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Dienstag, 31. Mai 2022

An etwas Gutes erinnert man sich, das Böse geht einem nicht mehr aus dem Sinn. (aus Finnland)


Worüber hast du dich heute gefreut? Fällt dir etwas ein? Worüber hast du dich vor zwei Wochen gefreut? Was ist dir in den letzten Wochen Gutes passiert? Jetzt denkst du vielleicht nach und dann bekommst du eine Idee! Ja! Ich war doch eingeladen zum Geburtstag. Es war nett! Ich habe da diese interessante Frau kennengelernt. Das war ein sehr schöner Abend. Jetzt, wo du danach fragst, fällt es mir auch wieder ein.
Das Gute gerät aber so nach und nach in Vergessenheit. Es taucht nur wieder auf, wenn ich mich bemühe. Wenn ich nachdenke. Wenn ich mich erinnere. Die Aktivierung des schönen Ereignisses wird für mein System nicht mehr gebraucht.
Wenn mich etwas schockiert, dann bleibt das im Körper hängen. Sofort bekomme ich einen Adrenalinschub. Bloß nicht weiter da dran denken. Das Ereignis geht mir nicht mehr aus dem Sinn. Wenn ich mich selber frage, wann ich denn mal etwas Schreckliches erlebt habe, dann reihen sich die Ereignisse wie Perlen an einer Schnur. Es läuft ab wie ein Film.
An das Gute kann ich mich durch nachdenken aktiv erinnern und mich freuen. Das Böse steckt noch in den Knochen. Was mache ich mit dieser finnischen Weisheit? Wenn ich möchte, dass ich entspannt und ausgeglichen bin dann arbeite ich lieber an meinen positiven Erinnerungen. Ich lasse das Gute in mir groß werden. Ich tue aktive etwas dafür. Und ich passe auf mich auf, dass ich mich nicht suhle in den negativen Ereignissen. Nicht ständig erinnern! Nicht immer wieder sich selbst quälen. Es zumindest nicht auch noch forcieren. Und zugleich eine innere Friedensarbeit mit sich machen. "Auch, wenn mir dieses Ereignis in den Knochen steckt, darf ich weiterleben. Danke!"
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Montag, 30. Mai 2022

In diesem Spiegelkabinett siehst du eine Menge Dinge. Reibe dir die Augen! Nur du allein bist da. (Rumi)


Stell dir vor, dass du dich eigentlich die ganze Zeit in einem Spiegelkabinett befindest. Du siehst vielleicht mit deinen körperlichen Augen Gegenstände, Tiere und Menschen. Aber wenn du dir die Augen reibst, dann bist du allein da. Ein interessanter Gedanke von Rumi, nicht wahr.
Worin liegt der Kern der Wahrheit? Du siehst einen Menschen, den du nicht magst. Er redet zu laut und zu viel und du ärgerst dich über ihn. Wenig später triffst du eine Freundin oder einen Freund und diese bittet dich, ein wenig leiser zu sprechen und dass sie auch mal zu Wort kommen möchte.
Erst da wird dir bewusst, dass du eine Eigenschaft hast, die du bislang gar nicht so wahrgenommen hast. Dir fällt eine korpulente Person auf, die dich damit konfrontiert, dass du selber Angst davor hast, zuzunehmen. Du möchtest nicht so werden wie deine Eltern und dein Partner sagt dir ins Gesicht, dass du gerade eben so wirst.
Immer dann, wenn deine Gefühle in der Begegnung mit einem Menschen wach werden siehst du dich selbst. Du gehst in Resonanz. Die Menschen um dich herum sind das Spiegelkabinett, in dem du dich spiegelst. Also hör auf, die anderen fertig zu machen. Am Ende beschimpfst du dich nur selbst. Schau lieber in dein "Spiegelkabinett" und nicke dir freundlich und wohlgesonnen zu. Du wirst feststellen, dass die Welt im außen dir dadurch auch gleich viel freundlicher erscheint.
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Samstag, 28. Mai 2022

Was für eine Wohltat wäre es nicht, die Ohren so leicht verschließen und öffnen zu können, als die Augen! (Georg Christoph Lichtenberg 1742 - 1799)

Lichtenberg gefällt mir. Wenn ich das Elend der Welt nicht mehr sehen möchte schließe ich die Augen. Es wird dunkel und stille in kann in mir einkehren. Wir sind augenmäßig völlig überreizt. Immer neue Sinneseindrücke. Alles in rasendem Tempo. Wie viele Impulse nehmen wir Tag für Tag über unsere Augen auf. Aber irgendwann kann ich die Augen schließen und alles stoppt. Kein Licht dringt mehr nach innen. Mein ganzes System kann sich erholen. Es geht ganz leicht. Ich muss nur wenig dafür machen und ich habe es selber in der Hand. Einfach die Augen schließen. Zehn Sekunden reichen schon aus, um einen Unterschied zu machen. Schließe doch jetzt mal einfach für einen Moment deine Augen und mache eine Sehpause. Welch eine Wohltat, nicht wahr?

Mit den Ohren geht das nicht. Von Anfang unseres Lebens an bis zum Schluss hören wir. Auch in der Nacht. Es sei denn, wir haben Ohropax. Aber natürlicherweise können wir nicht aufhören zu hören. Wenn du es still haben willst, musst du dich zurückziehen und die Türen und Fenster schließen. Du kannst so gut für dich sorgen, dass es still wird. Aber du kannst nicht eigenständig deine Ohren verschließen. So mal eben für einen winzigen Augenblick.

Wenn ich an Besprechungen teilnehme kommt immer wieder so ein Moment, Ah, das tut gut!" Ich war mal auf einer Weiterbildung, da erklang jede Stunde ein kleiner Gong. Alle schwiegen für eine Minute bis der Gong wieder ertönte. Jede Stunde!
wo ich das gerne könnte. Die Ohren verschließen und keine Stimme mehr hören. Keine Bitten und keine Appelle. Keine Schmeicheleien mehr und keine Vorwürfe. Für einen Moment so tun können, als sei niemand mehr da. Den eigenen Herzschlag spüren und gut mit sich sein. Viele Stimmen und und viel Lärm können manchmal sehr belastend sein. Die Augen schließen geht immer - aber für die Ohren muss ich aktiv sorgen. "Können wir mal alle für einen Moment den Mund halten und schweigen?" "

Wie sähe dein Leben mit einer solch kleinen Unterbrechung aus? Du würdest an jedem lauten und belebten Ort in der Welt für eine Minute schweigen. Die Welt würde still stehen und ein Pause machen. Zeit zum Nachdenken. Wieder aufmerksam werden für das, was wichtig ist. "Ah, die Pause!" "Hören" wir auf und in uns hinein!
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Freitag, 27. Mai 2022

Wer ich bin!


Ich bin nicht Christ, nicht Jude, nicht Parse, (...) nicht Muselmann. Ich bin nicht vom Osten, nicht vom Westen, nicht vom Land, nicht von der See. (...) Mein Ort ist das Ortlose, meine Spur ist das Spurlose; Es ist weder Leib noch Geist, denn ich gehöre der Seelen Seele, der allumfassenden Landschaft des Lichts. Die mit allem verschmolzen, sogar mit dem Nichts. (Rumi)

Ich gehöre der allumfassenden Landschaft des Lichts. Ich gehöre der Seelen Seele. Ich gehöre also zu einem größeren Ganzen. Wie verändert sich mein Denken, Fühlen und Handeln, wenn ich in diesem Bewusstsein lebe?

In der Regel identifizieren wir uns mit irgendetwas. Ich bin ein Mann und du vielleicht eine Frau. Ich bin Münsterländer und du vielleicht Hamburgerin. Ich kann mich mit meinem Beruf identifizieren, mit der Rolle als Vater, mit der der Macht oder damit, Vegetarier oder Pastaliebhaber zu sein. Ich kann wie ein Puzzle meine verschiedenen Aspekte zusammensetzen und erhalte ein buntes Mosaik. Das bin dann ich! Aber bin ich das wirklich? Oder brauche ich all das nur um mich als "mich selbst" zu fühlen. Wenn das alles nicht wäre, wäre ich nichts mehr. Ich würde in die Bedeutungslosigkeit versinken. 
Mit meinem Tod höre ich auf, so ein Mosaik zu sein. All das zählt nicht mehr. Ist nicht mehr wichtig. Aber wer bin ich dann? Rumi sagt nichts von "sein".Sondern er spricht von einem Ort, wo ich hingehöre, dem ich angehöre. Ich gehöre der Seelen Seele, der allumfassenden Landschaft des Lichts. Ich gehöre zu der Seele, die alle Seelen umfasst und beinhaltet und zugleich größer ist als diese. 

Wenn ich da hin gehöre, dann kann ich mich ja auch von da her denken und empfinden. Schon jetzt. Dann kann ich nach und nach mein "Mosaik" hinter mir lassen und mich auf das besinnen, was ich vom Urgrund her immer schon war, bin und wieder sein werde. Ich kann mich erinnern daran und wieder daran anknüpfen. Das kann zu einer alltäglichen spirituellen Praxis werden. Eine Praxis, für die es nicht den Namen Christ, Muslim oder Hindu braucht. Immer dann, wenn ich mich quasi verbeiße in etwas, das scheinbar so unendlich wichtig ist halte ich mich innerlich an. Als Arbeitnehmer muss ich das jetzt regeln und für meine Aufgabe eine Lösung finden. Als angehörige Seele der allumfassenden Landschaft des Lichtes kann ich eine neue Qualität in meine Arbeit legen. Eine schöpferisch gestaltende. Ich engagiere mich, hafte aber nicht daran fest. Ich lasse zugleich wieder los. Ich bewege mich in einem inneren Raum von großer Freiheit. Ich darf mich in dieser Kunst einüben, zugleich ein körperliches Geschöpf dieser Erde zu sein mit den dazugehörigen Bedürfnissen und Fähigkeiten. Und zugleich lebe ich das im Bewusstsein, wer ich noch und ureigentlich bin, wenn ich zur Landschaft des allumfassenden Lichtes gehöre. 
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Donnerstag, 26. Mai 2022

Das Wort, das aus der Seele kommt, das setzt sich ganz bestimmt ins Herz! (Rumi)

Es gibt Worte, die aus dem Kopf kommen und Worte aus der Seele. Manchmal höre ich einem Menschen zu und es bewegt sich in mir nichts. Ja, ich denke was. Aber es rührt sich nichts. Worte, die keine Schwingungen erzeugen.
Manchmal kann ich auch Vorträge halten und bin ganz im Kopf. Es soll richtig sein, was ich da sage. Wissenschaftlich gut abgesichert. Ich sehe die Menschen, die kritisch zuhören. Sie sollen keine Angriffsfläche haben bei dem, was ich sage.
Doch wenn ich aus meiner Seele spreche ist mir das völlig egal. Es ist egal ob meine Worte richtig sind. Ob sie wissenschaftlich bestehen können. Ich spüre meine Leidenschaft. Es blutet mein Herz! Wenn ich einen Menschen höre, der aus seiner Seele zu mir spricht kann ich gar nicht anders als mein Herz zu öffnen. Diese Worte setzen sich dort fest. Sie wirken! Sie bewegen mich!
Die Worte für den Verstand habe ich ein paar Sekunden später wieder vergessen. Wie war das noch mal? Was hat er da gerade gesagt? Wenn jemand in der Beratung mir von seiner Not erzählt dann kann ich nicht "kalt" bleiben. "Mach es doch so!" - Das geht nicht. Wenn ich die Not höre, dann brauche ich Zeit zum spüren. Dann rumort es im Herzen. Dann wallt es auf! Das fühlt sich nicht immer schön an, ist aber heilsam und wichtig! Und mal ehrlich: Von welchen Worten leben wir? Von den Worten für den Verstand oder denen fürs Herz? Ich lebe von den Worten, die sich in meinem Herzen festsetzen.
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Mittwoch, 25. Mai 2022

Nahrung für die Seele!




In einem Bericht über technische Veränderungen am Arbeitsplatz lese ich einen interessanten Gedanken. Arbeitsabläufe, die früher mit Händen und Muskelkraft mühsam bewältigt wurden, werden heute von Maschinen erledigt. Für eine solche Arbeit braucht es dann eher Köpfchen als Händchen. Im Laufe der Jahre entstanden in klugen Köpfen Maschinen in klein und groß bis überwältigend für alle erdenklichen Arbeitsabläufe. Dabei werden die Techniken immer detaillierter und ausgereifter. Viele empfinden es als eine große Erleichterung, weniger körperlich belastet zu sein. Allerdings steigt damit auch die Erwartung an den Kopf. Technik will bedient werden. Wenn ich entscheiden müsste eine Kiste von A nach B zu tragen, würde ich mich auch für den Gabelstapler entscheiden.
Im Baumarkt stehe ich staunend vor all den vielen Geräten und Werkzeugen. Für jede erdenkliche Arbeit existiert ein spezielles Werkzeugteil. Dahinter steckt letztlich ein unglaublicher Erfindergeist und Präzisionsarbeit über viele Jahrzehnte bis zu Jahrhunderten.
Jetzt mache ich einfach einen Sprung und betrachte ich meine Seele. Wurde für die Seele inzwischen auch ein Gabelstapler erfunden, der das Leben erleichtert? Manchmal habe ich den Eindruck, dass wir unsere Seele immer noch mit den Steinzeitwerkzeugen bearbeiten. Meistens ignorieren wir sie. Wir hoffen, dass sie uns im Alltag nicht in die Quere kommt und die Stimmung vermasselt. Was stellen wir mit unserer Seele alles unbewusst und unbemerkt so an?
Wir spüren nicht, wenn wir zu stark belastet sind in unseren Beziehungen und unserer Arbeit und machen einfach weiter so.
Wir streifen unsere Bedürfnisse nach Geborgenheit und Streicheleinheiten ab wie eine nicht nötige Haut und denken, wir müssten den Alltag bewältigen.
Wir nehmen uns Zeit zum Putzen der Zähne und verschieben das Seelenpflegen auf die wenigen Urlaubstage im Jahr. Dabei verwechseln wir auch noch körperliches Ausruhen mit aktiver Seelenpflege.
Was braucht die Seele denn eigentlich zum Leben? Im übertragenen Sinn kann ich fragen: Wenn der Körper zur Entlastung einen Gabelstapler braucht, was braucht da die Seele?
Die erste Antwort, die mir dazu einfällt heißt: Nimm sie erst einmal wahr! Beachte sie! Schenke ihr deine Aufmerksamkeit! Befrage sie doch einmal: „Was brauchst du, dass es dir gut geht?“ Vielleicht wird deine Seele erst zaghaft und zögerlich hervorkommen und Schwierigkeiten haben, sich auszudrücken.  Sie braucht Zeit.  Sie ist unglaublich schnell und zugleich braucht sie Zeit und ungeteilte Aufmerksamkeit. Ich empfehle dir folgende Übung.
Du gehst zum Bäcker und schaust auf die Auslagen. Du schaust nicht mit den Gedanken im  Kopf: „Was fehlt in meinem Haushalt, was ist gesund? Wie teuer ist das?“ Du fragst stattdessen deine Seele: „Worauf hast du Lust! Was lacht dich an! Was erfreut dein Herz!“ Es kann sein, dass du am Ende ganz unvernünftig bist und irgendein Sahneteilchen kaufst. Dein Kopf wird Bedenken äußern, aber deine Seele frohlockt. Mir geht es bei diesem Beispiel nur das Einüben. Zugleich geht es darum, dass du den Unterschied spürst, ob du im Kopf bist oder mit der Seele arbeitest. Auf die Dauer sollten Kopf und Seele natürlich besser zusammenarbeiten.
Deine Seele benötigt eigentlich keinen Gabelstapler. Deine Seele ist schöpferisch und kann jeder Zeit etwas neu erfinden und hervorrufen. Sie erzählt Geschichten, schenkt dir Freude im Alltag, hüpft um dich herum wie ein kleines Kind, schenkt dir spontan tiefe Erkenntnis und Weisheit, ist unberechenbar und total zuverlässig an deiner Seite.
Zugleich ist sie flüchtig und versteckt sich, wenn du für sie nicht aufmerksam bist. Wie Was für Gewichte der Gabelstapler, ist die Achtsamkeit für die Seele. Wenn du weißt, dass deine Zähne tägliche Pflege brauchen um gesund zu bleiben, dann schenke deiner Seele ein Vielfaches denn mit ihr reist du in das neue Leben. 

