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Montag, 17. Juli 2017

Lange drücken

Auf einer Toilette in einem Museum fand ich diesen Hinweis: "Die Druckspülung bitte lange gedrückt halten!" "lange gedrückt" in roter Signalfarbe mit Ausrufezeichen. Da wollte ich doch mal die Druckspülung testen. Ich habe draufgedrückt und es kam Wasser. Kurz reichte aus. So fand ich. Länger drücken ginge auch. Aber lange drücken? Wie lange? Eine Stunde? Fünf Minuten?
Drei Erkenntnisse nehme ich mit. Lang oder kurz drückt eher eine Gefühlsqualität aus. Da hat jeder Mensch ein anderes Maß. Wenn ich es eilig habe, dann sind fünf Minuten für mich sehr lang. Wenn ich ein spannendes Buch lese sind zwei Stunden für mich sehr kurz.
Die zweite Erkenntnis: Manchmal gibt es keine schnellen Ergebnisse. Ich muss etwas lange genug machen. Lange genug den Topf putzen bis er sauber ist. Lange genug schreiben bis der Gedanke fertig gedacht ist. Lange genug Geduld haben mit einem Handwerker, den ich beauftragt habe. Lange genug warten, bis der Kaffee durchgelaufen ist. Lange genug den Kuchen im Ofen lassen bis er gar ist. Zugleich kann es auch zu lange sein. Dann bin ich über einen gewissen Punkt hinausgegangen. Habe den richtigen Zeitpunkt verpasst. Ich stelle mir einen Zeitstrahl vor. Auf diesem Zeitstrahl gibt es eine erste Markierung mit dem Hinweis: "lange genug" und einen zweiten Hinweis "zu lange". Dazwischen gibt es die Momente, die richtig sind.
Wohin tendierst du, wenn du dein Leben betrachtest? Bist du geduldig und lässt dir lange genug Zeit? Oder gehörst du zu denen, die den Kuchen kurz vor fertig herausnehmen. Kurz vor fertig die Arbeit beenden? Oder verpasst du den Augenblick und bist kurz nach "zu lange". Das Sonderangebot ist nicht mehr da! Der Kuchen etwas angekokelt. Der Bus vor deiner Nase weggefahren? Wo befindet sich dein "Lieblingszeitpunkt"?
Die dritte Erkenntnis: Manchmal muss ich drücken! Es tut sich nicht von allein. Ich kann vor der Kloschüssel warten und es kommt kein Wasser - es sei denn, es gibt eine Lichtschranke. Ich muss den Knopf drücken. An der Waschmaschine, am PC, am Kaffeeautomaten. Ich muss selber etwas machen. Ohne mein Signal geht es nicht los. Den Knopf an der Waschmaschine drücke ich in der Regel sofort. Ich kenne die Programme und es läuft. Aber am Fahrkartenautomaten fällt es mir schwer den richtigen Knopf zu drücken. Den Knopf, wenn es darum geht, das Geld zu bezahlen. Habe ich den richtigen Tarif? Den günstigsten? Wenn ich fahren will muss ich drücken. Es ist hilfreich, dabei nicht zu viel nachzudenken. Sich entscheiden bevor die Bedenken kommen. Wenn die Bedenken kommen und mächtig werden drücke ich die Knöpfe nicht mehr. Ich drücke nicht und es bleibt ein unbefriedigendes Gefühl übrig. Wer drückt bringt was in Bewegung!
www.matthias-koenning.de

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