Wie
hältst du es mit der Reinheit? Bist du da entspannt, gibt es Zwänge? Thema
angenehm oder unangenehm? Viele Kulturen kennen die Vorstellung, dass wir uns innerlich
und/oder äußerlich beschmutzen. Um wieder versöhnt dem „reinen“ Gott gegenüberzutreten
bedarf es in dieser Vorstellung eine Erneuerung und Reinigung.
Dazu
kommen mir mehrere Assoziationen. Vor einigen Monaten war ich in dem Kinofilm „Der Medicus“ und sah im ärmlichen Heimatdorf des späteren
Arztes lauter schmutzige Gesichter. Alles starrte nur so vor Dreck! Das
erinnerte mich an andere Filme aus dem Mittelalter, in denen die Menschen eher
wie Tiere hausten als wie ordentlich gewaschen, gut angezogene und zivilisierte
Menschen.
Machen
wir einen Sprung in die Gegenwart. Da gab oder gibt es die berühmte Werbung von
„Ariel“ (hebräisch wie passend: der Feuerherd Gottes) mit Clementine, die da
lautete: „Ariel wäscht nicht nur sauber sondern rein“. Ich konnte nie
verstehen, was bei der Wäsche den Unterschied ausmacht zwischen „sauber“ und
„rein“. Ich erwarte von einem Waschmittel, dass es die Wäsche schlicht sauber
macht. Dennoch suggeriert der Satz, dass es Steigerungen der Sauberkeit gibt:
Schmutzig, Sauber, Rein… Was für Vorstellungen und Ideen verbergen sich da im
Hintergrund? Mit welchen Bildern wird hier gespielt?
Eine
erste Idee dazu kommt mir von unserem ganz natürlichen Empfinden her. Du siehst
Schmutz oder vergammeltes Essen und ekelst dich. Der Ekel, den du empfindest,
warnt dich davor, mit der verdorbenen Nahrung in Berührung zu kommen. Du hast
ein ganz natürliches Frühwarnsystem. Wenn du Schimmel isst, kannst
du sterben. Halte dich davon fern. Der Ekel bewirkt, dass wir uns fernhalten
von etwas, das uns nicht gut tut. Schmutzige Menschen wecken in uns den
Gedanken nach Ungeziefer. Wir beginnen uns schon zu kratzen und rümpfen die
Nase. In unseren Breiten kommt das ja nur noch selten vor, vielleicht wenn wir
Menschen begegnen, die auf der Straße leben.
Wir
vermeiden Situationen, in denen Ekel entstehen könnte. Ariel wird auch noch die
letzten verborgenen Schimmel- und Schmutzreste beseitigen. Dreck, den man nicht
sieht. Da kommen dir dann Bakterien, Mikroben und sonstige kleine Giftviecher
in den Sinn, die dir nach dem Leben trachten.
Du
befindest dich im ständigen Kampf gegen den Schmutz in der Welt. Du reinigst im
weiteren Umfeld die Wohnung, den Garten und die Straße und im näheren Umfeld
deine Haut, deine Haare und deine Kleidung. Nie hört diese Arbeit auf.
Wenn
der Februar als Reinigungsmonat ursprünglich der letzte Monat im römischen Jahreskalender
war, macht das auch Sinn, aufzuräumen und sich zu säubern nach dem Motto: Geh
frisch und rein in das neue Jahr.
Interessanterweise
kennt auch die Kirche Zeiten der Reinigung. 40 Tage nach dem Weihnachtsfest am
2. Februar begeht sie das Fest mit den verschiedenen Namen: „Darstellung des
Herrn“, „Lichtmess“ oder „Fest der Reinigung Mariens“. Maria erhält nach dem
jüdischen Gesetz 40 Tage nach der Geburt ihres Sohnes wieder den Status der
kultischen Reinheit. Dahinter verbergen sich sehr archaische Vorstellungen vom
Leben. Wenn Tiere getötet werden, dann verlieren sie ihr Blut. Wenn eine Frau
in der Menstruation blutet, verliert sie ihre Lebenskraft und muss geschont werden.
