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Donnerstag, 30. November 2023

Der Weg durch den Advent: Begegnung mit dem Kind

Morgen öffnen wir die erste Tür im Adventskalender. Im Advent pflegen viele Menschen wieder die traditionellen Bräuche mit Kerzen, Weihnachtsmarkt, Kirchenbesuch und stimmungsvollen Kaminabenden. Da gibt es aber auch noch die Krippe, die am Ende aufgestellt wird verbunden mit der Erinnerung an die Geburt von Jesus. Wie jeder Mensch fing auch Jesus an als Säugling, als Baby, als Kind.
Der Advent dient der Vorbereitung auf Weihnachten. Wir machen uns auf den Weg und möchten in Bethlehem ankommen. Was werden wir dort finden und erleben? Die Geschichte in der Bibel erzählt uns etwas von einem besonderen Kind, einem göttlichen Kind. Es geht also um ein Kind. Dabei ist das Kind in der Krippe von Bethlehem ja längst erwachsen geworden und vor fast 2000 Jahren gestorben.
Dennoch "kleben" wir am Kind und wiederholen diese Rituale jedes Jahr neu. Ich möchte dich einladen zu einer Begegnung, einer Begegnung mit dem dem Kind. Das mag das Kind im Stall von Bethlehem sein, ein Kind in deiner Familie oder auch das "eigene innere Kind". Das letztere Kind interessiert mich besonders.
Wir haben in unserer Kindheit heilsame und nährende Erfahrungen gemacht und auch Erlebnisse, die sich bis heute negativ auswirken. Wir laufen vielleicht bis heute herum mit unseren Kränkungen, Einschränkungen, Wunden und Narben. Da gibt es vielleicht manches, was geheilt werden möchte.
Wenn wir im Advent diesen "gekränkten" und auch den "heilen" Seiten in uns begegnen dann wünsche ich mir, dass das für uns heilsam und wohltuend sein möge.
So manche "weise Menschen" aus früheren und heutigen Tagen haben diesen Zugang zur "Weisheit" der Kinder aufgezeigt und ich möchte meine und deine Aufmerksamkeit lenken auf diese wertvollen Einsichten. So kommen wir morgen am 1. Tag des Adventskalenders zur ersten "Begegnung mit dem Kind".
Wenn du diese Zeilen liest, welche ersten Bilder und Gedanken steigen da in dir auf? Erste Erinnerungen an deine Kindheit? Deine eigenen Kinder? Vielleicht schreibst du sie auf und beobachtest, was sich daraus in den kommenden Wochen entwickelt.

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Mittwoch, 29. November 2023

Ich finde, die beste Methode, Kindern Ratschläge zu geben, ist die, herauszufinden, was sie wollen, und ihnen dann zu raten, genau das zu tun. (Harry S. Truman)


Der beste Ratschlag für Kinder und erwachsene Menschen besteht darin herauszufinden, was jemand wirklich will. Doch wie finde ich heraus was ich wirklich will?
Ich las einmal einen Zeitungsartikel über ein Ehepaar, wobei der Ehemann viele Jahre als Mönch in einem Kloster lebte. Während all der vielen Jahre "verlernte" er mehr und mehr seine Wünsche und Bedürfnisse. Er hatte ja einen festen Tagesablauf mit dem Wechsel von Gebet und Arbeit. Eigene Wünsche wären da eher hinderlich gewesen. Jetzt lebte er aber in einer Beziehung wo es darauf ankommt, für seine eigenen Bedürfnisse einzustehen. Was tun, wenn er diese gar nicht mehr spüren kann?
Vielleicht steckt in uns allen aber ein Stück von diesem Mönch. Als Kinder hatten wir bestimmt ganz viele Wünsche, Bedürfnisse und ein Wollen. Was haben wir von unseren Eltern gehört? "Kinder, die was wollen..." Wir waren abhängig von unseren Eltern. "Sei lieb, dann bekommst du das und das!" Es war für uns als Kind eher wichtig herauszufinden, was unsere Eltern wollten. Unsere Eltern wollten, dass wir uns gut benehmen. Dass wir nicht streiten. Dass wir gesundes Gemüse essen. Dass wir grüßen. Dass wir nicht herumschreien. Dass wir zu einer bestimmten Zeit ins Bett gehen. Eine endlose Liste.
Wann war Zeit, dass wir herausfinden und ausprobieren konnten, was wir selber wollten? Aus uns heraus. Aus unserer eigenen tiefen Mitte. Unabhängig davon, ob die Eltern das gut fanden oder nicht. Kann ich nach so vielen Jahren der "Erziehung" noch etwas wollen oder ist mir der Wille ausgetrieben worden. Immerhin haben damals Eltern, Schule und Kirche gut zusammengearbeitet. Wie sähe mein Leben aus, wenn ich wirklich täte was ich wollte? Wäre es das Leben, was ich heute führe oder doch ein anderes? Und wenn es ein anderes wäre: Kann ich noch was Drehen? Kann ich mein tiefes eigenes Wollen wiederfinden? Sei weniger Sklave und bestimme dich immer mehr selbst!
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Dienstag, 28. November 2023

Wenn die Seele etwas erleben möchte, wirft sie das Bild dieser Erfahrung vor sich und fährt dann in das eigene Bild hinein. (Meister Eckhart)


Welch wunderbarer Gedanke! Wenn meine Seele etwas erleben möchte entwickelt sie dafür ein Bild und fährt hinein. Schon Meister Eckhart wusste, dass wir uns unsere eigene Wirklichkeit konstruieren. Es passiert nicht einfach etwas!
Es geschieht das, was die Seele entworfen hat. Etwas in mir hat die Sehnsucht und den Wunsch, etwas zu erleben. Erleben hat etwas mit fühlen zu tun. Mit Erfahrung. Ich möchte zum Beispiel wissen wie es sich anfühlt und wie es ist, sich völlig fremd zu fühlen. Ich will es ausprobieren, weil ich neugierig bin und weil ein Teil in mir es unbedingt braucht für den Erfahrungsschatz. Vielleicht für den Unterschied. Heimat kann ich nur dann in der ganzen Fülle erleben wenn ich den Unterschied kenne. Also die Fremde. Wenn meine Seele ein tiefes Heimatgefühl in der Totalität erleben möchte braucht es vielleicht ein ebenso starkes Fremdgefühl.
Die Seele traut sich auch unangenehme Gefühle zu. Gerade diese sind ein wichtiges Lern- und Entwicklungsfeld. Die Seele möchte also eine Erfahrung machen und dann tut sich dafür ein Feld auf. Es entwickelt sich nach und nach eine Geschichte oder wie Meister Eckhart sagt: ein Bild. Sie schreibt eine Art Drehbuch mit vielen Varianten und die wahrscheinlichste Variante setzt sich dann um. Es gäbe also tausende von Möglichkeiten für mich als Seele, Fremdheitsgefühle in unterschiedlicher Intensität zu erleben. Ich möchte also Fremde erfahren und dann öffnet sich das Feld der Fremdheitsmöglichkeiten. Ich muss nur noch hineinfahren in die Möglichkeit, die sich auftut.
Geschieht das bewusst? Unbewusst? Je mehr ich meine Seele kenne und ihre Wünsche und Bedürfnisse, desto mehr kann ich steuern und gestalten. Wenn ich total unbewusst bin werde ich immer denken, dass ich lediglich ein Schicksal habe. Ich bekomme nicht mit, dass da gerade etwas läuft zwischen meiner Seele und dem, was sie sich gerade erschafft. Das erlebe ich dann als großes Leid. Ich leide, weil ein Teil in mir nicht zugestimmt hat. Oder es nicht weiß oder nur so ungefähr ahnt.
Es scheint mir wichtig zu sein, dass ich immer mehr in Kontakt komme mit meiner Seele. Welche Erfahrung möchte ich gerne machen? Wo spüre ich das im Bauch? Wo im Herzen? Welche Bilder tauchen auf? Welche Gedanken verstärken sich im Moment? Je mehr ich in die Achtsamkeit geht, desto mehr bekomme ich mit, was da in mir läuft. Je aufmerksamer ich werde, desto mehr kann ich mitgestalten und schöpfen. Ich kann viel bewusster und entschiedener in "ein bestimmtes Bild hineinfahren." Ich werde also merken: "Jetzt muss ich dieses oder jenes tun, weil es genau das ist, was ich erfahren möchte!" Ich werde ganz in Übereinstimmung sein mit mir selbst.
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Montag, 27. November 2023

Jede dunkle Nacht hat ein helles Ende. (persische Weisheit)

Ist doch logisch oder? Das weiß jedes Kind, dass jede dunkle Nacht ein helles Ende hat. Nach jeder Nacht kommt ein neuer Morgen. Diese Erfahrung macht jeder Mensch seit Beginn des Lebens. Diese Erfahrung teilt die ganze Menschheit. Vielleicht bildet eine Sonnenfinsternis und ein Vulkanausbruch eine Ausnahme. Aber generell gilt dieser Satz.
Eigentlich geht es bei dieser persischen Weisheit um die Erfahrung, dass auch in einer ausweglosen Situation immer noch etwas möglich ist. Oder in einer Lebenskrise immer noch ein Fünkchen Hoffnung sein kann. Der Mensch in der Dunkelheit und mitten in der Krise kann leider das Licht nicht mehr wahrnehmen. Für ihn ist es ewige Nacht. Es gibt keinen neuen Morgen.
Für diesen Menschen hilft dann die Erinnerung. "Erinnerst du dich daran? Es war mal besser und es wird auch wieder besser werden." Aber Vorsicht mit einer solchen Ermutigung. Das kann schnell nach rückwärts gehen. Die dunkle Nacht muss man schon auch mal aushalten. Zugleich möchte ich noch die Perspektive erweitern. Dass es hell wird steht außer Frage, es ist nur die Frage wann. Wenn du in der Krise bist kannst du sagen: "Das ist das Ende!" Du kannst aber auch sagen: "Diese Dunkelheit ist der Anfang von etwas, das ins Helle führt!" Du entscheidest, welche Perspektive du einnimmst. Machst du dich fest in der Dunkelheit oder schaust du auf das, was neu kommt.
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Samstag, 25. November 2023

Höre mit dem Ohr des Herzens. (Benedikt von Nursia)

Höre mit dem Ohr des Herzens.
Jetzt!
Ich sehe dich!
Ich nehme dich wahr!

Ich schaue dich an und fühle ganz wohlwollend mit dir.
Ach, dass du da bist.
Dass DU da bist.
Dass du DA bist.
Dass du da BIST.