Dienstag, 24. Mai 2022

Die fünf Freiheiten nach Virginia Satir



Virginia Satir war eine wichtige systemische Familientherapeutin und lebte von 1916 - 1988. Sie hat wertvolle Impulse gesetzt für familäre Strukturen und sehr wertschätzend und ressourcenorientiert gedacht und gehandelt. Sehr bekannt geworden sind ihre "fünf Freiheiten", die ich gerne nach und nach erschließen möchte.

Die erste Freiheit: Die Freiheit zu sehen und zu hören was im Moment wirklich da ist, anstatt was sein sollte, gewesen ist oder erst sein wird. 

Mein Mann sollte mir besser zuhören können. Dann wäre das Leben viel schöner. Mein Kind sollte mehr aufräumen, dann wäre ich viel entspannter. Mein Arbeitgeber sollte sehen, was ich alles leiste, dann würde ich viel lieber arbeiten.
Oder: Früher war doch alles besser. Die Bahn war pünktlicher. Die Brötchen schmeckten frischer und waren günstiger. Die Milch kam noch von der Kuh. Ich war körperlich fit. Die Welt war einfach schöner. Die Leute hatten alle mehr Zeit.
Oder: Wenn ich in Rente gehe, dann werde ich mehr Zeit haben. Wenn meine Kinder groß sind, dann werde ich endlich tun können was ich immer schon tun wollte.
Du denkst oft mit den Worten: "sollte" du gehst in die "gute Vergangenheit" oder phantasierst dich in eine "bessere" Zukunft. Du machst das schon automatisch, ständig oder mehrmals am Tag. Du verlässt die Gegenwart und den Augenblick und merkst nicht, wie unfrei du dadurch wirst. Du wirst wie ein Sklave, der sich die Freiheit wünscht: Wenn ich erst einmal diese Fesseln los werde, dann wird alles anders! Pustekuchen!
Virginia Satir lädt dich ein zu einem ganz bestimmten Aspekt der Freiheit. Du entscheidest dich für das "sollte" "die tolle Vergangenheit", die "bessere Zukunft". Du trägst die Verantwortung dafür, wohin deine Phantasie, Sichtweise, dein Ohr und deine Gedanken gehen.
Und du hast die Freiheit, dich jetzt neu zu entscheiden! Du kannst dich dafür entscheiden und hast die Freiheit das zu sehen und zu hören, was im Moment wirklich da ist. Du musst dir nichts vormachen. Du brauchst nichts beschönigen. Du musst dir die Zukunft nicht toll vordenken. Bekommt das, was ist, jetzt von dir die Erlaubnis da zu sein?
Mein Mann kann nicht zuhören. Das ist so. Aber ich kann ihn immer wieder darauf hinweisen, dass er das jetzt in diesem Augenblick tun kann. Mein Kind ist kein Aufräumer. Das ist einfach so. Und mein Kind ist trotzdem in Ordnung. Die Welt wird nicht untergehen, wenn es nicht aufräumt und es bleibt mein Kind. Mein Arbeitgeber ist blind für die Leistungen der Angestellten. Das ist einfach so! Aber ich kann für mich würdigen, was ich leiste. Und ich leiste was! Und das fühlt sich stark an! Egal, ob es der Chef sieht oder nicht.
Ich warte nicht bis zur Rente, damit ich mehr Zeit habe. Jetzt in diesem Augenblick nehme ich mir die Zeit. Es ist meine Zeit, meine Lebenszeit. Heute schmecken mir die Brötchen und außerdem bin ich ein toller Bäcker. Und heute noch werde ich tun, was ich immer schon gerne tun wollte.
Spürst du wie es ist, wenn du ein Gespür für deine Freiheit wieder findest und entwickelst? Wenn du unerfüllten Sehnsüchten hinterherträumst kann es dich viel Kraft und Energie kosten und irgendwann bist du weg! Du bist nicht mehr da. Gedankenverloren schlürfst du deinen Kaffee und weißt gar nicht, was du getrunken hast. Was kannst du jetzt in diesem Moment hören und sehen?

Die zweite Freiheit: Die Freiheit das auszusprechen, was ich wirklich fühle und denke, und nicht das, was von mir erwartet wird.

Was wird von dir erwartet? Von einer Mutter wird erwartet dass sie empört ist, wenn das eigene Kind ungerecht behandelt wird. Von einem Kind wird erwartet, dass es auf  seine Eltern hört.
Was wird von dir in einer Beziehung erwartet? "Wenn du mich wirklich liebst, dann wüsstest du jetzt wie es mir geht!" "Wenn ich wirklich wichtig für dich wäre, dann würdest du dich heute nicht mit deinen Freunden treffen sondern bei mir bleiben!"
Ich kenne solche Merkwürdigkeiten zur Genüge aus meiner Kindheit. Häufig hatte ich so Fragen und

Montag, 23. Mai 2022

Nichts kann mehr zu einer Seelen-Ruhe beitragen, als wenn man gar keine Meinung hat. (Georg Christoph Lichtenberg)


Ist Herr Scholz gut für Deutschland?
Ist er es noch oder war er es einmal?

Ist es gut, Schulden zu machen und alles zu "besitzen", was im Leben Freude bereitet?
Ist es doch besser, wenn man nur wenig hat, auch mit dem Wenigen auszukommen?

Wer bietet die besseren Produkte an: Lidl oder Aldi?
Oder gehe ich noch besser zum Rewe oder zum Edeka?

Ist die Kirche gut für den Menschen oder doch eher schädlich?
Sollte man überhaupt einer Religionsgemeinschaft angehören?

Jetzt kannst du dir eine Meinung bilden über diese Fragen. Du kannst dir aber auch eine Meinung bilden über die Qualität von Hotels im Urlaub, die Marke deiner Jeans, die politische Einstellung von Biden und den Ausbau der Autobahnen in Deutschland. Du kannst dir über alles eine Meinung bilden. Je mehr du "meinen" musst, desto höher steigt dein Adrenalinpegel!
Du kannst aber auch darauf verzichten, etwas zu meinen. Wenn du keine Meinung hast bekommst du auch kein Ärgergefühl und keine Traurigkeit. Du fühlst dich irgendwie neutral. Und wenn du dir vorstellst, dass du auf deinem Sterbelager liegst, dann könntest du denken: "Im Moment finde ich alle diese Fragen gar nicht wichtig. Ich liege hier und gehe bald. Nur das ist wichtig!" Aber auch da noch könntest du dir eine Meinung bilden. "Gibt es ein Leben nach dem Tod oder keines?" Das Nachdenken über diese Frage kann dich wieder aus der Ruhe bringen. Sehr schlau, was Georg Christoph Lichtenberg schon im 18. Jahrhundert herausbekommen hat. "Nichts kann mehr zu einer Seelen-Ruhe beitragen, als wenn man gar keine Meinung hat.
Wenn ich nichts mehr meine, bin ich nicht im Kopf und in meinen Gedanken. Ich verhindere schlechte Gefühle und damit verbunden Adrenalin und Cortisol. Das wäre sicherlich manchmal sehr hilfreich, wo doch heute alles zu allem irgendeine Meinung haben. Aber ganz ohne Meinung zu irgendetwas ist auch nicht hilfreich. Dann könnte ich ja schon tot sein. Ein bisschen Aufregung tut dem Kreislauf gut und ich weiß dass ich noch lebe und Gefühle habe. Die Kunst besteht für mich darin, nach der Meinung diese wieder loszulassen und sich dessen bewusst zu sein, dass es nur eine Meinung ist. Und du kannst dich bewusst entscheiden, auch mal keine Meinung zu haben - wegen deiner Seelenruhe! Wenn dich also jemand fragt: "Wie findest du die Merkel?" - könntest du antworten: "Ich bin gerade so schön in meiner Seelenruhe darum meine ich mal im Moment dazu nichts!"

Freitag, 20. Mai 2022

Jetzt dein Wunder!

Wartest du auf ein Wunder? Das Wunder, dass du einmal ganz reich und einmal ganz glücklich sein wirst? Eines Tages? Wartest du auf das Wunder, dass dein Traumprinz vor dir steht und schon eine Ewigkeit auf dich gewartet hat? Wartest du auf das Wunder, dem du nachspürst, wenn du du dich in einen Roman vertiefst und verlierst?
Pearl S. Buck meint sagt: "Die wahre Lebensweisheit besteht darin, im Alltäglichen das Wunderbare zu sehen." Wenn du die Erfüllung eines Wunders in der Zukunft siehst, dann bist du nicht mehr da in deinem Körper und deinem Geist. Dann bist du schon aus dir ausgewandert in das Land deiner Phantasie. So kann es geschehen, dass das kleine Wunder um Hier und Jetzt gar keine Chance hat, dich zu erreichen. Da gibt es den Vogel draußen auf dem Baum, der dich mit seiner Lebensfreude anstecken kann. Da gibt es den Sonnenstrahl, der deine Haut gerade jetzt erwärmt. Da genießt du die erste Tasse heißen Kaffee am frühen Morgen. Dir wird bewusst, dass du ein Dach über dem Kopf und eine warme Stube hast. Es gibt so viele Alltäglichkeiten, die das Wunder bergen. Wohin lenkst du deine Aufmerksamkeit? In die ferne Zukunft oder in die Gegenwart? Bist du noch da? Wo bist du gerade? Was nimmst du jetzt in diesem Augenblick wahr, wo du diese Zeilen liest.
Ich gestehe dir, manchmal versinke ich auch in meine großen Zukunftswunder. Doch jetzt, in diesem Augenblick bin ich bei dir. Du liest meine Zeilen und mein Herz wird weit.

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Die zwölf Stationen der Heldenreise nach Josef Campbell


... und was das mit dir und deinem Leben zu tun hat!

Viele Filme, Romane und Legenden folgen einem Schema, das vielen Menschen unbekannt und verborgen ist. So folgt "Krieg der Sterne" oder "Harry Potter" auch einem solchen Schema. Der Mythenforscher Josef Campbell hat sogenannte "Heldenreisen" untersucht und herausgefunden, warum und wieso ein Heldenepos funktioniert und uns als Leser oder Hörer fasziniert.
Wenn wir Helden- oder auch Heiligengeschichten lesen kann es geschehen, dass wir uns damit identifizieren. Möchtest du dich nicht auch manchmal herausheben aus der Masse der vielen Milliarden Menschen. Möchtest du nicht in einer verborgenen Ecke deines Herzens etwas Besonderes sein? Ein wenig Harry Potter oder Pippi Langstrumpf? Oder eher Winnetou oder Luke Skywalker?
Ich möchte dich einladen, mit mir die zwölf Stationen dieser Reise zu durchwandern und zugleich fruchtbar zu machen für deinen eigenen Lebensweg. Die heutige erste Station heißt:

1. Station: Der Ruf
Der Held lebt in einer oft eher langweiligen Umgebung. Er weiß nicht, dass in ihm schon ein Held angelegt ist. Er wohnt vielleicht bei Stiefeltern oder in einem Heim und die Laufbahn ist schon vorgezeichnet. Dann flattert plötzlich ein Brief ins Haus. Da steht drin, dass er eigentlich jemand ganz anders ist. Dass er eine Lebensaufgabe zu bewältigen hat oder dass irgendwo für ihn ein Schatz vergraben ist. Dieser "Ruf" weckt ihn auf aus dem Dornröschenschlaft. "Ah! Ich habe eine Bestimmung!" Der Held wird wach!

Der Impuls für dich:
Du hast auch einen Ruf! Du bist für etwas bestimmt. Es gibt so etwas wie einen "göttlichen" Plan. Du bist nicht zufällig da. Du bist keine graue Maus, die irgendwann kommt und irgendwann geht. Vielleicht wirst du keine tolle Erfindung machen oder Bundeskanzlerin. Dennoch existiert in dir eine Stimme, die dich ruft. Diese Stimme sagt dir: "Du! Du! Du bist gemeint! Niemand sonst!"
Und? Bist du schon einmal gerufen worden? Wartest du auf die große "literaturwürdige" Reise? Oder bist du auch bereit für dein ganz persönliches Abenteuer, das in keinem Buch aufgeschrieben wird und wo dich kein Fernsehsender begleitet.
Dieser Ruf kann auf sehr verschiedene Art und Weise erfolgen. Dir fällt etwas ins Auge! Du bekommst einen Brief. Du triffst einen Menschen, mit dem du nicht gerechnet hast. Du spürst im Herzen ein unglaubliches "Ja". Es geschieht etwas und du bist auf einmal ein "Wissender". Du weißt es. Punkt. Das ist der Ruf. Wenn du keinen Ruf hast eierst du so lange eben herum. Dann bist du noch nicht so weit oder die Aufgabe ist noch nicht dran oder vorbereitet. Vielleicht hast du ihn auch schon verpasst, sogar mehrfach?! Spür dem einmal nach. So lange du lebst bekommst du die Chance, deinen Ruf zu hören und ihm zu folgen. ...so lange du lebst!

2. Station: Die Weigerung
Der Held geht nicht sofort los und stürzt sich ins Abenteuer. Bin ich wirklich gemeint? Ich kann das doch gar nicht. Das war nur ein Spuk! Ich bin doch ganz normal! Ich habe gar nicht die Fähigkeiten und die Ausrüstung für mein Unternehmen.
Der Held spürt also einen Widerstand. Den Widerstand zu spüren ist unglaublich wichtig. An der Reibung mit dem Widerstand geschieht die innere Reifung und das Wachsen der Bereitschaft. Bei dem Begriff der Resilienz sprechen wir auch vom Wachsen trotz der Widersprüche. Da werden z.B. Kinder überlebensfähig und erwachsen obwohl sie keine behütete Kindheit hatten.
Nach dem Anruf kommt also die Weigerung. Ich nicht! Warum? In der Bibel gibt es auch solche Berufungsgeschichten mit Weigerung. Ich muss mich noch verabschieden. Ich muss noch meinen Vater begraben. Ich bin noch zu jung.
Da möchte ich noch einen Unterschied machen zwischen Ausrede und Weigerung. Bei einer Ausrede ist eigentlich schon die Entscheidung gefallen, dem Ruf nicht zu folgen. Der Mensch traut sich nur nicht, die Wahrheit zu sagen. Bei der Weigerung geht es um den Prozess der inneren Auseinandersetzung. Das Ergebnis steht also noch nicht wirklich fest. Alles ist im Prozess.

Der Impuls für dich:
Wie gehst du mit Widerständen um? Du hast eine Anfrage. Jemand richtet einen Wunsch an dich. Wie findest du heraus, ob du gar nicht willst und nur nach einer Ausrede suchst. Oder wo spürst du, dass du diese Herausforderung eigentlich annehmen möchtest. Manchmal geht es um bestimmte Ängste. Bin ich richtig? Kann ich das? Habe ich genug Zeit? Ist das nicht eine Nummer zu schwer? Wie stehe ich da wenn ich versage? Muss ich mich dann schämen?
Wenn du umgekehrt jemanden "rufst" ist es hilfreich, nicht sofort eine Antwort zu erwarten. Lass Zeit zum Nachdenken und Reifen. Spüre den Widerstand und ringe ruhig ein paar Tage mit dir. Lass die Fragen und Ängste hochkommen damit sie verarbeitet werden. Am Ende wird in dir eine Entscheidung reifen zu der du stehst und die du nicht ständig hinterfragst. Am Ende steht als Ziel der Weigerung und des Ringens eine kräftige Entscheidung.

