Du
bewegst eine Frage in deinem Herzen und suchst nach einer Antwort.
Deine Ungeduld möchte oftmals eine zügige Antwort, vor allem, wenn du
leidest. Du fragst, warum du immer so ungeduldig bist mit dir und den
Menschen in deiner Familie. Du fragst dich, warum es dir nicht gelingt,
den ganzen Tag ausgeglichen und guter Laune zu sein. Du fragst, warum
das Leben so ungerecht zu dir ist. Du glaubst, dass dann, wenn du eine
Antwort darauf hast, es dir besser geht.
Nach meiner Erfahrung
gibt es keine letzten Antworten auf ein "Warum?". Hinter jedem "Warum"
gibt es ein neues "Warum". Schon die Kinder, die so fragen, zeigen es
dir. Du beantwortest geduldig jede Frage, aber irgendwann spürst du das
brühmte Loch in deinem Bauch und sagst: "Schluss. Kein "Warum?" mehr!"
Rilke
lädt dich ein, bei der Frage selbst zu bleiben. Lerne, deine Fragen zu
schätzen und nicht eine Antwort zu erwarten. Nehmen wir doch einmal eine
sehr philosophische Frage. "Wozu bin ich auf dieser Welt?" Jetzt kannst
du dich direkt ans Antworten begeben. Du könntest sagen, weil deine
Eltern sich liebten oder weil es im Plan Gottes liegt. Du könntest aber
auch die Frage einfach einmal stehen lassen. Wozu bin ich auf dieser
Welt? Wenn ein Antwortgedanke auftaucht, dann stoppe ihn einfach.
Bleib
also bei der Frage selbst stehen, ohne auf eine Antwort zu warten.
Welche Erfahrungen machst du dabei? Kommt vielleicht ein Gefühl? Wenn
ja, welches? Entsteht Freude oder Trauer? Empfindest du vielleicht sogar
einen Schmerz, weil da eine Leere entsteht? Das "Wozu" könnte zu einer
sehr tiefen und persönlichen Sinnfrage werden. Wer ist das "Ich", das da
fragt? Von welcher Welt sprichst du überhaupt, der sichtbaren oder der
unsichtbaren Welt? Wo gehört das hin, was du so selbstverständlich "Ich"
nennst? Es kann geschehen, dass du die Frage mehr liebst als die
Antwort. Denn jede Antwort wird vorläufig sein. Wenn du deinen Kindern
eine Antwort gibst bist du froh, wenn es nicht weiterfragt und da eine
Zufriedenheit entsteht. Zugleich weißt du, dass deine Antwort dem Kind
gegenüber mehr Fragen offen lässt, als du Antwort gegeben hast.
Uns
fällt es schwer, etwas im Raum stehenzulassen. Wir mögen Stabilität und
nicht die Schwebe. Fragen schweben eher als dass sie stabilisieren.
Versuche, die Fragen an sich zu schätzen. Die Fragen wirken wie ein
Motor, der dich weiter vorantreibt, neue Erfahrungen zu machen und auf
der Suche zu bleiben.
www.matthias-koenning.de
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