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Freitag, 24. November 2023
24. Impuls im Advent: Eure Kinder sind nicht eure Kinder - Khalil Gibran
Der Advent erreicht heute sein Ziel. Wir kommen an! Wir dürfen schauen! Was siehst du? Was hörst du? Was fühlst du? Du darfst heute in Bethlehem sein. Du bist willkommen!
Du bist ein Besucher. Irgendwann musst du gehen. Die Begegnung wird dich verändern. Du darfst das Kind nicht mitnehmen. Das Bild ja, die Erinnerung auch und die Erfahrung. Aber das Kind lässt du zurück. Es geht seinen eigenen Weg. Du darfst wiederkommen. Aber du musst dann auch wieder gehen. In diesem Spannungsfeld bewegt sich der Text von Khalil Gibran.
Eure Kinder sind nicht eure Kinder.
Sie sind die Söhne und Töchter der Sehnsucht des Lebens nach sich selber.
Sie kommen durch euch, aber nicht von euch,
Und obwohl sie mit euch sind, gehören sie euch doch nicht.
Ihr dürft ihnen eure Liebe geben, aber nicht eure Gedanken,
Denn sie haben ihre eigenen Gedanken.
Ihr dürft ihren Körpern ein Haus geben, aber nicht ihren Seelen,
Denn ihre Seelen wohnen im Haus von morgen, das ihr nicht besuchen könnt, nicht einmal in euren Träumen.
Ihr dürft euch bemühen, wie sie zu sein, aber versucht nicht, sie euch ähnlich zu machen.
Denn das Leben läuft nicht rückwärts, noch verweilt es im Gestern.
Ihr seid die Bogen, von denen eure Kinder als lebende Pfeile ausgeschickt werden.
Der Schütze sieht das Ziel auf dem Pfad der Unendlichkeit,
und Er spannt euch mit Seiner Macht, damit seine Pfeile schnell und weit fliegen.
Laßt euren Bogen von der Hand des Schützen auf Freude gerichtet sein;
Denn so wie Er den Pfeil liebt, der fliegt, so liebt er auch den Bogen, der fest ist.
Khalil Gibran, arabischer Dichter, 1883-1931
Das sagen Eltern so leichthin: "Mein Kind" oder "unsere Kinder". Die Gefahr besteht, dass Eltern ihre Kinder wie einen Besitz ansehen. Die Kinder kommen durch die Eltern, aber nicht von ihnen. Menschlich denken wir ja häufig, dass wir unseren Eltern das Leben verdanken. Wir kommen aus dem Bauch der Mutter. Wir denken, dass unser Ursprung in der Verbindung von Eizelle und Sperma liegt. Diese Deutung ist sehr biologistisch.
Khalil Gibran macht deutlich: Wir geben dem Körper der Kinder ein Haus, aber nicht ihren Seelen. Die kommen woanders her. Der Ursprung unseres Wesenskernes liegt tiefer. Er wurzelt in Gott.
Somit kommen wir auch zum göttlichen Kind in der Krippe. Scheinbar liegen die Wurzeln von Jesus bei Maria und Josef. Die geheimnisvolle Geschichte drumherum weist aber auf Tieferes hin. Der Stern, die Engel, die Weisen, die Tiere ... sie alle sagen dir: Dieses Kind kommt von Gott! Die Biologie sagt, das kann nicht sein. Der Blick des Glaubens sagt, das ist doch ganz einfach. Alles Leben hat seine Wurzeln in Gott. Lass dich nicht beschränken durch deine familiäre oder soziale Herkunft. Du bist ein Geschenk Gottes. In der Begegnung mit dem Kind im Stall soll diese Erkenntnis in dir aufleuchten wie ein Blitz. Wenn du von Gott kommst kannst du nicht verloren gehen.
Der Prophet sagt: Deine Kinder gehören dir nicht. Du als Kind von Eltern gehörst auch nicht deinen Eltern. Du gehörst niemandem. Du bist frei. Du kannst immer neu entscheiden wohin und wozu du gehören möchtest. Du bist der Besitz von niemandem. Es mag sein, dass deine alten Eltern dich bis heute festhalten oder binden durch Ansprüche oder Vorwürfe. Der Besuch an der Krippe flüstert dir die andere Botschaft ein. Das Kind sagt dir: "Du gehörst zu Gott wie ich auch."
Im Bild des Gedichtes von Pfeil und Bogen bist du als Kind der Pfeil, deine Eltern sind der Bogen und der Schütze ist Gott. Eltern halten sich oft für den Schützen, der die Kinder auf den Weg bringt. Die Eltern stellen nur ihre Kraft und Ressourcen zur Verfügung wie ein Bogen sich dem Pfeil zur Verfügung stellt. Der Pfeil fühlt sich geführt vom Schützen und schätzt die Qualität des Bogens. Weinachten rückt die Perspektiven wieder zurecht und ordnet die elterlichen Verwechslungen neu. Die Eltern sind nicht der Schütze lediglich der Bogen. Das ist ganz gut so und reicht auch aus. Im Kind in der Krippe zeigt sich der zukünftige Schütze, der dich ins Leben hinausschießt, damit du es lebst. In diesem Sinne wünsche ich dir einen gesegneten Neuanfang.
www.matthias-koenning.de
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