3. Station: Der Aufbruch
Nach dem Ruf und der Weigerung erfolgt der Aufbruch zur Reise, natürlich mit der entsprechenden Vorbereitung und den notwendigen Instruktionen. Erinnerst du dich noch an Harry Potter und seine erste Zugfahrt? Irgendwann beginnt jede Reise und wir fiebern mit, ob der Held gut ausgerüstet ist. Alles ist neu. Aufregend und spannend! Das Abenteuer beginnt endlich. Je länger die Weigerung dauerte und je intensiver der Prozess der Weigerung und des Widerstandes war, desto spannender gestaltet sich die Aufbruchsituation. Manchmal wird der Held auch in sein Abenteuer gestürzt, obwohl er es gar nicht wollte. Er muss einfach dem Schicksal folgen, das für ihn vorgesehen ist. "Fremde Mächte" sorgen dafür, dass er seine Bestimmung erfüllt.

Der Impuls für dich:
Stell dir vor, dass du dich auf eine Reise begibst. Du fährst in den Urlaub und packst deinen Koffer. Was für ein Kofferpackertyp bist du? Sorgst du für alle Fälle vor? Für Kälte und Hitze? Für Trockenheit und Regen? Für die Bequemlichkeit mit möglichst vielen "elektrischen Erleichterungen"? Schreibst du einen Zettel und packst sorgfältig ein? Oder machst du alles spontan: Klamotten rein in den Koffer und zu. Maximal eine viertel Stunde!
Wenn du darüber nachdenkst, hast du einen guten Anhaltspunkt wie du mit den Aufbrüchen ins Unbekannte umgehst. Bist du ein Sicherheitstyp oder ein Abenteurer, den mögliche gefährliche Situationen nicht scheren. Oder gehörst du zu den Menschen, die eh lieber auf der Couch bleiben und keine Veränderungen zulassen. Du vermeidest Aufbrüche jeder Art, weil sie von dir etwas verlangen, was du gar nicht möchtest: Eine ungewisse Zukunft! Vielleicht musst du ja auch in dein Abenteuer geschubst werden von "fremden Mächten", die es gut mit dir meinen. Oder wäre heute gerade der richtige Tag, endlich mit etwas zu beginnen, was du dir schon lange vorgenommen hast. Du hast etwas verschoben auf den Nimmerleinstag und heute ist es dran.
Manchmal geht es bei der Heldenreise nicht darum den Drachen zu bezwingen, sondern den Kühlschrank auszuputzen oder die Garage aufzuräumen. Welche Heldenreise möchtest du jetzt beginnen?

4. Station: Die ersten Probleme
Nach dem Aufbruch tauchen die ersten Probleme auf. Die Gegner bringen sich in Position. Die Reise erweist sich von Anfang an nicht als ein lockerer Spaziergang. Der Held kommt an eine Weggabelung und muss sich entscheiden. Ein Dieb stiehlt wichtige Hilfswerkzeuge. Ein Brief wird gestohlen und der Feind macht deutlich, dass er Hindernisse aufbaut wo er nur kann. Für den Helden gibt es eine Neuauflage der Widerstände und Weigerungen. Soll er wirklich weitergehen? Noch ist es Zeit zur Umkehr. Noch ist nichts verloren und das alte Leben wartet.
Als sich das Volk Israel auf die Heldenreise in das gelobte Land machte tauchte schon bald der Hunger auf. Viele wollten zurück zu den Fleischtöpfen Ägyptens. Was nützt die Freiheit wenn der Magen leer ist.

Der Impuls für dich:
Du hattest also eine Anfrage, hast hin und her überlegt, dich durchgerungen und dich positiv entschieden. Du bist froh und hoffnungsvoll aufgebrochen. Das kann ein großes Lebensabenteuer sein oder ein simpler Wochenendeinkauf. Wie gehst du mit den ersten Problemen um?
Nehmen wir doch einfach den Einkauf. Du stellst fest, dass dein Portemonnaie leer ist. Dir steht kein Auto zur Verfügung. Außerdem fängt es noch an zu regnen. Und? Was machst du? Abwarten? Aufgeben? Wenn ja - wann?
Jetzt hast du ein Auto zur Verfügung aber du findest am Supermarkt keinen Parkplatz. Jemand schnappt dir den letzten Einkaufswagen weg. Das Gemüse ist nicht mehr ganz frisch und der Ahornsirup wird nicht mehr geführt. Fährst du entnervt nach Hause? Entfaltet sich in dir ein gewisser Widerstand nach dem Motto: Jetzt erst recht!
Wenn du das Einkaufen vergleichst mit deinen übrigen Lebenssituationen. Machst du es da ähnlich? Überwindest du die ersten Probleme mit Leichtigkeit oder gibst du eher früh auf! Wenn du ein Held, eine Heldin sein möchtest dann würdest du einfach weiterreisen. Denk an das Ende, an die Belohnung! Es wartet die Hochzeit oder der Schatz oder ... einfach nur ein leckeres Abendessen auf dich!

5. Station: Übernatürliche Hilfe - das unerwartete Auftauchen der Mentoren
Zu Beginn glaubt der Held, dass er auf sich allein gestellt ist. Es ist niemand da, der ihm hilft. Doch plötzlich taucht eine weise Gestalt auf. Dieser Mentor begleitet den Helden. Er hilft in auswegloser Situation. Er kennt die Gegner, er kann die Fähigkeiten des Helden einschätzen und zeigt neue Wege auf. Er achtet darauf, dass es für den Helden nicht zu viel wird und das Abenteuer weitergeht, wo eine Sackgasse erreicht wurde. Für Harry Potter heißt der Mentor Dumbledore. Für die zwölf Apostel im Neuen Testament hieß der Mentor Jesus. Und für Annika und Tommy war es Pippi Langstrumpf.

Der Impuls für dich:
Wer waren deine Mentorinnen und Mentoren in der Vergangenheit. Welche sind es in der Gegenwart? Hast du Mentoren in deiner eigenen Familie? Im Freundeskreis? Oder gehst du zu einem Profi?
Du kannst immer wieder einmal bei deinem Abenteuer "Leben" in Sackgassen geraten. Du kommst nicht weiter mit deinen eigenen Ideen und Gedanken. Du bist blockiert oder du willst mit dem Kopf durch die Wand. Immer wieder scheiterst du mit bestimmten Fragen. Du drehst immer wieder die gleichen Schleifen und trittst in die gleichen Fettnäpfe. Du ärgerst dich über die Fehler, die du immer wiederholst.
Ein "Mentor" kann dich dabei unterstützen, mal etwas anders zu machen als gewohnt. Einen Gedanken anders zu denken! Eine andere Brille aufzusetzen! Mal eine Pause zu machen!
Manche Mentoren hast du vielleicht bislang übersehen! Kennst du schon deinen inneren Mentoren? In dir gibt es jemanden, der schon weiß! Dein Höheres-Selbst!

6. Station: Die erste Schwelle
Machen wir uns weiter auf unsere Heldenreise. Der Aufbruch ist gewagt, ein Helfer hat sich eingestellt. Da tauchen die ersten Hürden und Hindernisse auf. Prüfungen müssen bestanden werden. Rätsel müssen gelöst werden. Der Held kommt zu einem Schloss und die Tür wird von einem Löwen bewacht. Erst, wenn der Held ihn füttert mit Brot öffnet sich das Tor. Im Grunde dienen diese Prüfungen der Vorbereitung auf die eigentliche Aufgabe. Ist der Held stressresistent genug? Scheitert er schon bei den Anfangsschwierigkeiten. Hat er auch auf den Mentor gehört und die Aufgabenstellung gut verstanden?

Der Impuls für dich:
Wenn du deine Tagesaufgabe oder deine Lebensaufgabe anpackst machst du ja auch ganz unterschiedliche Erfahrungen. Du wünschst dir, dass es leicht wird. Glatt dadurch, nicht wahr? Leider funktioniert das nicht immer so. Auch da musst du kleinere und größere Schwellen überwinden. Du willst deinen Kühlschrank ausputzen und ein undefinierbares Etwas lässt sich nicht mit dem Spülwasser entfernen. Da ist dein Wissen gefragt oder deine Fähigkeit, dich irgendwie schlau zu machen. Die Gefahr besteht wieder wie am Anfang, dass du aufgibst. "Jetzt habe ich es schon versucht. Ich habe mich doch so angestrengt. Und das ist jetzt die Strafe. Womit habe ich das nur verdient!"
Die Reaktion ist verständlich, aber führt dich nicht dem Ziel entgegen. Du kannst damit rechnen, dass Hürden in der Regel auftauchen. Früher oder später! Du kannst dann resignieren oder dir einen Ruck geben nach dem Motto: Jetzt will ich es wissen! Ich gebe nicht auf!
Du darfst darauf vertrauen, dass es in dir noch ein paar Fähigkeiten und Talente gibt, die du bislang nur noch nicht eingesetzt hast.

7. Station: Fortschreitende Probleme mit übernatürlicher Hilfe
Es gibt eine Vorstufe zum Höhepunkt. Bei einer Heldenreise müssen die Probleme steigen und größer werden. Die Helfershelfer des großen Feindes zeigen ihre Krallen. Sie zeigen, wie mächtig der Feind ist. Sie jagen dem Helden Angst ein und sagen ihm: Noch kannst du umkehren! Der Held erleidet seine ersten Blessuren. Amulette gehen verloren und wichtige magische Hilfsgeräte verlieren ihre Kraft. Der Held selbst gerät in eine Situation, die immer auswegloser erscheint. Trotz und in der Bedrohung jedoch bleibt der "Mentor" präsent oder eine andere übernatürliche Hilfsquelle taucht auf. Eine Fee, die weiterweiß. Ein Engel, der den Weg zeigt. Es gibt ein neues Tor, das sich plötzlich auftut, aber in der Logik der Geschichte liegt.

Der Impuls für dich:
Wenn du deine Reise antrittst im Großen wie im Kleinen kannst du in eine solche Situation geraten. Du hast dir das alles so gut ausgedacht. Du hast so erfolgreiche erste Schritte bewältigt und dann? Du hast den Koffer gepackt und der Flieger streikt! Du hast eine neue Stelle bekommen und musst ins Krankenhaus. Da kann etwas auftauchen, dass dir den Boden unter den  Füßen entzieht.
Das machst du nicht mal eben so. Da ist dein ganzes Können gefragt! Da bist du wirklich gefordert. Da weißt du, dass es kein Spiel mehr ist. Interessanterweise wirst du feststellen, dass da auf einmal eine ganz besondere "Krisenenergie" in dir wach wird. Zur rechten Zeit am rechten Ort geht ein Ruck durch deinen Körper und durch deinen Geist und du machst dein Ding! In dieser Situation kannst du darauf vertrauen, dass es einen inneren Schalter gibt, der fast wie automatisch umklickt. Höre dann auf die innere Stimme, die dir sagt: "Hey, du schaffst das!"

8. Station: Der finale Kampf und der gerechte Lohn
Wenn du Filme siehst nach dem Muster der Heldenreise weißt du, dass alles zusteuert auf das große Finale. Bisher war alles nur Vorspiel, Geplänkel, üben und sich stärken. Jetzt kommt es darauf an. Reichen seine Fähigkeiten? Reichen die Gaben aus, die der er erhalten hat. Es kommt zum großen Zusammenspiel von Kenntnissen, Mut und Entschlossenheit, und die Mithilfe der himmlischen Kräfte. Und auch da gibt es wieder einen neuen Höhepunkt. Die Frequenz steigt. Die Bilder werden dramatischer und schneller. Der Erzfeind hat noch einen Trumpf im Ärmel. Es taucht wieder etwas Unberechenbares auf. Aber die Heldenreise folgt unbarmherzig dem eigenen Muster. Der Feind wird besiegt! Der Lohn zeigt sich endlich! Die Prinzessin, der Schatz, die Erkenntnis oder etwas anders mit hohem Wert.

Der Impuls für dich:
Nicht immer gestaltet sich deine eigene Heldenreise so dramatisch wie im Roman oder im Film. Dennoch wirst du auch so etwas erleben wie ein Finale. Du kommst zum Flughafen und bist gut vorbereitet. Koffer gepackt und Flugticket in der Hand. Du bist bestens gerüstet.
Dann kommst du zur Sicherheitskontrolle und ein Warnsignal ertönt. Das Wachpersonal schaut dich kritisch an. Du fühlst dich schon wie ein Verbrecher. Du wirst beobachtet. Du bestehst und kannst am Gate noch einmal ausruhen. Dann kommt die Einladung, in den Flieger einzusteigen und du wirst konfrontiert mit deiner Flugangst. Wie eine mächtige Welle kommt es über dich. Du warst doch so gut vorbereitet. War alles vergeblich? Du bewegst dich in der Reisegruppe und wie in Trance erreichst du deinen Sitzplatz. Jetzt nicht aufgeben! Nicht aussteigen! Die Angst spüren und annehmen. Tief durchatmen! Ins Vertrauen gehen! Irgendwann weißt du, du hast es geschafft. Überleg einmal, wie viele "Abenteuer" du schon im Leben bestanden hast. Prüfungen! Reisen! Liebeskummer, Krankheiten und Operationen... Dein Leben gleicht ständig einer solchen Heldenreise. Bist du aufmerksam für das Wunder das da heißt: Du hast es jedes Mal geschafft!

9. Station: Die Verweigerung der Rückkehr
Mit dem Sieg scheint die Heldenreise zu Ende zu sein. Es gibt doch nicht mehr zu erzählen. Aber - der Held ist erschöpft. Er darf sich jedoch nur kurz ausruhen. Er möchte am Ort seiner Entlohnung bleiben. Er möchte nicht zurück in den tristen Alltag. Es gibt viele Gründe, warum der Held nicht zurückkehren möchte. Vielleicht hat er zu viel verloren auf dem Hinweg oder er verliert zu viel auf dem Rückweg. Es kann aber auch sein, dass der wirkliche und eigentliche Einsatz noch kommt. Der Einsatz, vor dem er sich drückt. Es geht um die Bewältigung des Alltags. Dort wartet ja die eigentlich Aufgabe. In den Märchen geht es ja auch immer darum, dass der Held sich einer Lebensaufgabe stellen muss. Die Prinzessin muss erwachsen werden. Der Jüngling muss seine Königsqualität finden. Die Helden machen sich also auf eine Traumreise und bewältigen dort ihre Konflikte. Sie erwachen am nächsten Morgen und erinnern sich an die Impulse, die aus dem Traum kommen.
Am Ende zeigt sich die Heldenreise wie ein Traum, der darauf hinweist, dass das eigentliche Leben noch wartet.

Der Impuls für dich:
Denke noch einmal an deine eigenen "Lebensabenteuer!" Wo wolltest du auch gerne die Ergebnisse festhalten und dich darin einrichten? Es ist nicht so leicht, nach dem Höhepunkt wieder in den Alltag zurückzukehren. Da gibt es am letzten Urlaubstag den Impuls: "Ich will hierbleiben und nicht zurück!" Da möchtest du, dass ein Fest nicht zu Ende geht, weil es so schön ist.
Und da gibt es auch die Ebenen in deinem Leben von Traum und Wirklichkeit. Wann hört der Traum auf und wann fängt die Wirklichkeit an. In deinen Tagträumen bist du eine Heldin und ein Held und im wirklichen Leben läufst du vor den Problemen davon. Du löst die Aufgaben nur im Tagtraum statt dich dem Leben zu stellen. Der Tagtraum will dir helfen, dass du deine Ressourcen und Fähigkeiten sammelst. Der zweite Schritt der Umsetzung wäre schon hilfreich. Aber wer möchte schon gerne vom bestandenen Heldentraum erwachen und sich dann dem echten Leben stellen? Die Verweigerung der Rückkehr ist verständlich, nicht wahr? Ruh also noch ein  wenig aus. Aber dann...?!

