Translate
Samstag, 27. Februar 2021
Faulsein ist wunderschön (Pippi Langstrumpf)
Fleiß stand in meiner Kindheit ganz oben in der Liste der Tugenden. "Sei fleißig in der Schule!" Dann bekommst du gute Noten. Mit den guten Noten bekommst du einen tollen Schulabschluss. Kannst studieren oder dich bewerben. Du hast gute bis sehr gute Berufsaussichten. Du verdienst Geld und kannst dir etwas leisten. Du wirst unabhängig und liegst niemandem auf der Tasche. Wer fleißig ist hat alle Chancen zum Reichtum.
Nur: Fleißig sein ist auf die Dauer ganz schön anstrengend. Da fehlt manchmal die Freude. Schnell wirst du zum Streber abgestempelt. Pippi Langstrumpf gibt die Empfehlung, dass du morgen auch noch fleißig sein kannst.
Faulsein ist wunderschön! Eine tolle Empfehlung! Pippi Langstrumpf spricht aus Erfahrung. Sie ist faul und findet das eben wunderschön. Sie hat kein schlechtes Gewissen! Darum könnte ich nicht entspannt faul sein. Ich hätte das schlechte Gewissen. Ich würde auf meinem Sofa sitzen und mit den Fingern auf der Lehne trommeln. Ich würde mit den Zähnen knirschen und vor mich grummelig murmeln: "Faulsein ist nicht wunderschön..." Ich bewundere Pippi, dass sie das so aus voller Überzeugung sogar singen kann. Eine tolle Weltanschauung. Sie sagt ja nicht, ob das moralisch in Ordnung ist oder nicht. Sie spricht davon, dass es sich einfach toll anfühlt.
Faul sein bekommt immer so eine schlechte Bewertung. Fleiß ist gut und Faul sein ist schlecht! Das finde ich auch nicht in Ordnung. Ich könnte doch mal dazulernen. Das schlechte Gewissen ist lediglich ein Überbleibsel aus der Kindheit. Da sitzen noch Mama und Papa und die Lehrer im Nacken. Das mit dem Fleiß ist ihre Überzeugung und ich habe sie übernommen.
Ich lasse mich also von Pippi Langstrumpf angrinsen und zurufen: "Faulsein ist wunderschön!" Und mache heute mal ein wenig mit!
www.matthias-koenning.de
Freitag, 26. Februar 2021
Mit dir zusammen ist allein sein schön!
Du könntest dich jetzt einfach mal hinsetzen und dich diesem Zustand aussetzen, wenn du dich traust! Du setzt dich hin und fängst ordentlich an zu grübeln. Die Menschen an deiner Seite haben nicht oft Zeit für dich. Dein Partner, deine Partnerin versteht dich nur manchmal. Die Freundin und der Freund verstehen dich öfter, sind aber nicht dann erreichbar, wenn du sie dringend brauchst. Dir fällt auf, dass du ganz oft Schwierigkeiten hast, auszudrücken, was du wirklich fühlst und denkst.
Du empfindest deine Arbeit auf den ersten Blick als erfüllend und sinnvoll. Auf den zweiten Blick könntest du aber auch zu der Erkenntnis kommen: Wenn ich sterbe wird es ohne mich weitergehen. Immer die gleiche Routine! Selten wird meine Arbeit gewürdigt!
Du könntest jetzt nach und nach in einen inneren Zustand von Trennung geraten. Kein Mensch ist total und immer für dich da. Den Sinn deiner Arbeit stellst du in Frage. Deine Wohnung besitzt fremde Ecken. Du fühlst dich nicht so wohl in deiner Haut und die Kleidung passt nicht so richtig zu dir.
Wenn du ehrlich bist, so richtig ehrlich mit dir selbst, dann kannst du zu dem Ergebnis kommen: "Am Ende bin ich allein! Spätestens beim Sterben wird es ganz deutlich so sein! Aber in der letzten Tiefe bin ich allein!" Dann kann sich das Gefühl von Einsamkeit, Verzweiflung, Trauer, Depression, Ablehnung und Heimatlosigkeit tief und unendlich ausbreiten.
Du wirst es hoffentlich erfolgreich verhindern, in einen solchen Zustand zu geraten. Der Abgrund ist nicht erstrebenswert. Die größte Gefahr liegt darin, dass du dich dann von allem abgeschnitten fühlst. Es gibt keine Verbindung mehr, auch keine Verbindung zu dir selbst.
Es gibt aber auch den Zustand des "Alleinseins" in der Weise, dass du mit "allem" "Eins" bist. Das steckt auch in dem Wort "All-ein". Du bist zwar da als einzelne Person, aber in deinem Herzen und deinem Bewusstsein existiert ein sattes Empfinden von Verbindung und Einssein. Dann ist allein sein überhaupt nicht bedrohlich. So kannst du allein im Himmel oder allein in deiner Hölle sein.
"Mit dir zusammen ist allein sein schön!" Ich mag allein sein manchmal als Himmel oder als Hölle empfinden. Als Mensch bin ich kein Einzelwesen, keine Insel. Ich bin eingebunden in ein Netz. Wir Menschen brauchen das. Jemand, der mich hält und den ich halten kann. Körperkontakt, Gespräche, Gesehen werden. Immer wenn das geschieht, dann komme ich in die Wahrnehmung des Hier und Jetzt. "Ah, du bist da. Jetzt! Das tut gut! Das nehme ich wahr. Das macht mich lebendig!"