Ich sehe dich mit deinem Körper und dem, was du anziehst.
Mit deinem Gesichtsausdruck und dem, wie du wirken möchtest.
Ich nehme behutsam wahr, was du gerade fühlst.
Ich bin neugierig auf das, was du gerade denkst.

Aber noch viel lieber bin ich da mit dir.
Einfach nur da.
Du musst dafür nichts machen.
Gar nichts!

Du musst nicht einmal körperlich neben mir sitzen oder mir gegenüber.
Meine Vorstellung reicht völlig aus.
Jetzt bist du da und ich mit dir.
Und du mit dir und ich mit mir.
Und jetzt wird es still.
Frieden.

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Freitag, 24. November 2023

24. Impuls im Advent: Eure Kinder sind nicht eure Kinder - Khalil Gibran


Der Advent erreicht heute sein Ziel. Wir kommen an! Wir dürfen schauen! Was siehst du? Was hörst du? Was fühlst du? Du darfst heute in Bethlehem sein. Du bist willkommen!
Du bist ein Besucher. Irgendwann musst du gehen. Die Begegnung wird dich verändern. Du darfst das Kind nicht mitnehmen. Das Bild ja, die Erinnerung auch und die Erfahrung. Aber das Kind lässt du zurück. Es geht seinen eigenen Weg. Du darfst wiederkommen. Aber du musst dann auch wieder gehen. In diesem Spannungsfeld bewegt sich der Text von Khalil Gibran.

Eure Kinder sind nicht eure Kinder.
Sie sind die Söhne und Töchter der Sehnsucht des Lebens nach sich selber.
Sie kommen durch euch, aber nicht von euch,
Und obwohl sie mit euch sind, gehören sie euch doch nicht.
Ihr dürft ihnen eure Liebe geben, aber nicht eure Gedanken,
Denn sie haben ihre eigenen Gedanken.
Ihr dürft ihren Körpern ein Haus geben, aber nicht ihren Seelen,
Denn ihre Seelen wohnen im Haus von morgen, das ihr nicht besuchen könnt, nicht einmal in euren Träumen.
Ihr dürft euch bemühen, wie sie zu sein, aber versucht nicht, sie euch ähnlich zu machen.
Denn das Leben läuft nicht rückwärts, noch verweilt es im Gestern.
Ihr seid die Bogen, von denen eure Kinder als lebende Pfeile ausgeschickt werden.
Der Schütze sieht das Ziel auf dem Pfad der Unendlichkeit,
und Er spannt euch mit Seiner Macht, damit seine Pfeile schnell und weit fliegen.
Laßt euren Bogen von der Hand des Schützen auf Freude gerichtet sein;
Denn so wie Er den Pfeil liebt, der fliegt, so liebt er auch den Bogen, der fest ist.
Khalil Gibran, arabischer Dichter, 1883-1931

Das sagen Eltern so leichthin: "Mein Kind" oder "unsere Kinder". Die Gefahr besteht, dass Eltern ihre Kinder wie einen Besitz ansehen. Die Kinder kommen durch die Eltern, aber nicht von ihnen. Menschlich denken wir ja häufig, dass wir unseren Eltern das Leben verdanken. Wir kommen aus dem Bauch der Mutter. Wir denken, dass unser Ursprung in der Verbindung von Eizelle und Sperma liegt. Diese Deutung ist sehr biologistisch.
Khalil Gibran macht deutlich: Wir geben dem Körper der Kinder ein Haus, aber nicht ihren Seelen. Die kommen woanders her. Der Ursprung unseres Wesenskernes liegt tiefer. Er wurzelt in Gott.
Somit kommen wir auch zum göttlichen Kind in der Krippe. Scheinbar liegen die Wurzeln von Jesus bei Maria und Josef. Die geheimnisvolle Geschichte drumherum weist aber auf Tieferes hin. Der Stern, die Engel, die Weisen, die Tiere ... sie alle sagen dir: Dieses Kind kommt von Gott! Die Biologie sagt, das kann nicht sein. Der Blick des Glaubens sagt, das ist doch ganz einfach. Alles Leben hat seine Wurzeln in Gott. Lass dich nicht beschränken durch deine familiäre oder soziale Herkunft. Du bist ein Geschenk Gottes. In der Begegnung mit dem Kind im Stall soll diese Erkenntnis in dir aufleuchten wie ein Blitz. Wenn du von Gott kommst kannst du nicht verloren gehen.
Der Prophet sagt: Deine Kinder gehören dir nicht. Du als Kind von Eltern gehörst auch nicht deinen Eltern. Du gehörst niemandem. Du bist frei. Du kannst immer neu entscheiden wohin und wozu du gehören möchtest. Du bist der Besitz von niemandem. Es mag sein, dass deine alten Eltern dich bis heute festhalten oder binden durch Ansprüche oder Vorwürfe. Der Besuch an der Krippe flüstert dir die andere Botschaft ein. Das Kind sagt dir: "Du gehörst zu Gott wie ich auch."
Im Bild des Gedichtes von Pfeil und Bogen bist du als Kind der Pfeil, deine Eltern sind der Bogen und der Schütze ist Gott. Eltern halten sich oft für den Schützen, der die Kinder auf den Weg bringt. Die Eltern stellen nur ihre Kraft und Ressourcen zur Verfügung wie ein Bogen sich dem Pfeil zur Verfügung stellt. Der Pfeil fühlt sich geführt vom Schützen und schätzt die Qualität des Bogens. Weinachten rückt die Perspektiven wieder zurecht und ordnet die elterlichen Verwechslungen neu. Die Eltern sind nicht der Schütze lediglich der Bogen. Das ist ganz gut so und reicht auch aus. Im Kind in der Krippe zeigt sich der zukünftige Schütze, der dich ins Leben hinausschießt, damit du es lebst. In diesem Sinne wünsche ich dir einen gesegneten Neuanfang.
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Jeder möchte mal ankommen!

Diese Wirklichkeit stimmt mich traurig. Menschen müssen ihre Heimat verlassen. Sie werden vertrieben und verjagt. Sie haben Angst um ihre Existenz und suchen Sicherheit in einem ihnen fremden Land.
Menschen auf der Flucht existieren seit es Menschen gibt. Das ist bedrückend! Ich bin in einem Dorf groß geworden, wo die Flüchtenden aus dem Osten ihre neue Heimat gefunden haben. In meiner Kindheit hießen sie pauschal: "Flüchtlinge". Sie werden bis heute so genannt von der "Urbevölkerung", den "Herkunftsmünsterländern", auch noch nach mehr als fünfzig oder sechzig Jahren. Mich stört das Wort. "Flüchtlinge" bezeichne ich mit meinem Wortschatz lieber als "Menschen auf der Flucht" oder "Flüchtende". Ich finde es wichtig, sorgsam und so gut wie es geht mit der Sprache umzugehen.
Es gibt viele Worte mit "...ling" die festlegend und einschränkend sind. "Winzling", "Säugling", "Hänfling", "Sträfling". Ein Mensch kann klein sein, aber in ihm steckt mehr. Ein Mensch mag eine Strafe absitzen, aber er ist mehr. Ein Säugling mag an der Mutter der Brust saugen, aber er ist mehr.
Wir sind also mehr als "...linge". Ein sogenannter "Flüchtling" kommt aus einem ganz konkreten Land, hat ein ganz konkretes Geschlecht und Alter. Er und sie ist ein Mensch auf der Flucht. Und er flüchtet im Augenblick, vorübergehend. Nach der Flucht wird er ankommen und nicht mehr flüchtend sein.
So ganz nebenbei: Ich bin auch ein "Flüchtender" in bestimmten Situationen! Ich flüchte manchmal vor Regen, manchmal vor der Sonne und gerne vor übellaunigen Menschen und zerstörerischer Kritik. 
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Donnerstag, 23. November 2023

23. Impuls im Advent: Wenn du ein Kind siehst, hast du Gott auf frischer Tat ertappt. (Martin Luther)

Im Advent möchte ich mit dir meine Aufmerksamkeit richten auf das Ziel in Bethlehem. Ich möchte dem Kind begegnen und wahrnehmen, was dann geschieht. Die Hinweise dafür geben die "Kinder" auf der Straße, das "Kind" in dir, das "Kind" in mir und  "Kinderweisheiten" von Menschen in der ganzen Welt.

Wie herrlich! Es geschieht nicht so häufig, dass wir Gott auf frischer Tat ertappen. Er verhält sich wie ein geschickter Dieb. Er bleibt im Hintergrund, er verbirgt sich, er entzieht sich. Schon der Prophet Elija macht die Erfahrung, dass Gott sich nicht im Sturm zeigt, sondern im leisen Säuseln des Windes. Wir können ganz leicht an Gott vorbeileben. Er ist da und wir merken es nicht. Unsere Antennen sind nicht auf ihn ausgerichtet.
Du fährst mit der Bahn durch die Schweiz und staunst über die großartigen Berge. Da kann es geschehen, dass du Gott quasi ertappst in seiner Schöpferqualität, es kann aber auch sein, dass die Berge für dich einfach nur Berge sind. Beim Betrachten eines Kinderphotos mag es ähnlich sein. Du siehst halt ein Kind unter vielen Kindern. Nun, zu Martin Luthers Zeiten gab es noch keine Photos.
Worin liegt der Unterschied, wenn du ein Kind siehst oder wenn du es vielleicht sogar ansiehst? Ich glaube, dass es da zu einer Veränderung im Zeitempfinden kommt. Die Zeit ist aufgehoben. Sie existiert nicht mehr.
Im Anblicken des Kindes verschwinden die Gedanken im Kopf. Für einen Moment hören die Sorgen auf zu existieren. Es gibt nichts zu tun, keine Aufgabe, die nach Erledigung schreit. Du bist raus aus der Vergangenheit und raus aus der Zukunft. Du kannst diesen Moment als "Ahnung des Ewigen" ins Wort bringen. Aber eigentlich ist es "wortlos". Es "IST". "Wenn du eine Kind siehst, hast du Gott auf frischer Tat ertappt." "Ach, du bist es Gott!" könntest du dann sagen. "Schön, dich mal wiederzusehen!" "Ich hab dich ganz aus den Augen verloren!" "Gut, dass du dich mal wieder gemeldet hast!"
Ich glaube, dass wir mit dem Blick auf die Krippe in so eine ähnliche Richtung etwas sagen können. Gott drängt sich nicht auf. Er ist einfach da und wenn du mit ihm da sein möchtest, dann kann etwas geschehen. Mit dem "Kind" geht das leichter als mit dem "Ganz Großen und Ganz Anderen". Für mich bekommt die göttliche Krippe eine "Flüsterqualität".
Neben dem "Pferdeflüsterer" entwickelt Gott an Weihnachten seine ganz speziellen "Flüsterqualitäten". Mein Impuls für heute: Hörst du die leise Stimme in dir? Wenn ja, was sagt sie? Wenn nein, wo könntest du noch mal suchen? In welchem "Stilleraum" hast du noch nicht nachgeschaut?
Wenn das Kind schläft und du näherst dich, sagt die Mutter ja auch oft: "Pst, leise, das Kind schläft!" Wenn du zu laut bist, kannst du leicht Gott verscheuchen. Das wäre schade, so kurz vor Weihnachten, so nah am Stall!
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Gibt es ein Ohr so fein, daß es die Seufzer der welkenden Rose zu hören vermöchte? Arthur Schnitzler (1862 - 1931)

Ich hätte gerne ein so feines Ohr, dass ich das Seufzen der Rose hören könnte, wenn es welkt.
Ich hätte gerne ein so feines Ohr, dass ich die Zwischentöne meines Gegenübers hören könnte.
Ich hätte gerne ein so feines Ohr, dass ich das Gemeinte hören könnte im Gesagten.
Ich hätte gerne ein so feines Ohr, die Klarheit der Gefühle in meinem Inneren wahrzunehmen.

