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Mittwoch, 31. Mai 2017

Mein innerer Arzt


In meinem Herzen wohnt mein innerer Arzt. Er achtet darauf, dass es meinem Körper gut geht. Er überwacht alle Körperfunktionen und regelt, was immer zu regeln ist. Ich kann mich sehr auf ihn verlassen, auf meinen inneren Arzt.
Er gibt mir Signale, ob ich ein Nahrungsmittel gut vertrage oder sogar im Augenblick dringend brauche. Er nickt mir zu oder schüttelt den Kopf, wenn ich im Supermarkt ein Produkt in den Händen halte. Mein innerer Arzt beschäfigt sich mit der Frage, meinen Körper gesund zu erhalten. Er gibt mir wertvolle Hinweise und Tips.
Meinen inneren Arzt habe ich erst im Laufe meines Lebens entdeckt. Als Kind lernte ich, dass ich bei Anzeichen von körperlichem Unwohlsein möglichst schnell zum Arzt gehe. Ich habe festgestellt, dass nicht immer alle Ärzte die gleiche Meinung hatten über meine Körpersymptome. Und das hat mich immer wieder einmal verunsichert. Bis ich meinen inneren Arzt entdeckte. Seitdem gehe ich immer noch zu Ärzten wenn mich etwas plagt. Aber ich schalte immer auch meinen inneren Arzt ein. Ich habe entschieden, dass der mein "Oberarzt" ist. Irgendjemand muss ja auch meinen Körperladen zusammenhalten, nicht wahr?
Wenn ich die Augen schließe und meinen Körper wahrnehme, dann besuche ich auch meinen inneren Arzt. Ich frage ihn: "Alles in Ordnung?" Manchmal hält er den Daumen hoch oder strahlt. Manchmal jedoch gibt er mir Zeichen, dass mein Körper etwas braucht. Das sind Dinge, die eigentlich ganz einfach sind und doch manchmal so schwer. Mein Körper braucht manchmal nur ein Pause oder einen Schluck Wasser oder auch eine Streicheleinheit. Für diese Grundbestandteile vor allem benötige ich diesen inneren Arzt. Hasst du deinen schon kennengelernt?
Wie bei allem, was in deinem Inneren stattfindet, musst du dafür in die Stille gehen. Du bittest deinen Verstand, in die Beobachterposition zu gehen. Du bittest ihn um Unterstützung, deinen inneren Arzt aufzusuchen. Bring deine Fragen mit, denn sonst antwortet er nicht. Frage ihn und warte ab. Bleibe dabei im inneren Zustand der Gesammeltheit und Entspannung. Du willst nichts! Du bist bereit für ein Geschenk. Das kann kommen oder auch nicht. Wenn du wartend aufmerksam bist, wird dein innerer Arzt dir einen Hinweis geben. Weil du dich in einem entspannten Zustand befindest, wirst du seine Antworten vielleicht als Bilder oder Gefühle wahrnehmen. Vielleicht taucht ein eigenartiger Satz auf, den du zunächst nicht verstehst. Geh davon aus, dass dein innerer Arzt leicht in Rätseln spricht, die du noch entschlüsseln musst. Aber weil du dich und deine Lebensgeschichte kennst, wird es dir leicht fallen, ihn zu übersetzen.
Nimm deinen inneren Arzt auch mit zur Visite zum "äußeren Arzt". Dann kannst du die richtigen Fragen stellen, die dir weiterhelfen. Probier es einfach mal aus und beobachte, was sich dadurch in deinem Leben verändert!
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Dienstag, 30. Mai 2017

Ich bin dann mal weg!



"Ich bin dann mal weg!" heißt der Bestseller von Hape Kerkeling.
"Ich bin dann mal weg!" So gehe ich manchmal aus dem Haus, wenn ich etwas vorhabe, aber nicht so gerne darüber sprechen möchte. Das sage ich auch am Arbeitsplatz wenn ich Lust auf ein belegtes Brötchen habe und mal eben zum Bäcker gehe. "Ich bin dann mal weg!"
Manchmal bin ich auch so weg! Ich bin einfach nicht da. Ich sitze an meinem Schreibtisch und bin trotzdem nicht da. Ich bin in Gedanken verreist. Ich träume mich irgendwohin, wo ich gerade gerne wäre. Dann bin ich einfach mal weg.
Ich kenne übrigens Menschen, die sind nie da! Die sind irgendwie noch nie da gewesen. Sie sind gedanklich immer woanders. Nie zu greifen! Nie präsent!
Aber jeder hat das Recht, da zu sein, wo er sein möchte. Ob mit dem Körper oder mit der Seele. Ob in irgendwelchen traumatischen Erinnerungen oder Urlaubsgefühlen oder Liebeswünschen. Wenn ich aber einen Menschen treffe und ich wünsche mir einen Kontakt oder dieser Mensch möchte auch einen Kontakt. Dann muss ich diesen Menschen von seinem Trip wieder holen.
Dann winke ich heftig mit meinen Händen vor seinem Gesicht und rufe laut: "Hallo! Jemand da?" Manchmal merke ich, wie mein Gegenüber wirklich aufwacht. Die Augen werden klar und ich bekomme Blickkontakt. Manchmal muss ich diese Aktion auch wiederholen. Wenn es dann zu einer Begegnung kommt freue ich mich. Denn ich begegne diesem Menschen nun wirklich.
Ich finde es sehr leicht, mal eben weg zu sein. Ich erwische mich häufiger dabei. Ich bin dann mal weg im Auto und wundere mich, dass ich auf einmal in meiner Garage gelandet bin. Ich bin dann mal weg und die Konferenz ist vorbei und ich erinnere mich an nichts. Manchmal tut es meinem ganzen System gut, mal weg zu sein. Im "Trancezustand" nehme ich mir eine kleine Auszeit zum Erholen. Es ist aber auch schön, mal ganz da zu sein. Ich trainiere es jeden Tag. Wirklich ganz da zu sein. Und wenn ich wirklich ganz da bin - dann bin ich auch plötzich mal wieder weg! Ich finde es schwer, einen Zustand richtig gut und ausdauernd zu halten.
Wie geht es dir damit? Wie lange schaffst du es, ganz da zu sein? Wann und in welchen Situationen gehst du mal weg? Viel Freude beim Forschen!
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Donnerstag, 25. Mai 2017

Möge das Leben dich lehren dir selbst ein guter Freund zu sein. (Irischer Segensspruch)


Bist du dir selbst ein guter Freund/ eine gute Freundin? Ich kenne viele Menschen, mich eingeschlossen, die sich selber oftmals sehr kritisch betrachten. Du bist nicht klug genug, du hast diese oder jene Aufgabe nicht optimal erfüllt. Du bist keine wunderbare Ehefrau oder kein aufmerksamer Ehemann. Du fährst mit deinem Wagen zu langsam oder zu schnell. Du beachtest alle Verkehrsregeln supergenau und nahezu penetrant oder du hältst die Regeln alle nur so ungefähr ein. Du schaust dir deine Schulzeugnisse über die Jahre an und erinnerst dich an all die Fächer, in denen du besser hättest abschneiden können, wenn du nur genug geübt hättest. Dir kommen all die Tests vor Augen, die du nicht wichtig genommen hast und überlegst, wo du stehen würdest, wenn du immer die optimale Lösung gefunden hättest auf deinem Weg.
Du gehst zurück in die Vergangenheit und betrachtest deine Gegenwart. Beim Einkauf hast du das Salz vergessen. Die Kartoffeln haben heute fünf Minuten zu lange gekocht, du hast dir beim Essen ein paar Saucenspritzer auf dein frisch gewaschenes Hemd eingehandelt. Du hast dem einen  nicht aufmerksam zugehört und jemand anderem bist du auf die Nerven gegangen.
Du ärgerst dich über deine Schusseligkeit und dein Unvermögen. Kannst du dir trotzdem ein guter Freund, eine gute Freundin sein? Wie oft erlebe ich es, dass ein Freund mir sein Unvermögen beichtet: „Ich habe vergessen dich anzurufen.“ „Ich muss dir doch noch dein Buch zurückgeben, das du mir geliehen hast.“ Dann antworte ich: „Ist doch nicht so schlimm!“
 Kann ich mir das auch selber sagen? Ist doch nicht so schlimm? In wie viele Fallen musst doch noch tappen. Wie viele Dinge müssen dir noch misslingen bis du anfängst, dich dafür zu verurteilen? Möge das Leben dich lehren, dir selbst ein guter Freund zu sein. 
 

