Als
im vergangenen Winter viel Schnee lag, hing ich in einem Strauch einen
Meisenknödel auf. Es brauchte ein paar Tage, bis die Meisen daran
gingen. Auch eine Taube und eine Amsel hatten Interesse an diesn
Körnern. Sie waren aber zu groß und zu schwer und konnten sich nicht an
dem Netz festhalten. "Die Trauben hingen zu hoch." Als jedoch die Meisen
kamen und kraftvoll in dem Knödel herumpickten, fiel immer ein
Bröckchen auf den Boden. Da waren Taube und Amsel gleich zur Stelle und
pickten sich ihren Teil. So erreichten sie doch noch ihr Ziel, etwas vom
großen Kuchen abzubekommen. Ich glaube, das gilt auch für uns Menschen.
Wenn du aufmerksam bist, fällt immer etwas ab, auch für dich. Schau nur
genau hin! Dabei geht es um die Aufmerksamkeit und das Gewahrsein.
Jetzt
im Frühjahr wärmt die Sonne die Natur und bringt sie zum aufwachen. Ein
paar Sonnenstrahlen fallen auch für dich ab. Du brauchst nichts dafür
tun. Stell dich einfach in die Sonne und es geschieht. Du erwachst, wie
die Natur!
Du kannst dir auch die Weisheit von Taube und Amsel
aneignen und dir zu Herzen nehmen. Immer fällt irgendwo etwas für dich
ab. Im Karneval die Kamelle, im Winter die Wärme in einem Kaufhaus, hier
und da ein paar Rabatte und Peisnachlässe, ein Probierstand im
Supermarkt, eine kleine Gabe auf dem Wochenmarkt, ein Hustenbonbon und
ein Paket Taschentücher in der Apotheke, eine Scheibe Wurst beim Metzger
und ein freundlicher Hinweis einer Verkäuferin im Modegeschäft.
Vielleicht lässt du selber mal hier und da etwas liegen für einen
anderen Menschen. Ein kleines Bildchen, einen Aufkleber, eine Dose
Futter für das Tierheim. So funktioniert der Kreislauf. Du empfängst und
du gibst, du bist ein Teil vom Ganzen. Du kannst es bewusst
mitgestalten und erlebst Wunder über Wunder! Faszinieren, nicht?
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Freitag, 27. März 2015
Donnerstag, 26. März 2015
Steh auf!
Jesus
befindet sich in guter Gesellschaft mit Marius Müller-Westernhagen,
Bushido, Culcha Candela, Betontod und den Toten Hosen. Sie alle und noch
einige Künstler mehr sangen oder sprachen diese Aufforderung aus: „Steh
auf!“
Das sind
energische Worte! „Steh auf!“ Mit Ausrufezeichen! Jesus richtet diese
Worte an den verstorbenen Sohn einer Witwe. Dieser wird gerade auf der
Bahre liegend weggetragen. „Steh auf!“ ruft Jesus in einem eindeutigen
Befehlston. Man stelle sich einmal vor, er würde folgendes sagen:
„Junger Mann, es wäre doch schön für deine traurige Mutter und für alle
anderen Verwandten, wenn du es dir mit dem Sterben noch einmal überlegen
würdest. Die ganze Zukunft liegt noch vor dir! Willst du das alles
wegwerfen? Ist deine Zeit denn wirklich schon gekommen?“ Das wären zwar
sehr einfühlsame Worte gewesen und sicherlich angemessen für einen Toten
und zugleich tröstlich für die Mutter. Hätten solche Worte jedoch
ausgereicht, einen Toten aufzuwecken? Jesus entscheidet sich für die
harte Tour. „Steh auf!“
Die
Band Betontod singt in ihrem Lied: „Ich will Dich nie wieder am Boden
sehen, es ist Zeit aufzustehen und nach vorne zu sehen! Ich will Dich
nie wieder am Boden sehen, steh auf!“ Interessant, dass sowohl
„Betontod“ als auch die „Toten Hosen“ das Wort „Tod“ im Namen tragen.
Musiker mit solchen Namen werden so zu Verkündern des Evangeliums vom
Aufstehen!