10. Station: Das Verlassen der Unterwelt
Der Held hat sein Ziel erreicht. Er möchte in der Anderswelt bleiben. Die Schatzhöhle ist doch so verlockend! Das Reich der Feen verspricht doch ewiges Glück! Aber nein! Er muss zurück in seine eigene Welt. Wenn er einen bestimmten Zeitpunkt verpasst, kann er nicht mehr in seine Ursprungswelt zurück. Aber dort hat er noch eine Aufgabe zu erfüllen. Er würde quasi zwischen den Welten kleben bleiben. Mit dem Körper und Geist im Feenreich, aber mit dem Herzen in der Ursprungswelt. Als muss der Held die Anderswelt verlassen. Das geschieht in der Regel sehr schnell. Ein magischer Flug. Ein kurzer Aufstieg. Das Ende eines Traumes und das plötzliche Aufwachen.

Der Impuls für dich:
Vielleicht möchtest du auch manchmal die Ergebnisse deiner Arbeit auskosten. Wie schön, was du da erreicht hast. Du als Heldin, als Held hast etwas Tolles vollendet. Vielleicht hast du die Erziehung deiner Kinder auch als Heldenreise erlebt. Als lange und intensive Heldenreise. Jetzt sind die Kinder erwachsen und du möchtest stolz sein auf das Ergebnis. Du möchtest es betrachten und festhalten. Da kann es sein, dass das Leben auf allen Ebenen weitergeht, aber du bist gefangen in deiner "erfolgreichen Elternfantasie". Du möchtest, dass es nahtlos wechselt in die "Großelternrealität". Vater und Mutter sein auf ewig.
Das ist gefährlich. Irgendwann hast du deine Aufgabe erfüllt und das Leben erwartet von dir, dass du dich verabschiedest und loslässt. Das Verlassen der Unterwelt bei der Heldenreise gleicht dem Prozess des Loslassens. So toll deine Ergebnisse auch sind. So groß auch der Schatz, den du gesammelt hast - all das Zeug in deiner Hand hindert dich an der Weiterreise. Du hast eine Heldenreise beendet und irgendwann wartete die nächste auf dich. Wenn du zu spät aufbrichst, dann kann es dich etwas kosten. In einem Märchen verlässt der Schatzsucher gerade noch rechtzeitig den Raum. Er rennt heraus, die Tür fällt ins Schloss und schneidet ihm ein Stück von der Ferse ab. Manche Eltern, die ich kenne, wirken auf mich auch wie Menschen, denen man die Ferse abgeschnitten hat, weil sich nicht freiwillig loslassen wollten.
Wo bist du im Augenblick? Welche Heldenreise hast du eigentlich abgeschlossen und wo verweigerst du die Rückkehr? Manchmal kommt ein magischer Augenblick und der katapultiert dich zurück ins Leben. Vielleicht wartet gerade ein "Gefährt" auf dich und du musst dich nur noch draufsetzen!

11. Station: Die Rückkehr 
Der Held kehrt von seiner Reise zurück. Er erzählt von seinen Abenteuern und muss seinen Platz wieder in der Ursprungswelt finden. Da kann inzwischen der ungeliebte Bruder seinen Platz eingenommen haben. Manche werden ihm nicht glauben. Von manchen wird er als Held empfangen. Der Held selbst hat damit zu kämpfen, wieder gut anzukommen, auch innerpsychisch. Vielleicht sehnt er sich an sein Abenteuerziel zurück. Vielleicht findet er den Alltag zunächst unerträglich. Den "Schatz" muss er in den Alltag integrieren. Die Braut, die er mitgebracht hat, muss auf der Burg eingeführt werden. Seine neuen Kompetenzen muss er unter Beweis stellen.

Mein Impuls für dich:
Wenn du als Heldin oder Held ein Abenteuer bestanden hast und zurückkehrst, hast du dich verändert. Schraube und Mutter passen nicht mehr so richtig zusammen. Wenn du von einer längeren Kur nach Hause kommst, müssen sich die Familienmitglieder wieder aneinander gewöhnen. Wenn die Kinder zum Studium aus dem Haus gehen und wiederkommen, sind das keine Kinder mehr. Sie haben gelernt, selbständig zu leben und finden es unerträglich, weiterhin die tollen elterlichen Ratschläge zu hören.
Wenn du von deiner Abenteuerreise Einkauf zurückkehrst hat sich der Inhalt deines Kühlschranks verändert. Du kannst damit jetzt etwas Frisches kochen. Das "Neue" sorgt für Veränderung. Manchmal wird sie positiv aufgenommen - wie frische Nahrung. Manchmal kann es aber auch für den Rest der Familie bedrohlich sein. Stell dir vor, dass du dich innerlich weiterentwickelt hast. Du bist nicht mehr die Gleiche wie vor dem Prozess. Aus einem verängstigten Wesen ist ein selbstbewusster Mensch geworden. Eben ein Held, eine Heldin. Das verlangt vom ganzen Umfeld eine Anpassung oder Mitveränderung. Welche Prozesse ob klein oder groß hast du gerade abgeschlossen. Fühlt es sich gut an? Was sagt dein Umfeld dazu? Musst du es noch gut kommunizieren und braucht es noch Zeit für die Integration?

12. Station: Herr der zwei Welten
Wenn der Held von seiner Reise zurückgekehrt ist und sich wieder eingewöhnt hat, integriert er die neuen Erfahrungen in sein altes Leben. Er kann das Neue nicht einfach abstreifen. Er ist gewachsen und gereift. Ein Entwicklungsschritt geht zu Ende. Der Prinz, der unreif war und den Drachen bezwungen hat, kann nun mit den Erkenntnissen seine Prinzessin heiraten und König werden. Ohne diese Heldenreise würde er ewiger Prinz bleiben. So zeigt jede Heldenreise eine innere Weiterentwicklung hin zu einer reiferen Persönlichkeit.

Der Impuls für dich:
Blick doch einmal zurück auf deine eigenen "Heldenreisen". Wie viele davon hast du schon bestanden? Welche Reisen haben dich besonders geprägt? Deine Heldenreisen durch Kindergarten, Grundschule, weiterführende Schule, Kindheit, Pubertät, Verliebtheitsphase, Lehre, Studium, Berufserfahrungen, Familiengründung, Krisen und Freundschaften. Dein Leben könntest du betrachten als ein Ineinander, Miteinander und Nacheinander von vielen Heldenreisen. Durften alle Erfahrungen Teil deiner jetzigen Persönlichkeit werden? Gibt es eine Integration? Woran würdest du das merken? Aus meiner Sicht merkst du es daran, dass du dich hinsetzt, in dich hineinschaust, hineinfühlst und ein dickes und fettes "JA" hörst zu deinem Weg.
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Donnerstag, 19. Mai 2022

Ein Blinder liebt es, von Wundern zu hören. (jüdische Weisheit)


Ein Blinder kann keine Wunder sehen, aber er kann davon hören. Vielleicht möchte er sie eigentlich lieber sehen. Das kann er nicht. Dazu müsster ein Wunder an sich selbst erleben. Aber er kann von Wundern hören und sehnt sich danach zu hören, dass andere Blinde geheilt wurden. Wenn er hört, dass nur ein Blinder wieder sehen kann, dann kann er für sich selber weiterhoffen.
Und er liebt diese Wundergeschichten und kann nicht genug davon bekommen. Und er möchte mehr von diesen Wundern hören. Seine Hoffnung benötigt diese Wundernahrung. Eines Tages....

Du bist auf der Suche nach deinem Traumhaus. Du möchtest nicht länger zur Miete wohnen. In eigenen Wänden! Mehr Platz! Einen Garten! Deine Träume verwirklichen. Wie sähe dein Lebenssatz aus? "Ein Mieter liebt es, in Wohnzeitschriften zu blättern."
Ein Mensch mit Fernweh schaut sich Reisemagazine an. Eine Frau oder ein Mann auf der Suche nach einem Partner tummelt sich auf Partnerbörsen. Ein Kranker pilgert von Arzt zu Arzt in der Hoffnung, irgendwann den richtigen zu finden.

Alle verbindet die Sehnsucht, dass sie gerne etwas hätten, was sich noch nicht oder wovon sie nicht genug haben. Wie sähe das Leben aus, wenn die Sehnsucht aufhören würde. Wenn du genug davon hättest, den Mangel auffüllen zu müssen. Wenn du nicht mehr wie ein Bettelnder durch das Leben gehen würdest? Die Werbung könnte einpacken. Sie würde nicht mehr gebraucht. Du wärest nicht mehr verführbar. Du würdest es nicht mehr lieben, wie ein Blinder Wundergeschichten hören zu müssen. Du würdest dich der Realität stellen und annehmen was ist. Vielleicht wäre das eine Befreiung!
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Mittwoch, 18. Mai 2022

Einen König ohne Volk gibt es nicht. (jüdische Weisheit)


Ein König braucht ein Volk, sonst ist er kein König. Er kann zwar diesen Titel auch ohne Volk tragen, aber es wäre sinnlos. König ist man immer für irgendein Volk. Wie heißt wohl ein Mensch, der mal König war und dann abgedankt hat. Wird er wieder Prinz oder Fürst?

Ein pensionierter Pastor bleibt Pastor, auch wenn er keine Herde mehr hat. Und in Traueranzeigen liest man von Schornsteinfegermeister xy und Regierungsrat AD. Sie übten ihre Tätigkeit schon lange nicht mehr aus, aber die Angehörigen haben ihren Toten immer noch so tituliert.

Vater oder Mutter ist man nur, wenn man auch Kinder hat. Wer keine hat, kann höchstens väterliche oder mütterliche Anteile in sich haben. Ein Arzt, der nicht mehr praktiziert wird in der Öffentlichkeit immer noch mit "Herr Doktor" angesprochen.

Einen König ohne Volk gibt es nicht. Er ist nicht mehr König. Was bleibt vom König übrig, wenn er das Volk streicht? Ein nackter Erdling! Ein Mensch wie du und ich! Was bleibt vom Herrn Doktor, wenn du den Titel streichst? Ein nackter Erdling, ein Mensch wie du und ich. Was bleibt von uns, wenn wir alle Titel und Berufsbezeichnungen streichen? Nackte Erdlinge! Reicht das aus, um erfüllt durch das Leben zu gehen?

Ich finde, dass das Leben erst dann interessant wird. Ein König sollte regelmäßig abdanken um sich nicht zu stark mit diesem Titel zu identifizieren. Es geht um die Identifikation! Wer bin ich, wenn ich meine Titel nicht mehr trage. Finde ich Würde und Anerkennung in mir jenseits der Upgrades?

Überall kannst du irgendetwas heute upgraden. Im Fastfoodrestaurant, beim Möbelkauf, beim Fliegen. Lege ein paar Euro drauf und du bekommst mehr. Es steigert den Wert deines Produktes und lässt dich selbst größer erscheinen. Du wirst zum König und das Upgrade ist dein Volk. Brauchst du ein Upgrade? Oder bist du dir selbst mit dir genug. Durch den Schleier sehe ich dich. Nackt! Und was ich sehe gefällt mir. Unendlich liebenswert!
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Dienstag, 17. Mai 2022

Denke immer nur an die Meile, die vor dir liegt. Nicht an die Meile danach. (aus Dänemark)


Ich erlebe viele Menschen, die versuchen, die Probleme von übermorgen zu lösen. Je größer die Kontrollzone, desto stärker das Gefühl von Sicherheit. Wenn ich mich jetzt schon einstelle auf übermorgen, dann habe ich morgen keine Sorgen. Klingt logisch und sehr fürsorglich mit sich selbst, oder?
Aber wenn ich das Übermorgen vorbereite, dann lauert das Unglück vielleicht in der Zeitspanne nach dem Übermorgen. Also auch diese Meile noch bedenken und die Meile danach. Ich sollte mein Leben bis zum letzten Tag bedenken, dann bin ich total sicher, oder?

Ich wäre nur noch mit Vorbereitungen für irgendein Morgen beschäftigt. Ich würde gar nicht mehr leben! Mein Leben wäre voll ohne dass ich leben würde. Denke immer nur an die Meile, die vor dir liegt. Nicht an die Meile, die danach kommt. Händel dein Leben in überschaubaren Portionen. Die Meile, die du jetzt gerade gehst. Die Aufmerksamkeit für diesen Schritt. Für diesen Augenblick. Lebe jetzt!

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Montag, 16. Mai 2022

Nimm Verbindung auf!


Ich beobachte, wie eine Verkäuferin eine Kundin berät. Diese hat eine Bluse anprobiert und schaut kritisch in den Spiegel. Elegant sieht diese Kundin aus. Ich höre förmlich ihre Gedanken. "Steht mir die Bluse? Richtige Größe? Sitzt sie gut? Passt sie zu den anderen Sachen, die ich habe? Wozu kann ich die wohl tragen?" Ich sehe, mit welchen Fragen sie sich beschäftigt.

Die Verkäuferin hat eine etwas füllige Figur und trägt eher lässige Kleidung. Sie redet freundlich auf die Kundin ein. "Wir haben schon viele Blusen von dieser Firma in dieser Saison verkauft. Die ist äußerst beliebt. Und vor allem sind diese Blusen so unglaublich bequem. Das ist der entscheidene Vorteil. Diese Blusen tragen sich einfach unheimlich gut. Das ist aber typisch für diese Firma mit diesen Schnitten."

Die Verkäuferin nimmt nicht wahr, was in dieser Kundin vor sich geht. Zwei Menschen in zwei Welten vor dem gleichen Spiegel. Die Kundin möchte "elegant" und die Verkäuferin bietet "bequem" an.

Ein paar Augenblicke später nehme ich wahr, dass ich auch Dinge verkaufe, die jemand anderes nicht bestellt hat. Gar nicht will! Und ich stelle fest, dass wir alle das oft tun. Wir bieten Dinge an, die nicht bestellt und nicht gewollt wurden. Mütter bieten ihren Kindern Sachen an und drängen ihnen irgendetwas auf. "Willst du nicht doch die Mütze? Ein Butterbrot?" Ärzte verschreiben Medikamente, die der Patient vielleicht gar nicht braucht. Pastöre predigen Glaubenssätze, die eher für sie selbst gedacht sind. - Und ich schreibe vieleicht Gedanken, die niemand bestellt hat.

Aber so ist das. Wir leben alle in verschiedenen Welten. Jeder lebt in seiner eigenen Welt. Und manchmal treffen wir uns. Ich treffe dich in deiner Welt. Und du triffst mich in meiner Welt. Und ich kann etwas dafür tun, dass es zur Begegnung kommt. Will der andere meine Gedanken und Vorschläge? Oder macht es mehr Sinn, erst einmal zu schauen, zu spüren und vor allem nachzufragen. Und erst einmal Verbindung aufzunehmen. Wenn also zwei Welten sich treffen, was ständig passiert und normal ist, dann gilt es zuerst, Verbindung aufzunehmen. Und ich glaube, dass das manche Menschen noch nie gehört oder gemacht haben. Verbindung aufnehmen!
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Samstag, 14. Mai 2022

Ich besuche mich...


Heute besuche ich mich.

Ich mache es mir schön.

Ich setze mich hin.

Ich mache es mir bequem.

Ich lege ein Buch auf den Tisch.

Ich stelle ein Glas Wasser daneben.

Dann sitze ich...

...mal schauen...

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Freitag, 13. Mai 2022

Dies ist mein Revier!