Mittwoch, 24. Mai 2017

Die Kunst des Nebelbomben werfens

Bei einer Nebelbombe handelt es sich um eine Granate, die starken Rauch oder Nebel erzeugen kann. Menschen im Nebel verlieren die Orientierung und verirren sich. Eine wirkungsvolle Taktik bei militärischen Einsätzen. Wenn der Gegener die Orientierung verliert gehen die Angriffe ins Leere.
In der Politik werden auch gerne im übertragenen Sinne Nebelbomben geworfen. Man macht viel Getöse um irgendein unwichtiges Thema, damit man vom eigentlichen und brisanteren Thema ablenken kann. Da handelt es sich dann um eine wirkungsvolle Taktik, unbeliebte Entscheidungen durchzusetzen.
Es wäre bestimmt interessant, unsere Gesellschaft einmal zu durchleuchten. Wo wird uns mit Hilfe von Nebelbomben die Wirklichkeit "vernebelt"? Brot und Spiele kannten schon die alten Römer. Sorge für gute Unterhaltung, dann ist das Volk regierbar.
Auf die Nebelbomben in der Politik und in der Gesellschaft haben wir nicht so viel Einfluss. Aber auf Nebelbombem im eigenen Umfeld können wir achten. Kennst du Nebelbombenwerfer und -werferinnen? Woran kann man sie erkennen?
Eine Frau kommt zu mir und erzählt mir ganz aufgeregt von ihrer Tochter, die keine Freunde in der Schule hat. Und was sie schon alles unternommen hat. Und wie schrecklich die Lehrerin ist. Und was sie alles schon unternommen hat. Und wer bislang schon nicht helfen konnte. Jetzt könnte ich mich daran beteiligen eine Lösung für die Tochter zu finden. Wenn nicht... ich den Verdacht hätte, dass dort eine Nebelbombe liegt. Was möchte die Frau verbergen? Beim Stochern im besagten "Nebel" stellt sich heraus, dass sie ärgerlich auf ihren Ehemann ist. Der war einfach nicht solidarisch. Er hat sie nicht unterstützt. Dem ist das Thema egal! Aber die Frau kann es sich nicht leisten, auf den Mann sauer zu sein, weil sie ihn noch braucht. Ihren Ärger über den Mann lädt sie nun ab über Schule und andere Menschen.
Wegen der geschlechtlichen Gerechtigkeit auch ein männliches Erlebnis. Ein Mann hat vor meiner Einfahrt geparkt. Ich spreche ihn an, dass er dort nicht parken dürfte was man an dem Schild auch deutlich sehen könnte. Der Mann spricht von seiner furchtbaren Fahrt hierher, von dem Stau, in dem er stand, dem dringenden Termin, den er hatte und der Unmöglichkeit hier auch nur in der Nähe einen Parkplatz zu finden. Außerdem sei das Schild so klein und es war so dunkel, dass er nichts sehen konnte.
Wir legen alle gerne einmal Nebelbomben. Wenn wir gesund essen wollen, legen wir auf das panierte Schnitzel ein Stückchen Gurke und Tomate. Wenn wir mit dem Auto und schlechtem Gewissen zum nahen Bäcker fahren verbinden wir das mit einer "eigentlichen" Fahrt zum Getränkehändler. Wir sind da oft sehr geschickt mit unseren Nebelbomben. Und meistens sind sie uns nicht bewusst. Bislang! Und? Wie heißen deine Nebelbomben?
Wenn du nicht zum Eigentlichen kommst, wenn du gerne drum herum redest, wenn du dich in Nebengedanken verstrickst, wenn du Dramen inszenierst, wenn du dich mit Ablenkungsmanövern auskennst... bist du schon ziemlich gut in diesem Thema... 
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Dienstag, 23. Mai 2017

Es ist besser, das zu überschlafen, was du zu tun beabsichtigst, als dich von dem wachhalten zu lassen, was du getan hast. (Igbo)




Bevor du eine Entscheidung triffst, von der Glück oder Unglück anderer Menschen abhängt, schlaf mal eine Nacht drüber. Nicht alles muss sofort entschieden werden. Bedenke alles, wiege es hin und her und dann lass es wieder los. Schiebe es in den kosmischen Brutkasten und belass es dort für eine Weile.
Wenn du zu schnell handelst und dabei Menschen verletzt oder kränkst, nur weil du es zu eilig hattest, musst du den Preis der schlaflosen Nächte zahlen.
Die Art deiner Nächte kann ein wichtiger Hinweis sein, wie gelassen du mit deinem Leben umgehst. Kannst du gut loslassen? Deine Gedanken, deine Pläne, dein möglicherweise schlechtes Gewissen?

Es ist besser, das zu überschlafen, was du zu tun beabsichtigst, als dich von dem wachhalten zu lassen, was du getan hast.

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Montag, 22. Mai 2017

Tief durchatmen!





Viele Therapeuten empfehlen es und ich auch. Wenn eine Panikattacke auftaucht, wenn du etwas schlimmes erlebt hast, wenn du dich erschrickst, wenn dich jemand beschimpft, wenn du ins Stocken gerätst, wenn du nicht mehr weiter weißt, wenn dir nichts mehr einfällt, wenn du warten musst auf eine möglicherweise unangenehme Nachricht:

Atme erst einmal durch! Atme tief durch! Nutze alle Atemräume aus und atme nicht mit dem Brustraum, sondern tief in den Bauch hinein, mit der so genannten Zwergfellatmung. In einer Krise vergessen wir einfach zu atmen. Die Welt steht still bzw. du erstarrst. Lass deinen Atem fließen. Wenn dein Atem wieder fließt, dann kommst du langsam in einen Zustand der Entspannung und im Zustand der Entspannung finden sich Lösungen für deine Sorgen.
Viele Menschen atmen flach und unregelmäßig. Das Atmen läuft ja auch in der Regel unbewusst ab. Wir atmen wie von selbst oder es atmet in uns. Wenn du auf deinen Atem achtest, merkst du vielleicht, wie du manchmal stockst, den Atem anhältst, schnell oder flach atmest. Beobachte mal deinen Atem. Das kannst du immer und zu jeder Zeit tun.
Wenn du in einer Gesprächsrunde dich aufregst, dann achte auf deinen Atem und atme für einen Moment lang bewusst. Spüre dann, wie sich deine Gedanken und Gefühle verändern und wie du besser zur Mitte kommst. Sich seines Atems bewusst werden dient der Vorbeugung vor Stress, der Stressauflösung, des inneren Ausgleichs und der Balance.
In der Schöpfungsgeschichte der Bibel wird erzählt, wie Gott dem Menschen den Atem einblies. Dieser Vorgang machte den Menschen zu einem lebendigen Wesen. Wir sind also lebendig aufgrund der schöpferischen Beatmung durch Gott. Die Wiederbelebung eines Ertrinkenden geschieht auch durch die Beatmung. Der Patient findet so den Weg vom Koma zum Leben. Im Vorgang und in der Aufmerksamkeit für den Atem wirst du dir inne, dass du ein Mensch bist mit der Atemqualität Gottes. Ausgestattet mit dieser Qualität darfst du dich zurücklehnen und dir sagen: Alles wird gut! Alles ist gut! Schon von Ewigkeit her.