„Am Boden liegen – und aufstehen“ – darüber möchte ich gerne noch ein
wenig intensiver nachdenken. Als kleines Kind bin ich mit meinen Eltern
und Geschwistern am Sonntag spazieren gegangen. Mein Vater erzählt mir
heute manchmal, dass ich mich einfach zwischendurch auf die Straße
setzte und nicht wieder aufstand. Alle seine Bitten und Appelle halfen
nichts. Ich blieb da einfach sitzen und die ganze Familie wartete, bis
ich von selbst wieder aufstand. Aus der Perspektive des am Boden
liegenden zeigt sich: Der muss
auch aufstehen wollen. Die Aufforderung muss das Ziel zuerst einmal
erreichen.
Wir Menschen
können nicht früh genug damit beginnen, das wieder Aufstehen einzuüben.
Wir alle haben irgendwann gelernt, das erste Mal auf eigenen Füßen zu
stehen und bewegten uns haltsuchend und wackelig auf den Beinen an den
Objekten im Wohnzimmer entlang. Dann gingen wir freihändig ohne
„Objektschutz“ zwischen Mama und Papa hin und her, strahlten über die
ersten wirklich freien Schritte und … wir fielen! Das Fallen gehört zum
Laufen lernen dazu.
Mittwoch, 25. März 2015
Erhol dich gut!
Das Wort „erholen“ kommt ursprünglich aus der Medizin. Nach
einer Phase der Krankheit geht es darum, wieder gesund zu werden. Der Körper soll nach einer Anstrengung wieder
Zeit bekommen zur Regenerierung, vielleicht nach dem Motto: „Hole dir deine
Gesundheit wieder.“
Wenn wir uns vor dem Urlaub wünschen: „Erhol dich gut!“ dann
verbinden wir damit den Wunsch nach einer Regeneration. Das setzt ja voraus,
dass der entsprechende Mensch tatsächlich krank war oder eine anstrengende
Phase hinter sich gebracht hat.
Es wäre schön, wenn wir auch die Arbeitsphasen im Leben so
gestalten, dass wir nicht erholungsbedürftig werden. Interessanterweise
sprechen wir auch nicht von Erholungsbedürftigkeit nach einem anstrengenden
Sport. Ein anstrengender Sport führt zur Erholung und eine anstrengende Arbeit
zur Erholungsbedürftigkeit.
Ich glaube, da stimmt was nicht.
Statt „Erholung“ rede ich lieber von „Pause“. Untersuchungen
zeigen, dass wir Menschen uns nur 90 – 120 Minuten konzentrieren können und
dann eine Unterbrechung brauchen. Einfach für ein paar Minuten nichts tun und Körper
und Geist zur Ruhe kommen lassen. Wenn wir am Tag genug pausieren, wird der
Urlaub nicht zu einer Art selbstfinanzierter Reha Maßnahme. Der Urlaub wird zur zweckfreien Zeit und zu
einer ausgedehnten Pause.
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Dienstag, 24. März 2015
Werde wesentlich
Auch diesen Vers habe ich gefunden bei Angelus Silesius im
„cherubinischen Wandersmann.“
„Mensch, werde wesentlich; denn wenn die Welt vergeht,
So fällt der Zufall weg, das Wesen, das besteht.“
Es gibt das „Wesen“ und das,
was „dazu fällt“. Es gibt einen
unzerstörbaren Kern, und es gibt die vergängliche Geschichte. Es geht etwas und
es bleibt etwas. Jeden Tag fällt uns etwas zu. Ein Mensch kreuzt unseren Weg,
wir sitzen am Frühstückstisch, wir erledigen die Alltagsgeschäfte. Wir regen
uns auf, wir werden erschüttert. Wir geben den „vorübergehenden“ Erlebnissen
unendlich Bedeutung. Nicht zuletzt besetzen uns manche Ereignisse so stark,
dass wir über Jahre traumatisiert werden.
„Mensch, werde wesentlich!“ Das, was wir erleben soll uns
dazu dienen, dass wir daran wachsen und reifen. Häufig bleiben wir jedoch bei
den Dingen stehen und nicht beim Wesentlichen.
