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Donnerstag, 6. Juni 2024

Wenn du strauchelst, weil dir die Arbeit zu schwer wird, möge die Erde tanzen, um dir das Gleichgewicht wiederzugeben. (irischer Segensspruch)


Ich erinnere mich an meine ersten Erfahrungen mit der Telefonseelsorge. Ich saß am Telefon und war ganz aufgeregt. Hoffentlich war ich eine gute Hilfe für einen Menschen in Not. Dann kam die Katastrophe: Es rief ein Mann aus Bayern an und ich verstand kein Wort. Ich verlor den Kopf und wusste nicht, was ich sagen sollte. Ich versuchte, mir beim Hören einen Sinnzusammenhang zu erschließen. Dann traute ich mich, ihm zu sagen, dass ich ihn nicht verstehe. Daraufhin erklärte er mir sein Problem noch einmal, wieder in tiefstem bayrisch. In meiner Not kam ich auf die Idee, ihn zu bitten, für einen Norddeutschen etwas hochdeutscher zu reden. Da verstand er mein Problem und bemühte sich auf bayrisch-hochdeutsch. Ich verstand wieder nichts.
Während des Anrufs gingen mir tausend Gedanken durch den Kopf. Du bist nicht geeignet für die Telefonseelsorge! Was ist, wenn er sich beschwert. Du kannst mit niemandem darüber reden. Du hast Vorurteile gegen Bayern. Was ist, wenn jetzt alle Anrufer aus Dialektgegenden anrufen. Was mach ich nur! Gebe ich diese Aufgabe auf?
Ich hatte wirklich den Eindruck zu straucheln. Diese Erfahrung wird sicher der Eine oder die Andere mit mir teilen. Auch im Beruf kommt es vor, dass du dich überfordert fühlst. Irgendwann kommt es zum Blackout. Schüler kennen das von einem Test und Trainer vor einem hochwichtigen Vortrag.
Es kommt dabei zu bestimmten Körperphänomenen. Du erstarrst, du wirst steif und du hörst auf zu atmen.
Wenn du strauchelst, weil dir die Arbeit zu schwer wird, möge die Erde tanzen. Mir gefällt das Bild. Wenn ich mich versteife könnte die Erde sich bewegen, damit ich wieder in meinen Rhythmus zurückfinde.
Wenn ich mich schon nicht mehr bewegen kann, dann bewegt sich die Welt um mich herum dennoch weiter. Die Erde hat ihren eigenen Tanz, das Leben pulsiert.
Wenn ich demnächst bei einer Überforderung kopflos werde gehe ich in die Achtsamkeit. Ich spüre den Boden, der mich trägt. Ich atme tief durch und lasse mich von den Geräuschen und Stimmen der Umgebung wieder einladen, am Spiel des Lebens teilzunehmen. Die Erde ist groß genug, für ein ständiges und zuverlässiges Gleichgewicht zu sorgen. 

Mittwoch, 5. Juni 2024

Wenn die Zeit kommt, in der man könnte, ist die vorüber, in der man kann. (Marie von Ebner - Eschenbach)





Wenn die Zeit kommt, könnte ich mal eine Reise machen.
Wenn die Zeit kommt, könnte ich mal wieder ein Buch lesen.
Wenn die Zeit kommt, könnte ich mal dieses interessante Restaurant besuchen.
Wenn die Zeit kommt, könnte ich mir mal diesen Film anschauen.

Während ich darüber nachdenke verrinnt die Zeit und ich denke nur nach. Je mehr ich nachdenke was ich tun könnte, desto mehr verrinnt die Zeit.

Jetzt kann ich eine kleine Reise im Zug machen, dabei ein Buch lesen, mich im Restaurant vor dem Kinobesuch stärken. Das Leben findet jetzt statt – immer! Und nur dann!


Dienstag, 4. Juni 2024

Die Leute, die niemals Zeit haben, tun am wenigsten. Georg Christoph Lichtenberg (1742 - 1799)


Kennst du auch Menschen, die keine Zeit haben. Die so beschäftigt sind? "Schön, dass du mich fragst und ich würde dir auch gerne helfen. Aber ich bin so beschäftigt! Ich habe so viel zu tun! Das kann ich leider nicht auch noch zusätzlich machen. Frage mich mal in vier Wochen wieder!"
Ich bin dann immer verblüfft, wie wenig Zeit manche Menschen haben. Georg Christoph Lichtenberg hat einen Verdacht: Die keine Zeit haben, tun am wenigsten. Wie kommt der da drauf? Meint er damit die Menschen, die immer nur reden? Die viel Zeit damit verbringen, sich zu erklären? Sich zu rechtfertigen? Sich zu entschuldigen? Etwas schön zu reden? Ich kenne Menschen, die nicht viel reden, aber schnell ganz viel erledigen. Du zählst bis drei und schon ist alles aufgeräumt. Kein Lamentieren und keine Zeit vertrödeln mit überflüssigem Reden.
Ich kenne auch Menschen, die habe ich im gleichen Verdacht wie Herr Lichtenberg aus dem 18. Jahrhundert. Die wollen viele Dinge einfach nicht machen. Geben es aber nicht zu. Sie brauchen aber viel Zeit, sich herauszureden. Reden als Ersatz für machen. Ich kenne solche Menschen, da frage ich mich, was die eigentlich den ganzen Tag so machen, wo sie doch keine Zeit haben. Manche davon kommen einfach zu nichts. Ich habe als junger Mensch einmal Nachhilfreunterricht gegeben. Dabei war ein Junge, der brauchte eine halbe Stunde, bis er bereit zum Arbeiten war. Noch ein Glas Wasser holen, sonst konnte er sich nicht konzentrieren. Noch mal auf die Toilette. Die Papiere sortieren und zurechtrücken. Dann stimmte das Lichtkonzept nicht und es war zu warm oder zu kalt. Der Stuhl war noch nicht bequem genug oder er war gerade mit einer ganz anderen Sache beschäftigt und musste das ganz schnell noch erledigen. Eine halbe Stunde - für nichts! "Die Leute, die niemals Zeit haben, tun am wenigsten."
Kennst du das auch, dass du dich am Abend hinsetzt und über den vergangenen Tag nachdenkst und feststellst, dass du keine Zeit hattest und zugleich nichts gemacht hast? Du bist in irgendeinem Loch versackt und hast keine Bewusstheit davon, wie du da hingelangt bist.
Wenn du etwas tun möchtest brauchst du dafür Zeit. Du musst dich entscheiden, wofür du deine Zeit verwendest. Bist du Sklave/Sklavin oder Herr/Herrin deiner Zeit? Finde in dir die schöpferische Kraft! Du gestaltest dein Leben und niemand sonst!
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Montag, 3. Juni 2024