Ich steige in den Zug und viele Plätze sind besetzt. Da sehe ich vier Plätze, davon zwei gegenüber. Ein Platz ist besetzt mit einer jungen Frau. Ihre Taschen hat sie auf zwei Plätze verteilt und ein Koffer steht vor dem letzten freien Platz. Bezahlt hat sie vermutlich nur für eine Person. Aber den Platz in Anspruch nimmt sie für vier. Mein erstes Gefühl ist Ärger. Kann sie nicht Rücksicht nehmen? Sieht sie nicht, dass schon so viele Plätze besetzt sind? Muss sie die Sitze mit ihren schmutzigen Tüten belegen?
Ich nehme mein eigenes Bedürfnis wahr. Ich möchte sitzen und mich ausruhen. Aber diese Frau hat ihr Revier abgesteckt. Das muss man erst einmal können. Im gut besetzten Abteil so viel Platz einnehmen.
Diese Situation ist mir vertraut. Immer wieder komme ich in ähnliche Situationen. Da breitet sich jemand aus und ich komme zu kurz. Da nimmt jemand mehr in Anspruch als er wirklich bräuchte. Einfach so! Ohne nachzudenken! Das würde ich nie machen. Jedes mal ärgere ich mich. Und ich nehme wahr, dass ich mich ärgere. Und ich ärgere mich, dass diese Menschen es schaffen, mich in Ärger zu versetzen. Wo ich doch eigentlich müde bin und ausruhen möchte. Stopp! Stopp!
Wenn ich mich jetzt ärgere ist das doch gut! Ich stoße Adrenalin aus und werde wieder lebendig. Die Müdigkeit verfliegt und ich kann locker stehen. Ich könnte! Aber ich mache es nicht. Ich schiebe den Koffer zur Seite und setze mich einfach hin. Ich frage auch nicht um Erlaubnis. Ich setze mich einfach und platziere meinen Rucksack auf ihre Tüte. Ich mache etwas, was sich sonst nicht tue. Normalerweise schmolle ich in meinem Ärger und erzähle allen davon.
Ich habe mich einfach hingesetzt und diese Frau ein wenig aus dem Gleichgewicht gebracht. Und? Wie ging die Geschichte aus? Die Frau fing an, ihre Sachen neu zu sortieren und schaffte es, sich auf zwei Plätze zu beschränken. So hatte ich einen Sitz für mich und einen für den Rucksack. Und die Lehre daraus für mich? Da finden oft so Kopfgeschichten statt mit kruden Gefühlen.
Besser ist es, einfach zu machen. Kein Kopfkino, keine überflüssigen Gedanken und irreführenden Gefühle. Alte Muster wiederholen? Muster aus der Kindheit? Manchmal ist es hilfreich, seine Muster zu unterbrechen. Im Zug zahlt jeder nur für einen Platz. Also setze ich mich. Ich scheue mich nicht, einfach zu bitten: "Würden Sie bitte den Rucksack wegnehmen, damit ich mich setzen kann?"
Fühlt sich anders an als die Opferrolle. Ich gestalte und übernehme die Verantwortung.
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Donnerstag, 12. Mai 2022

Es gibt keinen Weg, der nicht irgendwann nach Hause führt.

Ein afrikanischer Spruch aus meinem Kalender.
Ich kenne viele Menschen, die das Gefühl haben, nicht bei sich angekommen zu sein. Immer gibt es einen Mangel. Nie ist etwas so ganz richtig. "Jetzt mache ich mehr Sport, das hat mir früher schon gut getan, aber irgendwann habe ich damit aufgehört. Vielleicht hilft es mir ja weiter." Dann kommt der Sport und es fühlt sich wieder nicht so ganz richtig an.
Manche Menschen sagen von sich, dass sie viele Umwege machen. Da ist die erste Liebe, die nicht funktioniert, dann kommt die zweite Liebe und manchmal ist die dritte Liebe dann die richtige.
Manche erlernen einen Beruf und stellen schnell fest, dass er nicht den eigenen Fähigkeiten und dem Herzenswunsch entspricht. Aber sie üben ihn aus über viele Jahre bis hin zur großen Sinnkrise.
Bei all diesen Geschichten und Erfahrungen kommt dann vielleicht der Gedanke: Wozu das alles? Warum diese ständigen Umwege? Wann komme ich endlich an mein Ziel? Wann wird alles so sein, dass ich rundum zufrieden bin?

Da sagt das afrikanische Sprichwort: Es gibt keinen Weg, der nicht irgendwann nach Hause führt. Das ist doch beruhigend, nicht wahr? Ich darf Umwege machen, so viele ich will. Es ist nicht einmal ein Umweg. Das Wort "Umweg" ist nur meine persönliche Deutung. Es ist halt mein Weg, der Weg, den ich gerade gehe. Ich kann mehrmals um die ganze Erde reisen und innerlich durch tausend Welten wandern, es geht gar nicht anders, als das ich ans Ziel gelange. Ein Misslingen ist damit quasi ausgeschlossen. Egal wie lange du unterwegs bist und wohin du dich auch wendest: Du kommst irgendwann nach Hause, entweder am Ende deines Lebens, zwischendurch oder auch heute. Diese Erkenntnis schenkt dir eine unmittelbare Gelassenheit und klare Gewissheit. Es gibt keinen Weg, der nicht irgendwann nach Hause führt.   
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Mittwoch, 11. Mai 2022

Ein Thron für dich!




Immer wieder beschäftigt mich die Frage: Wo gibt es einen Platz für mich? Wo darf ich leben, wo darf ich sein? Ergeht es dir auch manchmal so wie bei dem Kinderspiel von der Reise nach Jerusalem? Es ist kein Stuhl mehr für dich frei! Du hast das Gefühl, du gehörst nicht dazu. Du kommst zum Beispiel etwas später zu einer Geburtstagsfeier. Alle lachen, unterhalten sich und sind in ausgelassener und gelöster Stimmung. Du hast den Eindruck, du kommst nicht wirklich dazwischen. Und du bist die Einzige, der Einzige, der nicht dazwischen kommt. Du strengst dich an, nickst allen freundlich zu und signalisierst dein Interesse. Deine Seele scheint irgendwo im Raum zu schwirren, aber nicht in dir an dem Platz, wo sie sich wohlfühlt. Da kommen vielleicht so alte Kindersprüche hoch, die dich damals schon gekränkt haben: „Aufgestanden, Platz vergangen, musst dir einen wieder fangen!“ Schrecklich, nicht wahr! Das wird schnell zu einem Einfallstor für eine depressive Grundstimmung: „Ich gehöre hier nicht hin!“ „Ich gehöre nirgendwo hin!“ „Es ist so anstrengend, sich immer zu bemühen!“ Und viele Ausbrüche mehr.
Ich möchte dir von meiner letzten Zugfahrt erzählen. Ich war zu einem Meeting in Stuttgart und hatte für den Rückweg im ICE einen Platz reserviert. Als ich im Zug einstieg, saß auf meinem Platz ein Mann und las seine Zeitung. Zwischen seinen Füßen stand seine Aktentasche. Am Haken hing sein Mantel. „Es tut mir leid“, sagte ich, „aber dieser Platz ist leider reserviert.“ (Nur so nebenbei – das mit dem „Leidtun“ ist doch eine Floskel, oder? Man ist doch froh über einen Platz, der freigehalten wird von der Bahn, extra für dich. Außerdem kostet das ja auch Geld.)
Aber weiter zu meinem Erlebnis. Der Mann faltete wortlos seine Zeitung zusammen, nahm seinen Mantel und seine Tasche und setzte sich direkt auf den Sitz vor meinem jetzt frei gewordenen Platz und faltete seine Zeitung wieder auseinander. Aber dort gab es auch eine Reservierung. Der „Besitzer“ dieses Platzes kam weniger als eine Minute später. Das gleiche Spiel wiederholte sich: „Entschuldigung…“ Zeitung falten, Mantel und Tasche nehmen. Wieder einen Platz weiter, jetzt schräg rechts davor. Wieder keinen Blick auf das „Reserviert“ - Zeichen und die Zeitung ausfaltend. Dieses mal saß dort schon ein Gast, der nur mal kurz zur Toilette musste. Wieder stand Mister „Besetzer“ wortlos auf und suchte sich den nächsten freien Platz. Der lag dann leider im nächsten Abteil und ich weiß nicht, wie die Geschichte endete. Meine ersten Regungen waren: „Der hat nicht alle Tassen im Schrank! Kann er denn nicht nachschauen! Ist der blind? Warum hat er sich nicht eine Reservierung bestellt wie jeder andere? Ist der dreist!“  
Zugleich jedoch musste ich innerlich grinsen. „Welch herrliches Erlebnis hier im Zug! Ach, wie wunderbar dreist doch jemand sein kann! Wie abgefahren! So frech möchte ich auch mal sein! So bekommt man auch einen Platz – halt immer wieder einen neuen. Das ist zwar anstrengend und aufwendig, aber so geht es auch!“
Es gibt viele Möglichkeit mit der Frage nach dem Platz im eigenen Leben umzugehen. Warte ich darauf, bis mir jemand einen Platz an seiner Seite anbietet? Ergreife ich die Gelegenheiten, die sich mir bieten? Nehme ich einfach Platz, wo immer ich einen sehe? Warte ich auf Einladungen? Verbinde ich das mit der Frage: Werde ich gesehen? Mag mich jemand? Kann ich es akzeptieren, auch einmal übersehen oder abgelehnt zu werden?
Unsere Verstorbenen hatten mal einen körperlichen Platz in dieser Welt und mussten ihn verlassen. Auch wir werden diesen Platz einmal räumen müssen. Es gibt keine festen Plätze, die für immer und ewig an der gleichen Stelle unser Eigen sind. Du bist Gast auf dieser Welt und ich bin es auch. Als Gast habe ich auf jeden Fall einen Platz, wo ich gerade bin. Das ist doch schon mal eine Aussage!
Da, wo ich gerade bin, kann niemand anders sein. Ich habe meinen Platz, weil ich bin. Also sei gelassen! Aufgestanden, Platz vergangen… Na und? Stell dir vor, dass da wo du gerade sitzt, sich dein Thron befindet. Dort darfst du thronen. Bist du auf dem Sprung oder sitzt du ordentlich fest!

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Dienstag, 10. Mai 2022

Über das Lästern


 

Vor einiger Zeit hat Frau Theresa Brandl von der Verlagsgruppe Bistumpsresse GmbH mit mir ein Interview geführt zum Thema: "Lästern".  Hintergrund war, dass Papst Franziskus immer wieder mal warnt vor den Folgen des Lästerns. 

Ist lästern nur unmoralisch? Erfüllt es eine Aufgabe? Was sind die Alternativen? Frau Brandl hat mir freundlicherweise die Erlaubnis erteilt, dieses Interview auf meinen Blog zu veröffentlichen. Ich wünsche viel Freude dabei. Der Artikel öffnet sich beim Klicken auf den Link.
 

 Das Interview zum Thema Lästern

Montag, 9. Mai 2022

Im Herzen formen!

 


Im Urlaub beobachte ich gerne Kinder, wie sie am Strand mit Leidenschaft im Sand spielen. Mauern aufrichten, sieben, Burgen bauen und Gräben ziehen. Sich mit Kopf, Herz und Hand ganz an etwas hingeben und darin aufgehen. Die Welt dabei um sich vergessen. Das Zeitgefühl verlieren und Eins werden mit dem Ganzen.

Ich bleibe nur für einen Augenblick stehen und möchte durch mein Beobachten nicht stören. Ich habe kein Recht, in diese Welt einzudringen mit meiner Neugier. Aber es rührt mich an und weckt die Frage in mir, ob ich auch einmal so war als Kind im Sandkasten. Und wenn ich die Augen schließe, kann ich wahrnehmen, wie ich damals im Sandkasten hinter unserem Haus saß und Burgen baute. Die Wände mussten gerade und glatt sein. Mein Haus war kein dahingeworfener Haufen, sondern sorgfältig arrangiert. Eben auch mit Kopf, Herz und Hand.

Irgendwann in den letzten Wochen tauchte der Satz in meinem Kopf auf: „Im Herzen formen“ und ich spürte eine tiefe Freude. Ich weiß nicht einmal, warum er auftauchte. Interessanterweise tauchte er nicht im Verstand auf, sondern im Brustraum. Da ist nun dieser Satz und ich dachte mir, dass ich diesen Gedanken jetzt in diesem Augenblick mit dir entwickeln und entfalten könnte. Du sitzt neben mir und ich erzähle dir, was mir dazu einfällt. Mit den Kindern am Strand habe ich begonnen.

Mir kommt das Bild, als könnte ich einen Gedanken sehen, spüren und wahrnehmen ohne Inhalt. Der Gedanke beginnt zunächst im Verstand. Dieser Gedanke löst dann etwas im Körper aus. Wenn ich einen stärkenden Gedanken wähle, löst es in meinem Körper Wohlbefinden aus. Ich denke das Wort „Abendessen“. Es fühlt sich angenehm und leicht an. Ich nehme das Gefühl von Freude wahr. In diesem „energetisch positiv geladenen“ Zustand nehme ich nun diesen Gedanken und bewege ihn in meinen Herzraum. Im Herzraum habe ich die Möglichkeit, den Gedanken anzureichern und zu „beseelen“. Der Gedanke wird dort aufgeladen, bewegt, befühlt und bebildert.

Jetzt könnte ich mit dir das einmal umsetzen. Ich habe den Gedanken, was ich heute Abend kochen könnte. In diesem Moment stelle ich mir ein indisches Dal vor. Ich habe Linsen, Gewürze, Ingwer, Zwiebeln. Mir fehlt noch Gemüse und ich hätte heute gerne Kokosmilch dabei.

In der Regel endet an dieser Stelle mein Gedanke. Ich bin einfach froh, eine Idee zu haben. Ich gehe einkaufen und besorge die Zutaten. Alles lege ich in der Küche ab. Ich rechne die Zeit aus, die ich brauche für die Zubereitung und wann das Essen auf dem Tisch stehen soll. Dann merke ich mir die Uhrzeit, wann ich beginnen muss. Ich brauche für den Gedanken ungefähr fünf Minuten. Mein Lebensmittelgeschäft ist in der Nähe und für den Einkauf benötige ich 15 Minuten. Dieser ganze Vorgang findet im Verstand statt. Natürlich ist mein Leben auf diesem Weg sehr effektiv und effizient. Wenn ich schon das Essen auf diese Weise plane, dann gleich für mindestens drei Tage.

Wie gesagt, das ist der automatisierte normale Arbeitsalltagsweg. So stehe ich am Morgen auf, gehe unter die Dusche, mache mein Frühstück, breche auf zur Arbeit… Ich mache mir einen Gedanken und setze ihn in die Tat um. Natürlich spüre ich dabei auch eine Körperwirkung wie angenehm oder unangenehm. Und es entsteht ein Gefühl. Ich bin keine Maschine und kein Computer. Obwohl… es gibt Stunden oder Tage, da nähere ich mich leider doch dieser „Computerexistenz“ an.

Ich möchte aber jetzt doch wieder mit dir „im Herzen formen“. Wenn ich die Regel unterbreche und zurückkehre zu meinem Dal, dann verweile ich bei dem Gedanken und spüre, was das Wort „Dal“ in meinem Körper auslöst. Läuft mir das Wasser im Munde zusammen? Rieche ich Kreuzkümmel und Curry? Mag ich mir voller Vorfreude die Hände reiben und den Magen etwas knurren lassen? Ja, das Gefühl von Freude verstärkt sich, wenn ich das Ergebnis mit meinen inneren Bildern in der Pfanne betrachte. Körper und Gefühl geben dem Gedanken also ein starkes „Ja“! Jetzt nehme ich die Gedanken, den Körper und die Gefühle hinein in das Herz. Eigentlich ist das Herz schon darauf vorbereitet. Es hat alles mitbekommen und im Vorfeld mitgewirkt. Im Herzen angekommen findet nun die Formung statt. Ich sehe mich in der Küche und lasse einen Film ablaufen. Wie ich dort stehe und die Zwiebel und den Ingwer schneide mit meinem Lieblingsmesser. Ich sehe, welches Gemüse ich nehmen möchte und was mein Köper sich wirklich heute wünscht. Mehr Möhren oder Kohlrabi. Dann tauchen plötzlich getrocknete Aprikosen auf. Nanu, wo kommen die plötzlich her? Aprikosen im Dal? Im Herzen findet die Komposition des Mahles statt.