Als Kind kommst du z.B. zu deiner Mutter und beschwerst
dich: „Mama, der Bernd hat mich gehauen!“ Dann hörst du deine Mutter sagen:
„Ach du Armer, das hat er bestimmt nicht mit Absicht gemacht.“ „Doch, hat
er...!“ Ihr Beide bleibt in der Szene, bis sie sich irgendwann friedlich oder
sonst wie auflöst.
Sinnvoll ist es, wenn du dich irgendwann als Erwachsener mit
den dahinter verborgenen Themen auseinandersetzt. Wie erlebst du den Umgang mit
Macht und mit Gewalt? Wie gehst du um mit Schmerzen, Kränkungen und
Ablehnungen? Wer ist dieses „Du“, dass das da gerade erlebt? Wenn du das
machst, trägst du etwas dazu bei, wesentlich zu werden.
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Montag, 23. März 2015
Angeschlagenes Geschirr hält gut zwei Menschenalter. (aus Russland)
Ich
hänge an meinen Töpfen, an meinem Geschirr, an meinem Besteck. Ich
brauche nicht alle Jahre davon etwas Neues. Neues Geschirr im Laden
lacht mich nicht an. Ich gehe gleichgültig daran vorbei. Mit meinen
Tellern und Tassen bin ich sehr zufrieden. Die Tassen sind schlicht, sie
sind rundum dicht und halten jede Flüssigkeit. Auf den Tellern passt so
viel, dass ich locker davon satt werden kann. Mein Geschirr lässt sich
gut spülen und ist äußerst pflegeleicht. Auch die Jahre im
Geschirrspüler haben sie schadlos überstanden. Die Teller haben noch
keine einzige Macke, denn ich bin sorgfältig damit umgegangen. Nach so
vielen Jahren mute ich dieses Geschirr auch meinen Besuchern zu. Bislang
hat sich noch niemand darüber beschwert und alle essen brav von diesem
Geschirr ohne Anzeichen von Ekel oder Ablehnung.
Zugegeben, die eine oder andere Tasse ist nicht mehr ganz heile. Von zwölf Tassen sind drei angeschlagen, wie man so schön sagt. Ich habe sie nicht nach hinten gestellt. Ich entscheide nach dem Zufallsprinzip. So müssen auch Gäste aus diesen Tassen trinken. Mir fällt das nicht einmal mehr auf. All dieses Geschirr gehört zu mir und ich habe mir fest vorgenommen, sie bis zum letzten Tag meines Lebens zu benutzen. Meine Möbel halten nicht so lange aus. Stoffe verschleißen sichtbarer als Porzellan.
Wir werfen viel zu früh viel zu viel weg. Trödelmärkte machen mich traurig. Da stehen all die Dinge, die angeschlagen und aussortiert sind. Ich will sie nicht haben, denn ich bin mit meinen Dingen ganz zufrieden. Ich möchte sie auch nicht zum Trödel bringen. Wenn ich diese Welt verlasse mögen meine Erben entscheiden, ob mein Geschirr noch taugt für ein weiteres Menschenalter.
Mein Geschirr ist zuverlässiger als meine Berufslaufbahn und meine Beziehungen. Sie sind treuer als das Geld auf meinem Konto und meine zunehmenden Alterskennzeichen. Sie stehen gleichmütig und treu in ihrem Schrank und warten auf den nächsten Einsatz, ohne Klage und ohne sich über das Alter zu beschweren.
Sie sind es sogar wert, darüber zu meditieren und darüber in eine Meditationshaltung zu kommen. Das ist ein wichtiger Aspekt: Es geht mir um das Würdigen, Werschätzen und Anerkennen. Wer dem angeschlagenen Geschirr noch zwei Menschenalter schenkt, dem kann man sich gut mit seinen Sorgen anvertrauen. Der wird sorgsam und liebevoll damit umgehen.