"Mit dir zusammen ist allein sein schön!" Damit das geschehen kann muss ich meinen Panzer öffnen und die Hand ausstrecken, in Blickkontakt gehen, das Herz öffnen, spüren und wahrnehmen. Wenn ich das nicht mache, dann kann ein Mensch in meiner Nähe sein oder tausend andere. Es geschieht nichts! Ich bleibe einsam und allein - auch unter vielen Menschen! Aber der Satz kann dich wachrütteln. "Hey du, mit dir zusammen ist allein sein schön!"
www.matthias-koenning.de
Donnerstag, 25. Februar 2021
Vier Schritte für ein helfendes Gespräch
"Was ist passiert?" Du lässt den Menschen drei Minuten ungestört reden und du hörst aufmerksam zu ohne zu unterbrechen. Drei Minuten reichen aus, dann unterbrichst du.
Dann kommen die vier Schritte.
Schritt 1 steht für die Frage nach E = Emotion: Was hast du dabei empfunden, gefühlt? Im Erzählen des Gefühlten bist du mitten bei den Belastungen.
Schritt 2 steht für die Frage nach L = "Lass mich das Schwierigste wissen." Du weißt nicht, was dein Gegenüber am stärksten belastet. So kommt ihr auf die Spur, den Gipfel des Erlebten ausmacht.
Schritt 3 steht für S = "Was hilft dir am meisten, standzuhalten?" Damit sprichst du die Ressourcen deines Gegenübers an. Welche Stärke hilft, genau in dieser Situation wieder Boden unter die Füße zu bekommen.
Schritt 4 steht für E = Empathie. Du drückst deinem Gegenüber dein Mitempfinden aus und teilst für einen Augenblick die Last mit dem Anderen.
Viel Freude und Erfolg bei deinen nächsten hilfreichen Gesprächen.
www.matthias-koenning.de
Mittwoch, 24. Februar 2021
Das Vorübergehende geht vorüber und bleibt nicht!
Dienstag, 23. Februar 2021
Vielleicht gibt es schönere Zeiten; aber diese ist die unsere. (Jean-Paul Sartre)
Gab es in deinem Leben schönere Zeiten als jetzt? Warst du einmal glücklicher? Sehnst du dich nach diesen Zeiten zurück? Trauerst du ihnen noch hinterher?
Träumst du von einer glücklicheren Zukunft? Wenn das und das erst einmal geschieht - dann werde ich das und das tun und mich so und so fühlen?
Wie ist das mit Anspruch überhaupt nach einer "schönen" Zeit. Was muss passieren, dass dein Erlebnis den Stempel "schön" bekommt? Einfach so nach Gefühl oder mit bestimmten Kriterien? Wenn es "schön" sein soll, dann braucht es deine Bewertung. Du musst festlegen, ob und wann etwas "schön" ist. Wie jedoch sieht dein Leben aus, wenn es nicht mehr "schön" sein muss? Wenn du darauf verzichtest. Wenn der Anspruch wegfällt. Wenn du aufhörst mit dem Vergleichen!
Du wirst dir bewusst, dass es "jetzt" ist. Und einen Augenblick später ist es wieder "jetzt". Der Psychotherapeut Christian Meyer lädt ein zu einer Partnerübung, wo du deinen Partner fragst: "Und wessen bist du dir jetzt bewusst." Du sagst dann, wessen du dir gerade bewusst bist. Dein Partner stellt immer wieder die gleiche Frage: "Und wessen bist du dir jetzt bewusst." Diese Übung "zwingt" dich dazu, nicht in Gedanken abzudriften in die Vergangenheit oder Zukunft. Das Bewerten hört auf und du bist im Hier und Jetzt. Wenn du im Hier und Jetzt bist erlebst du dich völlig präsent und hast den Eindruck als ob du von einer Hypnose aufwachst. Probier es mal aus. Du kannst es auch für dich selber machen. "Wessen bin ich mir jetzt gerade bewusst." Antworten. "Und wessen bin ich mir jetzt gerade bewusst?" Antworten...
www.matthias-koenning.de
Montag, 22. Februar 2021
Immer nur die erste Liga - oder vom Umgang mit den Sackgassen
Es könnte sich um die beste und großartigste Straße im Vergleich zu allen anderen Straßen handeln. Die First Class Straße. Eine, auf die ich mich unbedingt bewegen möchte. Sehen und gesehen werden. Wer diese Kleidung trägt, der kann mithalten auf den Einlaufsmeilen dieser Welt. Der spielt in der ersten Liga. Immer die Nr. 1 sein!
Die zweite Lesart für mich lautet: Wer nur "eine Straße" kennt, landet schnell in der Sackgasse. Virginia Satir empfiehlt bei der Suche nach Lösungen, wenn du ein Problem hast, folgendes:
Ein Weg führt in die Sackgasse. (Street One)
Zwei Wege führen in ein Dilemma. (Street Two)
Ab dem dritten Weg beginnt die Freiheit. (Three and more streets)
Das ist genug Stoff zum Nachdenken, nicht wahr? Wo befindest du dich heute wie in einer Sackgasse? Wo musst du dich zwischen A und B entscheiden und kannst das nicht? Welches wäre jetzt dein dritter und/oder vierter Weg?
Vielleicht wird es Zeit für eine Marke: "Many streets".
www.matthias-koenning.de
Samstag, 20. Februar 2021
Auch mal nichts machen!
Sei nicht so passiv!
Werde doch mal aktiver!
Du sitzt da nur herum!
Ich habe dir das doch schon so oft gesagt!
Tu endlich mal etwas!
Du bringst mich zur Weißglut!
Du machst mich ganz verrückt!
Wenn ich dich schon sehe, wie du da herumsitzt!
Ist dir denn alles egal?
Muss erste die Welt untergehen, bevor du tätig wirst?
Nur ein mal!
Nur ein mal möchte ich erleben, dass du was machst!
Und nicht nur so herumsitzt!
Wenn jeder das täte!