Auf einmal ist es wie früher als Kind im Sandkasten. Wenn ich im Herzen forme, vergesse ich Zeit und Raum und werde schöpferisch. Ich verlasse den Automatismus der digitalen Arbeitswelt und bewege ich mich in meinem tiefen kreativen Innenraum. Im Inneren drehe ich den Film und gebe meinem Essen dort die Form, die ich am Abend dann mit den Händen in die materielle Wirklichkeit bringe. Dann wirken Verstand, Körper und Herz noch einmal auf intensive Art zusammen.

Es gab die Art und Weise, wie ich als Kind die Welt erschaffen habe im Sandkasten. Da waren die Wege vom Verstand, zum Körper und ins Herz intuitiv, schnell, unbewusst, ungestört und ohne einen inneren Kritiker. Dasein ohne ein Wissen darüber, da zu sein.

Als älteres Kind, Jugendlicher und vor allem als Erwachsener habe ich diese Art der Existenz mehr und mehr verloren. Im Laufe meiner Entwicklung haben viele negative Erfahrungen dazu geführt, dass die Unschuld verloren gegangen ist. Ich bin wie ein Schiff geworden, das den Rumpf mit Muscheln übersät hat und nicht mehr gut schwimmen und Fahrt aufnehmen kann.

Ich denke, das ist ein ganz normaler Weg. So funktioniert Individuation. Ich komme als Baby unschuldig und mit allem verbunden auf die Welt und mache im Laufe der Jahre stärkende und auch schwächende Erfahrungen. Als Erwachsener habe ich die Möglichkeit, das Vergangene zu verdauen, zu verarbeiten und zu beatmen. Es kommt zu einem Prozess der Verwandlung und dazu, auch das Schmerzhafte fruchtbar zu machen.

Ich bin im Laufe vieler Jahre gereift und zu einer Persönlichkeit geworden. Wenn du in den Spiegel schaust, kannst du deine Schönheit entdecken. Die Haut ist dabei nicht glatt geblieben. Falten, Runzeln, Flecken und Narben erzählen deine Geschichte. Du besitzt damit die Werkzeuge und Materialien, im Herzen zu schöpfen und zu formen. Erst im Formen entdeckst du das Geheimnis, wer du im Tiefen bist. So wie der Töpfer. Er hat Fähigkeiten entwickelt, etwas gelernt, Erfahrungen gesammelt. Er denkt, spürt, fühlt und träumt und dann entsteht mit Hilfe der Hände etwas aus einem Klumpen Ton. Für den Betrachter mag dann das Ergebnis zählen. Für den Töpfer kommt es auf den Vorgang des Entstehens an.

Wenn du also deinem Leben eine Gestalt gibst, durchläufst du verschiedene Stationen. Von der Idee bis zur Umsetzung. Wir sind leider oft fixiert auf das Ergebnis. Das Ergebnis sehe ich im Außen und ist nicht mehr in mir drin. Wenn ich im Verstand bewege, im Körper spüre, Gefühle kommen lasse und im Herzen forme, entsteht eine Beziehung und eine Verbindung.

Wenn ich ständig im „Produktionsmodus“ bin, verpasse ich diese Schritte in die Tiefe und in die innere Mitte. Wenn ich meinen Alltag anschaue, so ist Effektivität und Effizienz gefragt. Wenn ich im Herzen forme, entschleunige ich. Ich tauche ein in den Zustand jenseits von Raum und Zeit.

Als Kind musste ich nichts dafür tun. Das raum- und zeitlose Paradies stand mir noch offen. Ich hatte dazu einen unmittelbaren Zugang. Wenn ich im Herzen forme, kann sich das Tor zum Paradies wieder öffnen. Ich lade dich ein, ab und zu einfach zu verweilen, stehen zu bleiben. Verzögerungen einzurichten. Das Gegenteil von dem zu tun, wenn du mal eben schnell etwas erledigen möchtest. Du kannst den Prozess der Innenschau, der Formung im Herzen mit deinen Augen verstärken. Normalerweise schaust du gezielt und fokussiert etwas an. Du kannst aber auch den Blick schweifen lassen, von Gegenstand zu Gegenstand mit deinen Augen wandern. Wenn du etwas Unbestimmtes in der Ferne betrachtest, kannst du auch alles gleichzeitig wahrnehmen. Im weichen Blick fokussierst du nicht mehr, sondern kommst in einen Trancezustand. Während dein äußeres Auge in die Ferne schweift, richtest du dein inneres Auge auf deinen Verstand, auf deinen Körper und auf den Raum deines Herzens. Gleichzeitig und abwechselnd. Es entwickelt sich ein Zustand von kreativer Gelassenheit. Eine Mischung von Empfangen und Form geben. Alles ohne Anspruch und Wollen. Das Formen gleicht eher einem Entstehen als einem Machen. Dann kannst du das Entstandene mitnehmen in die dreidimensionale Wirklichkeit. Du kommst in den Raum zurück, in dem du dich befindest und setzt deinen Weg fort.  

Während ich diesen Text schreibe, sitzt du gedanklich noch immer neben mir. Ich schaue dich an und weiß jetzt nicht so recht, ob du mir noch folgen konntest oder ob ich dich schon verloren habe. Aber ich danke dir, dass du mit mir bis hierher gegangen bist. Ich wünsche dir auf jeden Fall, dass du diesen Raum in deinem eigenen Herzen wahrnehmen und bewohnen magst. Du bist ja schließlich eine Töpferin, ein Töpfer. Du trägst durch deine Gedanken, Gefühle und Taten dazu bei, dass diese Welt immer mehr gestaltet Gestalt bekommt.

 

Samstag, 7. Mai 2022

Liebeslänglich


"Liebeslänglich" - las ich auf einer Postkarte.

"Ich verurteile Sie zu einer lebenslänglichen Liebe und zu einem liebeslänglichen Leben."
Möge deine Fähigkeit zu lieben für ein langes Leben andauern.
Hoffentlich bis zu deinem Tod und darüber hinaus.
Möge deine Liebe "lang"- mütig und "kurz" - weilig sein!

"Liebeslänglich" mit und ohne Freispruch - sogar jenseits von Freisprüchen!
Wenn alle Menschen auf der Welt "liebeslänglich" hätten...
Wie sähe eine Zelle aus, wo die "Liebeslänglichen" säßen?
Freiraum statt Gefängnis, nicht wahr?

Liebeslänglich sage ich Ja zu mir und Ja zu dir.
Liebeslänglich halte ich das Licht in die Dunkelheit.
Liebeslänglich umgarne ich die Dornen mit Blütenblättern.
Liebeslänglich kitzle ich den Frust und locke das Lachen.
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Freitag, 6. Mai 2022

Sei geduldig mit allen Fragen in deinem Herzen, und versuche, die Fragen an sich zu schätzen. (Rainer Maria Rilke)

Du bewegst eine Frage in deinem Herzen und suchst nach einer Antwort. Deine Ungeduld möchte oftmals eine zügige Antwort, vor allem, wenn du leidest. Du fragst, warum du immer so ungeduldig bist mit dir und den Menschen in deiner Familie. Du fragst dich, warum es dir nicht gelingt, den ganzen Tag ausgeglichen und guter Laune zu sein. Du fragst, warum das Leben so ungerecht zu dir ist. Du glaubst, dass dann, wenn du eine Antwort darauf hast, es dir besser geht.
Nach meiner Erfahrung gibt es keine letzten Antworten auf ein "Warum?". Hinter jedem "Warum" gibt es ein neues "Warum". Schon die Kinder, die so fragen, zeigen es dir. Du beantwortest geduldig jede Frage, aber irgendwann spürst du das brühmte Loch in deinem Bauch und sagst: "Schluss. Kein "Warum?" mehr!"
Rilke lädt dich ein, bei der Frage selbst zu bleiben. Lerne, deine Fragen zu schätzen und nicht eine Antwort zu erwarten. Nehmen wir doch einmal eine sehr philosophische Frage. "Wozu bin ich auf dieser Welt?" Jetzt kannst du dich direkt ans Antworten begeben. Du könntest sagen, weil deine Eltern sich liebten oder weil es im Plan Gottes liegt. Du könntest aber auch die Frage einfach einmal stehen lassen. Wozu bin ich auf dieser Welt? Wenn ein Antwortgedanke auftaucht, dann stoppe ihn einfach.
Bleib also bei der Frage selbst stehen, ohne auf eine Antwort zu warten. Welche Erfahrungen machst du dabei? Kommt vielleicht ein Gefühl? Wenn ja, welches? Entsteht Freude oder Trauer? Empfindest du vielleicht sogar einen Schmerz, weil da eine Leere entsteht? Das "Wozu" könnte zu einer sehr tiefen und persönlichen Sinnfrage werden. Wer ist das "Ich", das da fragt? Von welcher Welt sprichst du überhaupt, der sichtbaren oder der unsichtbaren Welt? Wo gehört das hin, was du so selbstverständlich "Ich" nennst? Es kann geschehen, dass du die Frage mehr liebst als die Antwort. Denn jede Antwort wird vorläufig sein. Wenn du deinen Kindern eine Antwort gibst bist du froh, wenn es nicht weiterfragt und da eine Zufriedenheit entsteht. Zugleich weißt du, dass deine Antwort dem Kind gegenüber mehr Fragen offen lässt, als du Antwort gegeben hast.
Uns fällt es schwer, etwas im Raum stehenzulassen. Wir mögen Stabilität und nicht die Schwebe. Fragen schweben eher als dass sie stabilisieren. Versuche, die Fragen an sich zu schätzen. Die Fragen wirken wie ein Motor, der dich weiter vorantreibt, neue Erfahrungen zu machen und auf der Suche zu bleiben.
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Donnerstag, 5. Mai 2022

Manche mögen es indirekt!


Ein Freund sagte vor Kurzem zu mir: Ich traue mich gar nicht, dich zu fragen, ob du einmal Zeit für mich hast. Für einen Augenblick stutzte ich. Moment mal! Wie raffiniert ist das denn? Er traut sich nicht zu fragen und fragt dann doch! Sehr geschickt, auf diese Weise seine Schüchternheit zu überwinden und das zu erhalten, was man sich wünscht. Du fragst einfach, indem du nicht fragst. Das ist eine wunderbare Art, die Hindernisse und Hürden zu überwinden oder geschickt zu umgehen.
Probier es doch einmal aus!
"Ich traue mich nicht, dir zu sagen, dass ich dich liebe, weil ich nicht weiß, wie du darauf reagieren wirst. Ich könnte es nicht ertragen, wenn du einfach Nein zu mir sagst!" statt: "Ich liebe dich."
"Ich traue mich nicht, Ihrer geschickten Verkaufsstrategie jetzt am Telefon zu widerstehen. Sie könnten mir böse sein und mich beim nächsten Anruf über den Tisch ziehen." statt. "Ich möchte nichts!"
"Ich traue mich nicht, von Ihnen eine kostenloses Angebot für eine Heizung machen zu lassen, weil ich mein schlechtes Gewissen fürchte, wenn ich das Angebot nicht annehme und Sie umsonst gekommen sind." statt "Machen Sie mir ein kostenloses Angebot!"
Manche Dinge lassen sich nicht einfach direkt sagen, aber indirekt geht es leichter. Es ist wie mit den dicken Pillen. Schluckst du sie pur hinunter, könnten sie dir im Hals steckenbleiben. Legst du sie auf einen Löffel mit Joghurt rutscht es wie von selbst.
Überlege einmal, wie oft du am Tag indirekte Fragen stellst oder Wünsche äußerst und hoffst, der andere versteht dich. Direkte Fragen und Wünsche vermeidest du, damit du dir keine Abfuhr holst. Du sagst: "Kommt morgen nicht die Müllabfuhr?" statt: "Stell doch bitte den Müll raus!" "Ist noch Tee im Schrank?" statt: "Kochst du mir einen Tee?" "Bis zum Fußballplatz ist es ziemlich weit!" statt: "Könntest du mich dahinfahren?"
Niemand mag so gerne eine Zurückweisung im Nein. Oftmals hören wir im "Nein" zu einer ganz bestimmten einzelnen Frage gleich eine grundsätzliche Ablehnung. Indirektes Fragen verkompliziert leider das Leben ein wenig es sei denn, du machst das so geschickt wie mein Freund.

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Mittwoch, 4. Mai 2022

Was wirklich zählt!



Hast du auch manchmal das Gefühl und den Eindruck, dass du dich wie in einem Dschungel befindest? Was meine ich damit? Ständig bin ich umgeben von vielen Menschen. Ich werde konfrontiert mit tausenden von Produkten im Supermarkt und ich muss mich jeden Tag und immer wieder für irgendetwas entscheiden. Ich werde gefragt, ob ich mitmache bei Facebook, WhatsApp oder sonst einer Plattform und stündlich soll ich etwas hoch Wichtiges oder Interessantes lesen oder bewerten. Im beruflichen Alltag sprechen alle vom Wandel und von Veränderungen und von der Bedeutung der digitalen Welt und der Aufforderung, entweder dabei zu sein oder gleich in Rente zu gehen.

Es bleibt immer weniger Zeit für Muße, für das stille Nachdenken und für die Langeweile. Ständig möchte jemand etwas von dir und darum fühlst du dich wie in einem Dschungel. Du stehst da mit deinen „Waffen“ und bist umgeben von einem unübersichtlichen und undurchdringlichen Wald von Einladungen, Verführungen, Manipulationen, Aufforderungen und Appellen. Es gibt keine Nische oder Höhle mehr, wo du dich zurückziehen kannst. Durch das ständige Beschallen verlierst du mehr und mehr den Kontakt zu dir selbst. Wer bist du jenseits des Dschungels? Was zählt wirklich? Was zählt vor allem für dich! Wenn du so etwas hättest wie einen inneren Leitfaden oder Wegweiser, wie sähe dein Leben dann aus? Was würde sich dann verändern.
Vielleicht könntest du dich im Dschungel heiter und gelassen bewegen, weil du einen besseren Zugang hast zu deinen Ressourcen. Dass alle Einladungen und Verführungen dich gar nicht mehr tangieren oder in Unruhe versetzen. Du bist nicht gemeint. Oder du schaffst es sogar, wie auf einer Welle zu surfen. Der Ozean kann dich nicht mehr verschlingen. Schleichst du angespannt und ängstlich durch die Dschungelwelt oder bist du Tarzan oder Jane? Wenn du für dich definieren kannst, was wirklich zählt, kannst du alles andere Überflüssige hinter dir lassen.
Mir sind ein paar Aspekte eingefallen, dir mir selber helfen, im Meer der Möglichkeiten nicht unterzugehen, sondern darauf zu surfen. Ich lade dich ein, diesen Gedanken zu folgen und zu überprüfen, ob das auch für dich hilfreich ist. Möchtest du einen Rettungsring oder lieber ein Surfbrett? Der Rettungsring ist das Werkzeug der Angst vor dem Untergang. Das Surfbrett das Werkzeug, sich in das Abenteuer Leben zu stürzen.

Wenn dein Leben als kleines Kind sehr bedroht war, wirst du dich eher für Rettungsringe interessieren. Es sei denn, du hast einen Teil der Ängste schon bewältigt. Oder du bist als Kind auf die Welt gekommen mit einem absoluten Willkommen. Dann interessierst du dich vielleicht eher für das Surfbrett. Für mich kommt es nicht darauf an, ob du schon ein Meister bist. Es reicht aus, wenn du dich entscheidest, dich weiterzuentwickeln. Zu wachsen und dein Leben zu entfalten mit allem, was in dir ist. Du bist ja nicht nur ein sterbliches und abhängiges Geschöpf sondern zugleich göttliche Schöpferin und Schöpfer. Verlasse für einen Moment den Dschungel oder das tosende Meer und suche dir einen sicheren und neutralen Platz, an dem du dich zurückziehen kannst. Wenn du deine Augen schließt bist du schon bei dir. Dann verschwindet die Welt um dich herum und so nach und nach wird es auch still in deinem Verstand. In der Dunkelheit hat er erst einmal nichts zu tun.
Vorher liest du die Überschrift des Kapitels und dann schließt du deine Augen. Welche Resonanz löst die Überschrift in dir aus? Welche Gedanken tauchen auf? Was fühlst und spürst du? Verweile eine Zeit mit dir selbst und dann öffnest du die Augen wieder und liest.  Vielleicht wirst du überrascht sein, dass du zu ähnlichen Ergebnissen kommst. Vielleicht entsteht aber aus deinen ursprünglichen Gedanken und meinen Überlegungen ein innerer Dialog. Dein innerer Dialog ist die eigentliche Basis deiner Entwicklung. Nur,  das, was du durchdenkst, durchfühlst oder durchkaust kann zur Nahrung für dich werden. Sonst liest du nur einen Gedanken und er wirkt wie ein Duft. Ein intensiver Moment, der sich schnell verflüchtigt und es bleibt nur eine Erinnerung ob es angenehm oder unangenehm war.