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Zugegeben, die eine oder andere Tasse ist nicht mehr ganz heile. Von zwölf Tassen sind drei angeschlagen, wie man so schön sagt. Ich habe sie nicht nach hinten gestellt. Ich entscheide nach dem Zufallsprinzip. So müssen auch Gäste aus diesen Tassen trinken. Mir fällt das nicht einmal mehr auf. All dieses Geschirr gehört zu mir und ich habe mir fest vorgenommen, sie bis zum letzten Tag meines Lebens zu benutzen. Meine Möbel halten nicht so lange aus. Stoffe verschleißen sichtbarer als Porzellan.
Wir werfen viel zu früh viel zu viel weg. Trödelmärkte machen mich traurig. Da stehen all die Dinge, die angeschlagen und aussortiert sind. Ich will sie nicht haben, denn ich bin mit meinen Dingen ganz zufrieden. Ich möchte sie auch nicht zum Trödel bringen. Wenn ich diese Welt verlasse mögen meine Erben entscheiden, ob mein Geschirr noch taugt für ein weiteres Menschenalter.
Mein Geschirr ist zuverlässiger als meine Berufslaufbahn und meine Beziehungen. Sie sind treuer als das Geld auf meinem Konto und meine zunehmenden Alterskennzeichen. Sie stehen gleichmütig und treu in ihrem Schrank und warten auf den nächsten Einsatz, ohne Klage und ohne sich über das Alter zu beschweren.
Sie sind es sogar wert, darüber zu meditieren und darüber in eine Meditationshaltung zu kommen. Das ist ein wichtiger Aspekt: Es geht mir um das Würdigen, Werschätzen und Anerkennen. Wer dem angeschlagenen Geschirr noch zwei Menschenalter schenkt, dem kann man sich gut mit seinen Sorgen anvertrauen. Der wird sorgsam und liebevoll damit umgehen.
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Sonntag, 22. März 2015
Ich halte Ausschau nach dir
In einem Buch bleibe ich bei dem Satz hängen: "Ich halte Ausschau nach dir." Ich weiß gar nicht, warum mich der Satz so berührt.
Immer wieder einmal kommt es vor, dass ich mich verabrede. Vor allem, wenn der Treffpunkt unüberschaubar oder unvertraut ist und mich verwirrt, habe ich gerne eine kleine Sicherheit. "Wie finde ich dich?" heißt dann meine Frage. Natürlich kann ich schauen im Café auf dem Platz zwischen den vielen Fußgängern wo die Person ist, mit der ich mich treffen will. Wenn ich aber höre, dass mir jemand sagt: "Ich halte Ausschau nach dir!" Dann bin ich beruhigt. Ich muss das nicht alleine hinbekommen. Mein Gegenüber unterstützt mich. Er schaut nicht wahllos in der Gegend herum und wartet still vor sich hin, liest ein Buch oder schreibt SMS. Da wirft jemand seine Fäden oder sein Netz aus, so dass ich nicht verloren gehen kann.
Im Schreiben merke ich, was mich berührt. Ich könnte meine Verabredung verpassen. Er oder sie ist nicht da und ich bleibe allein. Ich gehe verloren! Ich bin hilflos! Da springen ganz alte Muster an aus meiner kindlichen Vergangenheit.
Ich kann mich nicht erinnern, dass meine Mutter Ausschau nach mir gehalten hat wenn ich draußen spielte. Andere Mütter sind am Abend auf die Straße gegangen und haben nach ihren Kindern geschaut und gerufen. "Thomas, komm rein, es gibt Abendessen!" Meine Mutter hat einfach erwartet, dass wir als gut erzogene Kinder die Regeln beachten. Wenn wir Kinder das Haus betraten war unsere Mutter immer beschäftigt mit irgendeiner Arbeit. Etwas war immer zu tun. Da hielt niemand "Ausschau". Da gab es kein Erwarten oder Ausdruck von Wiedersehensfreude.
"Ich halte Ausschau nach dir!" Da werde ich erwartet! Da kümmert sich jemand um mich! Da bin ich für jemanden wichtig! Ich gehe nicht verloren! Das fühlt sich wirklich gut an, nicht wahr?