Wenn alle nur so passiv wären!
Wie würde die Welt dann aussehen!
Ich weiß schon nicht mehr was ich sagen soll!
Ich habe alles versucht!
Ich kann nicht mehr!
Ich gebe auf!
Ich setze mich jetzt hin und komm erst mal zur Ruhe!
So stark verbal würde ich zwar nicht reagieren, aber im Kopf manchmal so oder so ähnlich denken.
Vor einigen Tagen sagte mir jemand: "Ich pflege meine Passivität." Das hat angesichts des aufgeregten Aktionismus durchaus etwas für sich. Manche Dinge erledigen sich von selbst. Es wird nichts so heiß gegessen, wie es gekocht wird. Du bleibst in einem erholsamen Entspannungszustand und sparst Adrenalin und Cortisol. Du kannst mehrmals tief durchatmen... und dann noch einmal durchatmen. Und du kannst denken: "Angesichts der Ewigkeit ist dieses Problem doch sehr gering!"
Die Person am Aktionismus-pol provoziert geradezu eine totale Passivität beim Gegenüber. Und jemand in totaler Passivität provoziert umgekehrt den Aktionismus. Interessanterweise sprechen wir aber vom Aktion -"ismus" und nicht vom Passiv-"ismus". "Ismen" haben immer etwas negatives. Sie übertreiben. "Alkoholismus" und "Individualismus" gehören z.B. dazu. Das Wort "passiv" wird nicht mit "ismus" verbunden sondern mit "Ivität". Bei "Ivität" fällt mir ein "Objektivität" oder "Konstruktivität". Vom Wortspiel scheint "Passivität" mit der innewohnenden "Ivität" eher wertschätzend zu klingen. Nun denn, ich pflege jetzt mal die Passivität und beende diesen Text.
www.matthias-koenning.de
Freitag, 19. Februar 2021
Der wahrhaft große Mensch ist der, der niemanden beherrscht und der von niemandem beherrscht wird. (Khalil Gibran)
Niemanden beherrschen und von niemandem beherrscht werden! Wie machen wir Menschen Kommunikation. Wie schaffen wir Verbindung?
"Wenn du mich wirklich lieben würdest, dann würdest du meine Wünsche mir von den Augen ablesen." "Warum fragst du mich nicht wie es mir geht, wo wir doch befreundet sind. Du interessierst dich ja gar nicht für mich." "Sie sollten Ihre Arbeitszeiten ernst nehmen sonst muss ich an Ihren Arbeitswillen zweifeln." "Na, kommst du auch noch?"
Mir fallen Tausende vor Fragen und Sätze ein, die scheinbar eine Verbindung herstellen. Aber eine, die Herrschaft zum Ausdruck bringt. Über Ermahnung, Erpressung, Bemutterung, Bevaterung, Aufforderung. Wie kann ich fühlen, denken und sprechen, dass ich meine Würde und die Würde des anderen bewahre? Bei mir spüre ich es, wenn da ein Raum der Freiheit im Herzen wächst. Es wird einfach weiter. Wenn ein Druck entsteht, ein negatives Gefühl, dann weiß ich, dass es im Moment um Herrschaft und Macht geht.
Wenn ich bedürftig bin und einen Mangel an etwas habe, dann hoffe ich, das Fehlende beim anderen zu finden. Ich kann freundlich bitten und ein Nein akzeptieren. Ich kann aber auch mit Nachdruck fordern. Manche Menschen bitten zwar äußerlich, aber üben dennoch Druck aus. "Unbedingte Bitten!" Khalil Gibran erkennt das als Größe an, wenn ein Mensch niemanden beherrscht und von niemandem beherrscht wird. Wie kann ich diese Größe erreichen? Ich denke, es geht dadurch, dass ich ständig an mir arbeite. Dass ich wach und bewusst durchs Leben gehe. Dass ich meine Bedürfnisse und meinen Mangel kenne. Dass ich mich mehr und mehr versöhne mit meiner Geschichte. Dass ich meine Traumata erlöse. Dass ich das alles wirklich möchte. Immer, wenn da dieser Druck auftaucht, dieses erdrückende Gefühl, bekomme ich die Chance, mich weiterzuentwickeln. Ich halte inne und unterbreche mich in meinen automatisierten Abläufen. Ach ja! Da ist wieder dieser Druck. Diese Angst. Diese Traurigkeit. Ich bleibe mit meiner Aufmerksamkeit für einen Moment dabei und mache nichts. Außer beobachten und spüren. Warten, bis sich der Nebel senkt. Bis die Begierde vorbeigeht. Bis der Machtwunsch dahinfließt. Bis der Freiraum sich öffnet.
www.matthias-koenning.de
Donnerstag, 18. Februar 2021
Die Schönheit liegt nicht im Antlitz. Die Schönheit ist ein Licht im Herzen. (Khalil Gibran)
Teilst du mit mir diese Erfahrung? Du triffst einen dir unbekannten Menschen. Du schaust ihn an und es trifft dich mitten ins Herz. Du bist angerührt und fragst dich, wie das sein kann. Beim näheren Hinsehen entspricht das Gesicht keinem Schönheitsideal. Du verliebst dich also nicht in das Gesicht. Es kommt dir aber vor, als ob von innen her etwas hochkommt.
Du schaust diesem Menschen in die Augen und er dich. Du spürst so einen Stich im Herzen und hast das Bedürfnis, einen Seufzer zu machen. In diesem Augenblick wirst du berührt von der Schönheit des Lichtes im Herzen deines Gegenübers.
Mir kommt das manchmal so vor, als ob dieser Mensch etwas mit unsichtbarer Tinte auf ein Blatt Papier schreibt, mir zuschickt und ich es ohne Mühe lesen kann. Als ob in diesem Licht aus dem Herzen eine ganze Lebensgeschichte aufgeschrieben ist. "Du auch?" "Ach ja, das kenne ich! Danke, dass ich das mit dir teilen darf."