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Donnerstag, 18. Mai 2017

Zehn Flaschen Spülmittel!


Ausverkauf bei Rossmann! Sie schließen ihre Filiale und eröffnen ein paar Häuser weiter eine neue. Sie wollten wohl nicht mit den Produkten umziehen und dachten, ein Rabatttag ist gut fürs Geschäft und kommt uns günstiger. Die Kunden freuen sich und wir uns auch.
Ich kam ganz unvorbereitet in den Laden und wollte nur eine Tube Zahnpasta einkaufen. Ich sah Menschen über Menschen, Wagen und Einkaufskörbe voll, ein Geschiebe und Gedränge und lange Schlangen an den Kassen. Eigentlich hätte ich sofort umdrehen sollen anstatt mich mit meiner Tube einzureihen unter die vielen hundert anderen Flaschen von Reinigungs- und Pflegemitteln. Aber ich tat es nicht. Vor mir stand ein Mann mit einem Korb voller Spülmittel: Eine Sorte und zehn Stück! Ich fragte mich die ganze Zeit, was man denn mit so viel Spülmittel wohl anfangen könnte. Wie viele Jahre an Vorrat hat der sich da eingekauft! Jetzt muss der sich auf eine Sorte festlegen für lange Zeit! Der Blick in die Körbe und Wägen vor und hinter mir macht mich fassungslos. Wer braucht das ganze Zeug eigentlich? Frage ich mich. Übertreiben die hier nicht? Bricht ein Krieg aus? Und wenn ja, wären Kartoffeln und Mehl da nicht sinnvoller?
Wie haben das unsere Vorfahren gemacht? Sind die wirklich nur mit einem Stück Seife ausgekommen? Reicht Wasser nicht eigentlich aus zur Reinigung? Ratlos bezahle ich meine kleine Tube Zahnpasta und verlasse den Laden. Ich habe keine Antwort. Na ja, Reinigungsmittel halten sich lange und wenn sie günstig sind...? Ich sollte noch einmal wiederkommen. Dann bin ich versorgt bis zum Ende meines Lebens. Und sollte ich vorher sterben kannst du gerne eine Flasche Spüli bei mir abholen. ;-)
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Mittwoch, 17. Mai 2017

Liest du noch die Speisekarte oder isst du schon!


Auf den ersten Blick klingt dieser Satz vielleicht eigenartig. Darum will ich ein paar Sätze dazu schreiben.
Stell dir vor, du gehst mit Freunden in ein Restaurant. Der Kellner heißt euch willkommen und zeigt euch einen Platz, wo ihr sitzen könnt. Ihr setzt euch und der Kellner bringt die Speisekarte. Er überreicht dir sehr freundlich diese Karte und empfiehlt dir auch eine von den Speisen. "Suchen sie vegetarisch? Das finden Sie hier! Und auf dieser Seite stehen die Tagesgerichte! Der Fisch ist heute besonders zu empfehlen!"
Du bedankst dich beim Kellner und dann lest ihr alle die Speisekarte rauf und runter. Ihr tauscht euch aus. "Was nimmst du?" "Ja wie toll, das klingt auch ganz lecker!" Vor deinem geistigen Auge siehst du die toll angerichteten Speisen. Dein Magen ruft: "Hurra!" in seiner unnachahmlichen Art. Dann kommt der Kellner wieder und es geschieht etwas merkwürdiges. Du gibst dem Kellner die Speisekarte zurück und deine Freunde machen es ebenso. Ihr bedankt euch bei dem freundlichen Mann für das Austeilen der Karten, entrichtet eine kleine Leihgebühr und verlasst das Lokal.
"Hä!" wirst du jetzt denken, oder? Das ist doch völlig schräg! Man geht doch in ein Lokal um zu essen. Du liest zwar die Speisekarte, aber das Ziel ist doch das Essen. In meiner Geschichte gibt es aber keine Bewusstheit vom Essen, sondern nur die Bewusstheit einer Speisekarte. Dort werden die Speisen gelesen, aber nicht konsumiert. In meiner Geschichte ist das völlig in Ordnung so. Meine Besucher kennen es nicht anders. Sie gehen in eine Lokal um Speisekarten zu lesen.
Du würdest jetzt vielleicht mit deinem erweiterten Bewusstsein sagen: "Wie schräg ist denn das! Das Eigentliche haben die Gäste doch verpasst. Das Wesentliche kommt erst nach der Bestellung. Es geht um das Essen, das Genießen und das Sattwerden. Vom Lesen wirst du nicht satt!"
Jetzt wirst du vielleicht fragen warum ich diesen Gedanken mit dir teile. Ich möchte dich einladen, diese Geschichte auf dein Leben zu übertragen. Wo liest du noch die Speisekarte und merkst nicht, dass du eigentlich essen dürftest?
Ich wage einmal eine Übertragung. In der Kirche erzählt dir der Pfarrer im Rahmen seiner Predigt etwas über Gott. Er erzählt, dass er gütig ist und dass man ihm vertrauen kann. Er liest dir vor, was in der Bibel steht und erklärt dir, wie du das verstehen kannst. Mit meinen Worten. Er liest eine Speisekarte vor. Aber isst du auch? Du hörst vielleicht etwas über Gott, aber du isst ihn nicht. Du spürst ihn nicht in dir und hast keine Gespür dafür in ihm zu leben. Du bekommst selten eine Anleitung zum "Gott spüren". Gerade in spirituellen Fragen habe ich oft den Eindruck, dass wir alle Speisekarten lesen und gar nicht wissen, dass es ums Essen geht.
Stell dir doch einmal vor, dass die Predigt ausfällt. Der Pfarrer würde sagen: "Herzlich willkommen! Schließe deine Augen und achte auf deinen Atem wie er kommt und geht. Nimm wahr, welche Bilder in dir auftauchen und welche Gedanken entstehen. Hörst du die Stimme Gottes? Was sagt er gerade. Was nimmst du wahr?" Dann - Stille. Zeit zum Wirken! Nach einer Weile lädt der Pfarrer ein zum Teilen: "Wer möchte erzählen, was geschehen ist?"
Auf einmal gäbe es eine Demokratisierung von Religion. Alle würden von den kostbaren Speisen erzählen, die sie gerade gegessen haben. Alle würden merken, dass sie den Sprung geschafft haben vom Lesen der Speisekarte hin zum Genießen der Speisen.
Die Gotteserfahrung ist meine Herzensangelegenheit. Ich weiß nicht, ob dir mein Bild etwas sagt. Vielleicht lässt es sich auch auf andere Situationen übertragen. Du hörst von Musik aber in dir gibt es keine Melodie. Dir erzählt jemand von Farben aber deine Welt ist schwarz und weiß. Du hörst, dass es die Liebe gibt, aber dein Herz bleibt bei der Sehnsucht stehen. Darum noch einmal meine Frage: Liest du noch die Speisekarte oder isst du schon?
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Montag, 15. Mai 2017

Kennst du deine Lebensrhythmen?