Meine Ohren sind leider so, wie sie sind. Ein wenig eingeschränkt in der Wahrnehmung. Ich höre nicht alles, verstehe nicht alles oder auch anders als gemeint. Ich bin nicht sensitiv genug, das leise Seufzen meiner welkenden Rosen zu hören. Aber ich gebe mir Mühe. Ich weiß um das Seufzen von der Welt um mich herum. Manchmal kann ich die Rosen trösten und manchmal eben nicht. Ich wünsche allen welkenden Rosen auf der Welt, dass ihr Seufzen in einen Raum von Liebe fällt.
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Mittwoch, 22. November 2023

Bohrst du noch dicke Bretter oder profitierst du schon vom Hühnergott!

 

Welches dicke Brett in deinem Leben wartet gerade darauf, durchbohrt zu werden? Liegt es schon lange da? Oder ist es eben erst hereingekommen? Vielleicht bist du auch in der glücklichen Lage, dass du nur ein paar dünne Bretter zu bearbeiten hast oder völlig davon befreit bist. Dann freue ich mich für dich. Ein Leben ohne zu durchbohrende dicke Bretter fühlt sich leichter und unbeschwerter an.

Ich liebe Aufgaben, die ich bewältigen kann. Wenn sie meinen Fähigkeiten entsprechen, ich Zeit und Energie dafür habe und mich in der entsprechenden psychischen Verfassung fühle. Dann fühlt sich das Leben an wie im Flow. Alles prima und wunderbar! Es gibt weiter nichts zu sagen.

Ich möchte von den Aufgaben und Herausforderungen sprechen, die sich so anfühlen wie ein zu dickes Brett mit einem ungeeigneten Bohrer.

Ich hatte einmal einen Mann in der Beratung, der wollte seinen Rasen neu anlegen. Beim Erzählen wurde sein Brett immer dicker. Selbst machen oder Handwerker bestellen?  Rasenkantensteine, ja oder nein? Rollrasen oder säen? Was ist der geeignete Zeitraum, damit zu beginnen? Aus jeder Frage wuchsen zehn neue Fragen und aus diesen Fragen wiederum zehn neue. Das Brett wurde so dick, dass er in völliger Hilflosigkeit endete. Solche und ähnliche Projekte dauerten bei ihm darum Jahre und oft packte er sie gar nicht erst an. Sein Perfektionsanspruch stand ihm dabei ständig im Weg.

Schau dir einmal deine eigenen Bretter an. Welche davon machst du ständig dicker nur durch deine Sorgen- und Gedanken Konstrukte. Die Angst lässt so manche Bretter fetter werden, als sie bei nüchterner Betrachtung sind.

Das Rasenprojekt meines Kunden wäre für mich ein dünnes Brett. Ich würde einfach machen. Nicht lange überlegen. Materialien besorgen und umsetzen. Ich wüsste schon im Voraus, dass es gelingen würde. Nicht einmal annähernd perfekt, aber so, dass ich damit gut leben könnte.

Dicke Bretter sind also nicht immer dicke Bretter. Der Durchmesser wächst mit meinen Ansprüchen und durch meine Gedanken, Interpretationen und Vorstellungen.

Dabei kann es leicht passieren, dass ich das Leben generell so verstehe. Ich habe da eine riesige Sammlung von dicken Brettern, die ich bis zum Ende meines Lebens durchbohrt haben muss. Brett für Brett durchbohren, bis ich den Weg zum Himmel freigelegt habe. Und irgendjemand sorgt dafür, dass immer noch Bretter dazukommen. Auf jeden Fall so viele, dass ich am Ende scheitern muss. Zu viele Bretter für zu wenig Lebenszeit.

Ich möchte dich einladen, die Brettmetapher zu verlassen. Sie verspricht nur eine bedingte Lebensqualität. Einverstanden, wenn du ein Brett durchbohrt hast, kannst du stolz sein auf deine Leistung und dich mit recht darüber freuen. Oft genug gehört es zum Leben einfach dazu. Nimm deine Verantwortung wahr und arbeite die Dinge ab. Das gehört auch zu meinem ganz normalen Alltag.

Zugleich möchte ich dich heute einladen, mit mir die Welt des Hühnergottes zu betreten. Ich komme darauf, weil mir ein sehr netter Mensch einen solchen Gott geschenkt hat.

Ein Hühnergott ist ein Stein mit einem Loch drin, das auf natürlicherweise durch Verwitterung entsteht. Man findet sie an Nord- und Ostsee. In der Mythologie sind Hühner die Begleiterinnen der Götter. So ein Stein am Hühnerstall gehängt sorgt für Glück und ein entspanntes Hühnerleben bei Blitz und Donner.

Wenn ich eine Aufgabe bewältigen muss, kann ich also Bretter bohren oder vom Hühnergott profitieren.

So ein Stein liegt also Jahrtausende im Meer und wird vom Wasser umspült. So nach und nach werden die Kreideeinlagerungen fortgewaschen, bis das Loch entsteht. Das wirkt auf den Betrachter wie ein Wunder. Wie kann in einem Stein ein Loch entstehen? Das muss mit Magie zu tun haben!

Was mache ich damit, wenn ich es auf mein Leben übertrage? Ich habe für meine Aufgaben nicht Tausende von Jahren Zeit. Schon morgen könnte ich sterben. Dennoch kann ich etwas von den Grundprinzipien des Hühnergottes in meine Aufgaben integrieren. Drei Ideen fallen mir dazu ein.

 

Lass die Umstände für dich arbeiten.

 

Der Stein sucht keine Werkzeuge, um sich vom Kalk zu befreien. Er liegt dort und nutzt die Kraft des Wassers und seiner eigenen Schwerkraft. Er ist einverstanden mit den Umständen wie sie gerade da sind und nutzt die vorhandenen Möglichkeiten für sich.

Beim Bewältigen unserer Aufgaben haben wir oft solche Gedanken wie: „Wenn ich das und das jetzt hätte, dann könnte ich es hinbekommen. Leider fehlen mir die Werkzeuge, die Ideen, das Geld, die Zeit…“ Wir richten unseren Blick auf das Fehlende. Weil wir oft sehr klare Vorstellungen davon haben, wie sich ein Problem lösen lässt, sehen wir nicht die Möglichkeiten, die außerhalb unseres Denkhorizontes auf uns warten. Da gibt es die Geschichte, wo bei einer Flut ein Mensch auf einem Dach Gott um Rettung bittet. Er lehnt alle Angebote ab, weil er auf Gott persönlich wartet.

Die Vorstellung vom besten aller Werkzeuge hindert uns daran, mit den zweitbesten Werkzeugen zu arbeiten. Beim Hühnergott zeigt es sich erst im Laufe der Jahre, dass das Wasser durchaus eine gute Möglichkeit ist, den Kalk zu entfernen.

 

Lass es geschehen.

 

Bei unseren Aufgaben denken wir oft, dass wir es selbst machen müssten. Es kommt auf unsere Arbeit an, unser Denken, unsere Energie, unsere Kraft. Arbeiten erledigen sich nicht von selbst. Wenn ich das Problem nicht löse, bleibt es mir trotzdem erhalten. Es beschäftigt mich im Kopf so lange, bis ich es abgearbeitet habe.

Das stimmt auch so und ich habe nichts dagegen einzuwenden. Wenn ich nicht einkaufe, habe ich nichts zu essen. Wenn ich die Waschmaschine nicht anstelle bekomme ich keine saubere Wäsche. Wenn ich kein Geld verdiene, kann ich nicht überleben. Es kommt auf mein Engagement an.

Das ist aber nur ein Teil der Wirklichkeit. Der Hühnergott zeigt, dass es grundsätzlich auch anders gehen könnte. Er lässt sich vom Wasser hin und her bewegen und das Loch entsteht ohne aktive Arbeit. Der Stein lässt zu, dass das Wasser seine Wirkung entfalten kann. Es ist in Ordnung, dass es Jahrhunderte oder Jahrtausende dauert. Am Ende wird es dieses Loch geben.

Die Wäsche an der Leine wird auch nach Jahrhunderten nicht gefaltet im Schrank liegen. Ich werde es immer selbst falten müssen. Dennoch gibt es einen Anteil von „Lass es geschehen.“ Es gibt den Moment in der Woche, wo Wäsche falten ganz leicht ist und so nebenbei gemacht werden kann. Oder wo ich den Geruch von Frische in meiner Nase verspüre oder die Lust auf Ordnung und Aufräumen. Dann wirkt das Wäschefalten nicht wie Arbeit, sondern kann sehr vergnüglich und befriedigend sein.

 

Die Magie jenseits der Möglichkeiten

 

Ein dünnes Brett kann ich mit einfachen Werkzeugen leicht durchbohren. Aber je dicker, desto schwieriger. Und wenn es dick genug ist, werde ich es nicht mehr schaffen. Das gilt noch mehr für den Stein, vor allem dann, wenn ich gar kein Werkzeug dafür habe. In bestimmten Situationen streikt mein Verstand und gibt auf. Der Verstand kann nur mit dem arbeiten, was sich in seiner Bibliothek befindet. Er arbeitet mit dem, was ihm bekannt ist, was er gelernt und was er verstanden hat.  Er kann nicht das Unmögliche denken, das jenseits der Naturgesetze liegt.