Wenn du der Schönheit des anderen begegnest, welches aus dem Licht im Herzen kommt, erkennst du dich selber in diesem Menschen wieder. Du fühlst dich verbunden und in dir wird die Erinnerung wach, dass du mit diesem Menschen gemeinsam aus dem Göttlichen kommst.
Leider geht dieser Impuls schnell verloren weil er so flüchtig ist. Aber du kannst deine Aufmerksamkeit darauf ausrichten. Genieße diese Augenblicke, wo dich das Licht im Herzen trifft.
www.matthias-koenning.de
Mittwoch, 17. Februar 2021
Von Grenzen und von der Freiheit
Und? Verlockt dich diese Vorstellung? Wenn ja, wie lange? Hältst du es aus, diese Grenzenlosigkeit? Die Unendlichkeit von Möglichkeiten, deinen Weg fortzusetzen? Oder beschleicht dich irgendwann ein leises Unbehagen? Ich bin allein. Wo soll ich hin. Was erwartet mich, wenn ich weiterlaufe. Sorge, Angst, Todesangst, Panik?
Wenn du jetzt mal an deinen Alltag denkst mit all den Verantwortungen, denen du nachkommen musst. Familie, Beruf, Gesundheit, Finanzen. Deine Landschaft ist voll besetzt. Kaum Freiraum! Jetzt stellt dir vor, dass du ab jetzt keine einzige Verpflichtung mehr hast. Totaler innerer Freiraum - die Leere der Wüste und die Weite des Ozeans! Verlockend?
Mir hilft es, da einen Unterschied zu machen. Ich lebe in der Polarität von Begrenzung und Freiheit. Ich habe mich für dieses Leben entschieden. Für meine Arbeit, für meine Beziehungen, für meine Hobbys. Das erfüllt mich. Darum bin ich auch kein Sklave und erlebe das nicht als Begrenzung. Zugleich erfüllt mich der Wunsch nach Freiheit, nach Entgrenzung, nach neuen Möglichkeiten. Immer, wenn es mir zu viel wird, dann wird der Wunsch nach Entgrenzung mächtig. Wie bekomme ich diese widersprüchliche Polarität zusammen?
Ich entscheide mich für den einen Weg, den ich jetzt gerade gehe. Ich lasse mich ein auf die Menschen, denen ich gerade begegne. Ich lebe aufmerksam im Hier und Jetzt. Ich achte darauf, dass immer auch ein kleiner Freiraum bleibt. Ein Raum, in dem ich genug atmen kann. Ich lasse in meinem Bewusstsein zu, dass ich die völlige Grenzenlosigkeit denken kann. Wenn ich wirklich will, kann ich jetzt meine Oase verlassen und mich der Wüste und dem Meer aussetzen. Ich kann, aber ich muss es nicht. Ich kann es im Geiste und auch mal für ein paar Tage im Urlaub.
Der Unterschied heißt: Es gibt kein "Entweder/Oder" sondern ein "Sowohl/als auch". Begrenzung und Freiheit sind nur scheinbare Widersprüche. Ich erlebe beides zur gleichen Zeit. Ich kann mich wie ein Ausgelieferter erleben oder wie ein Gestalter und Schöpfer. Ich kann "gezwungenermaßen" zur Arbeit gehen und erlebe die Begrenzung. Ich kann aber auch "völlig frei" zur Arbeit gehen und erlebe die vielen Möglichkeiten.
Wie bekommst du das auf die Reihe? Schmerzen dich eher die Grenzen oder eher die vielen Möglichkeiten und deine Unmöglichkeit, dich entscheiden zu können? Wann ist es leicht und wann ist es besonders schwer?
www.matthias-koenning.de
Dienstag, 16. Februar 2021
Es ist mir ein Fest
Ich hörte ein längeres sehr unterhaltsames und anregendes Radiointerview. Die Fragen waren interessant. Die Antworten waren lebendig. Da war eine Menge Resonanz zwischen den Interviewpartnern zu spüren. Normalerweise endet jedes Gespräch am Radio ähnlich. „Vielen Dank für die Zeit.“ Antwort: „Gerne!“ oder „Danke ebenfalls!“ Dieses Interview endete mit dem Satz des weiblichen Gastes: „Es war mir ein Fest!“
Montag, 15. Februar 2021
Je weniger ich von dem war, was ich war, desto besser habe ich mich gefühlt. (Leonard Cohen)
Jetzt, als Erwachsener gibt es immer wieder Situationen, wo ich nach meinem anerzogenen Ich etwas machen müsste, das in mir einen Widerstand hervorruft. Will ich das wirklich oder spricht da im Hintergrund die Stimme meines Vaters? Es kommt mir manchmal so vor, als ob um mich herum sich eine Kruste gebildet hat, wie eine Art zweites "Ich". Wenn ich erkenne, dass das die Stimme meiner Eltern war, dann überprüfe ich, ob ich das loslassen kann. Ich kann Cohen gut verstehen, wie sich das anfühlt, wenn ein Teil der Kruste abspringt. Das, was ich als zu mir gehörig empfinde, ist womöglich gar nicht meins. Es gehört jemand anderem. Ich lasse also ein kleines Stück "falsche" Kruste los und spüre, dass ich auch ohne weiterleben kann und dass es sich ganz gut anfühlt.