In der vergangenen Woche wollte ich bei einem Bäcker in Münster eine Dinkelbrot kaufen. Vor mir wurde gerade ein Mann von der Verkäuferin bedient. "Haben Sie es eilig?" fragte er mich. "Sie dürfen ruhig vor mir bestellen."
Die Verkäuferin zögerte nicht lange und bediente mich. Während meine drei Brote geschnitten wurden begann ich mit dem Mann ein Gespräch. Er ging an einem Krückstock und genoss wohl die Unterbrechung seines Alltags am Schreibtisch. Ich erzählte ihm, dass ich als Berater und Lebenslagencoach arbeite worauf er erwiderte, dass er mich in der vergangenen Woche gut hätte gebrauchen können. Unser Gespräch war sehr humorig und er erzählte mir etwas von seiner Schwester. Und darum geht es mir eigentlich jetzt. Sie schreibt ihm also eine Mail und klagt darin ihr Leid. Dann macht er sich Sorgen. Drei Tage später kommt eine erneute Mail mit dem Hinweis, alles ist wieder gut. In seiner Bauernschläue kam er auf den Gedanken, dass er sich seine Sorgen hätte sparen können, wenn er nicht so oft die Mails seiner Schwester lesen würde.
Wenn er also nur alle sieben Tage die Mails liest würde er lesen: "Mir geht es gut!" Das Loch könnte er einfach überspringen. Man würde sich ja manchmal völlig nutzlos Sorgen machen wenn später alles eh wieder gut ist.
Der Mann aus der Bäckerei brachte bei mir die Erfahrung in Erinnerung, dass wir Menschen oft zyklisch in unseren Ereignissen sind. Ich bekomme z.B. immer um Karneval herum eine Grippe. In diesem Jahr um eine Woche verspätet zwar, aber jetzt sitze ich hier mit einer Triefnase.
Ich habe Menschen erlebt, die eine bestimmte Anzahl von Jahren in einer Beziehung sein können und sich dann trennen. Die Zahl sieben ist ein beliebter Rhythmus. Oft sind diese Zyklen unbewusst und es ist spannend, diese zeitlichen Abstände aufzudecken und so möglicherweise zu durchbrechen.
Bist du neugierig geworden auf deine zeitlichen Eigenarten? Wann kaufst du neue Kleidung ein? Wann wechselst du dein Auto? Wann bestellst du deine Ferienwohnung? Und wie geht es dir, wenn du deine Rhythmen nicht einhältst?
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Samstag, 13. Mai 2017

Wenn alles neu wird!





So lautet der erste Vers mit dem gleichnamigen Gedicht von Hermann Adam von Kamp. Am letzten Apriltag spukte dieser Satz in meinem Kopf. Da stimmt doch was nicht! Alles neu macht der Mai. Der Mai kann doch aktiv gar nichts machen. Menschen können etwas machen aber nicht ein Monat. Der Dezember macht keinen Schnee und eine Schwalbe macht keinen Sommer. Außerdem soll der Monat Mai die Fähigkeit besitzen, gleich alles neu zu machen. Alle Achtung! Was wir dem Mai da so alles zutrauen!
Der Hintergrund des Gedichtes ist sicherlich verständlich. Der Frühling ist endgültig und unwiderruflich da. Die Schwelle des Winters ist unwiderruflich überschritten. Der Sommer steht vor der Tür. Das knospende und neu erblühende Leben ist sichtbar und spürbar erwacht und lässt dich staunen.
Das hätten wir also geklärt, dass der Mai nicht alles neu macht. Dennoch liegt eine Verlockung und eine Idee in dem Vers, sonst wäre er nicht bei mir kleben geblieben.  Im Augenblick betrachte ich meine „Besitztümer“.  Das Auto stammt aus dem Baujahr 1999, die Waschmaschine hat mehr als 20 Jahre auf dem Buckel und verweigert das automatische Schleuderprogramm. Mein Netbook mit Windows XP hat seinen Geist aufgegeben und die Stühle um den Esszimmertisch gehen aus dem Leim.
Da wünsche ich mir einen Zauberer, der mit den Fingern schnippt und sagt: „Abrakadabra, alles neu.“ Leider funktioniert das nicht und ich muss andere Wege finden, die defekten Dinge zu ersetzen. Umgekehrt kenne ich aber auch das Staunen, wenn mir eine Freundin die Küche zeigt mit dem Kommentar: „Alles neu!“ Die Geräte sind noch voll funktionstüchtig. Es gibt keine Macken und Schrammen. Wir erhoffen uns von jedem Gerät, dass es ohne jede Beeinträchtigung zu hundert Prozent zu unserer Verfügung steht.  Schon nach kurzer Zeit stellst du jedoch fest: Die erste Macke und die ersten kleinen Defekte stellen sich ein. Das ist bei den Gebrauchsgegenständen auch ganz normal so und wenn du genügend Geld hast, dann tauschst du halt aus.
Ich möchte aber gerne noch einen Schritt weiterdenken in Richtung unserer menschlichen Beziehungen. Du lernst jemanden kennen und findest ihn oder sie nett. Du knüpfst Kontakt und erlebst die Beziehung als neu, erfrischend, bereichernd, wohltuend... und wünschst dir mehr davon. Der Kontakt wird intensiver und tiefer. Es geht etwas Zeit ins Land und irgendwann tritt es unweigerlich ein: Du enttäuschst oder wirst enttäuscht. Erwartungen werden nicht erfüllt, du bist gekränkt, du verletzt und merkst es vielleicht gar nicht. Du wirst verletzt, die Beziehung stagniert und du kannst nicht über deinen Schatten springen. Es droht der Stillstand oder das Ende. Leider kannst du wieder nicht mit den Fingern schnippen und sagen: „Alles neu!“ Deine Geschichte bleibt deine Geschichte. Die Erlebnisse kannst du nicht auslöschen! Du kannst dich aussprechen, versöhnen, vergeben, neu beginnen. Die Narbe bleibt. Alle Narben im Leben bleiben. Du kannst dein Leben nicht auswechseln wie ein Auto oder eine Waschmaschine. Du entwickelst dich eher wie ein antikes Möbelstück. Du polierst mal wieder, reparierst,  machst eine Generalüberholung, fügst etwas hinzu und entfernst etwas. Deine Grundsubstanz bleibt. Du kannst lernen, mit Verletzungen und Narben versöhnlich umzugehen, so dass du dir sagen kannst: „Ja, es geht ganz gut so!“  Deine Erfahrungen dienen dir letztlich dazu, menschlich zu reifen. Wachsen wirst du nur mit deinen sogenannten Fehlern.
Auch wenn du negative Erlebnisse nicht wegwischen kannst gibt es vielleicht doch den verborgenen Wunsch, einmal noch mal von vorne zu beginnen. Du wünschst dir die Möglichkeit, deine Geschichte neu zu schreiben. Deine verkorksten Anteile, die dich verfolgen wären dann einfach nicht mehr da.
Da lese ich in der Bibel beim Propheten Jesaja (43,19) den Vers: „Denkt nicht mehr an das, was früher war, auf das, was vergangen ist, sollt ihr nicht achten. Seht her, nun mache ich etwas Neues.“ Dieser Vers wird aufgegriffen in der Offenbarung des Johannes, wo es heißt: „Der Tod wird nicht mehr sein keine Trauer, keine Klage, keine Mühsal. Denn was früher war, ist vergangen. Er, der auf dem Thron saß, sprach: Seht, ich mache alles neu.“
Da gibt es jemanden, der einen solch großartigen Satz sagt! Einer, der alles neu macht. Jemand, der mehr ist als der Mai. Jemand, der anders mit der Geschichte umgeht, jemand der in der Lage ist, aus Narben und Wunden etwas Neues zu gestalten. „Siehe, ich mache alles neu.“ Ich gebe diesen Satz bei Google ein und stelle fest: Kein Mensch traut sich das zu, keine Behörde, keine Firma. Niemand behauptet von sich: „Ich mache alles neu!“ Die ersten zehn Seiten finde ich immer die Anspielung auf diese zwei Bibelstellen.
Wenn ich allerdings das Kollektiv eingebe: „Wir machen alles neu“ dann finde ich Bauunternehmer und Renovierungsbetriebe. Aber kein Mensch behauptet das von sich allein, dass er alles neu macht, weder der beste Psychotherapeut noch der Papst.
Es scheint zu den exklusiven Eigenschaften und Fähigkeiten Gottes zu gehören, ein völlig neues Kapitel im Leben aufzuschlagen. Aber auch er wird meine Geschichte nicht wegwischen, sie gehört zum meinem Leben dazu. Dennoch oder zugleich sagt er: „Neben deinen Narben und Wunden, darin und dadurch entsteht etwas, womit du noch nicht gerechnet hast. Dein Leben schreibt ein neues Kapitel, eine ermutigende und überraschende Wendung. Das war noch nicht das Schlusskapitel.“
In eine ähnliche Richtung geht ein Gedanke von Paolo Coelho. In seinem Buch „Die Schriften von Accra“ entwickelt er die Idee, dass du dein Leben so lebst, als sei es dein erster Tag. Ich kannte bislang nur die Version vom letzten Tag. Bei der Vorstellung von der Aufmerksamkeit für den letzten Tag geht es eher darum, angesichts der zeitlichen Begrenzungen sich nur für die wichtigen Dinge im Leben zu entscheiden. Bei der Idee vom ersten Tag geht es um das Erleben des Staunens an sich.
Stell dir einmal vor, du wachst auf und es ist ein jungfräulicher Tag. Du verlässt den Bauch deiner Mutter und alles, was du erlebst ist neu. Jeden Tag! Diese Vorstellung gefällt mir.
Ich lege für einen Moment den Ballast an die Seite und öffne mich mit allen Sinnen für das Wunder des Augenblickes. Der Mai macht zwar nicht alles neu, aber er lädt ein, wieder einmal aufmerksam zu werden für die Kraft des Neubeginns. 

