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Sonntag, 11. Januar 2015

An der Schwelle des neuen Jahres!



Wir haben die „Schwelle“ zum neuen Jahr zwar überschritten, aber ich möchte gerne noch ein wenig mit dir in dieser interessanten „Schwellenregion“ verbleiben.
Bei einer „Schwelle“ handelt es sich um einen Querbalken im Boden, der die Grenze darstellt zwischen zwei Räumen. Schwellen tragen die Schienen bei der Bahn. Es gibt die sogenannten Schwellenländer, die irgendwann die „Reichtumsgrenze“ überschreiten und dann als „entwickelt“ bezeichnet werden. Im übertragenen Sinne trittst du am 1. Januar über die Schwelle des alten Jahres in das neue. Glücklich soll ein Ehepaar werden, wenn der Mann seine Braut über die Schwelle trägt. Im alten Rom sollten die Menschen Unglück verhindern indem sie mit dem rechten Fuß zuerst die Schwelle des Haus übertraten. Und wenn es zu laut wird oder das Kind sich zu vielen Eindrücken aussetzen muss sprechen wir von einer Reizschwelle.
Es lohnt sich, der Schwelle ein wenig Aufmerksamkeit zu schenken zu Beginn des neuen Jahres. Die Schwelle zeigt einen Übergangsraum an. Es ist kein Raum, in dem wir verweilen möchten. Wir nutzen ihn zum Übergang in ein Haus oder einen anderen Bewusstseinszustand.
Stehst du eigentlich an, vor oder auf der Schwelle?
Stehst du „an“ der Schwelle dann befindest du dich noch in einer neutralen Position. Du kannst abseits stehen, dich ein wenig entfernen, beobachten, zuschauen oder abwägen. Du kannst es dir auch anders überlegen und wieder weggehen. Vielleicht ist noch nicht die richtige Zeit oder dir fehlt die Kraft oder die Entscheidungsfreudigkeit oder...
Stehst du „vor“ der Schwelle dann hast du vielleichtschon eine Entscheidung getroffen. Du begibst dich in die Ausgangsposition. Du wirst gleich den ersten Schritt machen und die Schwelle in Angriff nehmen.
Wenn du „auf“ stehst hast du den Übergang schon fast geschafft. Den Entschluss und den ersten Schritt hast du schon hinter dir. Zugleich weißt du: Hier kann ich nicht bleiben. Hier versperre ich den Weg. Ich muss mich entscheiden auch den letzten Schritt zu tun.
Egal ob „an“ „vor“ oder „auf“: Die Schwelle zeigt eine Grenze an. Diese Grenze möchtest du überschreiten. Da verlockt dich etwas, was dahinter liegt. Du bist gerufen worden. Du musst eine Aufgabe erfüllen. Es kann angenehm oder unangenehm sein. Aber die Schwelle lockt dich! Zugleich kann sie wie ein Hindernis wirken. Sie kann unsichtbar zu einer Schranke werden, zu einem Hindernis, zu einer Wand, zu einem scheinbar unüberwindbaren Hindernis und einer undurchdringbaren Wand. Sie kann sich entpuppen zu einer total verschlossenen Tür wo der Schlüssel nicht mehr auffindbar ist.
Kennst du diese oder eine ähnliche Situation? Du sollst zu deinem Chef kommen. Er möchte etwas mit dir besprechen. Unter vier Augen. Dringend! Du brichst auf. Du näherst dich seiner Tür und hältst in gebührendem Abstand für einen Moment inne. Was fühlst du? Was geht in deinem Kopf vor? Kurz bevor du anklopfst macht sich in dir ein Gefühls- und Gedankenchaos breit, dass immer dichter wird. Im Bruchteil einer Sekunde gehen dir noch einmal wie bei einem Eintopf alle Fragen und Sorgen durch den Sinn. „Was hast du falsch gemacht?“ – Alle Missetaten fallen dir ein! „Was will er von dir?“ – Tausend neue Aufgaben, die du nicht bewältigen kannst.