Ich erlebe viele Menschen im "mittleren" Alter, die langsam aufwachen und überprüfen, welche Stimmen da im Inneren sind und wo sie hingehören. Das kann ganz schön verwirren, wenn man damit erst einmal anfängt. Stell dir vor, dass du mit einem Rucksack unterwegs bist. So nach und nach ist immer etwas dazugekommen und dein Körper hat sich an die Last gewöhnt. Du weißt gar nicht mehr, wie ein Leben ohne Last sich anfühlen könnte. Jetzt aber ist die Zeit reif, dass du deinen Rucksack öffnest und aussortierst. Was gehört dir oder möchtest du behalten und was kannst du loslassen? Es kann sein, dass es sich am Ende besser anfühlt! Ein wenig leichter und Platz für Neues.
www.matthias-koenning.de
Samstag, 13. Februar 2021
Merkwürdig, wie wir die andern beurteilen und nicht merken, wie elend unsere Geringschätzung ist - bis sie uns fehlen, bis man sie uns wegnimmt. Carlos Ruiz Zafon
Ich teile diese Beobachtung. Da gibt es Menschen in meinem Umfeld, die es schaffen, in mir ein negatives Gefühl zu erzeugen. Das geschieht, wenn jemand zu laut spricht. Wenn mir jemand so einen befehlerischen Ton in seiner Sprache hat. Wenn mich jemand ungefragt auf meine Fehler hinweist. Die Besserwisser. Die Ratschlaggeber, die Rat geben, ohne dass sie gefragt werden. Menschen, die den Tisch nicht abwischen und verkrümelt hinterlassen. Menschen, die nicht grüßen, wenn sie kommen.
Ich spüre, wie mein Ärgerpegel schnell steigt. Wenn jemand das ein einziges mal macht, dann vergesse ich es schnell. Aber bei Wiederholungen prägt sich in mir das Bild von einem Menschen, der mir auf die Nerven geht und den ich immer mehr geringschätze. Ich spüre mein Ärgergefühl aber habe nicht das Bewusstsein davon, dass ich diesem Menschen jetzt einen absoluten Stempel aufgedrückt habe. Das ist jetzt für immer der Lautsprecher oder der Befehler oder der Besserwisser. Und an diesem Menschen kann ich so wunderbar meine Ärgergefühle auslassen. Er wird zum Blitzableiter all meiner Ärgergefühle.
Wenn jetzt dieser "Blitzableiter" aus meinem Leben verschwindet, dann habe ich keinen anderen über den ich mich ärgern kann. Mir fehlt der Blitzableiter. Ich muss dann in mich selber hineinschauen. Die anderen Menschen bilden so etwas wie mein "soziales Ich im Außen". Was ich in mir nicht haben möchte, verlagere ich nach außen. Dann bin ich viel erträglicher mit mir selbst. Sonst müsste ich ja zugeben, dass ich selbst ein Lautsprecher, ein Befehler oder Besserwisser bin.
Wie soll ich es dann mit mir selber aushalten? Besser allerdings wäre es! Ich hätte die Chance, mich weiter zu entwickeln. "Merkwürdig, wie wir die andern beurteilen und nicht merken, wie elend unsere Geringschätzung ist - bis sie uns fehlen, bis man sie uns wegnimmt." Das Wegnehmen und Fehlen führt uns in ein Loch und bewirkt, dass wir uns mit uns selbst konfrontieren können. Dieser andere, den ich geringschätze, bin ja ich!
www.matthias-koenning.de
Freitag, 12. Februar 2021
Jerusalema, der Weg der Sehnsucht
Hast du das Lied inzwischen gehört? Vielleicht schon einmal mitgetanzt? Im Netz geht es viral um. Krankenhäuser, Klöster, Betriebe, Feuerwehren und Polizeistationen tanzen sich Corona konform im Rhythmus von Jerusalema. Es tanzt sich ganz einfach. Gut zuschauen, ein paar Mal üben und schon kannst du mitmachen. Die Bewegungen sind so choreografiert, dass du ein quadratisches Feld abtanzt, während einer Sequenz in jede Himmelsrichtung schaust und nach vier Phasen wieder am Ausgangspunkt stehst und von vorne beginnst.
Als Theologe werde ich natürlich hellhörig, wenn ich das Wort Jerusalem höre. Mir ist das neue geistliche Lied vertraut: „In deinen Toren werd ich stehen du freie Stadt Jerusalem, in deinen Toren kann ich atmen, erwacht mein Lied.“ Die jüdische Feier des Sederabends endet mit dem Wunsch: „Nächstes Jahr in Jerusalem!“ Der wird auch ausgesprochen von den Menschen, die in Jerusalem wohnen. Jerusalem heißt übersetzt: Stadt des Friedens. Im hebräischen Wort „Jerushalayim“ klingt noch das Wort für Frieden „Shalom“.
Das virale Jerusalema kommt aus Südafrika und der Text auf Deutsch heißt:
„Jerusalem ist meine Heimat.
Schütze mich.
Begleite mich.
Lass mich hier nicht zurück.
Mein Platz ist nicht hier.
Mein Königreich ist nicht hier.
Lass mich hier nicht zurück.“
Text: Kgaogelo Moagi, Nomcebo Zikode
Jerusalem, ein wunderbarer Ort und die Hauptstadt Israels. Heimat des Christentums. Heiligtum und Zentrum von drei Weltreligionen. Emotional und spirituell schwer beladen. Löst Gefühle aus und weckt die Sehnsucht nach Gemeinschaft mit Gott. Weckt die Bedürfnisse nach Sicherheit, Freiheit und Frieden. Diese Tradition findet sich auch im südafrikanischen Text wieder. In einem Interview habe ich gelesen, dass der Texter sich von seiner eigenen Musik inspirieren ließ, und die Worte aus dem Herzen flossen. Da, wo ich gerade bin, ist nicht meine Heimat. Hier fühle ich mich nicht wohl. Hier bin ich verlassen und allein. Bitte nimm mich mit auf den Weg nach Jerusalem und begleite mich. Alleine schaffe ich das nicht. Lass mich hier nicht zurück.