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Freitag, 12. Mai 2017

Deine Freundin, dein Freund...


Ein Freund ist jemand, 
dem man den ganzen Inhalt des Herzens
reichen kann, weil man weiß,
dass er ihn mit zärtlicher Hand
annehmen und sichten wird.

(aus Arabien)

Mögest du reich gesegnet sein mit solchen Freundinnen und Freunden.
Möge dein Herz voller Dankbarkeit für dieses Geschenk sein.
Mögest du selbst eine Freundin und ein Freund sein mit einer zärtlichen Hand.
Möge dein Sichten voller Friede und Zuwendung sein!

Donnerstag, 11. Mai 2017

Um an die Quelle zu kommen, muss man gegen den Strom schwimmen. (China)



Alles beginnt mit deinem Wunsch nach frischem Wasser. Je weiter entfernt das Wasser von der Quelle ist, desto mehr Verunreinigungen enthält es. Wirklich frisch ist das Wasser nur an der Quelle.
Diese Erfahrung gilt auch für die Botschaften, die wir hören. Da hört jemand etwas und sagt es weiter, diese Person sagt die gleiche Botschaft ebenfalls weiter. Das Ergebnis zeigt sich am Ende oft wie bei dem Spiel „Stille Post“. Von der ursprünglichen Wahrheit ist nur noch wenig vorhanden. Wenn du die Originalbotschaft hören willst, dann geh zur Quelle.
Viele Menschen lesen gerne Bücher, aber bei Sachbüchern lieber die Zusammenfassung anstelle des Originals. Diese Zusammenfassung taucht dann leicht abgewandelt immer wieder auf und niemand liest mehr das Original.
Bei gewichtigen Büchern kann das fatale Auswirkungen haben. Da predigt jemand über eine Bibelstelle und du gehst mit der gehörten Botschaft im Ohr nach Hause. Überprüf es lieber und lies im Original nach. Für dich wird dort vielleicht etwas völlig anderes stehen. Jeder Mensch hört anders.
Jetzt spricht das chinesische Sprichwort die Wahrheit aus, dass man gegen den Strom schwimmen muss, um an die Quelle zu kommen. Das Original zu lesen erfordert Arbeit, Aufmerksamkeit und Zeit. Das geht nicht mal eben so. Will ich einer Wahrheit bis auf den Grund gehen, brauche ich Energie.
Manchen Menschen reicht zum Leben das Wasser, das gerade vorüberfließt. Dazu gehören die Informationen, die aus den Fernsehnachrichten kommen. Wenn du aber tiefer einsteigen willst, das Leben zu verstehen oder deine eigene Vergangenheit zu erforschen musst du dir schon die Mühe machen, in den Fluss hineinzuspringen und gegen den Strom schwimmen. Kein Zentimeter wird dir erspart. Zur Quelle kommst du nur wie Beppo der Straßenkehrer: Schritt für Schritt und Atemzug um Atemzug.  

Mittwoch, 10. Mai 2017

Ich lebe zugleich in Zeit und Ewigkeit



„Du sprichst: Versetze dich aus Zeit in Ewigkeit.
Ist denn an Ewigkeit und Zeit ein Unterscheid?“
(Angelus Silesius)

Ist da ein Unterschied zwischen Zeit und Ewigkeit? Hier in meinem Körper, in dieser Dimension mit dem Blick auf den Kalender und auf die Uhr erlebe ich eine deutliche Zeitlichkeit meines Lebens. Zugleich kann ich in meiner Phantasie mir vorstellen, dass es einen Zustand gibt, der diese Begrenzung nicht kennt. Ewigkeit ist dabei nicht eine bis ins unendliche ausgedehnte und unbegrenzte Zeit, sondern eher die erfüllte Zeitlosigkeit.
Ich gehe aus den Kopf und spüre in mein Herz. Alles ist gut! In einem bestimmten Bewusstseinszustand gibt es keinen Unterschied mehr zwischen Zeit und Ewigkeit. Die Zeit steht gleichsam still und ist außer Kraft gesetzt.

Dienstag, 9. Mai 2017

Vielleicht nicht nützlich, aber schön!