Der Hühnergott berührt die Fragen der Magie. Er bewahrt die Hühner vor Angst und Panik, wenn es donnert. Er sorgt für Glück und bewirkt Wunder. Wie wäre es, mal wieder an ein Wunder zu glauben? Nicht, dass der Stein plötzlich wie von Zauberhand ein Loch bekommt. Sondern, dass sich grundsätzlich ein Wunder ereignen könnte. Es würde etwas passieren, was eine Wendung gibt für dein Problem oder deine zu bewältigende Aufgabe. Wunder können sehr vielfältig sein, sozusagen unerschöpflich. Nehmen wir doch einmal die Wäsche auf deiner Leine. Wie könnte dort ein Wunder aussehen? Du bekommst Besuch, der sehr gerne faltet. Du gewinnst im Lotto und bestellst dir für den Rest des Lebens immer wieder frische Kleidung. In deinem Waschmittel gibt es einen Stoff, der bei dir Allergien auslöst und zum Glück ziehst du jetzt diese Wäsche nicht mehr an. Sie bleibt auf der Leine. Jemand bettelt an deiner Haustür und benötigt Kleidung. Die auf deiner Leine passt und er kann sie sich bequem mitnehmen.

Du kannst auch einfach beschließen, auf das Wunder zu warten. Ganz freundlich, heiter und gelassen. Das Wunder darf kommen, muss es aber nicht. Wunder mögen keine Zwänge. Wunder lieben den Freiraum.

 

Zum Schluss:

 

Das Leben pendelt zwischen der Anstrengung des Bohrens und dem Geschenk des Hühnergottes. Du kannst beide Möglichkeiten nutzen. Manchmal geht es um deinen Einsatz und dein Engagement. Manchmal geht es um das Vertrauen und darum, es geschehen zu lassen. Überlege einmal, wo du deine persönliche Stärke siehst und wo du dich weiterentwickeln könntest. Bist du eher ein Bretterbohrer? Wenn ja, in welchen Bereichen deines Lebens? Oder bist du Genießer eines Hühnergottes? Wo besonders und wann eher nicht?

Ein arabisches Sprichwort sagt: „Glaube an Gott und binde dein Kamel fest.“ Ich wünsche dir, dass es dir gut gelingt, die für dich richtige Mischung zu finden. 

 

Dienstag, 21. November 2023

21. Impuls im Advent: Mit Kindern vergehen die Jahre wie im Flug. Doch Augenblicke werden zu Ewigkeiten. (Jochen Mariss)

Im Advent möchte ich mit dir meine Aufmerksamkeit richten auf das Ziel in Bethelehem. Ich möchte dem Kind begegnen und wahrnehmen, was dann geschieht. Die Hinweise dafür geben die "Kinder" auf der Straße, das "Kind" in dir, das "Kind" in mir und  "Kinderweisheiten" von Menschen in der ganzen Welt.

Das höre ich von ganz vielen Eltern. Wenn sie auf ihre Kinder schauen und zurückblicken, dann kommt ihnen die Zeit unglaublich kurz vor. "Meine Tochter war doch noch gerade im Kindergarten und jetzt heiratet sie schon." "Ich sehe meinen Sohn noch in der Grundschule und wie schwer er sich tat. Jetzt ist er Lehrer am Gymnasium und unterrichtet kleine Kinder. Wie schnell doch die Jahre vergangen sind."
So ganz stimmt dieser Satz allerdings auch nicht. Ich erlebe auch das Umgekehrte. Eine Mutter erzählt mir, wie schwer es dem Sohn im Kindergarten fällt, Freunde zu finden. "Wie soll das noch werden, der hat ja noch ein ganzes Leben vor sich. Wird er jemals leicht Freunde finden?"
Beim Rückblick können wir den Zeitraffer einbauen und alle Ereignisse fliegen im Sekundentakt vorüber. Beim Ausblick in die Zukunft können wir uns leicht quälen, wenn die Sorgen sich in uns festsetzen.
Doch manchmal werden die Augenblicke zur Ewigkeit. Mir erscheint es so, als ob wir Menschen nur dafür auf die Welt gekommen sind. Wir warten auf den Augenblick, der uns so innerlich erfüllt, dass die Zeit aufhört zu existieren. Wie mag es den Hirten damals am Stall ergangen sein? War das für sie so ein Augenblick der Freude und des innigen Einssein mit allem was ist?
Ich höre sehr gerne zu, wenn Paare mir erzählen von dem Augenblick "als sie es wussten". "Es ging ein Schauer durch mich hindurch. Ich bekam eine Gänsehaut. Mir wurde ganz anders. Diesen Augenblick werde ich nie vergessen. Noch heute kann ich es kaum beschreiben aber intensiv fühlen." Wirklich ein Augenblick für die Ewigkeit.
Mein Impuls heute für dich: Öffne doch einmal dein gedachtes "Schatzkästchen" mit den kostbaren Perlen der "Augenblicksewigkeiten". Waren das Begegnungen mit Menschen oder mit der Natur? Gab es da besondere Ereignisse? Und wenn du dir diese Perlen in diesem Moment anschaust, was geschieht da?
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Ich sehe dich auf der anderen Seite stehen. Ich weiß nicht, wie der Fluss so breit geworden ist. (Leonard Cohen)

Zu mir kommt ein Paar in die Beratung und ich spüre die Distanz zwischen ihnen. In ihrer Erinnerung und Wahrnehmung gab es einmal ganz viel Nähe. Und diese Nähe war immer noch eine gedachte Nähe. "Wir sind ja verheiratet. Und Paare sind sich nahe. Das macht ja die Partnerschaft aus, ist doch klar!"
Dann schauen sich die beiden an und sie bemerken mehr und mehr die Entfremdung. "Ich weiß nicht, wie der Fluss so breit geworden ist." stellt Leonard Cohen fest. Wir waren mal so eng und jetzt ist so viel Platz zwischen uns. Manchmal wird der Fluss so breit, dass ein Paar sich gar nicht mehr wahrnehmen kann. Nicht die Trauer im Gesicht. Nicht die Abwehr, die Wut und den Ärger.
Was kann helfen in einer solchen Situation? Die Suche nach dem schuldigen Part? Wohl kaum. Wenn ich einen Schuldigen feststellen könnte bliebe immer noch die Distanz und die fehlende Möglichkeit, durch das Wasser wieder zueinander kommen zu können.
Der Fluss wird einfach breiter im Verlaufe des Fließens. Ich muss an der ersten geeigneten Stelle eine Brücke bauen, damit die beiden Ufer noch zueinander finden können. Je vertrauter ich mit einem Menschen bin, desto breiter wird der Fluss. Aber wenn ich das weiß, dann kann ich eine Brücke bauen. Ich fange an, bevor es zu spät wird. Wenn der Fluss zu breit geworden ist, dann bleibt manchmal nur das Aufwachen und die Erkenntnis: "Da haben wir wohl etwas versäumt."
Ich wünsche dir einen aufmerksamen Blick für den Fluss, für die Ufer und für deine Fähigkeit, eine Brücke zu bauen.
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Montag, 20. November 2023

20. Impuls im Advent: Mit einer Kindheit voller Liebe kann man ein halbes Leben hindurch die kalte Welt aushalten. (Jean Paul)

Im Advent möchte ich mit dir meine Aufmerksamkeit richten auf das Ziel in Bethlehem. Ich möchte dem Kind begegnen und wahrnehmen, was dann geschieht. Die Hinweise dafür geben die "Kinder" auf der Straße, das "Kind" in dir, das "Kind" in mir und  "Kinderweisheiten" von Menschen in der ganzen Welt.

Oft erzählen mir Menschen in der Beratung von ihrer unglücklichen Kindheit. Da gab es Gewalt, Missachtung, Isolation und Alkohol. Manchmal vom Vater, manchmal von der Mutter und manchmal auch von der ganzen Familie. Oft wird es mir da schwer ums Herz und ich fühle tief mit. Die Leiderfahrungen wirken sich aus bis hinein in das Erwachsenenleben. Irgendwann kommt der Zeitpunkt, wo der Schmerz erwacht und die Vergangenheit dich einholt.
Ich frage dann oft an einer bestimmten Stelle: "Wie hast du das überlebt?" "Wie hast du es geschafft, trotzdem ein so liebevoller Mensch zu werden? Es hätte auch alles anders kommen können! Du bist nicht untergegangen obwohl alle Zeichen darauf hin deuteten!"
Manchmal kommen dann die auch die versteckten und verborgenen Liebeserfahrungen ans Tageslicht. Da gab es die Oma, die Nähe schenkte. Da hatten die Eltern doch ein paar zugewandte Seiten, die sie hin und wieder zeigten. Da gab es Ruhe und Frieden beim Angeln.
Ein wenig Liebe reicht manchmal schon aus, dass wir Menschen überleben können. Wenn du in deiner Kindheit viel Liebe bekommen hast, dann hast du ein gutes Rüstzeug bekommen, die kalte Welt um dich herum auszuhalten. Schon im Alltag kannst du spüren: Wenn es in dir warm ist, macht dir die äußere Kälte wenig aus. Du hast in dir ein Feuer, das brennt. Du kannst dabei an einen wärmenden Kamin denken oder besser noch an all die Menschen, die du liebst und die dich lieben.
Wenn dich die unglücklichen Gefühle über eine verkorkste Kindheit überfluten ist das wirklich schrecklich. Ich bin mir aber sicher, dass es die anderen Erfahrungen auch gab. Sonst wärst du gestorben an innerer Kälte.
Manchmal experimentiere ich. Ich habe einen Tag voller Blues. Hier stimmt es nicht und da stimmt es nicht und der Tag holpert so vor sich hin. Es gibt solche Tage, da kannst du dich mitten in dein Unglück hineinsetzen. Ist in Ordnung so! Irgendwann kommt für mich jedoch der Zeitpunkt, da werfe ich innen einen Schalter um. Ich sage mir: "Auch wenn heute ein kalter und unglücklicher Tag ist treffe ich die Entscheidung, meine Wahrnehmung für die Liebe zu öffnen!" Ich setze bewusst den Schritt, vor meinem inneren Auge alle Menschen auftauchen zu lassen, die mir wohlgesonnen sind. Die ersten Schritte sind mühsam, aber so nach und nach verliert sich das Gefühl von Verlorenheit und ein zaghaftes Liebespflänzchen zeigt sich.
Mein Impuls für den Tag: Welche Menschen haben dir Liebe geschenkt? In welchen Situationen? Wie haben sie das ausgedrückt? Wie ist das bei dir angekommen? Kannst du das reaktivieren?
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Tür ist emotional instabil. Bitte fest drücken!