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Immer wieder einmal kommt es vor, dass ich mich verabrede. Vor allem, wenn der Treffpunkt unüberschaubar oder unvertraut ist und mich verwirrt, habe ich gerne eine kleine Sicherheit. "Wie finde ich dich?" heißt dann meine Frage. Natürlich kann ich schauen im Café auf dem Platz zwischen den vielen Fußgängern wo die Person ist, mit der ich mich treffen will. Wenn ich aber höre, dass mir jemand sagt: "Ich halte Ausschau nach dir!" Dann bin ich beruhigt. Ich muss das nicht alleine hinbekommen. Mein Gegenüber unterstützt mich. Er schaut nicht wahllos in der Gegend herum und wartet still vor sich hin, liest ein Buch oder schreibt SMS. Da wirft jemand seine Fäden oder sein Netz aus, so dass ich nicht verloren gehen kann.
Im Schreiben merke ich, was mich berührt. Ich könnte meine Verabredung verpassen. Er oder sie ist nicht da und ich bleibe allein. Ich gehe verloren! Ich bin hilflos! Da springen ganz alte Muster an aus meiner kindlichen Vergangenheit.
Ich kann mich nicht erinnern, dass meine Mutter Ausschau nach mir gehalten hat wenn ich draußen spielte. Andere Mütter sind am Abend auf die Straße gegangen und haben nach ihren Kindern geschaut und gerufen. "Thomas, komm rein, es gibt Abendessen!" Meine Mutter hat einfach erwartet, dass wir als gut erzogene Kinder die Regeln beachten. Wenn wir Kinder das Haus betraten war unsere Mutter immer beschäftigt mit irgendeiner Arbeit. Etwas war immer zu tun. Da hielt niemand "Ausschau". Da gab es kein Erwarten oder Ausdruck von Wiedersehensfreude.
"Ich halte Ausschau nach dir!" Da werde ich erwartet! Da kümmert sich jemand um mich! Da bin ich für jemanden wichtig! Ich gehe nicht verloren! Das fühlt sich wirklich gut an, nicht wahr?
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Freitag, 20. März 2015
Wer die Menschen liebt hat immer eine große Familie
Dieser Spruch kommt aus Ägypten. Wir leben in einer Zeit, in der es Familien nicht immer leicht miteinander haben. Ehen gehen auseinander, Paare finden sich neu, Patchworkfamilien entstehen. Manche Singles sind nicht so stark eingebunden in einer Familie und verankern sich eher im Freundeskreis. Entscheidend ist für mich die Erfahrung, sein Leben nicht allein gestalten zu müssen. Ich bin eingebunden, verbunden, habe meinen Platz. Ich denke an meine Großfamilie mit Freundinnen und Freunden und umgekehrt hoffe ich auch.
Wer nicht lieben kann erfährt oft Einsamkeit. Mir gefällt der Gedanke aus Ägypten, wie du zu einer großen Familie kommst: Einfach die Menschen lieben. Die Liebe verbindet die Menschen überall auf der Welt. Du musst nicht einmal Blutsverwandt sein.
Wer die Menschen liebt, hat immer eine große Familie. Immer - das heißt wirklich jede Stunde, jeden Tag, in jedem Alter, bis zum Tod. Augustinus sagt: "Liebe und tu, was du willst."
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Donnerstag, 19. März 2015
Sag Ja zum Wandel
Für drei Jahre lebte ich bei einem Pfarrer, der einen Spruch
liebte und ständig zitierte. „Nichts erfordert so viel Treue wie beständiger
Wandel.“
Wir neigen dazu, die Dinge festzuhalten. Wir halten unser
Haus fest, unsere Freundschaften, Gewohnheiten, unsere Versicherungen, das Geld
und letztlich das Leben. Dahinter steht vielleicht das Bedürfnis nach
Sicherheit. Materielle und personale Sicherheit geben uns ein stabiles und
gutes Gefühl. Die größte Gefahr für die beständige Sicherheit ist der Wandel.