In Santa Cruz habe ich Bäume fotografiert, die behäkelt waren mit bunten Stoffkleidern. Die Idee finde ich witzig. Aber wie kommen Menschen auf solche Ideen. Ein Baum ist doch schon schön an sich. Vielleicht wäre ich aber achtlos vorbeigegangen. Ich hätte den Baum gar nicht bemerkt im Stadtbild. Jetzt fiel er mir auf wegen der Verkleidung.
Allerdings fiel mir so das Kleid auf und nicht der Baum. Das Kleid hat vom Baum abgelenkt. Ein Baum ist schön, so wie er ist. Er entfaltet sich an seinem Platz ganz individuell und entsprechend seiner Möglichkeiten. Faszinierend.
Wir Menschen tragen ein Kleid. Eine Verkleidung. Zeigen etwas von uns und verdecken etwas. Wenn wir immer so herumlaufen würden wie Bäume, also im "naturbelassenen" Zustand - wie sähe dann unser Leben aus? Immerhin wird in der Bibel erzählt, dass die ersten Menschen nackt waren. Und sich nicht schämten. Erst als sie erwischt wurden mit der Frucht hatten sie plötzlich das Bedürfnis, sich zu verstecken. Auf die Dauer ist es jedoch anstrengend von Busch zu Busch zu hüpfen. Also erschaffe ich mir ein praktisches Gebüsch zum dauerhaften Verbergen angesichts der Scham.
Klar, wir kleiden uns auch aus Schutz vor Kälte, aber im Sommer? Tragen wir immer noch das Erbe der ersten Menschen in uns? Wir spielen verstecken? Wie die kleinen Kinder?
Ich stehe vor diesem Baum in Santa Cruz und denke mir: "Nackt gefällst du mir besser!" Gedanklich ziehe ich meine Kleidung aus und bin mir meiner Nacktheit bewusst. Ich bin so, wie ich bin. Mit allem, was dran ist und mit allem, was fehlt oder zu viel ist. Es ist alles richtig so und fühlt sich gut an! Vielleicht krämpel ich wenigstens die Hemdsärmel hoch! ;-)
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Montag, 8. Mai 2017

Wurzelst du von unten nach oben oder von oben nach unten?

Ich habe diesen 200 Jahre alten australischen Feigenbaum im Botanischen Garten von Puerto de la Cruz fotografiert. Er besitzt zwei Arten von Wurzeln in der Entstehung. Wie alle Bäume von unten nach oben und als Ergänzung von oben nach unten. An der einen oder anderen Stelle kannst du beobachten, wie der Baum Wurzeln treibt an den Stellen, wo Äste abbrechen könnten.

Als Mensch kommst du dir vielleicht auch vor wie ein Baum. Deine Wurzeln siehst du im Bauch deiner Mutter und im Elternhaus. Deine Wurzeln prägen dich dein Leben lang, im Positiven wie auch mit den Belastungen. Gerade die "belastenden" Wurzeln machen dir das Leben oft schwer. Du denkst, dass du das jetzt einfach so hinnehmen musst.

Mir gefällt die Vorstellungen, dass ich mich von meinen eigenen Wurzeln nicht abschneiden kann. Die gehören zu mir dazu. Aber ich kann neue Wurzeln ausbilden. Ich kann schauen, was mich heute trägt. Welche Menschen mich unterstützen. Welche Ressourcen ich entfalten kann. Ich muss mich nicht selbst beschränken in meiner Herkunft mit einem Stempel: "Das ist dein Stall!" Ich kann mich entscheiden, von oben nach unten zu wurzeln. Das braucht seine Zeit, aber kann genauso stabil sein wie der Anfang.

Vielleicht hast du schon lange diese Wurzeln ausgebildet, die dich von oben nach unten führen. Wenn du das nicht gemacht hättest, wärest du schon öfter mal umgefallen. Lenke doch mal deine Aufmerksamkeit auf alle Wurzeln, die im Laufe des Lebens dazu gekommen sind. Die Wurzeln, für die du dich entschieden hast. Die Wurzeln, für die du gearbeitet und die du selber entwickelt hast. Und vielleicht sieht dein Lebensbau so prächtig aus, wie der im Botanischen Garten von Puerto de la Cruz.
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Samstag, 6. Mai 2017

Wenn du dich aufrecht und in Balance fühlst ... und der Rest der Welt auch!

Ich stand an einem Strand in Teneriffa und sah hunderte von übereinandergestapelten Steinpäckchen. Drei, vier oder mehr Steine. Alle in Balance. Den Wellen und dem Wind ausgeliefert. Alle hielten stand. Alle waren aufrecht und ausgeglichen. Platz für sich selbst und Platz für den Nachbarn. Ein Stapel in Balance umgeben von anderen Stapeln in Balance. Ausgerichtet. Aufgerichtet. Klar!

Ich fragte mich, wann ich das letzte Mal ein solches Lebensgefühl hatte. Ich ruhe in mir. Ich bin in Balance. Ich bin in völliger Übereinstimmung mit mir selbst. Zugleich erlebe ich die Menschen um mich herum auch so. Es gibt nichts zu tun. Nichts zu verbessern. Nichts zu kritisieren. Es fühlt sich gut an und passt. Zugleich passt es in der Wirtschaft und auch in der Politik.

Irgendwo stürzen in meinem Leben und im Umfeld ständig Steinpäckchen um und verwandeln sich in Haufen. Immer geht es um die Frage: "Ist was zu retten? Kriegen wir das wieder hin?" Richtest du einen Stapel wieder auf, fällt nebenan ein anderer um. Wenn alle mal aufrecht stehen, dann lese ich in der Zeitung von all den Ungerechtigkeiten, Krisen und Einbrüchen. Irgendwo läuft immer ein Terrorist herum, wird die persönliche Freiheit durch Gesetze eingeschränkt, schafft irgendjemand Chaos.

Zugegeben, am Strand von Teneriffa liegen noch genug Steine ungeordnet oder in Haufen herum. Aber es gibt eine Menge Stapel in Balance. Das ist ansteckend. Mir fällt dazu ein, dass ich die Welt nicht retten kann. Ich halte keinen Terroristen auf. Ich kann kaum die Politik beeinflussen. Ich habe keinen Zugang zu den Wirtschaftsbossen dieser Welt.

Aber ich kann für mich selbst sorgen. Ich kann darauf achten, dass ich selber in Balance komme. Innen und außen. Damit bin ich gut beschäftigt. Ich kann wahrnehmen, dass die Menschen um mich herum auch versuchen, in eine Balance zu kommen. Es kommt zu einer Resonanz. Die Balance meines Nachbarn balanciert mich auch aus und umgekehrt. Und ohne mein weiteres Zutun breitet sich ein Feld aus von Menschen, die aufrecht stehen und ihre Balance gefunden haben.

Am Strand von Teneriffa fing einer an. Dann kam ein zweiter... und ein dritter. Ich kann mich für mich selbst immer wieder neu entscheiden. Für die eigene Psychohygiene ist es hilfreich, nicht immer auf die zerstörten Steinhaufen zu schauen. Auch das bewirkt eine Resonanz. Da kann ich schnell aus dem Gleichgewicht kommen und zusammenbrechen.