Manchmal wirkt etwas sehr fest und stabil. So eine Tür auch. Wenn sie fest geschlossen ist und sich in den Rahmen einfügt und auch gut in den Angeln hängt. Prima! Kann nichts passieren. Ich kann sie auch mal zuknallen und es macht ihr nicht viel aus.
Wenn aber die Tür äußerlich stabil, aber emotional instabil wäre. Dürfte ich dann feste drücken? Wäre das nicht gefährlich? Bekäme die Tür dann einen Schock? Ein Trauma? Wahrscheinlich nicht. Eine Tür muss ich feste drücken, wenn ich sie öffnen möchte. Die Tür braucht das. Sonst bewegt sie sich nicht. Eine Tür besitzt ja auch keine Emotionen.
Aber wir Menschen. Wir sind emotional oft instabil. Unsere Herzenstür ist da manchmal vor lauter Angst verschlossen. So verschlossen, dass uns sogar ein leichtes Pochen erschreckt. Und dann soll da auch noch jemand feste drücken? Wo ich doch so voller Angst bin? Gerade weil wir Menschen so sensitiv sind wünschen wir uns fürsorgliche Besucher an unserer Lebenstür.
Manchmal jedoch vergessen wir Menschen, dass wir nicht nur ein Haufen von instabilen Emotionen sind. Sondern wir sind auch Türen. Fest. Stabil. Klar. Erfahren! Wer erinnert uns daran, dass wir bei allen Einschränkungen auch diese Qualitäten besitzen. So kann es sein, dass ein Besucher kommt und mich als stabile Tür betrachtet. Er drückt feste zu. So, wie er es immer macht! Jetzt könnten wir sagen: "Was für ein grober Klotz! Wie wenig einfühlsam!" Wir könnten aber auch sagen: "Wenigstens einer, der mich wie einen normalen Menschen betrachtet. Der mir noch etwas zutraut." Und vieleicht hilft das auch, diese Stabilität wieder zu spüren.
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Sonntag, 19. November 2023

19. Impuls im Advent. Die Kinder finden im Nichts das Gesamte, die Erwachsenen im Gesamten das Nichts. (Giacomo Leopardi)

Im Advent möchte ich mit dir meine Aufmerksamkeit richten auf das Ziel in Bethlehem. Ich möchte dem Kind begegnen und wahrnehmen, was dann geschieht. Die Hinweise dafür geben die "Kinder" auf der Straße, das "Kind" in dir, das "Kind" in mir und  "Kinderweisheiten" von Menschen in der ganzen Welt.

Stell dir doch einmal ein Kind in einem Sandkasten vor. Mit Schaufel, Sieb und Eimer erschafft es eine Welt. Es baut Häuser, Tiere, Pflanzen und Menschen. Es erzählt damit Geschichten und erweckt den toten Sand zum Leben. Aus dem Nichts erschafft es die Welt. Jedes Kind kann das, wovon in der Bibel auch über den Schöpfergott erzählt wird. Ein Kind kann komplett in dieses scheinbare "Nichts" abtauchen. Die Menschen aus Sand sind für Kinder so real wie für uns Erwachsene die Menschen aus echtem Fleisch und Blut. Im scheinbar kleinen und begrenzten Sandkasten gibt es reichlich Platz für das gesamte Universum. Welch ein Wunder!

Bei Erwachsenen höre ich oft das Wort: "Ach ja, das kenne ich schon! Ich habe davon gehört! Ich habe es schon ausprobiert! Ist auch nicht das Wahre! Alles hat seine Fehler und Macken!" Daraus kann schnell eine negative Grundhaltung werden: Beim gesunden Obst siehst du die hohen Preise. Beim Buch entdeckst du den geknickten Umschlag. Bei deiner Wohnung den schwarzen Streifen an der weißen Wand. Beim Urlaub den lauwarmen Kaffee am Frühstücksbüffet. Ich könnte diese Liste endlos fortsetzen. Wenn du diese Haltung intensivierst kommt schnell dabei heraus: Die Welt ist schlecht! Die Politiker sind unmöglich! Alle wollen nur das Eine! Das Gesamte zu entwerten ist ein schleichender Prozess und am Ende gibt es Enttäuschung und Resignation.

Die Krippe von Bethlehem enthält eine verborgene Botschaft: Für die enttäuschten Menschen zeigt sich im "Nichts" das "Gesamte" für alle, die im "Gesamten" das "Nichts" sehen! Es geht um eine Veränderung in der Wahrnehmung. Öffne dein Herz, deine Augen und sieh die Wunder, die ständig um dich herum geschehn. Darum mein Impuls für heute: Welche Wunder um dich herum kannst du heute entdecken? Wo findest du im "scheinbaren Nichts" das Gesamte?
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Samstag, 18. November 2023

18. Impuls im Advent: Ein Kind ist eine sichtbargewordene Liebe (Novalis)

Im Advent möchte ich mit dir meine Aufmerksamkeit richten auf das Ziel in Bethelehem. Ich möchte dem Kind begegnen und wahrnehmen, was dann geschieht. Die Hinweise dafür geben die "Kinder" auf der Straße, das "Kind" in dir, das "Kind" in mir und  "Kinderweisheiten" von Menschen in der ganzen Welt.

Ein immer wieder berührender Gedanke. Zwei Menschen lieben sich, verbinden sich und in der Geburt eines Kind wird dann die Liebe sichtbar. Ein Paar wird zur Familie.
Ich glaube, dass es wichtig ist, die Liebe sichtbar zu machen. Wenn zwei Menschen sich lieben, dann meinen sie damit, dass sie ein starkes Gefühl füreinander haben. Sie schwingen auf einer Wellenlinie, sie verstehen sich gut. Sie empfinden etwas für einander. Sie fühlen sich verbunden. Sie lieben sich.
Zugleich sind wir Menschen darauf angewiesen, dass wir uns ausdrücken. Dass das Gefühl hörbar, sichtbar, sprechbar und riechbar wird. Wir sind Körper, Geist und Seele.
Das alleinige Wissen um die Liebe reicht leider nicht immer aus. Die Liebe muss sich ausdrücken. Und weil die Liebe so groß, bunt und vielfältig ist, ist sie auch so kreativ im Ausdruck. Und sie vermehrt sich. Sie bleibt nicht für sich. Sie ist nicht sparsam und abgezählt. Sie hat keine Angst davor, zu kurz zu kommen und etwas zu verlieren.
Ein Kind ist also eine geballte Ansammlung von Liebe. Es kann dich umhauen und überwältigen. Es macht dich staunend, schauend, schweigend und hingebend. Im Anschauen und Verbinden kannst du spüren: Du bist ganz nah dran an der Quelle. Mein Impuls für heute: Öffne deine Augen und dein Herz für die sichtbargewordene Liebe des Tages. Was kannst du hören, sehen, fühlen oder spüren?
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Der Wind bricht einen biegsamen Baum nicht. (Sukuma)



Welch tiefe Weisheit. Manche von uns stehen wie eine Kiefer starr im Sturm, manche stark wie eine Eiche. Wenn der Sturm zu stark ist, die Wurzeln nicht mehr greifen, dann haut es den Baum um. Die Empfehlung der Sukuma entspricht einer tiefen Weisheit, die es auch in anderen Kulturen gibt. Sei biegsam, dann haut dich der Sturm nicht um.Geh mit den Dingen, schwinge mit, sei Weide und nicht Kiefer. Es braucht ein langes Leben und spirituelles Einüben, wie eine Weide zu sein. Oft befinden wir uns wie im Trotzalter oder wie in der Pubertät. Nein, das will ich nicht! Nein, das mache ich nich!. Ich habe meinen eigenen Willen! Manchmal ist es gut, ein wenig geschmeidiger und biegsamer zu sein und mit den Dingen zu schwingen. Der Wind bricht einen biegsamen Baum nicht.

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Freitag, 17. November 2023

Kaum mache ich was falsch, ist das auch nicht richtig!

Wenn ich mal was mache, mache ich wenigstens mal was.
Ich könnte auch mal mehr machen, wenn ich nicht so viel falsch machen täte.
Kaum mache ich mal was richtig, mache ich auch schon wieder falsch.
Mache ich mal was falsch, fallen alle über mich her.

Wenn ich nichts machen würde, würde ich auch nichts falsch machen.
Wenn ich nichts machen würde, würde ich aber auch nichts richtig machen.
Egal, was ich mache, da ist immer was falsch dabei.
Egal, was ich auch mache, irgendetwas ist auch immer richtig dabei.

Wenn ich was falsch mache, dann mache ich das Falsche aber ordentlich richtig falsch.
Und wenn ich was richtig mache, mache ich dem Falschen den Garaus.
Ich habe noch nie etwas total richtig oder total falsch gemacht.
Ich könnte etwas so ungefähr richtig machen im Wissen, dass auch etwas falsch dabei sein wird.

Ich kann mich in richtig und falsch so verheddern, dass ich nicht mehr weiter weiß.
Dass ich mich erschöpfe und keine Lust mehr habe. Es ist eh falsch. Zumindest ein bisschen.
Was passiert, wenn ich richtig und falsch streiche?
Kaum mache ich was, mache ich es!

Ich mache was!
Ich mache was!
Ich mache was!
Ich mache was!

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Donnerstag, 16. November 2023

„Schau der Furcht in die Augen und sie wird zwinkern“ (Russland)


Wenn ich Angst habe schaue ich weg. Das ist ein Relikt aus Kindertagen. Jemand steht hinter einer Ecke und kommt plötzlich hervor. Hebt die Hände hoch und schreit "Huh!" Was mache ich? Ich schaue weg! Mit dem Ziel der Flucht. Wohin kann ich flüchten wenn mich jemand erschreckt. Es geht ja um eine Bedrohung. Ich fühle mich bedroht und mein Leben ist gefährdet. Darum schnell weg.