Ich erinnere mich noch eine Kindersendung von früher mit
einem Liedvers: „Nichts soll bleiben wie es ist. Alles muss sich ändern.“
Kinder lieben das Abenteuer und das Neue. Das Leben möge spannend sein. Zu Beginn des Lebens bist du neugierig und
freust dich auf spannende Erfahrungen. Mit zunehmendem Alter jedoch schleicht
sich das Bedürfnis ein nach einem Zustand jenseits der Anstrengung. So wirst du
älter und hast so manches Ehepaar vor Augen, das nur noch in Ritualen lebt nach
dem Motto: „Alles soll bleiben wie es ist, nichts darf sich ändern.“ Wir
richten uns ein und finden das so
gemütlich und zuverlässig. Schließlich folgt die Zwei immer der Eins, der Abend folgt immer dem
Mittag und der Schlaf folgt dem Wachsein.
Wenn wir unser Leben aber aus einem anderen Blickwinkel der
Vergänglichkeit und Begrenzung betrachten, zerrinnt uns alles zwischen den
Fingern. Die Körperzellen, aus denen wir jetzt bestehen, werden sich morgen
umgewandelt haben in eine andere Daseinsform. Den gestrigen Tag kann ich nicht
wieder beleben. Die Kinder werden erwachsen und ich lebe unaufhaltsam dem körperlichen
Tod entgegen. Das ach so stabile und sichere Haus verfällt trotz aller
Sanierungen und bei genauerem Betrachten stelle ich fest: Die absolute
Beständigkeit ist eine Illusion.
Was tun? Wenn du die Prozesse nicht aufhalten kannst, dann
kannst du vielleicht mit Allem mitschwingen. Gib dich einfach einverstanden mit
den Veränderungen. Seltsamerweise kannst du darin beständig sein. Du kannst
jeden Augenblick deines Lebens dich damit einverstanden erklären, alles
loszulassen und Neues zu empfangen. In dem Wort Treue steckt ja „Vertrauen“.
„Nichts erfordert so viel Treue wie beständiger Wandel.“ Das heißt: Mit großem
Vertrauen meisterst du den stetigen Wandel. So wird dein Bedürfnis nach
Beständigkeit erfüllt in der Bejahung eines fortwährenden Veränderungsprozesses.
Für mich hat diese Idee des Wandels auch etwas mit der
Schöpfung zu tun. Wir sind Mitschöpfer und Gestalter dieser Welt. Wir
entwickeln uns ständig weiter, hoffentlich. Wir dürfen wie eine Pflanze wachsen
und reifen und unser ganzes Potential ausschöpfen. Der Wunsch nach Pausen ist
bestimmt hilfreich und ebenfalls notwendig. Die Wandlungen finden einfach statt,
aber in den Pausen triffst du die Entscheidung, wohin du dich mitentwickeln
möchtest. Treue zum Wandel ist das Einverständnis in die eigene Weiterentwicklung.
Sonntag, 8. März 2015
Vom Verlieren und Gewinnen
Mein
Leben kann ich beschreiben als eine Verkettung und Abfolge von Verlusten. Und
das seit vorsprachlicher Zeit. Mir ging es doch so gut im Bauch meiner Mutter.
Ich war geborgen und es fehlte mir an nichts. Es war warm und behaglich und die
Herztöne der „ersten Göttin“ waren mein zuverlässiger Begleiter. Es hätte doch
alles so bleiben können! Dann geschah dieses große vorgeburtliche Ereignis für
das ich keine Worte habe. Ich wurde verstoßen! Ich wurde nicht gefragt! Ich
musste! Mein erster großer Verlust und meine erste existentielle Krise. Dieses
Ereignis ist eingebrannt in meinem Herzen und in allen Zellen meines Körpers.
Von
all diesen Körperzellen aus der Babyphase ist keine mehr da. Auch die musste
ich als Verlust abschreiben. Aber sie haben die Nachricht von der ersten großen
Katastrophe weitertransportiert nach dem Motto: „Auch wenn wir Zellen sterben,
die Botschaft geben wir weiter.“ Ich
klammerte mich an meine Mutter mit Händen und Füßen so gut ich konnte und
solange ich durfte. Aber ich durfte nur für eine gewisse Zeit. Dann wurde ich
entlassen – ohne mein Einverständnis! Auch das war noch vorsprachlich. Irgendwann
sagte meine Mutter: „Du kannst jetzt selber laufen. Du bist mir zu schwer!“ Sie
verweigerte mir manchmal ihren sicheren Arm. Und dann immer öfter. Auch aus
dieser Zeit existiert keine einzige Körperzelle mehr. Keine hat es überlebt.
