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Mittwoch, 31. Juli 2024

Willkommen!


Wenn ich ein Seminar besuche freue ich mich immer auf den Beginn. Ich schaue auf ein Flipchart Papier mit der Überschrift: Herzlich willkommen! Noch mehr freue ich mich, wenn das "w" groß geschrieben wird.
Übersetzt heißt es ja: Es ist mein Wille, dass du kommen darfst! Ich fühle mich eingeladen! Ich muss nicht fragen ob ich darf. Für mich gibt es einen Platz. Um diesen Platz muss ich nicht kämpfen. Er wird mir eingeräumt. Da sagt jemand zunächst einmal "Ja" zu mir.
Du bist willkommen! In deiner Familie, an deiner Arbeitsstelle, bei deinen Freunden, im Supermarkt, auf der Straße, am Bahnhof, im Kino und an vielen anderen tausenden Orten in dieser Welt. Kennst du Menschen, die den Raum betreten mit der nonverbalen Botschaft: "Entschuldigung, dass ich da bin!" Sie senken den Kopf und schauen dich nicht an. Sie entschuldigen sich ständig und stoßen dann tatsächlich irgendwo an, weil sie mit Scheuklappen herumlaufen.
Wie empfindest du dein eigenes Dasein in dieser Welt. Fühlst du innerlich dieses große und riesengroße "Willkommen"! Spürst du diese Einladung, die dich zehn Zentimeter größer macht? Die deine Körperzellen in die Ausdehnung bringt? Die dich tief durchatmen lässt? Die zu 100% gilt?
Übrigens gibt es da eine Einladung auf Gegenseitigkeit. Wenn du dich nicht willkommen fühlst dann kann es daran liegen, dass du selber das Leben nicht eingeladen hast. Schlag doch einfach mal morgen früh deine Bettdecke zurück und rufe laut: "Willkommen, schöner Tag!" Begrüße die einzelnen Teile deines Körpers, deine Dusche und deine Kleidung. Lade deine Kaffeemaschine ein zum fröhlichen Kaffeeproduzieren und rufe der Welt ein "Willkommen!" entgegen. Es ist dein Wille, dass etwas und jemand zu dir kommen darf. Du lässt jemanden oder etwas an deiner Seite sitzen. Sag willkommen zu deinen Gefühlen, seien sie angenehm oder unangenehm. Das Wort des Willkommens weitet deinen Raum!
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Samstag, 20. Juli 2024

Vom Zuschauerraum auf die Bühne und zurück


 
Wenn es einen Zuschauerraum gibt, dann existiert auch eine Bühne. In einem Zuschauerraum versammeln sich die Menschen, die bei einer Sache zuschauen. Die Plätze sind verteilt. Auf der einen Seite wird aktiv etwas gemacht. Auf der anderen Seite schaut man zu. Die eher aktive Seite und die eher passive Seite. Aber beide Seiten bedingen sich gegenseitig. Ohne ein Schauspiel ist der Zuschauerraum ein Raum wie jeder andere. Erst durch die Anwesenheit von Zuschauern erlangt dieser Raum seine Funktion. Das Schauspiel benötigt den Zuschauer, sonst wird es nicht bemerkt. Ein Theaterstück ohne Zuschauer muss ausfallen. Darum ist der Zuschauer ein höchst aktiver Mensch. Er sitzt und richtet seine ganze Aufmerksamkeit auf das Schauspiel.
Vielleicht wäre es gut, beide Positionen zu kennen. Du möchtest an dem Schauspiel teilnehmen? Weil es dich fesselt? Weil du dir eine andere Handlung wünschst? Weil die Schauspieler ihr Geschäft nicht verstehen? Oder möchtest du lieber zuschauen? Von außen und in Sicherheit?
Im Leben ist es hilfreich, in beiden Teilen zuhause zu sein. Wenn du zu sehr in deinem Spiel auf der Lebensbühne negativ vertieft bist, kannst du eine Pause machen und in den Zuschauerraum wechseln. Von dort aus kannst du deine Position überdenken und neue Entscheidungen treffen. Dann kehrst du ins Spiel zurück und bist kraftvoll und neu entschieden. Die Kunst besteht im Wechsel. Hinein und hinaus um wieder hineinzugehen.

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Freitag, 19. Juli 2024

Tank erst auf bevor du loslegst!