Die Musik und der Rhythmus laden ein, diese Lethargie hinter sich zu lassen. Ich klebe nicht fest in meiner Ohnmacht und Hilflosigkeit. Ich fange an mit dem ersten Schritt nach vorne im Tanz. Ich erobere mir ein quadratisches Feld. Ein Stück Boden, der für den Augenblick mir gehört. Mein Stück Land von Israel.
Jerusalema tanzen Gruppen, die gerade besonders belastet sind. Krankenschwestern und Polizeistationen. Menschen, die sich um Menschen kümmern, die nicht gut für sich selbst sorgen können.
Spürst du auch, wie der Virus dich mit der Zeit zermürbt? Noch stehst du aufrecht. Immer wieder reißt du dich zusammen und folgst den neuen Regeln. Aber der Appell an deine Einsicht und Unterstützung findet immer mühsamer den Weg in dein Herz. Mir kommen auf einmal Psalm Verse näher die so beginnen: „Wie lange noch…“ Genau! Wie lange müssen wir noch Masken tragen? Wie lange noch dürfen wir uns nicht umarmen? Wie lange noch darf ich nicht dahin reisen, wo ich möchte? Wie lange noch wird der Virus unseren Alltag beeinflussen?
Jerusalem rückt immer weiter weg. Dein Paradies, in dem du bislang glücklich warst, entzieht sich dir mehr und mehr. Glückliche Tage verblassen, an denen du zu Festen eingeladen wurdest oder wo du dich in der Sauna entspannen konntest. Wie fühlte sich das an, wenn du Teil einer großen Gemeinschaft warst im Fußballstadion, in der Kirche, bei einem Volksfest oder beim Stromern durch eine bunte und belebte Fußgängerzone.
Du hast dich vielleicht schon eingerichtet in deinen Rückzug und in deiner Höhle. Da ist es ja auch nicht schlecht. Du hast Nahrung, Wärme und hoffentlich noch einen Menschen, den du umarmen kannst. Du versuchst, das Beste aus der Situation zu machen. Der Flieger in den Urlaub verspätet sich um ein paar Stunden und du packst dein Butterbrot aus, liest in deinem Buch und gehst den Gang auf und ab und versuchst, dich vom duty-free Shop nicht verführen zu lassen. Leben auf kleinem Raum.
Jetzt tanzt du Jerusalema auch auf engem Raum. Du tanzt auf einem Platz eng um einen virtuellen Stuhl herum. Du bringst dich in Bewegung, damit du beim Aufbruch nach Jerusalem nicht eingerostet bist. Du willst ja dabei sein, wenn du die Masken wieder ablegen darfst, im Strom der vielen Menschen mitzulaufen und alle zu umarmen, die du umarmen möchtest. Vor allem braucht deine Sehnsucht Nahrung. Das Leben jetzt ist nicht das normale Leben. Es ist ein Leben in einem krisenhaften Zustand. Du tanzt und du seufzt und du lässt den Wunsch in dir wach werden, dass schon morgen das erste Zeichen auftaucht, dass alles wieder gut wird.
Die letzten Worte des jüdischen Sederabends holen eine wichtige Erkenntnis ins Bewusstsein: „Dieses Jahr sind wir Sklaven. Nächstes Jahr werden wir frei sein… Nächstes Jahr in Jerusalem.“ Bis heute ist das Volk Israel nicht angekommen. Das Erreichen des Ortes reicht nicht aus. Es geht vor allem um den inneren Weg in die Freiheit.
Wenn wir sehnsuchtsvoll Jerusalema singen und tanzen, dann machen wir das im Bewusstsein und im Gefühl von Gefangenen. Natürlich machen wir alles irgendwie freiwillig mit. Wir wollen schließlich sozial sein, die Gesundheit nicht gefährden und alle Bemühungen unterstützen, einen Ausweg aus der Krise zu finden. Das ändert nichts daran, dass es wichtig ist, dass wir unser Gemüt überprüfen. Empfindest du dich als freier Mensch oder eher wie eine Gefangene, ein Gefangener? Wie hoch sind die Anteile verteilt in dir, wenn du es in Prozent ausdrücken müsstest.
Das Volk Israel eroberte sich die Freiheit mit dem Aufbruch aus Ägypten. Auf hebräisch heißt Ägypten: „Mizrajim“, was so viel bedeutet wie Grenze, Einschränkungen und Hindernisse. Wie fühlst du dich gerade? Eher Mizrajim oder Jerushalayim?
Es ist nicht gesund, sich allzu sehr an Mizrajim zu gewöhnen. Da gibt es die Geschichte von den zwei Fröschen. Wenn man einen Frosch in heißes Wasser wirft, springt er schnell wieder heraus. Er spürt den Schmerz und möchte nicht verbrennen. Wenn man einen Frosch ins Wasser setzt und dieses langsam erhitzt dann gewöhnt er sich daran und stirbt, weil er den Zeitpunkt des Springens verpasst. Darum ist es wichtig, Jerusalema zu tanzen. Sich nicht gewöhnen an den Zustand von Krise. Was kannst du dafür tun, dich besser zu fühlen?
Wenn du also noch in Ägypten bist dann könntest du jetzt schon deine Sachen packen! Bereite dich vor für den Sommer. Recherchiere nach Baggerseen, die du noch nicht kennst. Suche Museen aus, die verborgen um eine Ecke schon lange auf dich warten. Verabrede dich mit deiner verlorenen Jugendfreundin für den 5. September. Finde heraus, wie du im Wohnzimmer in diesem Jahr Tomaten züchten kannst und suche im Keller nach den Materialien dafür.