Wieder geht es um die tiefergehende Auseinandersetzung mit Leben und Tod. Halte
dich vom Tod und von den Toten fern, wenn du selber leben möchtest. Darum
schicke „Todeskandidaten“ wie Bakterien in die Quarantäne und reinige dich selbst
ordentlich. Das macht ja durchaus auch Sinn. Mir geht es
nicht um das sinnvolle Reinigen, sondern um die Angst vor den
„lebensfeindlichen und bedrohlichen“ Elementen.
In
der Regel beginnt im Februar die Fastenzeit, die Zeit der inneren Reinigung und
Umkehr. Womit wir zu einem weiteren Aspekt kommen. Neben der äußeren Reinheit,
die wir durch das Waschen erreichen können, gibt es auch die Vorstellung der
inneren Reinheit. Wenn ich innerlich rein bin, kann ich vor Gottes Angesicht
treten. So manche Bußlieder sprechen da vom “Abwaschen der Sünde, um rein zu werden“.
Der
Waschzwang von manchen Menschen treibt auf die Spitze, was viele empfinden und
denken. Ich möchte rein sein, innen und außen. Sünde, Schmutz und Ekel halte
ich möglichst fern von mir. Das macht mir Angst, das will ich nicht haben,
davon wende ich mich ab. Mein Motto lautet in solchen Situationen: Ach, jetzt
wird es erst interessant! Suchen wir doch einmal nach dem positiven „Wert“ des
Schmutzes.
Eine
frühere Kollegin im Altenheim desinfizierte sich ständig ihre Hände, damit sie
sich keine Keime einfing. Von allen Angestellten war sie am häufigsten krank.
Kinder,
die nicht im Dreck wühlen, haben keine Möglichkeit, ihr Immunsystem sinnvoll zu
stärken. Ein ordentliches Schlammbad kann durchaus gesundheitsfördernd
sein.
Jesus
ist es egal, ob seine Jünger mit unreinen Händen essen. Für ihn kommt die
Unreinheit von innen und nicht von außen. Er hat auch keine Berührungsängste
gegenüber den sogenannten unreinen Aussätzigen.
Schmutzige
Wäsche waschen im übertragenen Sinn ist deshalb so erfolgreich, weil wir
unseren eigenen Schatten lieber verstecken, als ihn zu zeigen. Je mehr wir ihn
jedoch verbergen, desto gewichtiger fühlt er sich an, wenn wir ihn entdecken.
Beim genauen Hinsehen wird ausnahmslos jeder Politiker seine schmutzige Wäsche haben. Wenn jeder offen
damit umgeht, ist es nicht mehr bedeutsam für die Öffentlichkeit.
Die
systemischen Familientherapeuten sagen: „Wo Scheiße ist, ist auch ein Kamel.“
Das heißt: Die verachteten Dinge der einen Seite der Medaille weisen zugleich
hin auf die wertvolle. Wenn „Geiz“ z.B. dein abgelehnter „Scheißehaufen“ ist
bedeutet es immerhin, dass du Geld sehr hoch achtest und dir Mühe gibst,
verantwortlich damit umzugehen.
Ekel
ist zunächst einmal ein wertvolles und beschützendes Gefühl, das dich
unterstützt gegen alle Krankheitskeime. Du musst ihm aber nicht immer nachgeben
und davor weglaufen. Manchmal ist es gut, sich diesem Gefühl zu stellen.
Wenn
du nur deine sonnigen Seiten liebst, liebst du dich nur halb. Wir sollen nach
dem wichtigsten christlichen Gebot Gott lieben und den Nächsten wie uns selbst.
Da steht nicht, dass wir nur einzelne Teile von uns lieben sollen. In dir wohnen
Prinz und ein Frosch gemeinsam! Vielleicht ist es darum hilfreich, hin und
wieder mit Absicht einen kleinen Flecken auf die „saubere“ Tischdecke
hinzuschmieren. Ein Freund von mir machte das regelmäßig mit dem Kommentar:
„Dann muss ich nicht mehr so aufpassen!“
Das
wiederum finde ich einen wichtigen Hinweis. Das ständige „Rein-Sein“ ist auf
die Dauer sehr anstrengend. Lehne dich zurück und entspann dich. Sei wortwörtlich
mitten im Fluss und akzeptiere den Schlamm am Grund und die Klarheit im
fließenden Wasser.
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