Was passiert, wenn ich der Furcht in die Augen blicke? Dann habe ich nicht mehr den Drang, unmittelbar zu flüchten! Ich halte Stand. Für den ersten Augenblick! Und dann noch einen Augenblick länger. Und noch einen Moment. Dann fange ich an, richtig hinzuschauen. Ist ja nur der Bruder! Nur der Onkel! Nur die Schwester, die Freundin! Ich kann abwarten, bis mich der Blick vom Gegenüber nicht mehr fixiert. Ich kann auch starren, wenn ich angestarrt werde! Ich starre zurück! Wer zwinkert zuerst?
Schau der Furcht in die Augen und sie wird zwinkern. Wer zwinkert fängt an zu lächeln. Und zu lachen. War doch gar nicht schlimm! Wenn ich der Furcht in die Augen blicke dann habe ich eine Alternative zum Weglaufen. Wie oft laufe ich weg. Auch heute noch als Erwachsener. Ich mache es eleganter. Ich nenne es nicht mehr Furcht sondern: "Das brauche ich jetzt nicht!" - "Ist doch im Moment nicht so wichtig!" - "Ich habe noch eine Alternative!" - "Ich komme morgen wieder, da ist ja auch noch ein Tag!" Und? Wo läufst du fort von etwas? Wo könntest du dich hinwenden um eine Wende hinzubekommen? Weg von der Furcht und hin zum zwinkern? ;-)
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Mittwoch, 15. November 2023

15. Impuls im Advent: Wo die Kinder eines Volkes nicht mehr lachen, nicht mehr spielen und singen, da hat das Land seinen Frühling verloren. (Kardinal Michael Faulhaber)

Im Advent möchte ich mit dir meine Aufmerksamkeit richten auf das Ziel in Bethlehem. Ich möchte dem Kind begegnen und wahrnehmen, was dann geschieht. Die Hinweise dafür geben die "Kinder" auf der Straße, das "Kind" in dir, das "Kind" in mir und  "Kinderweisheiten" von Menschen in der ganzen Welt.

Wo die Kinder nicht mehr lachen, spielen oder singen gibt es kein "Leben im Frühling" mehr. Kardinal Faulhaber, der diesen Satz prägte, erlebte zwei Weltkriege und konnte darum aus sehr persönlichen Leiderfahrungen erzählen.
Der Frühling in der Natur symbolisiert ia den Anfang des Lebens. Nach dem langen Winter bringt der Frühling das Erwachen der Natur hervor. Der Frühling steht auch für die erste Phase unseres menschlichen Lebens. Kinder sind unverbraucht, voller Energie und Hoffnung. Es gibt noch keine belastenden Erlebnisse. Alles ist neu und im Aufbruch. Kinder können unbeschwert spielen voller Freude und grenzenloser Neugier. Wie der Kardinal sagt: Die Kinder lachen, spielen und singen - ein paradiesischer Zustand.
Im Frühling sammeln wir ein Depot an, das uns in das Alter hineinträgt und bis ins Alter trägt. Ein verkorkster Frühling wirkt sich auf das ganze Jahr und übertragen auf das ganze Menschenleben aus. Wenn der Beginn nicht gelingt wird der Rest schnell zum Kampf.
"Anfänge" haben es in sich. Wenn dein erster Arbeitstag an deiner neuen Stelle nicht gelingt, dann folgen Tage, an denen du ganz schön kämpfen musst. Der erste Eindruck bei einem neuen Kontakt mit einem fremden Menschen entscheidet über Wohlwollen oder Ablehnung.
Wie im Kleinen so im Großen. Du kannst einem ganzen Land ansehen, ob es den Frühling verloren hat. Die Bilder aus Kriegsgebieten gleichen sich alle. Ohne Frühling wird das Land grau. Es verliert seine bunten Farben. Dort, wo die Kinder lachen ist die Welt in Ordnung. Wenn du in ein Dorf kommst und entdeckst lachende und spielende Kinder kannst du dich beruhigt zurücklehnen. Im Frühling kann das Leben wachsen und gedeihen.
Der Advent findet ja mitten im Winter statt. In der toten Jahreszeit begehen wir einen spirituellen Frühling. Wir bereiten uns auf den Krippengang vor. Wir wünschen uns den Kontakt mit einem lachenden und spielenden Kind. Das belebt unseren eigenen Frühling. Lachen ist ansteckend! Dem kindlichen Frühling kannst du nur schwer widerstehen.
Mein Impuls für den Tag: Wann hast du zuletzt gelacht aus purer Freude? Magst du heute ab und zu eine Zeile singen aus einem dir vertrauten Lied? Wo entdeckst du schon den Frühling um dich herum bei den Menschen, in der Natur und auch in dir?
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Montag, 13. November 2023

Du bist deine eigene Grenze, erhebe dich darüber. Hafis (Ḥāfeẓ)

Ich spüre nach, was dieser Satz von Hafis in mir auslöst. Ich spüre immer wieder die Grenzen in mir. Da gibt es die Angst, wenn ich meine Bedürfnisse anspreche. Da mache ich mir Sorgen, ob ich in meiner Not gesehen werde. Da habe ich die Phantasie, nicht erwünscht zu sein und nicht dazu zu gehören. Diese Grenzen, die ich mir ständig selber setze und mir dadurch das Leben schwer mache.
Dann schiebe ich es auf die Grenzen im Außen. Klar gibt es die verschlossenen Türen und die Kreise, die mich nicht haben wollen. Da gibt es Grenzen zwischen den Grundstücken und zwischen den Ländern. Die Welt ist voller Grenzen. Ich darf nicht einfach hin, wohin ich gerne möchte.
Damit kann ich mich abfinden. Die eigentliche Herausforderung besteht für mich in den Grenzen, die ich mir im Kopf setze. Meine Befürchtungen, Ängste und Phantasien. Manchmal überliste ich mich oder ich entlarve meine Gedanken als schädliche Gedanken. Manchmal trickse ich mich aus oder erteile mir trotzdem eine Erlaubnis.
Da kommt Hafis daher und sagt: Du bist deine eigene Grenze, erhebe dich darüber. Das ist doch unglaublich. Oben ist Platz! Die Grenze hört an einer bestimmten Stelle auf. Erhebe dich darüber. Das fühlt sich weiter an! Wie setze ich das um? Was mache statt des anstrengenden Kämpfens?
Ich gehe in das Bewusstsein, dass ich ein Gott bin! Ich dehne mich aus! Ich werde mir dessen bewusst, dass diese Welt nur für mich erschaffen wurde. Ich gehe in das Bewusstsein der Freiheit. Ich spüre den Freiraum über mir und lege den Fokus meiner Aufmerksamkeit auf die Möglichkeiten. Ich habe keine Grenze im Außen, die ich bekämpfen müsste. Ich bin meine eigene Grenze! Wenn ich diese Grenzenstimmen in mir höre frage ich manchmal, wer da spricht. Bin das ich oder wer ist das? Oft ist es mein Vater, manchmal meine Mutter, dazu kommen noch Lehrer und Pfarrer. Wenn ich diese Grenzen identifiziere gebe ich diesen Menschen die Zäune und Grenzsteine zurück. "Hallo Papa! Das bist du, das bin nicht ich!" Du bekommst deinen Zaun mit Schleife zurück.
Ich lade dich ein, diesen Satz von Hafis wie Balsam in dich einsickern zu lassen. "Du bist deine eigene Grenze, erhebe dich darüber." Wenn dir mal jemand druckvoll entgegentritt, sprich diesen Satz wie ein Mantra und du wirst staunen, was mit dir geschieht :-)
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Samstag, 11. November 2023

Sag, wie sich die Liebe nährt? Sie gewährt. (Cervantes)


 

Gestern stand ich mit meinem Einkaufswagen in der Schlange vor dem Supermarkt und wartete darauf, hereingelassen zu werden. Während ich wartete dachte ich daran, dass es im Krieg wenig zu essen gab und dass viele Menschen hungern mussten. Kein Nachschub an Nahrung. Jetzt stand ich an und in mir tauchten Phantasien auf. Könnte das wieder passieren? Mein Supermarkt ohne Nachschub? Wie im Anfang der Corona Krise? Kein Mehl mehr da und keine Hefe? 

Der Körper braucht seine Nahrung, sonst stirbt er. In bestimmten Abständen braucht er seinen Teil. Ich kann mal ein paar Stunden warten oder ein paar Tage fasten. Ich habe gehört, dass es Menschen gibt, die von Lichtnahrung leben können, also von Biophotonen. Das ist nur eine andere Art der Versorgung.

Ich als Mensch, der liebe und geliebt wird, brauche auch Nahrung auf der emotionalen und psychischen Ebene. Sonst verhungert meine Seele. Wie kann ich ein Liebender bleiben? Wo finde ich den Supermarkt für Liebe? Cervantes meint, dass die Liebe sich nährt indem sie gewährt. Das gefällt mir. Ich muss nicht aktiv irgendwo etwas kaufen. Ich muss auch nicht betteln und hoffen, dass ich etwas bekomme. Gewähren heißt für mich zulassen, geschehen lassen, Raum geben, Freiräume schaffen. Wenn die Liebe da sein darf, reicht es ihr völlig aus zum Wachsen und sich nähren. Liebe kann sich vermehren ohne Anstrengung. Ohne künstliche Zugaben. Ich lasse einfach nur zu. "Darf ich dich berühren?"- "Oh ja, gerne!" "Magst du eine Umarmung?"-"Danke, das Geschenk nehme ich gerne an." 

Vielleicht ist eine gewährende Liebe besser als jede sonstige Aktion, die wir bislang geschaltet haben, um das Virus zu bekämpfen. Wo überall könnten wir gewähren lassen? Wie fühlt es sich an, wenn ich gewähre und dann kommen so kleine Angstimpulse und Sicherheitsbedürfnisse? Die Liebe wünscht sich und mag es sehr, wenn sie sich nähren darf. Ich wünsche dir reiche Quellen für deine Liebe!

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Freitag, 10. November 2023

An einem kleinen Muster können wir oft das ganze Stück beurteilen. (Cervantes)

 

Zu mir kommt ein Mann in die Beratung. Sein erster Satz: "Das war wieder einmal einfach nur unmöglich." Er erzählt mir ausführlich von dieser Unmöglichkeit. Es war wirklich unmöglich! Dann steigert sich seine Empörung, weil es nicht das erste Mal war. Es wiederholte sich. Nicht nur jetzt, sondern überhaupt. Es passiert ihm immer wieder, dass da etwas unmöglich ist. 

Du interessierst dich, was denn da so unmöglich war? Ich erinnere mich nicht mehr daran. Nur an das Unmögliche, das ständig möglich wird. Aufgrund des Schicksals, der Umstände, des Karmas, der Persönlichkeit des Ratsuchenden. An einem kleinen Muster können wir oft das ganze Stück beurteilen. Im Kleinen findet sich das Ganze wieder. Die erste Geste in der Beratung. Der erste Satz. Der erste Blick. In der Ouvertüre einer Oper findet sich das ganze Stück wieder. 