Zwischendurch darfst du gerne Jerusalema tanzen, damit du an deine Freiheit erinnert wirst. Suche dir eine Freundin oder einen Freund, den du anrufen kannst. Du verabredest eine Zeit, in der du lauthals dein Leid herausrufen darfst. Du kotzt dich so richtig aus und es ist verboten, etwas zu beschwichtigen oder richtig zu stellen. Nur das Elend herauslassen. In Gegenseitigkeit. Verdrücke dir deine guten Ratschläge oder deine ideologischen Einstellungen zum Corona Virus oder Verschwörungstheorien. Es geht nur ums Dampfablassen. Der jüdische Beter tat das mit vorformulierten Klagepsalmen. Du hast aber bestimmt genug eigene Worte für dein Elend.
Anschließend tanzt du wieder Jerusalema, damit du nicht nur mit der Stimme was machst, sondern mit dem ganzen Körper. Das ganze Sklavengift muss raus! Mit Sklavengift meine ich die Ansammlung von Adrenalin, Kortisol und den Rest der verwandten stressbedingten Hormone.
Wenn du dich im Tanzen gereinigt und ausgeschwitzt hast stellst du in deine Tanzfläche einen Stuhl und setzt dich da drauf. Du schließt die Augen und atmest tief ein und aus. Du verbindest dich mit deinem Zorn, deiner Sehnsucht und Erschöpfung, deinen Wünschen und Bedürfnissen, deiner Erschöpfung und deiner Hoffnung und lässt für einen Moment Ruhe einkehren. Jetzt auf deinem Stuhl passiert nichts. Du bist mit dir da und die Welt um dich herum lässt du für einen Moment los. Du wirst wieder aufstehen und mitmachen. Aber jetzt machst du eine Pause und bist ganz bei dir. Da geschieht vielleicht so etwas wie ein Wunder. In all dem Gewirr und Gefühlschaos nimmst du die Zeichen der Freiheit wahr und entscheidest dich dafür, diesen zu folgen.
Jerusalema ist letztlich ein Prozess. Jeder Mensch lebt diesen Prozess ständig und ein Leben lang. Du nimmst etwas auf, hältst es für eine Weile fest und musst es wieder loslassen. Deine Arbeit, deine Gesundheit, dein Geld, deine Nahrung, deine Lieblingsmenschen, deine Glaubenssätze. Manche nehmen lieber auf, manche halten gerne fest und andere lassen ständig los. Das Gesetz des Lebens sagt dir: Alle drei Phasen laufen ständig ab in deiner Zeit. Mit oder ohne deine Erlaubnis und deinem Segen. Wehre dich nicht dagegen, sondern gestalte es lieber. Ich denke mir manchmal, dass wir viel Kraft und Zeit vergeuden, uns diesem Prozess zu verweigern. Es ist ja auch so verlockend, den Gewinn zu halten und nicht hergeben zu müssen. Aber die Musik von Jerusalema läuft weiter und lädt dich ein. Nächstes Jahr…
Samstag, 6. Februar 2021
Möge der neue Tag sich im Einklang mit dir treffen. (altirische Weisheit)
Ja, wo bin ich am heutigen Samstag? Ich streife die Woche von Montag bis Freitag ab wie die tote Haut einer Schlange und schwinge im Einklang mit dem Samstag mit. Ich brauche dafür meine Zeit, denn der Samstag spricht zu mir wie ein junger springender Hund, der sich austoben möchte. Aber ich setze den ersten Schritt und kaufe frische Brötchen.
Dir wünsche ich einen reichen Samstagsegen.
www.matthias-koenning.de
Freitag, 5. Februar 2021
Die Ohren sind meistens Zeugen ohne Einladung. Von den Bantu
Wenn da nicht die Neugier wäre. Wenn da nicht die Sorge wäre, dass da über mich gesprochen wird. Wenn da nicht die Angst wäre, dass da was gegen mich läuft. Meine Ohren sind ständig dabei. Ich kann sie nicht verschließen. Aber ich kann mit ihnen sprechen. "Hallo Ohren! Herein darf nur, wer eine Einladungskarte hat. Ohne Karte kein Eintritt!" Die Einladungskarte vergibt mein Bewusstsein. Ich treffe eine Entscheidung. Da gibt es einen Regisseur in mir, der sagt, wer mitspielen darf und wer nicht.
Ich könnte ungewollt zu einem Geheimnisträger werden. Ich könnte heimlich mächtiger werden und mich wichtiger fühlen. Aber das würde nur mein Ego aufblasen und mehr nicht. Je mehr ich ohne Einladung in mich aufnehme, desto mehr Müll sammelt sich an und verhindert, dass ich zu dem komme, was zu mir gehört. Im Hören kann ich einen Unterschied machen. Was zu mir gehört willkommen. Was nicht zu mir gehört bleibt draußen!
www.matthias-koenning.de
Donnerstag, 4. Februar 2021
... und in der schwärzesten Nacht meines Lebens sah ich Sterne. Carlos Ruiz Zafon
Wenn die Nacht der Seele schwarz ist, dann fühlt sie sich schwarz an. Um mich herum gehen die Lichter aus. Alle Freundlichkeit verschwindet. Die Liebe schleicht sich davon. Die bisher sinnvollen Dinge entleeren sich des Sinnes. Der Prozess erscheint unaufhaltsam, wenn er einmal begonnen hat. Die Dunkelheit wird unaufhaltsam dunkler und die Nacht breitet sich aus.