Dieser Weg des „Entzuges“ von meiner Mutter ist ebenfalls in meinem Körper eingespeichert,
sprachlos aber spürbar.
Meine
Mutter habe ich in vielen kleinen Schritten verloren. Der Verlust sitzt tief,
tiefer als ich ahne. Bis heute bin ich traumatisiert! Ich rede nicht darüber,
denn ich bin ja ein Erwachsener. Ich kann auf meinen Füßen stehen und habe mich
aktiv und einverständlich von meiner Mutter getrennt. Ich habe den Verlust
überlebt. Dennoch glaube ich, dass der Verlust mehr war als ich verkraften
konnte. Er hat mich überfordert.
Jetzt
habe ich nur von den ersten bedeutenden Verlusten gesprochen. Es folgten viele
weitere. Die ersten Freunde wollten nicht mehr mit mir spielen. Meine erste
Kindergärtnerin hat mich einfach verlassen und den Kindergarten gewechselt. Meine
einzige noch lebende Oma in Kindertagen wollte auch nicht bei mir bleiben. Sie
verließ mich als ich drei Jahre alt war. Den Verlust des Kindergartens
verkauften mir die Erwachsenen mit der Vorfreude auf die Schule um mir diese
wieder nach vier Jahren zu nehmen. Und ständig musste ich zu meiner Gesundheit
Ade sagen, wenn mich ein Asthmaanfall überfiel.
Merkwürdig!
Immer dann, wenn ich es mir so richtig gemütlich gemacht habe! Wenn ich so
richtig angekommen war! Wenn ich ganz meinen Platz eingenommen hatte – wurde es
mir genommen. Selten freiwillig! Manchmal mit meinem Einverständnis und nach
einem längeren Weg der Einsicht.
Sämtliche
Schulen habe ich verloren, meine zwei Universitäten und alle Professoren. Keine
Arbeitsstelle konnte ich auf die Dauer halten. An manchen durfte ich länger
bleiben, an der letzten sogar relativ lange. Am Ende habe ich jedoch alle
Stellen verloren.
Als
Fußballer bin ich kläglich gescheitert. Wenn es nur auf mich angekommen wäre,
dann hätte ich nur verloren. Über die zerbrochenen Freundschaften möchte ich
gar nicht sprechen, das würde zu stark schmerzen.
Na,
soll ich weitermachen oder reicht es? Was geht jetzt gerade in dir vor? Denkst
du: „Der arme Kerl!“ oder „Nicht nur du, ich auch!“ „Ich noch viel mehr!“ „Ich
hör auf zu lesen, das hält ja kein Mensch aus!“
Ich
gebe dir Recht. Ich rede normalerweise nicht so. Das verbiete ich mir als
Berufsoptimist. Wenn ich so denken würde, käme niemand mehr zu mir in die Beratung.
Und
dennoch! Es stimmt! Du und ich, wir haben im Leben alles verloren. Das ist
quasi der Preis des Lebens überhaupt! Du verlierst! Ständig! Unbemerkt sterben
deine Zellen. Schon bahnt sich das Ende des Berufslebens an. Deine Kinder
verlassen dich. Dein Haus verliert an Substanz und auf deinem Totenbett bleibt
dir nichts mehr.
Ich
könnte ja wie ein Held mich den Verlusten tapfer stellen! Kann ich nicht gut,
es tut so weh! Es schmerzt immer noch! Ich denke, ich bin damit fertig, und
dann geht es wieder los. Noch eine Schleife! Neue Freunde, neue Arbeit, neue
Urlaube… und todsicher kommt der Verlust. Ich kann dem nicht entweichen. Ich
möchte es verhindern. Darum habe ich ja ein Bankkonto, eine
Arbeitslosenversicherung, eine Rente in Aussicht, mein Bankkonto und meinen
Hausarzt. So kann ich die Dinge noch ein wenig zusammenhalten. Aber auf die
Dauer?
