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Mittwoch, 13. Mai 2015
Die Kunst, auf das letzte Wort zu verzichten
Du bist in einer Diskussion mit einem Arbeitskollegen. Du hast ein Streitgespräch mit einem Familienmitglied. Dein Gegenüber fängt mit einem Satz an und du erwiderst etwas. Immer denkst du: "Das kann ich nicht so stehen lassen. Da muss ich jetzt aber noch etwas zu sagen!"
Du willst etwas korrigieren, richtig stellen. Du möchtest deine Meinung dazu äußern. Du fühlst dich gekränkt, missverstanden, nicht beachtet. In dir entsteht ein tiefes Bedürfnis und fast so etwas wie ein Zwang der Erwiderung.
Ich kenne Paare, die bei Diskussionen und Streitgesprächen nicht aufhören können. Sie merken nicht, wie erschöpft sie inzwischen sind. Wenn du erregt bist, kannst du vielleicht gar nicht mehr wahrnehmen, dass du gar keine Kräfte mehr hast. Es gibt halt immer noch etwas zu sagen. Irgendwann bist du doch müde. Oder du hast einen anderen Termin. Oder du bekommst die Kurve und hörst einach auf.
Eigentlich geht es dir ja gar nicht darum, das letzte Wort zu haben. Du möchtest verstanden werden. Du möchtest auch Recht bekommen. Aber dein letztes Wort führt wieder zu einem letzten Wort beim Anderen. Es gibt eine Fülle von letzten Worten. Erst das wirklich "letzte Wort" beendet ja die Diskussion. Wenn du dich streitest und im Streit gehst, gibt es ein letztes Wort. Es ist das Wort, das zuletzt gesprochen wurde. Derjenige, der das letzte Wort gesprochen hat, macht die Geschichte quasi rund. Der hat dann das bessere Gefühl nach dem Motto: "Ich habe das letzte Wort gesprochen und ich habe damit gewonnen!"
Wenn du auf das letzte Wort verzichtest bist du aus dem Zwang heraus, weiterdiskutieren zu müssen. Du musst nicht noch eins nachlegen, nachkarren oder hinzufügen. Du gewinnst die Freiheit, dann aufzuhören, wenn du aus dem Spiel aussteigen möchtest. Da es ja keinen Schlusspfiff gibt in einem Streit kannst du nur selber pfeifen. Du entscheidest, wann für dich Schluss ist.
Wenn du dir das vorher klar machst dann folgst du nicht mehr dem Gesetz von Rede und Widerrede oder dem Gesetz von Kränkung und Gegenkränkung. Du legst schon vorher eine Pause ein und machst einen STOP! Du bleibst der Regisseur des Stückes. Der Regisseur bestimmt, wann das Stück endet.
Es gibt allerdings etwas, was du bestimmt gut machen könntest. Du sprichst das vorletzte Wort! Das heißt dann so oder so ähnlich: "Ich werde jetzt dieses Gespräch beenden und bin gerne bereit zu einem späteren Zeitpunkt noch einmal mit dir zu sprechen. Jetzt werde ich gehen."
Dann wartest du noch auf das letzte Wort, das nicht von dir kommt, und... du gehst. Die Kunst besteht darin, das vorletzte Wort so zu gestalten, dass du gut gehen kannst und dass es zugleich das erste Wort für ein nächstes, hoffentlich friedlicheres Gespräch wird.
www.matthias-koenning.de
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