Was ist, wenn dann der Zeitpunkt kommt, wo nichts mehr ist? Ich erinnere mich an eine Wanderung auf Madeira in einen der dunklen Tunnel. Da gab es einen Tunnel, wo man nach einigen Metern nichts mehr sehen konnte. Der Weg ging ein wenig krumm, so dass der Anfangspunkt nicht mehr sichtbar war und der Endpunkt auch nicht. Kein Lichtstrahl kam an. Ein Moment, wo die Angst sich einschlich und unaufhaltsam durch die Knochen kroch.
... und in der schwärzesten Nacht meines Lebens sah ich Sterne. Das klingt wie eine Verheißung. Wie ein Geschenk. Und bei Zafon war es einfach so. Kein Ratschlag, dass du es auch so erfahren könntest. Er sah Sterne in der schwärzesten Nacht. Manche Sterne kann ich erst sehen, wenn die Nacht schwarz genug ist. Je schwärzer die Nacht auf der Erde, desto leuchtender erscheinen mir die Sterne. Manchmal gibt es keine Rettung aus der unmittelbaren Umgebung. Aus dem gewohnten Feld. Manchmal gerate ich ja in die Dunkelheit, weil das Feld dunkel ist, in dem ich mich bewege. Wie tröstlich, wenn aus der Ferne etwas auf mich zukommt. Etwas, das weit genug entfernt ist von der Dunkelheit.
Stell dir vor, dass du dich in einer emotional schwarzen Nacht befindest. Deine unmittelbare Umgebung bewirkt oder verstärkt sogar diese Nacht. Und du stellst dir vor, dass es einen Stern in der Ferne gibt. Du siehst ihn noch nicht. Du stellst dir nur vor, dass es einen gibt. Halte diese Vorstellung fest. Du magst nicht die gleiche Erfahrung gemacht haben wie Zafon. Aber du darfst dich von seiner Erfahrung mit nähren. Wenn nur ein Mensch in der Schwärze die Sterne sieht reicht es für alle!
www.matthias-koenning.de
Mittwoch, 3. Februar 2021
Die Liebe ist der einzige Stein, der immer über denselben Menschen stolpert. Carlos Ruiz Zafon
Hat Zafon sich vertan? Der Mensch ist es, der normalerweise stolpert. Menschen können immer über den gleichen Stein stolpern. Aber kann ein Stein auch über einen Menschen stolpern? Ein Stein, der Liebe heißt?
Kann also die Liebe immer wieder über einen Menschen stolpern? Wie kann ich das verstehen? Ich denke mir so: Jeder Mensch braucht Liebe und lebt von der Liebe. Und es ist genug Liebe da auf dieser Welt. Allein, dass ich lebe, ist ein Ausruck von schöpferischer Liebe. Sonst wäre ich gar nicht hier.
Es gibt aber Menschen oder Lebensphasen, wo wir diese Liebe nicht spüren. Wo wir uns weit weg davon bewegen. Wo wir mitten in einer lieblosen Wüste wohnen müssen. Wo uns das Leben so vorkommt, dass wir weit weg sind von jeder Liebensmöglichkeit. Unser Blick trübt sich. Wir sehen nur die Wüstenwirklichkeit.
Wie wäre die Vorstellung, dass immer uns herum genug Liebe da ist. Mehr als Wasser. Wenn die Wüste auch ohne Wasser wäre, nicht einmal dort wäre es ohne Liebe. Wir könnten ständig über die Liebe stolpern oder die Liebe über uns. Die Liebe würde sich uns also ständig und ohne Unterbrechung anbieten. Sie würde immer über uns stolpern. Wir müssten sie nur noch bemerken. Das wäre doch wunderbar.
Stell dir vor, dass du mit dem Glaubenssatz unterwegs bist: "Niemand liebt mich!" Du müsstest den Irrtum erkennen, weil die Liebe über dich stolpert und dir sagt, dass sie da ist. Die Liebe liebt dich! Die Liebe ist aber kein Abstraktum sondern sie fließt hinein in Dinge, Menschen, Pflanzen und Tiere. Du kannst allerdings blind sein dafür. Du kannst Dinge, Menschen, Pflanzen und Tiere anschauen ohne die Liebe darin zu sehen. So kann die Liebe über dich stolpern und du bemerkst es gar nicht. Du ergibst dich der Illusion, dass nichts und niemand dich liebt. Dabei schaut dich alles mit Liebe an, wenn du es nur sehen wolltest.
Die Liebe gibt nie auf. Sie stolpert immer über denselben Menschen. So, wie Fische über Wasser stolpern, stolpern wir über die Liebe. Werde dir dessen bewusst!
www.matthias-koenning.de
Dienstag, 2. Februar 2021
Gucken kostet nix
Ich stehe vor dem Laden und kann durch das Fenster hindurchschauen. Von hier aus kann ich alles im Laden sehen. Es lohnt sich für mich nicht. Es gibt nichts, was mich verlockt einfach mal umsonst zu schauen. Es ist draußen nicht einmal kalt, so dass ich mich aufwärmen wollte dort. Gucken kostet nix und lohnt sich für mich auch nicht. Und gucken kostet doch was. Vielleicht nicht mein Geld. Aber ich zahle mit anderen Mitteln.
Zugleich stimmt auch was anderes. Mal über den Tellerrand schauen. Hinter dem Gartenzaun. Kleine Dinge machen, die ich normalerweise nicht tun würde. Die Comfortzone verlassen. Neue Erfahrungen machen. Dem Impuls der Neugier folgen. Das Abenteuer leben wagen. Mal etwas riskieren. Das nächste mal, wenn ich vor diesem Laden stehe, werde ich ihn betreten. Aber dann, dann wird sich die Besitzerin umschauen. Was ich dann machen werde! Ich werde echt was riskieren. Genau weiß ich noch nicht. Aber ich werde was machen, wetten?
www.matthias-koenning.de