Die Schwelle im Boden, die eigentlich schön eingepasst ist, so dass du auf keinen Fall stolpern kannst, wächst emotional sprunghaft in die Höhe. Und nur weil deine Hand den automatischen „Klopfmechanismus“ kennt und du nicht ausweichen kannst, gehst du in diese Situation hinein.
Ich nenne das einmal „Schwellenerfahrungen“. Wir verlassen das Gewohnte, das Bekannte, das Vertraute und müssen unsere Komfortzone verlassen. Auch an der Schwelle zum neuen Jahr wissen wir nicht, was es uns bringen wird! Werden die Menschen nett zu dir sein? Wirst du deine Arbeit behalten? Wirst du die Anforderungen erfüllen können, die an dich herangetragen werden? Wird die Liebe bleiben? Wird sich deine Gesundheit entfalten oder wirst du Wege finden aus deiner Krankheit?
Du siehst, es gibt viele Möglichkeiten und Themen im Schwellenraum, die dir Angst machen oder dich lähmen könnten.
Der Kölner würde an der Schwelle stehen mit seiner Humorphilosophie vom „es ist noch immer gut gegangen“. Dann würde er sich „ein Herz nehmen oder fassen“ und mutig ausschreiten. „Sich ein Herz nehmen“ finde ich einen ganz schönen Ausdruck. Wenn dein eigenes Herz im Augenblick zu ängstlich oder sorgenvoll erscheint, dann kannst du dir ja für den Augenblick ein fremdes Herz ausleihen, oder?
Stell dir noch einmal die Situation vor, dass du zum Chef gerufen wirst. Im Raum der Schwelle zieht sich dein Herz zusammen und möchte am liebsten den Dienst verweigern. „Wenn du dir ein Herz nimmst“: Welches wäre jetzt geeignet?
Wenn du das Herz von Tarzan nimmst, dann könntest du sagen: „Ich bin stärker als mein Chef! Der kann mich mal!“
Wenn du das Herz von Gandhi nimmst, dann könntest du sagen: „Ich bin ganz im Frieden mit dir und mir und werde es auch bleiben.“
Wenn du das Herz von Helmut Schmidt nimmst, dann würdest du vielleicht sagen: „Wenn du die Sache klug und nüchtern anfängst, dann kannst du sehr alt damit werden.“
Wenn du das Herz von Jesus nimmst, dann könntest du sagen: „Wir sind alle Menschen mit Fehlern und Schwächen. Geh in die Liebe, dann wird es schon gut.“
Was ist, wenn du dein eigenes Herz in die Hand nimmst? Eine spannende Vorstellung! Wenn du dein eigenes Herz in die Hand nimmst, dann gehst du davon aus, dass da jemand ist, der das Herz in die Hand nimmt. Dann bestimmt nicht das Herz sondern jemand, der mächtiger ist als das Herz. In dir gibt es also eine Instanz, die das eigene Herz in die Hand oder vielleicht günstiger „an die Hand“ nehmen könnte. Mit dieser „Instanz“ bräuchtest du weder das Herz von Gandhi noch von Tarzan.
Es kann also geschehen, dass du an oder vor einer Schwelle stehst und dein Herz sich ängstigt und deine Gedanken sorgenvoll sind. Dann geh in Verbindung mit dieser „Instanz“, die dich mit allem, was in dir ist, hinüberbegleiten kann. Von spreche ich? Du hast etwas von Gott geschenkt bekommen, was manche mit Seele bezeichnen, andere mit dem „Hohen Selbst“, wieder andere mit dem Göttlichen in dir.
Jede „Schwellensituation“ mag zwar eine emotionale und gedankliche Herausforderung sein, kann aber auch zu einer Möglichkeit werden, intensiv mit dem „Göttlichen“ in Kontakt zu kommen.
An der Schwelle spürst du sehr deine Grenzen und zugleich eröffnen sich dir neue Möglichkeiten. Mögest du gut verbunden sein mit allem was zu dir gehört. Und mögest du jederzeit mit der Quelle in Kontakt sein, die dich mühelos über jede Schwelle im neuen Jahr trägt.

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