Am Strand von Teneriffa stelle ich mich an meinem Platz zwischen all die vielen Steinstapel und richte mich aus. Ich schließe die Augen und halte das Bild innerlich fest. Ich aufrecht in Balance mit vielen anderen. Auch mit dir!
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Freitag, 5. Mai 2017

Der Mensch ist kein Findelkind - Gott ist sein Vater. Giovanni Papini



Hast du das auch einmal gedacht: Ich bin ein Findelkind? Ich bin gar nicht der Sohn oder die Tochter meiner Eltern! Ich bin so anders als die! Ich bin bestimmt adoptiert. Das kann gar nicht anders sein. Solche Gedanken tauchen vor allem dann auf, wenn du dich so unverstanden fühlst. Du hast einen Wunsch oder ein Bedürfnis. Du möchtest länger aufbleiben, später nach Hause kommen, ein zusätzliches Eis oder irgendeinen anderen Wunsch. Deine Eltern wehren deine Wünsche unfreundlich ab: "Das geht so nicht!" "Was stellst du dir vor?" "Wer soll das alles bezahlen!" "Werde erst einmal groß!" Sie sagen lauter Dinge, die du als Kind überhaupt nicht verstehst.
Vielleicht lachen deine Eltern dich sogar aus. "Du bist doch schon groß!" "Du bist noch so klein!" Und wieder verstehst du nicht, was deine Eltern damit meinen. Du fühlst nur die Ablehnung und es kommen Ärger, Wut und Trauer hoch. Du möchtest weinen aber es lohnt sich nicht, weil es keine Schulter gibt an der du dich ausweinen kannst. Was machst du? Du kriechst unter deine Bettdecke und weinst still deine einsamen Tränen. Die Folgen? Du denkst, du seist ein Findelkind.
Echte Eltern würden nicht solche Sachen sagen und so schreckliche Dinge von dir erwarten. Das machen Fremde. Echte Eltern lieben dich ohne wenn und aber! In dir wächst die Überzeugung: Deine echten Eltern sind ganz andere Menschen. Du flüchtest dich in einen Traum von ganz lieben Eltern, die ganz viel Verständnis für dich haben. Das ist dann dein Trost!
Aber du wachst auf und das Leben geht weiter. Du siehst deine Eltern und sie sind wieder gut zu dir. Die Geschichte von gestern ist vergessen. Vergessen? Mitnichten! Bei deinen Eltern bestimmt! Aber bei dir nicht. Diese Erfahrung von Zurückweisung und Ablehnung brennt sich in deine Seele ein. Und du fasst einen Entschluss: "Wenn ich einmal erwachsen bin, dann werde ich meine Kinder lieben so wie sie sind." Oh je! Aus Erfahrung weiß ich, dass das auch nicht gut geht. Was kann da entlasten?
Giovanni Papini meint, dass wir Menschen keine Findelkinder sind, sondern einen Vater haben, der sich Gott nennt. Wir könnten genausogut oder besser auch Mutter sagen. Es existiert also eine "göttliche Elternschaft". Und das ist gut so!
Deine leiblichen Eltern werden dadurch entlastet. Sie können und wollen nicht alles für dich sein. Sie sind Menschen mit Fehlern und Schwächen. Und sie können sehr mittelmäßige Eltern sein. Zum Glück gibt es so etwas wie eine göttliche Rückversicherung. Deine Quelle und dein Ursprung liegt in Gott. Und das ist etwas völlig Heiles und Ganzes. Wenn du dich an diesen Ursprung zurückerinnerst kannst du deine leiblichen Eltern loslassen und deinen eigenen Weg gehen.
Der Impuls für den Tag: Erinnerst du dich an solche "Findelkinderphasen" in deinem Leben? Wie sind sie noch in dir wirksam und was hast du schon überwunden und verarbeitet?
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Donnerstag, 4. Mai 2017

Du bist der Farbklex in meinem Leben

Der Frühling setzt sich mehr und mehr durch. Die grauen Tage werden weniger. Der Himmel wird blauer. Die Temperaturen steigen. Die Tage werden länger. Für ein paar Monate dürfen wir die bunten Bäume genießen und irgendwann wird es wieder grau.
Auch manche Arbeitstage erlebst du vielleicht grau. Weder schwarz deprimierend noch weiß und hell. Irgendwo dazwischen. Du weißt nicht so richtig, was du kochen sollst und die Gespräche am Frühstückstisch werden zäh. Du möchtest es nicht wahrhaben und dennoch kannst du es nicht leugnen. Grau breitet sich aus. Es kriecht in alle Ecken deiner Wohnung und dir selbst unter die Haut und in alle Körperzellen.
Du überlegst, ob du jetzt eine Depression hast oder nur einen Blues erlebst. In der Gefühlspalette des Lebens gehören solche Tage einfach dazu. Stell dir vor: Mitten im Grau des Alltags und der Gleichförmigkeit der Menschenmassen fällt dir ein Mensch ein, der herausragt. Ein Mensch der auffällt. Ein Mensch, der anders ist. Einer, der dir Farbe ins Leben bringt. Zu diesem Menschen sagst du: "Du bist der Farbklex in meinem Leben." Wie schön, nicht wahr?
Und jetzt stell dir noch einmal das graue Leben vor. Du nimmst einen Farbeimer und machst hier und da einen Klex. Du bist mein Farbklex und du, und du und du... Jedes Grau wartet darauf, dass du deinen Farbklex hinzufügst. Viel Vergnügen!
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Mittwoch, 3. Mai 2017

Stapelst du noch tief oder stehst du schon zu dir!

Kennst du Menschen, die du für sehr fähig hältst? Sie können wunderbar kochen. Oder machen ihren Job echt gut. Oder sind tolle Väter oder Mütter. Du bewunderst sie und gibst ihnen gerne deine Anerkennung.
Dann bekommst du manchmal Antworten, die dich irritieren. "Das war gar nicht kompliziert. Das ist doch selbstverständlich. So gut bin ich bestimmt nicht. Das würde jeder andere auch so machen. Ist doch nicht besonders."
Oder du begegnest einem Menschen, den du auch für sehr fähig hältst, der aber hinter seinen Möglichkeiten zurückbleibt. Er traut sich nicht. Hat ständig Angst. Verurteilt sich häufig selbst. Glaubt nicht an sich. Diesen Menschen möchtest du dann am liebsten schütteln und sagen: "Jetzt staple mal nicht so tief! Glaub an dich!"
Tiefstapeln erfüllt schon einen bestimmten Sinn und Zweck. Wenn ich mich kleiner mache als ich bin, dann trifft mich eine Kritik nicht mehr so heftig. Ich bin ja schon darauf vorbereitet in Gedanken und im Gefühl. Und wenn ich mich in meiner Selbstkritik selber auf den Boden schmeiße, dann kann das kein anderer mehr machen. Am Boden liegen ist leichter auszuhalten, als sich umwerfen zu lassen. Das erspart mir viele Enttäuschungen und Schmerzen. Lieber in einer Dauerenttäuschung leben. Da kann ich mich dran gewöhnen und darauf einrichten.
Wenn mir etwas nicht gelingt dann kann ich mir sagen: "Habe ich doch gleich gewusst. Kann ich nicht. Hätte ich auch bleiben lassen können." Wenn dann die Kritik von außen kommt, dann habe ich mich schon vorher selbst fertig gemacht und "gut" für mich gesorgt.
Stapelst du manchmal tief? Oder kannst du dich realistisch einschätzen? Lebst du schon in der wertungsfreien Zone? Du machst einfach dein Ding und lebst? Wenn ja: "Herzlichen Glückwunsch!" Wenn nein, hier meine Ermutigung: "Deine kleinen und großen Unzulänglichkeiten sind dein Markenzeichen. Sie machen dich aus und deine Persönlichkeit äußerst liebenswert. Die Leute kaufen heute auch keine heilen Hosen mehr, sondern welche mit Löchern! Niemand besitzt so wunderbare "Löcher" in der Persönlichkeit wie du. Sie sind sehr speziell und unverwechselbar. Vollkommene und perfekte Menschen sind im Grunde fertig und langweilig und reif für den Sarg. Was sollen sie noch auf dieser Welt! Aber du? Da gibt es noch Platz für die Weiterentwicklung. Viel Glück dabei!"
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Dienstag, 2. Mai 2017

Stapelst du noch hoch oder bist du schon du!