Hast du schon einmal bemerkt, dass du die gleiche Tätigkeit mal mit Energie und Kraft locker bewältigst und ein andermal nur mit großer Mühe und Anstrengung?
Also, du stehst in der Küche und bereitest das Essen zu. Voller Freude liest du dein Rezept. Du schaust in den Kühlschrank, ob alle Zutaten da sind. In deiner Phantasie entsteht das Bild eines wunderbaren Gerichtes auf einem schön gedeckten Tisch. Deine Familie oder die Gäste schauen erwartungsvoll auf das Wunder, das du gewirkt hast. Nach den ersten Gabeln vernimmst du ein Ah! und Oh! Mit diesem inneren Bild und dem beglückenden Gefühl stellst du dich an den Herd und zauberst fast ohne jede Anstrengung dein Essen.
Ein paar Tage später stehst du wieder in der Küche. Du liest dein Rezept, du schaust in den Kühlschrank ... und du merkst: Etwas fehlt! Du freust dich nicht. Du bekommst kein Bild vom Ergebnis. Die Familie erscheint dir als undankbar. Die Zutaten erfüllen nicht deine Erwartungen. Du kochst und hoffst, du bekommst alles noch irgendwie fertig. Mühselig und angestrengt vollziehst du jeden Arbeitsschritt. Das Essen kommt auf den Tisch und du bist nur froh, wenn du anschließend deine Ruhe hast.
Der Zuschauer deines Filmes sieht zwei fast identische Szenen. Aber wenn der Zuschauer in dein Inneres hineinblicken könnte, würde er einen großen Unterschied wahrnehmen. Die erste Szene wäre gefüllt von Leben und Freude und die zweite Szene trist und grau.
Mich erinnert das an die erste Geschichte in der Bibel. Die Menschen leben im Paradies und arbeiten in diesem Garten voller Liebe und in Verbundenheit mit dem Schöpfer. Nach dem Essen von der verbotenen Frucht verwandelt sich das Paradies in einen Ackerboden, der kaum zu bewältigen ist. Die hilfreichen Engel verschwinden und sie fühlen sich ausgestoßen und verloren in einer kalten Welt.
Manchmal sagst du vielleicht selber: „Ich bin nicht im Vollbesitz meiner Kräfte.“ Wenn dir die Kraft fehlt, wird das Leben zu einer Anstrengung. Wenn du in der Freude bist, wird jede Arbeit zum Spiel und du erlebst dich wie im Flow. Wenn die Anforderungen jedoch anwachsen kann es sein, dass du mehr und mehr den Bezug zu deiner Mitte verlierst.
Wenn dir das Kartoffelschälen keine Freude mehr bereitet und du lustlos mit dem Löffel in der Sauce rührst, wird es Zeit, dass du eine Pause einlegst. Tank erst mal wieder auf! Stell dich in deinen Sonnenraum! Suche einen Wohlfühlort auf und tu erst einmal – nichts! Dein Sonnenraum kann ein äußerer Ort sein wie die Bank vor der Tür, ein Sessel im Wohnzimmer oder ein Platz  unter einem Baum. Dein Sonnenraum braucht jedoch zugleich eine innere Entsprechung. Im Sessel deines Wohnzimmers schließt du die Augen und wendest dich nach innen. Du visualisierst Licht und Wärme. Die angestrengte und überforderte Person in dir bittest du, für einen Moment zur Seite zu treten. Du könntest sie in die Küche schicken und von deinem Sessel aus betrachten. Von deinem Sessel aus schaust du wohlwollend auf die Person in der Küche, die sich gerade abmüht und keine Kraft hat. Dieser Person in der Küche schickst du Aufmerksamkeit und Anerkennung. Du selbst in deinem Sessel weißt, dass alles sich zum Guten wenden wird, denn du bist ja weise. Wenn du die Mitte wieder gefunden hast in deinem Sonnenraum kannst du diesen Menschen in der Küche ja ein wenig unterstützen. 
Wie oft höre ich: „Das muss ich erst noch fertig machen, dann gönne ich mir eine Pause!“ Im Hintergrund klingt bei mir: „Ich muss mich erst noch fertigmachen, dann kann ich eh nicht mehr!“ Arbeiten bis zum Anschlag. Die Pause musst du dir verdienen. Dann kann ich nur sagen: Umgekehrt! Umgekehrt! Nur mit der Pausenstimmung kommst du gut in deine Arbeit. Ohne innere Anbindung an deinen Sonnenraum wird das Leben zum Krampf. Dann höre ich: „Aber ich muss doch ...“ Überprüf einmal deine Glaubenssätze. Von wem stammen diese Aussagen? Spricht da deine Mutter oder dein Vater?
In der Mitte deines Sonnenraumes bist du unangreifbar für das schlechte Gewissen und die ständige Pflichterfüllung. Da ist Platz für dich. Da tankst du auf. Da bist du einfach da!