1. Verbinde dich lieber anstatt dich zu trennen

Du lebst in einer Welt in der alles voneinander getrennt ist. Zumindest kann ein solcher Eindruck entstehen. Du trennst Arbeit von Freizeit und hast für jeden Bereich unterschiedliche Ansprüche. Du möchtest in deiner Freizeit nicht gestört werden und in deiner Arbeit achtet dein Arbeitgeber darauf, dass du nichts Privates machst. Kinder werden von Erwachsenen getrennt. Die Welt von Kita und Schule für die Kinder, die Arbeitswelt für die Erwachsenen. Wir trennen die Grundstücke und errichten Grenzen. Hier wohne ich und dort wohnst du.
Deine Freundin macht dir einen Vorwurf, dass du ihr nicht zuhörst und du fühlst dich abgetrennt. Manche trennen sich von ihren Gefühlen und bleiben lieber im Kopf. Mit dem Kopf kannst du planen und kontrollieren. Deine Gefühle machen, was sie wollen. Sogar in deinem Verstand gibt es Trennung. Ein Teil von dir möchte sich ausruhen und ein anderer Teil möchte etwas erleben. Wieder ein anderer Teil möchte anerkannt werden und fühlt sich dennoch verurteilt.
Neben dir im Zug sitzt ein Mensch aus einem fremden Kulturkreis und du findest nichts, was dich mit ihm verbindet. Du kannst eine Brille aufsetzen mit der du alles was du siehst, trennst. Sogar bei einer Tasse mit Blumenmuster siehst du die Farben und Formen und denkst, dass rot ganz anders wirkt als blau. Beim Betrachten von blau bekommst du andere Gefühle als beim Betrachten von Rot. Die Tasse gefällt dir nicht und schon bist du von der Tasse getrennt. Außerdem besteht ihr Material aus Steingut und du bist aus Fleisch und Blut.
Du sitzt mit anderen Menschen zusammen und denkst, wie verschieden sie von dir sind. Deinen Nachbarn findest du zu leise, den nächsten zu laut, wieder jemand ist vom anderen Geschlecht, das du sowieso nie richtig verstehst. Einer hat die Macht und andere sind ohnmächtig.
Wenn du die Brille der Trennung aufsetzt kannst du dich in Trennungsgedanken hineinsteigern. Der Abstand zwischen dir und den Anderen wird immer größer und größer und plötzlich fühlst du dich allein. Du bist wie unter einer Glasglocke und du hast mit allem, was du siehst, nichts mehr zu tun. Wenn du es aushältst gibt es nichts zu tun. Es ist ja ein Teil der Wirklichkeit. Oder? Da bist du und da ist das Fremde gegenüber und du bist nicht das Fremde und das Fremde ist nicht du. Wahrscheinlich kannst du dich nicht mehr daran erinnern, wie du als Baby geschrien hast und niemand gekommen ist. Du warst allein mit deinem Bedürfnis und mit deinem Schmerz. Dabei lebte in dir noch die glasklare Gewissheit, dass du tief mit der Mutter verbunden bist. Du kamst doch aus ihrem Bauch. Du warst ein Teil von ihr. Nichts deutete darauf hin, dass du allein bist in dieser Welt. Du lagst dort in deinem Bettchen und konntest dir nicht helfen. Du konntest ja noch nicht aufstehen und deine Mutter suchen. Du musstest es aushalten und schreien und warten. Diese Erfahrung hat sich in dir eingebrannt. Die Mutter ist nicht zuverlässig da. Sie mutet dir den Schmerz der Trennung zu.
Wie mag sich das auf dich ausgewirkt haben. Hast du alles dafür getan, dass das nie wieder passierte? Hast du so lange geschrien, bis deine Mutter verstand, dass du immer bei ihr sein wolltest? Und heute klammerst du immer noch? An Menschen oder Dingen? Dein Klammern diente ja nur dem Ziel, bloß nicht getrennt zu werden. Aber eigentlich warst du da gefühlt schon getrennt. Verbunden mit der Mutter, aber in tiefer Angst vor Trennung.
Oder du hast schicksalsergeben geschwiegen und resigniert. Du schreist und niemand kommt und du musst das Schicksal annehmen. Ja, du bist getrennt und niemals wieder wird jemand kommen und dir etwas vormachen können. Wenn deine Mutter jetzt kommt wirst du denken, dass sie sowieso gleich wieder geht. Freude und Wohlbefinden lohnen sich nicht. Halte dich zurück, damit du nicht gleich wieder enttäuscht wirst. Und so wächst du auf mit der Idee, dass eigentlich alles von dir getrennt ist. Die andere Wirklichkeit möchtest du nicht mehr sehen und wahrnehmen.
Die andere Wirklichkeit darfst du wieder entdecken. Die Wirklichkeit, dass du mit allem was ist, verbunden bist. Im Bettchen als kleines Baby musstest du das Unerträgliche ertragen. Aber jetzt als Erwachsener kannst du laufen. Du kannst dich bewegen. Mit deinem Körper, mit deinen Gedanken und mit deinem Herzen. Du kannst dich zu jedem Zeitpunkt deines Lebens dafür entscheiden, dich wieder zu verbinden. Der Verbindungsfaden ist vorhanden. Du kannst im Kreis deiner Menschen sitzen und das Verbindende sehen. Da sitzen lauter Menschen so wie du. Da schaut dich jemand an und du schaust zurück und im Augenblick gibt es eine Verbindung über den Blick. Ist dir schon einmal bewusst geworden, welche Energie im gegenseitigen Anschauen liegt.
Du schaust jemanden an und dieser Mensch schaut zurück und ihr trefft euch mit den Augen. In diesem „Augenblick“ steht die Welt still und es gibt keine belastete Vergangenheit und keine beängstigende Zukunft. Nur du bist da und dein Gegenüber. Du kannst mit vielen Menschen zusammensitzen und lauter überflüssiges Zeug sprechen. Allein dieser „Augenblick“ löscht alles Widrige aus. Du lebst im Geschenk. Und davon gibt es unendlich viele. Jemand berührt dich mit der Hand. Ganz sanft und nur so eben und scheinbar so nebenbei. Spürst du die Elektrizität, die durch deinen Körper geht? Du bist gemeint! Da nimmt dich jemand wahr. Über diesen Hautkontakt gibt es eine Verbindung. Ganz kurz flammt im Unterbewusstsein die Erinnerung auf, dass es eine Nabelschnur gab. Darüber wurdest du versorgt. Neun Monate und ohne Unterbrechung. Dann berührt dich jemand und das ganze Programm der Versorgung wird wieder aktiv. Wow, du bist verbunden!
Im Mutterleib gab es zwar eine Verbindung ohne Unterbrechung. Aber es hatte auch ein „aber“. Aber du konntest nicht unabhängig dein Eigenes machen. Um dein Eigenes machen zu können, was ja sehr befriedigend ist, musst du dich kurzfristig trennen. Du trennst dich und verbindest dich mit etwas anderem. So ist das Spiel: sich trennen und verbinden. Um sich wieder zu trennen und wieder zu verbinden. Du wanderst quasi von Verbindung zu Verbindung und bist eigentlich nie wirklich getrennt. Es sei denn, du nimmst es so wahr. Trennung über Trennung! Niemand mag mich und bei niemandem halte ich es aus.
In deinem Geist und in deiner Seele kannst du eine bewusste Entscheidung treffen. Du spielst mit allen Menschen ein schöpferisches Spiel. Die ständig sich wiederholende Freude, in immer wieder neue Verbindungen zu gehen. Oder du bewegst dich in der ständigen Angst, alles zu verlieren. Dann lebst du in dieser Angst wie in einem Dauerzustand. Mal gefühlt, oft aber auch verdrängt. Im Bewusstsein der Trennung bist du auch abgeschnitten von allen Quellen, die dich speisen können. Umgekehrt leidest du keinen Mangel, wenn du Teil eines wundererfüllten Netzwerkes bist. Du empfängst und du gibst weiter.
Stell dir die Beziehung zu einem guten Freund oder einer guten Freundin vor. Es beglückt dich, dass jemand für dich da ist und auch umgekehrt. Jetzt sagt dieser Mensch etwas zu dir, das dich kränkt. Für einen Moment fühlst du dich verraten und zurückgestoßen. Wie kann dieser Mensch diese  Freundschaft so verraten und mit Füßen treten. Du steigerst dich herein und deine Phantasie geht mit dir durch. Dein Freund war immer schon unehrlich und du hast dich ausnutzen lassen. Du wurdest belogen und betrogen und dieser Mensch hat deine  Freundschaft nicht verdient. Du selbst merkst nicht, wie du immer mehr in einen abgetrennten Zustand gerätst. Du kannst gar nicht mehr überprüfen, ob deine Gedanken wirklich wahr sind oder nur Produkte deiner Phantasie. In dieser Abtrennung fühlst du dich verraten und zugleich immer trauriger wütender und ängstlicher. Du bestrafst dich damit selbst, indem du dich in diesen schrecklichen Zustand hineinversetzt. Du erlebst den Kern dessen, was die christliche Höllenvorstellung ausmacht. Scheinbar angestoßen durch den Verrat des Freundes katapultierst du dich in deinen inneren Höllenzustand. Je öfter du das erlebst, desto schneller funktioniert dieser Mechanismus.
Was setzt du dieser zerstörerischen Energie entgegen? Wir Menschen haben einen starken Geist. Du kannst diese Gedanken stoppen und dich daran erinnern, dass es diese wunderbare Freundschaft gab. Du kannst die Frage in dir zulassen, ob es möglich ist, dass diese Freundschaft auch jetzt noch besteht. Eher im Pausenmodus, aber latent vorhanden. Du kannst dich an alle freundschaftlichen Begegnungen und Ereignisse erinnern und diesen Bedeutung und Kraft geben. Du kannst die Augen schließen, dich in dein Herz hineinbewegen und das Gefühl der Trennung fühlen und zugleich zulassen, dass dieser Zustand gefüllt wird mit Erinnerungen an diese Liebe. Je mehr dieses Bewusstsein von Liebe in dein Herz strömt, desto mehr besänftigt sich der innere Aufruhr. Ja, du spürst die Kränkung und ja, du spürst auch die Liebe. Indem du dich dafür entscheidest, die Verbundenheitsgefühle und Gedanken zuzulassen verändert sich deine innere Landschaft. Und du kannst dich dafür entscheiden, das fortlaufend zu trainieren. Die Welt mit all den Trennungsmöglichkeiten ist dein Sparringspartner deiner persönlichen Entwicklung. Jedes Auto, das dir entgegenkommt, jeder Regentropfen und jede Begegnung mit einem Menschen können in dir Höllenzustände oder himmlische Gefühle auslösen. Du selbst sitzt in deinem Herzen an der Weichenstellung und entscheidest, wohin es geht.
Ohne Zweifel magst du denken, dass es Menschen gibt, die es leichter haben. Sie haben mehr Verbundenheitsanteile geschenkt bekommen als Trennungsmöglichkeiten. Sie sind scheinbar vom Glück geküsst worden. Das ist bestimmt so. Aber du hast dein eigenes Leben und deine eigenen Herausforderungen. Und wenn du dich mit anderen Menschen vergleichst, bist du gleich wieder in der Hölle. „Die anderen haben Glück und ich? Ich muss im Elend aushalten.“ Nicht das Glück der anderen macht dich elendig, sondern der Vergleich, den du anstellst und bewertest.
Bleibe lieber bei deiner inneren Herzensweiche und entscheide dich für dein eigenes Leben. Du kannst die Hölle verstärken oder den Himmel. Es gibt keinen Tag, wo du nicht diese Herausforderung hast. Darin liegt zugleich das Geschenk. Du hast jeden Tag die Möglichkeiten zu wählen. Verbindest du dich oder trennst du?  