Würdest du dich für einen Hochstapler halten?
Da gibt es Menschen, die kommen aus einfachen Verhältnissen und haben keinen Abschluss an einer Uni. Sie schaffen es aber, sich für einen Arzt oder Psychologen auszugeben und finden auch eine Anstellung. Sie sind in der der Lage, immer spontan zu reagieren. Sie können ihre erfundene Lebensgeschichte aufrecht erhalten und die Fragen ihres Gegenübers wunderbar nutzen zum Ausschmücken ihrer Biografie. Ich habe mal einen jungen Mann kennengelernt, der erzählte mir, dass er bei Daimler arbeiten würde. Seine Tätigkeit sei aber äußerst geheim. Alle Firmen hätten so genannte Geheimabteilungen. Darüber dürfe niemand etwas wissen. Dort würden Dinge ausgebrütet, die für die ferne Zukunft lebenswichtig wären. Dort würde auch die Konkurrenz ausgespäht und es liefen Dinge ab wie bei den staatlichen Geheimdiensten. Mir würde er das nur erzählen, weil ich eine Schweigepflicht hätte.
Meine Fragen bewirkten, dass seine Geschichte immer mehr Stoff und Fülle bekam. Ich sollte immer mehr den Eindruck bekommen, dass er ein total wichtiger Mann bei Daimler wäre. Viel später stellte sich heraus, dass er schon länger psychisch erkrankt war aber das gut verheimlichen konnte.
Manche Menschen, die hochstapeln sind sicher nicht psychisch krank sondern verbinden damit die Möglichkeit zum sozialen Aufstieg. Dennoch kam mir der Gedanke, ob wir nicht alle ein wenig hochstapeln.
Das Bild spricht ja schon für sich. Du denkst, du seist nicht groß genug. Darum steigst du auf einen Stapel, damit du größer wirst. Natürlich eine Illusion. Du musst den Stapel verstecken und dir selber etwas vormachen. Du erscheinst nur größer, aber bist es nicht.
Wir stapeln nur nicht so auffällig wie die Meisterhochstapler. Wir kleiden uns so, dass der Pullover geschmeidig über den Bauch fällt. Wir überdecken unsere Schwächen mit einem Lächeln. Wir reden uns bestimmte Dinge etwas schöner als sie sind, damit wir es leichter ertragen können. Wir arbeiten vielleicht nur am Fließband, sind dort aber fleißiger als alle anderen. Wir haben Kinder, die ein Studium absolviert haben und wenn nicht, sind sie wenigstens sehr höflich.
Immer geht es darum, dem Mangel in oder um uns etwas hinzuzufügen. Wie bei des Kaisers neuen Kleidern. Wir wollen in den Augen unseres Gegenübers anerkannt werden. Das dient unserem Ego. Vielleicht denkst du jetzt: "Ich nicht!" "Bei mir ist das nicht so!" Darum also meine Frage: "Stapelst du noch hoch oder bist du schon du?" Ich glaube, dass das eine Lebensaufgabe ist und ich kenne nur wenige Menschen, die einigermaßen am Ziel angekommen sind.
Ich erwische mich manchmal dabei, dass ich glaube, schon angekommen zu sein. Ich sei schon ganz ich selbst. In der totalen Tiefe. Dann halte ich inne und sage mir: "Matthias, Matthias. Es gibt keinen intelligenteren Hochstapler als dich. Du merkst es nicht einmal. Du erfindest zwar keine Arztdiplome, aber dein Stapeln ist viel subtiler und raffinierter."
Zugleich bin ich aber wirklich auf der Suche danach, wer ich bin, wenn ich nicht mehr hochstaple. Ich schaue in den Spiegel und sehe mich mit Wohlwollen an. Und ich freue mich, wenn es ein wenig warm wird ums Herz und wenn all diese überflüssigen Aufblähungen für einen Augenblick abfallen.
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Montag, 1. Mai 2017

Die Kunst, sich die Schuhe zu binden


Die Überschrift kommt von einem Filmtitel, wo es darum geht, dass Menschen mit einer geistigen Behinderung nicht nur das irgendwann stupide Schuhe binden lernen sollten sondern sich kreativ ausdrücken dürfen im Theater spielen.
Kannst du dich daran erinnern in welchem Alter du das Schuhe binden gelernt hast? War es für dich schwer oder leicht? Wer hat dir die Schuhe gebunden? War es dein Vater, deine Mutter, die Erzieherinnen im Kindergarten? Ich kann mich nicht mehr daran erinnern. Aber ich habe in den Zeiten vor Klettverschluss Mütter dabei beobachtet. "Deine Schuhbänder sind auf! Du stolperst gleich! Warte!" Ich kann mich wohl noch daran erinnern, dass meine Schuhe immer stramm an meinen Füßen saßen. Meine Eltern banden kräftige Schleifen, die sich nie von selbst auflösten.
Es hatte zugleich etwas Unangenehmes. Da greift jemand in deinen Körper ein. Das liegt auf einer Linie wie Fingernägel schneiden, füttern oder Hintern abputzen. Ein fremder Mensch kann nie nachempfinden, wie es für dich angenehm ist.
Irgendwann wolltest du diese Dinge selber machen. Autonomie! Nur du weißt, was dein Körper braucht, dass es sich angenehm und richtig anfühlt. Die ersten Schleifen waren mühsam. Die Koordination der Bewegungen haben dich vielleicht überfordert. Schnell fielen sie wieder auseinander und du musstest von vorne beginnen. Wie ging das nochmal? Kannst du es mir noch einmal zeigen? Jetzt musst du es doch mal endlich begriffen haben! Du bist doch schon groß!
Irgendwann hast du es gekonnt. Du kannst bis heute Schleifen binden. Du kannst deine Schuhe schnüren! Niemand muss es für dich tun! (Es sei denn, du bist gehandicapt für eine Zeit oder auf die Dauer.)
Du findest das selbstverständlich? Wenn du jetzt in diesem Augenblick eine Schleife bindest dann wirst du feststellen, wie viele Handlungsabläufe es dazu braucht. Und wenn sie noch schön sein soll wird es zu Kunst! Was kannst du sonst noch als Erwachsener, was du als Kind nicht konntest? Was hast du im Laufe deines Lebens alles gelernt? Du bist eine Meisterin und Künstlerin im Schleifenbinden. Eine Meisterin, ein Meister im Fingernagelbehandeln, ein Profi im Hintern reinigen. Ist das nichts?
Wenn du manchmal zweifelst an deinen Fähigkeiten im Beruf und im Alltag, dann geh einmal in dich und würdige all das, was du im Laufe deines Lebens gelernt hast. Beim Schuhe binden fängst du an und wirst erstaunt sein, wohin dich deine Erkenntnisse führen.
Übrigens: Ich kann mit meinen Fingern Rhythmen trommeln. Mich auf jeder Stelle meines Rückens kratzen. Kirschen im Mund vom Kirschkern befreien und sie über hohe Sträucher ausspucken. Und sowohl mit dem linken als auch mit dem rechten Zeigefinger auf andere Menschen zeigen.
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