Wenn
dies jetzt der letzte Satz wäre würdest du vielleicht vermuten, dass ich dich
in deinen persönlichen Karfreitag gestürzt habe. Es sei denn, dass du dich
erfolgreich wehrst und innerlich auf Abstand gehst zu meinen Zeilen. Ich
verleite dich gerade zu einem intensiven Depressionsschub. Ich glaube aber,
dass du gut auf dich aufpassen wirst.
Jetzt
mache ich noch eine Biege! Ja, ich habe ständig verloren. Ich trage viele
Wunden und Narben mit mir herum und manche lassen sich ganz schnell öffnen.
Aber weißt du, da gibt es noch etwas anderes. Ich bin nicht gestorben. Weder
körperlich noch emotional. Ich bin immer wieder aufgestanden! Ich bin mal etwas
länger liegengeblieben. Es war auch nicht immer leicht. Aber ich bin aufgestanden.
Jedes Mal! Manchmal sofort, manchmal nach etwas längerer Zeit, aber ich bin aufgestanden.
Wie habe ich das bloß hinbekommen? Ich hatte Grund genug zum Liegenbleiben. Wie
ist das bei dir? Bist du auch immer wieder aufgestanden? Irgendwann? Vielleicht
nicht mit einer großen Hoffnung? Aber einfach so? Du bist aufgestanden!
Ich
mache noch eine Biege! Ich bin nicht nur aufgestanden, sondern ich bin immer
wieder mit etwas angefangen. Immer wieder! Ich musste von einem Ort wegziehen
und fand einen neuen Platz. Da fing ich neu an. Wie oft habe ich das gemacht? Ich
muss es nicht zählen! Wie oft hast du das schon in deinem Leben gemacht? Ehrlich
gesagt: Ich mache das so gut wie jeden Tag. Jeden Tag fange ich einfach neu an.
Ich drücke auf den Knopf am Wecker und sage mir: „Heute fange ich neu an!“
„Heute entscheide ich mich für mein Hemd, mein Frühstück und meine Arbeit.“
Irgendwann
kam bei mir eine unglaubliche Erkenntnis! So zuverlässig wie die Zeiger einer
Uhr folge ich einem bestimmten Lebensgesetz. Ich gewinne und verliere um wieder
zu gewinnen und wieder zu verlieren. Ich schaffe Ordnung und Chaos und den
Wechsel von Ordnung und Chaos.
Diese
Gedanken kommen mir in der Fastenzeit. Ich sehe auf das Leben von Jesus. Ich
sehe, wie er Freunde fand und seine Botschaft erzählte. Ich höre von seinen
Wundern und Taten. Ich staune!
Aber
in diesen Tagen höre ich von seinen großen Verlusten. Er verliert seine
Freunde. Die ziehen sich zurück und verleugnen ihn. Ich sehe ihn auf einem Esel
sitzen und die Menschen jubeln: „Unser König!“ Nur wenige Augenblicke später
der Verlust der Würde, des Ansehens, der Liebe, des Lebens. Ein unglaublich
kraftvoll schwingendes Pendel mit den Extremen von Begeisterung und
Enttäuschung und von Tod und Leben.
In
mir gibt es eine Stimme die fragt: „Wer oder was hält das alles zusammen? Was
befindet sich am oberen Ende des schwingenden Pendels? Was im Inneren? Welche
Kraft treibt es an?“ Ein österlicher Impuls kommt mir entgegen: Der Kitt, der
alles zusammenhält, ist die Liebe! Entweder in der positiv erfüllten oder in
der ersehnten und vermissten Weise. In den Kar- und Ostertagen werden wir hin-
und hergerissen. Wir erleben unsere eigenen Verluste noch einmal neu, das
Aufstehen und die Neubeginne. Wir leben dieses Drama so lange bis wir sagen:
„Einverstanden!“ „Jetzt ist es gut!“ „Ich bin im Frieden!“
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