Manchmal stelle ich mir bewusst die Frage: "Ist ein Muster erkennbar?" Muster gibt es in Stoffen, an Gebäuden, bei Tieren, im Verhalten von Menschen. Ein Muster macht für mich etwas verstehbar. Ich habe für den Umgang mit Mustern Strategien. Ich bekomme Sicherheit. Eine Kirche hat einen hohen Turm und steht mitten in der Stadt. Wenn ich die Mitte suche, orientiere ich mich an den Kirchturm. Auch Dörfer und Städte haben ein Muster. 

Dann gibt es Wohnviertel ohne Kirchturm. Manchmal haben sie trotzdem ein Zentrum. Manchmal kommen Menschen zu mir in die Beratung und die ersten Minuten lassen kein Muster erkennen oder führen mich in die Irre. Neben den Mustern gibt es auch das Chaos und die Abweichungen. Cervantes spricht zum Glück auch davon, dass wir anhand eines kleinen Musters oft das ganze Stück beurteilen können. Aber nicht immer. 

Im Corona Muster suchen wir auch nach den Konstanten für das große Ganze. Impfen und testen ist ein Muster, welches das Chaos bändigen soll. Wird es das? Wird es funktionieren? Was geschieht mit uns, wenn die chaotischen Elemente größer werden. Wenn es unberechenbar bleibt. Wenn wir uns permanent in Gefahr begeben. Zurück in die Steinzeit. Töten wir den Tiger oder werden wir getötet. Es steht 50 zu 50. Heute habe ich in einem Podcast gehört, dass Corona eine zivilisatorische Kränkung ist. Wir haben doch alles im Griff. Seit vielen Jahren. Das Leben ist sicher geworden. Wir haben die wissenschaftlichen Muster erkannt. Wir wissen, was wir tun müssen. Ein Virus kann das nicht durcheinanderbringen.

Macht er doch und kränkt uns damit. Macht uns deutlich, wo wir als Menschen unsere Grenzen haben. Wir denken, dass wir bis zum Zeitpunkt des Todes alles gestalten können nach unseren Vorstellungen. Linear. Aus A folgt B. Cervantes erinnert uns daran, dass wir oft das Stück beurteilen können an einem kleinen Muster. Eben nur oft und nicht immer. Immer wieder gibt es die Überraschung. Das Unvorherehbare. Das nicht Geplante. 

Grund genug für Angst, Ohnmacht und Resignation? Die Erfahrung zeigt, dass im Chaos etwas neues entsteht. Wir neugierig darauf ist, bekommt jetzt sein Abenteuer nach langen Jahren von bekannten Mustern und vertrauter Sicherheit. Wir schreiben gerade alle mit an einem neuen Muster. Es entsteht ein neuer Roman und wir wissen noch nicht, zu welchem Genre er gehört. Krimi, Drama, Komödie, Oper? Oder werden wir Zeug*innen eines neuen Genres? Ich wäre gerne dabei und ehrlich gesagt schon jetzt lieber am Ziel. Der Raum zwischen vertrauten Mustern ist nicht immer leicht zu ertragen. Da braucht es die Qualität des Aushaltens. Und die Fähigkeit, hinzuspüren, was gefragt ist. Aushalten, verändern, mitmachen, anpassen, rebellieren? Jede und jeder macht es auf die Weise, wie es der eigenen Persönlichkeit entspricht. Ich lasse geschehen und gestalte zugleich mit.

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Donnerstag, 9. November 2023

Auf der großen Zeituhr steht ein einziges Wort »Jetzt«. Auf der Straße »Nachundnach« erreicht man das Haus »Niemals«. (Cervantes)

 

So nach und nach gestalte ich mir den Arbeitsplatz so, dass ich es dort gut aushalten kann. Ich brauche noch ein paar Montate. Aber dann ist alles so, wie ich es immer haben wollte. Dann wird es den Augenblick geben wo ich sagen werde: "Jetzt ist es genau richtig!"

Und so nach und nach werde ich mich an das Haus gewöhnen, in dem ich lebe. Ich werde irgendwann nicht mehr wahrnehmen, dass die Sonne die Innenräume nicht gut erreicht. Und so nach und nach werde ich das Haus renovieren. So, dass ich irgendwann mich hinsetze und sagen werde: "Jetzt ist es genau richtig!"

Und so nach und nach werde ich es schaffen, mich mit meiner Familiengeschichte auszusöhnen. Ich mache noch die eine oder ander hilfreiche Therapie. Ich schätze mal, in zwei bis drei Jahren werde ich das dann erfolgreich abschließen können. Dann setze ich mich hin und sage mir: "Jetzt ist es genau richtig!" 

Auf der großen Zeituhr steht ein einziges Wort: "Jetzt". Auf der Straße "Nachundnach" erreicht man das Haus "Niemals". "Lieber und verehrter Herr Cervantes, auf der Straße "Nachundnach" musst du noch an dem Haus "Niemals" vorbeilaufen. Leider erweckt dieses Haus den Einruck, als befände sich dort eine Sackgasse. Aber direkt hinter dem Haus "Niemals" befindet sich das Haus "Alles". Wie kannst du es erreichen? Indem du auf die große Zeituhr schaust und auf das "Jetzt" vertraust."

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Mittwoch, 8. November 2023

Auch das glücklichste Leben ist nicht ohne ein gewisses Maß an Dunkelheit denkbar. Carl Gustav Jung

Wer ist glücklicher als du? Bist du selbst glücklich genug? Betrachtest du dein Leben wohlwollend und kannst feststellen, dass du sehr mit dir übereinstimmst? Dass du tief im inneren Frieden mit dir bist? Wie schön, wenn du das über dein Leben sagen kannst.
Ich kenne viele Menschen wo ich einen anderen Eindruck bekomme. Da gibt es immer so eine Spur von Mangel und Traurigkeit. Eine Sehnsucht und einen Wunsch nach einem glücklicheren Leben. Und interessanterweise finden sie viele Menschen, die glücklicher aussehen als sie selbst. "Ich hätte gerne das Leben meiner Freundin. Sie ist viel schöner als ich und sie lebt in einer wunderbaren Beziehung. Ihr Mann ist so zauberhaft. Und sie wohnen so außergewöhnlich schön in einer perfekten Umgebung. Das hätte ich auch gerne." Oder: "Wenn mein Arbeitgeber mich sehen würde in dem, was ich so kann, dann säße ich nicht hier. Ich bin zu höheren Aufgaben berufen. Und da sehe ich den Kollegen, der immer bevorzugt wird. Der hat so eine Ausstrahlung. Ist einfach ein Gewinnertyp. Der weiß gar nicht, wie Leiden geht. Und ich? Hocke seit Jahren hier und quäle mich durch das Leben."
C.G. Jung sagt, dass auch das glücklichste Leben nicht ohne ein gewisses Maß an Dunkelheit denkbar sei. Da denke ich an Menschen, die zu mir in die Beratung kommen und von ihrem Leid erzählen. Von außen betrachtet müssten sie die Glücklichsten aller Menschen sein. Wunderbarer Mann und wunderbare Frau. Ein wunderbares Haus und Supereinkommen. Zwei prächtig geratene Kinder und eine heile Nachbarschaft. Und das drücken sie auch nach außen hin aus. Wer zum Neid neigt, findet reichlich Futter.
Dann kommt in der Beratung heraus, dass es kaum noch Zärtlichkeiten gibt. Dass das Leben langweilig geworden ist im goldenen Käfig. Dass es allen an Selbstbewusstsein fehlt. Dass er oder sie nicht genug gewürdigt wird. Da sieht etwas aus wie Paradies und fühlt sich an wie die Hölle. Und von außen siehst du nichts.
Manchmal ist der Wunsch und die Umsetzung eines glücklichen Lebens sehr anstrengend. Du arbeitest intensiv daran, dass dir das Glück erhalten bleibt. Und in der Anstrengung merkst du gar nicht, wie sich das Glück davon gemacht hat. Alles nur noch Hülle. Wenn du aufhörst unbedingt glücklich sein zu müssen, könntest du es dir ein wenig leichter machen. Jeder braucht zum Leben ein Maß von Dunkelheit. Ohne diesen Teil hört deine Entwicklung auf. Es kommt darauf an, dass du diese Dunkelheit nicht negativ bewertest, dich dagegen auflehnst und mit aller Macht versuchst, dieser Dunkelheit in deinem Leben keinen Platz einzuräumen. C.G. Jung stellt ganz nüchtern fest: So ist das im Leben, es gibt kein glückliches Leben ohne ein gewisses Maß an Dunkelheit.
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Dienstag, 7. November 2023

Alle Häuser würden nur Gräber sein, wären sie nicht für Gäste. (Khalil Gibran)


Ohne Gäste werden Häuser zu Gräbern! Das erschreckt mich. Mein Haus ein Grab, wenn es keine Gäste gibt?
Ich dekoriere die Räume. Ich stelle Blumen hin. Ich hänge Bilder an die Wand. Ich mache es mir gemütlich. Ich fühle mich wohl in meinen vier Wänden. Bei mir ist es doch schön und total wohlig. Und ohne Gäste wird mein Haus zu einem Grab?
Ich kann mich einrichten in meinen vier Wänden und dort warten, bis der Tod eintritt. Mein Haus wird zu einer Wartehalle des Todes. Es passiert nichts mehr! Manchmal ein neues Sofa! Die Blumen wechsel ich auch jede Woche. Ich wasche die Tischdecken und ich putze durch.
Aber im Wesentlichen ist alles im Haus geregelt. Und dadurch ist es vielleicht toter als ich dachte. "Khalil Gibran, du bist sehr streng. Du sprichst nicht einmal von einem Museum, sondern von einem Grab. Warum?" Lebendig wird etwas erst, wenn es zur Begegnung kommt. Gäste bringen Freude mit. Ihre Lebenserfahrungen. Ihr Interesse, ihre Aufmerksamkeit. Gäste bringen das Leben ins Haus.
Im letzten Urlaub war ich Gast in meinem Haus. Ich tat so, als sei es meine Ferienwohnung. Da "musste" ich auf einmal nichts mehr. Nichts reparieren, nichts putzen, nichts aufräumen. Nichts! Ich war Gast in meinem Haus. Es gehörte mir nicht mehr und ich musste kein Grab oder Museum hüten. Da kam auf einmal Leichtigkeit durch die Haustüre herein. In einer Ferienwohnung bleibe ich für eine begrenzte Zeit und breche wieder auf.  Meine "Heimat" ist woanders.
Alle Häuser würden nur Gräber sein, wären sie nicht für Gäste. So kommt mir das Leben in Deutschland oft vor. Wie ein großer Freiedhof. Gräber unter Gräbern. Magst du Gäste? Bist du gern zu Gast? Besuche mich doch mal, damit mein Haus nicht zu einem Grab wird!
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Montag, 6. November 2023

6. Impuls im Advent: Die großen Leute verstehen nie etwas von selbst, und für die Kinder ist es zu anstrengend, ihnen immer und immer wieder erklären zu müssen. (Der kleine Prinz)

Im Advent möchte ich mit dir meine Aufmerksamkeit richten auf das Ziel in Bethlehem. Ich möchte dem Kind begegnen und wahrnehmen, was dann geschieht. Die Hinweise dafür geben die "Kinder" auf der Straße, das "Kind" in dir, das "Kind" in mir und  "Kinderweisheiten" von Menschen in der ganzen Welt.

