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Samstag, 29. Januar 2022

Niemand kann euch etwas eröffnen, das nicht schon im Dämmern eures Wissens schlummert. (Khalil Gibran)


Auf welche Sätze reagierst du? Wann wirst du allergisch? Wann ärgerst du dich dich? In welchen Situationen freust du dich? Es kann nur etwas auf fruchtbarem Boden fallen, wenn es eine Resonanz gibt. Sonst wärest du gleichgültig.
Oft lese ich in einem Buch und denke: Woher kennt der Autor meine eigenen Gedanken? Das, was er schreibt, habe ich selber immer schon gedacht! Endlich lese ich es schwarz auf weiß. In meinem Theologiestudium habe ich viele Bücher gelesen. Viele fand ich totlangweilig. Es weckte in mir keine Resonanz. Ich fand, daß theologische Bücher spannend sein müssten. Schließlich geht es um Gott. Alles, was mit Gott zu tun hat, stellte ich mir völlig außergewöhnlich vor. Jeden Roman fand ich aber interessanter. Da konnte ich mich drin verlieren. Aber sich verlieren in ein theologisches Buch?
Dann las ich die "Strukturen des Bösen" von Eugen Drewermann. Sicher kein spannendes Buch für einen "Nichttheologen". Aber mir fielen damals fast die Augen aus dem Kopf. So kann man auch Theologie machen? Da spricht jemand von Angst und Liebe. Da wurde die Theologie auf einmal existentiell. Es ging um Leben und Tod. Eugen Drewermann hatte etwas angesprochen, was ich immer schon dachte. Ich wurde auf einmal lebendig. Andere Mitstudenten konnten mit Drewermann nichts anfangen. Überzogen! Fremd! Unwissenschaftlich! Sie ahnten wahrscheinlich irgendeine Häresie zwischen den Zeilen.
Es schlummert etwas in mir. Gedankenfetzen, Ideen, Bilder, Archetypen. Ich bin kein unbeschriebenes Blatt. In Geheimtinte steht da schon etwas geschrieben. Wenn ich mir dessen nicht bewusst bin, werde ich immer im Außen schauen. Dabei wäre es gut, wenn ich für mich die Verantwortung übernehmen würde. Es ist mein Boden, auf dem etwas fällt.
Manche denken ja: "Du hast mich verführt. Du bist Schuld!" Dabei kann ich nur verführt werden, wenn ich verführbar bin. Ich stelle mir vor, dass ich die Geheimtinte auf meinen Lebenspapieren mehr und mehr sichtbar mache. Dann reagiere ich nicht mehr automatisch! Ich kann mich neu entscheiden. Meine Aufgabe besteht darin, das Dämmern zu beenden. Und dazu habe ich ein ganzes Leben lang Zeit.
www.matthias-koenning.de

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