrete
unvertrautes Terrain. Hier ist nicht mein Platz. Ich bin Gast für eine
Zeit. Möglicherweise nur geduldet und mit der Erlaubnis eines „Fremden“.
Die damit verbundene Unsicherheit ist für Manche nur schwer
auszuhalten. In der Fremde bekomme ich Sehnsucht nach „Daheim“. Aus
meiner Ferienlagerzeit kommen mir da die Kinder in den Sinn, die sehr
unter „Heimweh“ litten vor allem am Abend, allein im Bett und ohne die
schützende Nähe der Mutter.
Aber so eindeutig, wie ich es hier gerade schreibe,
sind die Gefühle gar nicht. Mit „Daheim“ verbinde ich auch manchmal die
Langeweile und die Eintönigkeit. Das kenne ich schon! Immer das Gleiche!
Dann möchte ich aufbrechen und in die „Fremde“ gehen. Das verheißt
Spannung und Abenteuer. Du machst neue Erfahrungen. Du fühlst dich
lebendig. Die mögliche Angst vor dem Unbekannten weicht dem Kribbeln von
aufgeregter Erwartung. Wenn niemand die Fremde lieben würde, dann gäbe
es keinen Tourismus. Dann würden wir auf unser Haus beschränken uns im
Garten oder auf dem Balkon ausruhen.
Manche reisen in die Fremde, in den Urlaub, um etwas
hinter sich zu lassen. Den Stress, die Unzufriedenheit, die negativen
Erlebnisse und Erfahrungen, ein wenig Flucht vor dem Alltag und der
Wunsch, dass in der Fremde das Bessere auf mich wartet nach dem Motto:
Daheim fühle ich mich fremd und in der Fremde werde ich neue Heimat
finden. Zum Teil wird sich dieser Wunsch leider als Trugschluss
erweisen.
Wohin du auch gehst, du nimmst dich immer mit. Deine
Ängste sind im Gepäck, deine Eigenschaften, dein Charakter, halt deine
komplette Persönlichkeit. Und es kann dir geschehen, dass du in der
Fremde dieses Gepäck viel deutlicher wahrnimmst als in deiner
kuscheligen Heimat. Wenn ich zum Beispiel zu Hause geizig bin, werde ich
nicht auf einmal großzügig nur, weil ich mich an einem anderen Ort
befinde.
Meine Gedanken führen mich zu der Idee hin, dass das
„Daheim“ und die „Fremde“ zugleich Anteile in uns sind. Ich kann in der
Fremde daheim sein und daheim mich fremd fühlen. Diese Gefühle sind
unabhängig vom äußeren Ort. Die Orte können mich schneller zu diesem
Lebensthema hinführen. Manchmal spürst du eben, wie fremd du dir selber
bist. Wer bin ich eigentlich? Was bleibt von mir, wenn ich nicht mehr
Familienmutter oder Vater bin. Was bleibt von mir, wenn ich in Rente
gehe. Was bleibt von mir, wenn ich mein Haus oder meine Wohnung
wegdenke? Bin ich dann noch in mir „daheim“? Wenn alles mir zwischen den
Fingern zerrinnt, bleibt noch etwas übrig von mir?
Du kannst da sehr schnell ein absolutes Gefühl von
Fremdheit und Verlorenheit bekommen. Du kannst aber auch ein „Dennoch“ –
Gefühl spüren von tiefer Heimat jenseits aller Fragen. Die Frage nach
Fremde und Heimat ist für mich zugleich eine tief spirituelle Frage. Wir
verwechseln da manchmal Kirche mit Gott und denken, dass die Heimat in
der Kirche die Heimat in Gott mit einschließt. Auf einmal machst du die
Erfahrung, dass die Kirche keine Heimat mehr für dich ist, aber Gott
umso mehr. Wir leben in einer Zeit, in der es da keine Eindeutigkeiten
mehr gibt.
Meister Eckhart gibt uns einen wichtigen
spirituellen Hinweis. Gott ist in uns daheim. Wenn wir das registrieren,
in uns aufnehmen, uns damit vertraut machen, dem nachspüren und unsere
Aufmerksamkeit dahin lenken, dann breitet sich auf einmal in uns Frieden
aus. Du bist von jetzt auf gleich daheim, zu Hause in dir. Du musst
nirgendwo mehr hin um Heimat zu finden. Du verreist aus Lust, aber nicht
mehr mit dem Ziel, dass da etwas ganz besonderes geschehen muss. Stell
dir vor, Gott wohnt in dir und du bist auf der Suche nach ihm. Das
Einfachste kommt dir dabei nicht in den Sinn. Du gehst den Weg nach
innen in dein Herz und – kommst an.
Keine Kommentare:
Kommentar veröffentlichen