Etwas von selbst verstehen! Ich kenne das gut, dass ich häufig sage: "Jetzt erkläre mir das doch mal. Ich kann das überhaupt nicht verstehen!" "Ich habe da mal eine Verständnisfrage:" Wir verstehen als Erwachsene selten etwas von selbst. Wir schauen uns etwas an und benötigen dafür eine Erklärung von außen. Mir wird das deutlich beim Betrachten von Bildern. Wie häufig suchen wir da irgendeine Erklärung. Wir sind dankbar, wenn der Künstler uns etwas zu seinen Bildern sagt oder der Kunsthistoriker die Zusammenhänge erklären kann. Wir können auch zufrieden sein mit dem "Unerklärbaren" und hantieren mit "vielleicht" und "möglicherweise". Dann entfernen wir uns von dem Bild und der Verstand arbeitet weiter. Er versucht es wieder und wieder ein bekanntes Schema zu finden und in ein Korsett einzufügen.
Ich kann keine Telefonanlage von selbst verstehen und auch keinen Automotor. Ich benötige dazu eine Anleitung und eine persönliche Unterstützung. Ich freue mich über verständliche Erklärungen, die meine visuelle Art der Wahrnehmung mit einbeziehen.
Etwas von selbst verstehen? Wenn ich Kinder frage, dann bekomme ich häufig die Antwort: "Ist doch ganz einfach!" "Kann man doch auf dem ersten Blick sehen!" "Das ist doch nicht schwer!" Kinder können offenbar noch etwas von selbst verstehen. Sie brauchen keine Erklärungen. Alles erklärt sich von selbst. Das bezieht sich vor allem auf die großen philosophischen und theologischen Fragen. Wo kommen wir her? Wo gehen wir hin? Kinder finden da schnell eine Antwort und dann ist es erledigt. Das fühlt sich dann für uns Erwachsene so leicht und unbeschwert an!
Mehr Leichtigkeit, weniger Anstrengung, etwas von selbst! Wie klingt das in deinen Ohren? Kannst du trotz so mancher schmerzhafter Lebenserfahrungen über viele Jahre hinweg noch Leichtigkeit in dein Leben hineinbringen? Wann gelingt dir das gut und in welchen Situationen eher weniger? Im Evangelium erzählt Jesus von der Art und Weisheit der Samenkörner. Du säst sie und am Ende gibt es einen großen Strauch. Das Wachsen geschieht automatisch, wie von selbst. Wenn wir uns dem Fluss des Lebens hingeben bekommen wir am Ende und erst am End schon unsere Antwort und nicht vorher. Wir sollten nicht ständig bei den Zwischenstationen anhalten, jedes mal dort bis in die Tiefe bohren und alles in Frage stellen. Ich wünsche dir heute ganz viel von dem "wie von selbst"!
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Auf deine Kompetenz kommt es an und nicht auf deine Qualfikation!

Ich treffe immer wieder Menschen, die eine bestimmte Stelle nicht bekommen, weil sie nicht qualfiziert sind. Es ist gut, wenn du viele Scheine vorweisen kannst. Viele Prüfungen mit Siegel und Unterschrift. Dabei gilt eine Qualifikation von einer Universität sicherlich mehr als ein Papier von einem "Noname"-Institut. Manchmal schaue ich beim Aufräumen in meine Zeugnismappe und blicke auf meine zahlreichen Qualfikationen. Ich bin z.B. zertifizierter Kurzschriftpaktizierender und  "Bibliothekshelfer". Ein Zeugnis erzählt, dass ich EDxTM kann und außerdem habe ich auch noch ein Abiturzeugnis. Die Summe meiner Qualifikationen insgesamt wären in der Lage, mein Ego gut aufzublasen.
Doch die entscheidende Frage ist: bin ich auch kompetent? Ich bin kompetent im Kochen von Linsensuppe habe dazu jedoch keine Qualifikation. Ich besitze eine Qualifikation in Kurzschrift und bin Null kompetent. In der Bewältigung von Aufgaben zählt für mich die Kompetenz. Und da begegnen mir sehr viele Menschen. Ich kenne sehr kompetente Mütter und Väter, "LeckerköchInnen", Reinigungskräfte, TrösterInnen, handwerklich Begabte, "FreizeittherapeutInnen" und "WeltversteherInnen". Denen vertraue ich!
Manchmal kommt auch beides zusammen: Qualifikation und Kompetenz. Ist auch nicht schlecht! Mir würde es gefallen, wenn Menschen mit Kompetenz mehr Achtung bekämen, auch finanziell in ihren Berufen. Denn die Kompetenten gestalten die Welt.
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Samstag, 4. November 2023

Von hoch oben aus betrachtet!

Von unten sehe ich die Störche da auf ihrem Nest. So schnell kommt da kein Fremder hoch. Da stehen die drei auf ihrer Nestinsel. Ich möchte nicht tauschen. Ich hätte Angst, dort herunterzufallen.
Aber für jetzt stelle ich mich mal dazu. Ich betrachte mal alles von oben aus.

"Ich war bislang immer da oben im Nest. Ich bin dort geboren und nie heruntergekommen. Alles, was ich sehe, habe ich noch nie von Nahem gesehen. Ich bin noch nie so richtig damit in den Kontakt gekommen. Alles fühlt sich an wie ein Film. Ich bin Zuschauer und unbeteiligt. Manchmal möchte ich vom Nest heruntersteigen und meine Neugier befriedigen. Aber ich kann noch nicht fliegen. Ich muss hier hocken und auf den Tag warten, wo meine Flügel mich tragen. So lange bleibe ich Zuschauer."

Wie sähe mein Leben aus, wenn ich nur Zuschauer und Beobachter wäre. Ich müsste mich nicht mehr aufregen. Ich hätte nichts mehr zu tun. Ich könnte mich ausruhen. Lass die anderen mal machen. So ab und zu täte mir das ganz gut. Aber ich wäre nicht mehr dabei! Ich könnte nie eingreifen. Ich könnte meine "Schöpferqualitäten" nicht mehr ausleben. Meine Neugier befriedigen! In den Kontakt gehen!

Wenn ich nur Teilnehmer wäre am Leben, könnte ich mich leicht darin verlieren. Dort treffe ich dann die gestressten und Burnout Gefährdeten. Immer wuseln. Immer dabei sein. Nie eine Pause machen. Es könnte ja wichtiges laufen und ich bin nicht dabei. Ich müsste die Kontrolle abgeben.

Und nun? Ich bin Beobachter und/oder Teilnehmer. Mal die eine Position und mal die andere Position. Und manchmal auch beide zugleich. Darin besteht die menschliche Kunst, dieses Spiel gut zu spielen! Aber wer bin ich, wenn ich weder beobachte, noch teilnehme?
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Freitag, 3. November 2023

Wie kannst du bestehen im Strom des Wandels?


Im Schaufenster eines Geschäftes sehe ich das Bild einer Schildkröte mit der Umschrift: "Im Strom des Wandels."
Mir kommt es so vor, dass ich in einem Strom schwimme und das Tempo wird ständig schneller. Als Kind lebte ich an einer Bundesstraße, wo ab und zu Autos herfuhren. Alles überschaubar. Wir winkten noch den Menschen im Zug nach, der langsam an unserer Siedlung vorbeifuhr. Auch da wandelte sich ständig etwas. In meiner Familie haben wir lange auf das Tastentelefon gewartet und fanden den Umstieg spannend. Dann wurde die Bundesstraße verlegt und wir wohnten auf einmal in einem reinen Wohngebiet ohne Schnellstraßenanschluss. Unser Dorf bekam ein Schwimmbad.
Mir kam es immer so vor, dass genug Zeit blieb, den Wandel zu bedenken und zu bearbeiten und zu verarbeiten. Die Seele kam nach. Wir konnten in der Familie und im Dorf die Veränderungen besprechen und waren anschließend sicher, dass das Leben immer noch sicher ist.

Wie auf dem Bild im Schaufenster erlebe ich mich in meiner seelischen Verfasstheit eher wie eine Schildkröte. Ich brauche meine Zeit. Das geht nicht alles so schnell. Und jetzt lebe ich als Schildkröte in einer Zeit, die sich ständig beschleunigt. Kaum habe ich ein Computerprogramm verstanden und kann es anwenden, ist es schon von vorgestern und ich muss ein neues lernen. Ständig neue Informationen strömen ungefiltert in mein Gehirn ein. Eine Flut von Mails, ein hohes Tempo bei den Filmen und in Gesprächen fordern meine Schneckenseele heraus. Werde ich zu alt für diese Welt?Empfinden das junge Menschen genauso wie ich?

Ich bin eine Schnecke im Strom des Wandels. Wie kann das gut gehen? Ich werde mir der Qualität meines Schneckendaseins bewusst. Hinter dem Tempo des Wandels bleiben die Grundbedürfnisse bei uns Menschen bestehen. Egal wie schnell und wie viel Wandel auch immer - ich habe ein Bedürfnis nach Freude, nach Sicherheit, nach Verbindung, nach Anerkennung... Ich lasse mich von der Unruhe des Tempos nicht anstecken und lerne, gut bei mir zu bleiben und mich nicht aus der Ruhe bringen zu lassen. Das gelingt mir nicht immer. Aber wenn es mir bewusst wird, lehne ich mich entspannt zurück und betrachte den Wandel von außen. Wie schön, dass ich hier sitzen und schauen darf. Soll sich die Welt doch abhetzen. Ich steige wieder ein, wenn es für mich Sinn macht!
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