2. Nimm wahr, dass du äußerst liebenswert bist

Du kannst es nicht leugnen. Du bist da auf dieser Welt. Du kannst es befühlen und du kannst dich im Spiegel anschauen. Du existierst! Und du bist dir dessen bewusst. Doch wie bist du dir deiner selbst bewusst?
Du warst einmal ein wunderbar süßes kleines Baby. Deine Mutter und dein Vater haben dich angestrahlt und ihr Herz für dich geöffnet. Und wenn der Vater fehlte und die Mutter nicht so herzlich war, dann gab es einen anderen Menschen. Am Anfang stand ein großes Willkommen über deinem Leben. Du hast als ein äußerst liebenswertes Wesen das Licht der Welt erblickt. Niemand hat etwas von dir erwartet. Du musstest nichts dafür leisten und du konntest es nicht bezahlen. „Sei bitte freundlich zu mir Mama, dann bekommst du einen Euro von mir.“ Allein eine solche Vorstellung wäre völlig absurd. Ohne dein Zutun wurdest du geliebt.
Irgendwann gab es den Augenblick, wo du nicht mehr ganz so hilflos warst. Du konntest etwas. Greifen, dich umdrehen, krabbeln, lächeln. Deine Eltern sahen, dass du dich entwickelst und freuten sich mit dir. Und sie freuten sich, dass sie nicht mehr alles für dich tun mussten. Dass wieder etwas Energie und Zeit für sie selber blieb. Nur ein paar Minuten zwar, aber immerhin. Etwas später, als du sprechen konntest, und deine Eltern etwas für dich tun wollten, hast du so einen Wiederstand entwickelt. Mit allem Zorn hast du deutlich gemacht: „Alleine!“ Ah, du wolltest es alleine machen. Ohne fremde Hilfe! Da wurde in dir das Bedürfnis nach Freiheit und Autonomie wach. Die befriedigende Erfahrung, nicht abhängig zu sein. Nicht warten zu müssen. Nicht mehr diese entwürdigende und hilflose Erfahrung machen zu müssen, auf jemanden angewiesen zu sein.
Und deine Eltern? Sie erlebten vielleicht so eine ambivalente Mischung von Stolz und Furcht. „Ich werde nicht mehr gebraucht? Ich bin überflüssig? Ich werde zurückgestoßen?“ Die erste echte Kränkung deiner Eltern. Und diese Geschichte wird sich fortsetzen. „Kind, können wir etwas für dich tun?“ „Nein, vielen Dank, das schaffe ich selbst.“ Auch deine Reaktion war ambivalent. „Darf ich das alleine? Kränke ich nicht jetzt meine Eltern?“ Und schon sehr früh in der Interaktion zwischen dir und deinen Eltern taucht irgendwann der Gedanke auf, dass du nicht in Ordnung bist. Du kannst immer noch nicht laufen, nicht richtig sprechen, haust andere Kinder, quengelst, willst Sachen, die aus der Sicht des Erwachsenen völlig daneben sind, und, und, und...
Diese Erfahrungen kannst du sammeln und zu einem erschreckenden Ergebnis kommen. Du bist überhaupt nicht in Ordnung. Du bist ein Monster! Du machst viel falsch und nur wenig richtig und du nimmst es sehr persönlich. Du kommst zu dem Ergebnis, nicht, dass du etwas falsch machst, sondern dass du völlig falsch bist.
Du wirst älter und älter und vergisst den Anfang deiner Lebensgeschichte: Dass du ein äußerst liebenswerter Mensch bist. Du triffst andere Menschen und wirst vorsichtig. Werden sie dich mögen? Wenn ja, unter welchen Bedingungen und Voraussetzungen? Wird sich das Drama im Elternhaus fortsetzen? Der Kampf um Anerkennung und Liebe?
Bitte keinen Vorwurf an deine Eltern! Sie sind wie sie sind und sie tragen nur einen kleinen Teil zu deiner Misere bei. Selbst, wenn sie dir alle ihre Liebe schenken, wirst du dahin kommen, wo alle Menschen heute sind. Im Zweifel, wirklich liebenswert zu sein. Einfacher ist es natürlich, wenn du einen Schuldigen findest. Weil meine Mutter mich nicht genug gestreichelt hat, bin ich jetzt so kühl. Weil mein  Vater mir nichts zugetraut hat, habe ich jetzt kein Selbstvertrauen. Ich kenne solche Schuldzuweisungen und sie stimmen auch. Aber es nutzt dir nichts. Du bist jetzt auf dieser Welt und darfst mit dem Erbe deiner Eltern leben. Ich kenne keinen Menschen, bei dem nicht ab und zu die Frage auftaucht, ob er liebenswert genug ist. Vielleicht war Jesus davon befreit oder der Dalai Lama. Aber sicher bin ich mir da nicht.
Fühlst du dich als ohnmächtiges Produkt deiner Lebensgeschichte? Nicht genug geliebt und unfähig zu lieben? Du bist äußerst liebenswert, weißt du das? Du bist so was von wunderbar und es ist toll, dass du mit mir auf dieser Welt bist. Ich meine das so und ich fühle das mit allen Fasern meines Körpers. Selbst, wenn ich dich gar nicht persönlich kenne. Ich schließe meine Augen und stelle mir vor, dass du da bist. Mein Herz geht auf und ich spüre die Liebe zu dir. Wow, welch ein wunderbares Wesen du bist!
Jetzt könnte ich von dir schwärmen und viele Worte für meine Freude finden. Aber was ist, wenn du mir nicht glaubst? Wenn du mich abweist. Wenn meine Worte dein Herz nicht erreichen können.
Viel entscheidender wäre es, wenn du selbst auf diese Idee kämest. Wenn du die Augen schließt und in dein Herz gehst und anfängst, über dich zu staunen. Wenn du sagen könntest: „Ja, ich bin total liebenswert! Wie wunderbar, dass ich da bin. Und dass ich da bin, genauso wie ich da bin!“ Dass du das zu dir selber sagst. Du könntest gedanklich zurückgehen zu deiner Geburt und noch weiter zurück zu deinem Dasein in der Höhle deiner Mutter, noch weiter zurückgehen zu dem Zeitpunkt, wo du gezeugt wurdest und noch weiter zurück, wo die Bausteine von Same und Zelle entstanden und noch weiter zurück zum Ursprung deines Bewusstseins. So weit zurück, bis du dich deiner göttlichen Quelle erinnerst und sie wieder verinnerlichst. Werde dir deines göttlichen Ursprunges bewusst. Trage es wie ein Siegel auf deinem Herzen. „Ich bin äußerst liebenswert.“
Dieses Bewusstsein will gepflegt werden, weil die Gefahr besteht, dass du es schnell wieder verlierst. Da nimmt dir jemand die Vorfahrt. Da übersieht dich jemand bei einer Begrüßung. Da bricht jemand den Kontakt zu dir ab. Mehrmals am Tag kannst du die Erfahrung machen, die dich abrutschen lässt in eine tiefe Verlorenheit. Erinnerst du dich daran? „Du bist äußerst liebenswert!“ Mach doch mal die Übung und zähle auf, was genau du an dir liebenswert findest. Insgesamt bist du liebenswert. Ja? Aber du kannst auch ins Detail gehen. Du bist ja eine Komposition aus vielen Elementen, ein buntes Mosaik von Liebenswertigkeit. Niemand kennt diese Zusammensetzung so wie du.
Ist dir schon einmal aufgefallen, dass Menschen von außen dich ganz anders wahrnehmen als du dich selbst. Ich bin manchmal total erstaunt, was Menschen an mir liebenswert finden. So genau habe ich für mich noch gar nicht hingeschaut. Ich schaue, was andere Menschen als liebenswerte Wesen ausmacht und kann das schnell herausfinden. Warum gelingt mir das nicht mit mir selbst?
Fühlt sich das dann sofort an wie Eigenlob? Eigenlob stinkt? Bin ich ein Narzisst, wenn ich so denke und verführe ich dich zu einer sehr unchristlichen Haltung? Im Laufe des Lebens haben wir ja das Bewusstsein dafür verloren, wie kostbar und wertvoll wir sind. Wir haben uns daran gewöhnt, wie mangelhafte Wesen herumzulaufen. Ständig bewertet und kritisiert. Wir sind unser größter Feind und Kritiker. Wir erkennen unsere Fehler und Schwächen und schämen uns dafür und sind damit beschäftigt, sie zu vermeiden, unsichtbar zu machen, auszumerzen. Immer mit der Absicht, dadurch liebenswerter zu sein. Dabei wächst der Schmerz, weil es uns eigentlich gar nicht gelingt. Jedes Scheitern bestätigt unser chronisches Versagen.
Wie würde sich dein Leben anfühlen, wenn du diesen ablehnenden Teil deines Lebens einmal ruhen lassen würdest. Und stattdessen dich so anschaust, wie andere liebevolle Menschen dich anschauen. Sieh dich an mit dem Blick deiner Eltern und wenn du gläubig bist mit dem Blick Gottes. Erinnerst du dich daran? Du bist äußerst liebenswert! Ich erinnere dich und mich ständig daran. Sobald ich dich frage, was dich in deiner Kindheit traumatisiert, dich eingeschränkt oder gekränkt hat, werden die entsprechenden Bilder, Gefühle und Bewertungen wach. Schon hast du wieder vergessen, dass du äußerst liebenswert bist. Kränkungsbilder sind unglaublich mächtig. Du glaubst ihnen lieber als der anderen Wirklichkeit. Das geht sehr schnell: „Ach, ich bin ja doch nicht liebenswert. Ich habe es immer schon gewusst. Mein Gefühl täuscht mich nicht.“ Du musst um diese Wirkmechanismen wissen. Die Wirkmächtigkeit deiner lebenslangen Glaubenssätze.
Als kluger Mensch wirst du vielleicht denken, dass es stimmt, dass du äußerst liebenswert bist. Aber dieser Gedanke ist oft nicht stark genug. Da sagt dir ein Mensch: „Du hast mich total enttäuscht!“ Und schon fällt deine Selbstliebe wie ein Kartenhaus zusammen. Kannst du dir vorstellen, dass die Vorstellung, dass du äußerst liebenswert bist, zu einem neuen Leitwert in deinem Leben wird. Du kannst dich dafür entscheiden. Du gibst immer wieder dein Ja dort hinein. Wenn dieser Mensch dir sagt, wie sehr er enttäuscht ist, wirst du vielleicht für einen kurzen Moment diese Trauer oder den Ärger spüren und zugleich den Lichtschalter anmachen: „Auch wenn ich jetzt diesen Kloß im Hals habe, bin ich total liebenswert.“ Du trainierst es und die „böse Welt“ und die „ablehnenden Menschen“ werden zu deinen effektivsten Sparringspartnern. Übe an deinen „Feinden“, dass du ein äußerst liebenswerter Mensch bist. Jetzt schließ die Augen und lass in dir das Bild entstehen wie du selber als Baby in der Wiege lagst. Was für ein liebenswertes Wesen!   



3. Du darfst dich angstfrei weiterentwickeln

„Ich tue das nie, nie wieder!“ In mir entsteht das Bild von mir als ich ein kleiner Junge war. Ich möchte einmal diese wunderbare bunte chinesische Tasse in der Hand halten und befühlen. Dabei werde ich erwischt und lasse vor Schreck die Tasse fallen. Mutter steht zornig und enttäuscht vor mir. Ich bekomme ihre ganze Wut und den Ärger ab. Die schöne chinesische Tasse von meiner Tante liegt nun in tausend Scherben da.
Ich bin ein Verbrecher. Man wird mich von meinen Eltern entfernen und ich lande im Heim. Unter lauter fremden Kindern. Ich werde alles verlieren. Meine Mutter wird mich nie wieder lieben und bei Vater werde ich auch keinen Trost finden. Ich bin schuldig. Die Scherben liegen da. Das Bild prägt sich ein wie das Brandmal bei einem Kalb. Die zerbrochene Tasse, die wütende und aufgelöste Mutter und ich hilflos und voller Angst. Nichts kann mich trösten oder beruhigen. Unauslöschlich gräbt sich das Erlebnis ein in jede Zelle meiner Haut.
Ich übertreibe? Ja, aus der Perspektive eines Erwachsenen. Du würdest es nivellieren. Es war schlimm und so schlimm auch wieder nicht. War ja nur ein Tasse. Die kann man ersetzen. In der Erwachsenenhaut gibt es das Erschrecken und das Beruhigen. Die Einsicht, dass ein Schaden entstanden ist. Ich entschuldige mich und bezahle die Rechnung. Ich vergewissere mich, dass die Beziehung nicht gelitten hat und dass wir uns wieder gut sind. Das Ganze dauert zehn Minuten.
Aber aus der Perspektive eines Kindes? Du hast keine Vorstellungen von Zeit, Kosten, Folgen oder Bewertungen. Du erschrickst, erstarrst und fühlst dich dem Tode nahe. Du bist nicht in der Lage, damit umzugehen. Du musst es erst noch lernen. Wenn du als Kind so hilflos und ohnmächtig dastehst wirst du alles dafür tun, dass dir das nie wieder geschieht.
„Ich tu das nie, nie wieder!“ So schnell wirst du keine Porzellantasse mehr in die Hand nehmen. Die Angst wird dich hindern. „Lass es stehen! Sonst lässt du es fallen und du weißt genau, was passieren wird. Willst du, dass die Welt zusammenbricht und alle geliebten Menschen sich von dir entfernen?“ Das willst du nicht, weil du ja alleingelassen sterben müsstest. Du bist angewiesen auf deine Eltern und auf ihr Wohlwollen!
Dabei fing alles so verheißungsvoll an. Du kommst als Schöpfer, als Erfinder und Entdecker auf die Welt. Voller Lust und positiver Energie drückst du dich aus. Das Wort Angst kennst du nicht im Zusammenhang mit Menschen. Höchstens mit normalen Abläufen des Alltags wie bei den Tieren. Da kommt plötzlich und unerwartet etwas auf dich zu, das dich erschreckt. Die Nacht bricht herein und du siehst nichts mehr. Geräusche dringen an dein Ohr, die du nicht deuten kannst.
Direkt bei dir jedoch hast du Kontakt zu deinen Eltern. In ihrer Nähe fühlst du dich sicher und geborgen. So lernst du eine gesunde Mischung aus Vertrauen und den Umgang mit unbekannten Situationen. Die Nähe deiner Eltern verleiht dir den Mut, deine Komfortzone zu verlassen und Neues zu wagen.
Wie jedoch entwickelst du dich, wenn deine Eltern unsicher sind? Wenn Vater und Mutter in einer angespannten Beziehung leben? Wenn deine Mutter Angst um dich hat und dir nichts zutraut? Wenn sie dich permanent beschimpft und überfordert? Wenn du in einem Umfeld von Angst aufwachsen musst? Die ersten Jahre deines Lebens prägen dich. Und als Erwachsener musst du mit deiner Prägung das Leben bestehen.
Vielleicht erinnerst du dich gar nicht mehr an die einzelnen Ereignisse aus deiner Kindheit. Aber du wirst ein Grundgefühl entwickelt haben. Du wirst eher vertrauen und dir kraftvoll das Leben erobern oder dich zögerlich zurückhalten und dich eher verweigern.
Wenn du angstvoll aufgewachsen bist bleibt dir nichts anderes übrig, als damit zu leben. Du wirst in der Regel sehr vorsichtig sein. Du wirst dazu neigen, viele Versicherungen abzuschließen, Türen und Fenster in deiner Wohnung zu verriegeln und ständig zu überprüfen. Dir unbekannte Menschen werden erst einmal beweisen müssen, dass sie vertrauenswürdig sind. Dein Immunsystem wird stark herausgefordert sein und du wirst stärker zu Allergien neigen als andere. Du wirst oft das Für und Wider abwägen und dich nicht gut entscheiden können. Du wirst dazu neigen, die Schuld auf dich zu nehmen und lieber kein Nein zu riskieren. Du wirst Lebensmittel nicht essen wenn sie nicht absolut sicher sind. Du wirst das Gefühl haben als ob um dich herum eine Mauer aufgebaut ist, die du nur angestrengt überwinden kannst. Je größer die Angst, desto höher und dicker die Mauern und das Bemühen, dir Sicherheit zu verschaffen.
Und du machst die Erfahrung, dass es nie genug ist. Noch eine Versicherung zusätzlich, noch vorsichtiger sein, noch weniger wagen. Die Angst und die Angst vor der Angst lauern dir ständig auf.
Wenn du dich weiterentwickeln möchtest bleibt dir nichts anderes übrig, als zu lernen, mit der Angst umzugehen. Menschen, die relativ angstfrei aufwachsen können sich da nicht wirklich gut einfühlen. Welche Möglichkeiten hast du? Du kannst weitermachen und alles, was Angst macht, vermeiden. Du flüchtest! Oder du stellst dich mutig den Herausforderungen. Du durchlebst die Angst. Du lässt dich von ihr überfluten. Du setzt dich daneben. Du lernst, trotzdem zu atmen. Du entschließt dich dazu, der Angst nicht mehr so viel Raum zu geben, dass sie dein Leben verhindert. Du entschließt dich zu einer neuen Lebensphilosophie: „Ich habe Angst davor, also mache ich es.“ Mach dir keine Sorgen. Es wird noch genug Angst übrig bleiben. Aber du wirst dich weiterentwickeln.
Stell dir aber vor, dass es den großen Tag geben wird, wo du dich weiterentwickelst jenseits der Angst. Einfach nur weil du Freude hast. Tiefe Freude an dir, an den Menschen um dich herum und an den Dingen. Du kehrst zum Anfang deines Daseins zurück. Du erinnerst dich daran, dass du mit voller Energie und grenzenlosem Vertrauen ausprobieren und gestalten darfst. Du darfst wie ein Baby die Welt erobern und machst das mit einer Bewusstheit von absoluter Sicherheit.
Du kannst es lernen, den Raum der Angst zu überwinden und zu ersetzen durch das Wissen, dass du Teil eines göttlichen Ursprunges bist. Deine Angst verzerrt dir den Blick auf die Wirklichkeit. Mit deiner Angst wirst du in vielen Menschen einen Feind sehen, der dich ausbeuten, betrügen und übervorteilen wird. Jenseits der Angst jedoch wirst du in jedem Menschen einen Bruder oder eine Schwester sehen. Einen Spielkameraden, mit dem du die Welt erkunden darfst.
Wo befindest du dich gerade in deiner persönlichen Entwicklung? Hast du schon alle Urängste kennengelernt und überwunden? Lebst du schon in der Freiheit der Kinder Gottes? Ich merke immer wieder, dass meine Vergangenheit ihren Schatten über mich legt, aber die Macht verschwindet mehr und mehr und das fühlt sich gut an. Stell dir vor, dass du dich angstfrei weiterentwickelst. Stell dir vor, dass du das kannst und dass das ganz selbstverständlich ist. Lerne solche Menschen kennen und lass dich von ihnen anstecken. Spüre den Unterschied, der einen Unterschied macht. Du kannst lustvoll und neugierig die neuen Räume betreten oder vorsichtig und zurückhaltend. Sterben musst du sowieso. Aber es reicht, dass am letzten Tag deines Lebens zu machen. Sonst stirbst du jeden Tag und hast gar nicht gelebt. 
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