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Mittwoch, 22. Oktober 2014

Nichts ist so beständig wie der Wandel. (Heraklit)




Für drei Jahre lebte ich bei einem Pfarrer, der einen Spruch liebte und ständig zitierte. „Nichts erfordert so viel Treue wie beständiger Wandel.“ Ich wusste zu dem Zeitpunkt nicht, dass die Quelle bei Heraklit liegt.
Wir neigen dazu, die Dinge festzuhalten. Wir halten unser Haus fest, unsere Freundschaften, Gewohnheiten, unsere Versicherungen, das Geld und letztlich das Leben. Dahinter steht vielleicht das Bedürfnis nach Sicherheit. Materielle und personale Sicherheit geben uns ein stabiles und gutes Gefühl. Die größte Gefahr für die beständige Sicherheit ist der Wandel.
Ich erinnere mich noch eine Kindersendung von früher mit einem Liedvers: „Nichts soll bleiben wie es ist. Alles muss sich ändern.“ Kinder lieben das Abenteuer und das Neue. Das Leben möge spannend sein.  Zu Beginn des Lebens bist du neugierig und freust dich auf spannende Erfahrungen. Mit zunehmendem Alter jedoch schleicht sich das Bedürfnis ein nach einem Zustand jenseits der Anstrengung. So wirst du älter und hast so manches Ehepaar vor Augen, das nur noch in Ritualen lebt nach dem Motto: „Alles soll bleiben wie es ist, nichts darf sich ändern.“ Wir richten uns ein und finden das  so gemütlich und zuverlässig. Schließlich folgt die Zwei  immer der Eins, der Abend folgt immer dem Mittag und der Schlaf folgt dem Wachsein.
Wenn wir unser Leben aber aus einem anderen Blickwinkel der Vergänglichkeit und Begrenzung betrachten, zerrinnt uns alles zwischen den Fingern. Die Körperzellen, aus denen wir jetzt bestehen, werden sich morgen umgewandelt haben in eine andere Daseinsform. Den gestrigen Tag kann ich nicht wieder beleben. Die Kinder werden erwachsen und ich lebe unaufhaltsam dem körperlichen Tod entgegen. Das ach so stabile und sichere Haus verfällt trotz aller Sanierungen und bei genauerem Betrachten stelle ich fest: Die absolute Beständigkeit ist eine Illusion.
Was tun? Wenn du die Prozesse nicht aufhalten kannst, dann kannst du vielleicht mit Allem mitschwingen. Gib dich einfach einverstanden mit den Veränderungen. Seltsamerweise kannst du darin beständig sein. Du kannst jeden Augenblick deines Lebens dich damit einverstanden erklären, alles loszulassen und Neues zu empfangen. In dem Wort Treue steckt ja „Vertrauen“. „Nichts erfordert so viel Treue wie beständiger Wandel.“ Das heißt: Mit großem Vertrauen meisterst du den stetigen Wandel. So wird dein Bedürfnis nach Beständigkeit erfüllt in der Bejahung eines fortwährenden Veränderungsprozesses.
Für mich hat diese Idee des Wandels auch etwas mit der Schöpfung zu tun. Wir sind Mitschöpfer und Gestalter dieser Welt. Wir entwickeln uns ständig weiter, hoffentlich. Wir dürfen wie eine Pflanze wachsen und reifen und unser ganzes Potential ausschöpfen. Der Wunsch nach Pausen ist bestimmt hilfreich und ebenfalls notwendig. Die Wandlungen finden einfach statt, aber in den Pausen triffst du die Entscheidung, wohin du dich mitentwickeln möchtest. Treue zum Wandel ist das Einverständnis in die eigene Weiterentwicklung.

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