Es gibt Menschen, die reden soviel, dass sie sich auch selbst noch ins Wort fallen. (Georg Christoph Lichtenberg (1742 - 1799)


Wie wunderbar er das er erkannt hat, der Herr Lichtenberg. Als hätte er es mir über die Jahrhunderte hinweg direkt ins Ohr geflüstert.
Manchmal muss ich beruflich etwas einem anderen Menschen erklären. Ich habe eine Idee und teile diese Idee. Doch während ich spreche kommt mir noch ein anderer Gedanke, den ich viel hilfreicher finde. Dann weiß ich nicht, ob ich meinen "alten" Gedanken fertig sprechen soll oder doch lieber schon mit dem neuen anfangen könnte. Das ist der Augenblick, wo ich mir dann selber ins Wort falle. Hilfreich ist das dann nicht, weil mein Gegenüber mich fragend anschaut nach dem Motto: "Wovon spricht der überhaupt?"
Kennst du das auch, dass du jemandem zuhörst und dir denkst: "Warum verstehe ich den jetzt nicht?" Dein Gegenüber fängt mit einem Satz an und fügt etwas ein und fügt noch etwas ein und du hältst den ersten Satz noch eine Weile fest, bis du nicht mehr kannst. Die Einfügungen hast du aber nur zur Hälfte mitbekommen, weil du ja noch am ersten Satz festklebst. Zwischen diesem ersten Gedanken und den Einfügungen fällst du dann irgendwie in ein Loch und bekommst gar nichts mehr mit. Da ist einfach jemand da, und der spricht. Und du weißt nicht, was er von dir will.
Manchmal kannst du so einen Menschen zum ersten Gedanken zurückführen: "Was war noch mal dein Anliegen? Worüber wolltest du eigentlich genau mit mir sprechen? Kann ich jetzt etwas für dich tun?" Du kannst aber auch die Zeit für dich nutzen und dir vorstellen, dass du in diesen Wörtern badest. Der Inhalt wird nicht so wichtig sein, aber du kannst die Nähe dieses Menschen genießen und würdigen, dass er mit dir sprechen möchte. Du kannst aufmerksam hinschauen und nicken. Auch so kann man sich verstanden fühlen!
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Samstag, 1. Juni 2024

Man sollte keine Dummheit zweimal begehen, die Auswahl ist schliesslich groß genug. (Jean Paul Sartre)

Eigentlich möchte ich doch Dummheiten vermeiden. Wer möchte schon dumm aussehen? Ich bin doch klug. Ich kenne mich doch aus! Ich habe schließlich Erfahrung. Dann mache ich da manchmal diesen dummen Fehler. Ich fahre zu schnell und werde geblitzt. Ich kann doch wirklich besser aufpassen. Ich habe zu viel Waschpulver in die Maschine getan. Wie dumm! Ich wusste es doch. Aber einmal kann ich mir noch verzeihen. Jeder macht mal einen Fehler, nicht wahr? Aber wenn ich die gleiche Dummheit noch einmal begehe? Wir dann die Peinlichkeit nicht noch größer? Vor allem, weil es ja eine Dummheit ist. Etwas, was ich eigentlich wissen müsste. Beim ersten mal habe ich mich schon geschämt. Aber jetzt? Könnte ich im Boden versinken! Wie peinlich. Nichts dazu gelernt.
Und jetzt?
Sartre empfiehlt, es doch mal mit anderen Dummheiten auszuprobieren. Die Auswahlmöglichkeiten sind ja groß genug. Wozu ist diese Empfehlung hilfreich? Ich könnte ein entspannteres Verhältnis bekommen zu meinen Dummheiten. Dummheiten gehören zum Leben dazu. Wer was macht, macht auch was Dummes. Na und? Wer nichts macht ist auch schon so gut wie tot. Wie vermehren sich Dummheiten? Durch Anstrengung! Wenn ich mich anstrenge und besonders aufpasse, wächst die Gefahr, dass ich die gleiche Dummheit wiederhole. Sartre empfiehlt uns also, dass wir uns einfach mal entspannen. Lass los! Nimm dich nicht so wichtig!
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