Donnerstag, 18. Juli 2024

Es war nicht der Richtige!

Nach der Trennung von einem Lebenspartner kommt irgendwann so ein Punkt der Akzeptanz oder sogar der Versöhnung. "Es war nicht der Richtige!" Wenn ich diesen Satz höre spüre ich so einen Schauer und ein inneres "Halt! Stopp!" Stimmt das wirklich?

Ich fahre in den Urlaub und stelle fest, dass es nicht die richtige Ferienwohnung war. Es war nicht das richtige Restaurant und ich habe nicht das richtige Essen ausgewählt. Ständig kann ich etwas nicht richtig machen. Ich entscheide mich für die Straße, die in den Stau führt. Ich gehe in den Supermarkt, der ein bestimmtes Produkt, das ich möchte, nicht führt. Ich wähle ein Kleidungsstück aus, dass eine Nummer zu klein oder zu groß ist. Eine falsche Straße ist vielleicht noch zu verkraften. Aber der "falsche" Lebenspartner?
Richtig und falsch erlebe ich als Wertung. Und oft als eine Abwertung. Meine Alternative dazu heßt, dass ich lieber sage: "Ich habe mich entschieden!" Ohne eine Bewertung, ob es richtig oder falsch ist. Und auch ohne Angst vor den Kategorien richtig oder falsch. In dem Augenblick, wo ich die Entscheidung treffe, fühlt es sich stimmig an und ist einigermaßen durchdacht. Mir reicht es auch aus, wenn es so ungefähr ist.
Beobachte dich doch einmal selbst. Wann stellt sich bei dir ein Zufriedenheitsgefühl ein? Reicht es dir aus, wenn eine Ferienwohnung so ungefähr passt? Wenn zwei oder drei wichtige Kriterien erfüllt sind? Oder suchst du immer nach der perfekten Lösung und bist dann enttäuscht, wenn sich dein ganzer Aufwand nicht gelohnt hat. Wenn es noch eine bessere Lösung gegeben hätte. Wenn sich bei dir der Eindruck einschleicht: "Es war nicht der Richtige! Oder - es war nicht die richtige Entscheidung!" Wann also stellt sich bei der der Punkt ein, wo du einfach JA sagen kannst und es ist in Ordnung für dich.
Suchst du den perfekten Ehemann, die perfekte Ehefrau? Die perfekten Kinder? Das perfekte Produkt? Stehst du am Ende vor einer Alternative A oder B? Du entscheidest dich irgendwann für A und bist doch nicht so zufrieden damit. Du trauerst dem B hinterher?
Mir hilft die Vorstellung und die Absicht, immer mehr auf den Richtigen und Falschen zu verzichten. Ich entscheide mich für meine Entscheidung. Punkt! Richtig und falsch schafft im Kopf Blockaden und Hindernisse. Mir hilft die Erkenntnis: Es ist, was es ist. Alles hilft und jede Entscheidung dient meiner Weiterentwicklung. Ich achte darauf, gut mit mir und den anderen umzugehen.
Und wenn ich auf richtig und falsch noch nicht völlig verzichten kann, dann erinnere ich mich daran, dass es im Augenblick der Entscheidung für mich sich richtig angefühlt hat. Und dazu kann ich stehen
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Mittwoch, 17. Juli 2024

Erkenne, wie du tickst!


In der vergangenen Woche wollte ich bei einem Bäcker in Münster ein Dinkelbrot kaufen. Vor mir wurde gerade ein Mann von der Verkäuferin bedient. "Haben Sie es eilig?" fragte er mich. "Sie dürfen ruhig vor mir bestellen."
Die Verkäuferin zögerte nicht lange und bediente mich. Während meine drei Brote geschnitten wurden, begann ich mit dem Mann ein Gespräch. Er ging an einem Krückstock und genoss wohl die Unterbrechung seines Alltags am Schreibtisch. Ich erzählte ihm, dass ich als Berater und Lebenslagencoach arbeite worauf er erwiderte, dass er mich in der vergangenen Woche gut hätte gebrauchen können. Unser Gespräch war sehr humorig und er erzählte mir etwas von seiner Schwester. Und darum geht es mir eigentlich jetzt. Sie schrieb ihm eine Mail und beklagte darin ihr Leid. Er machte sich infolgedessen große Sorgen. Drei Tage später kam wieder eine Mail von ihr mit dem Hinweis, alles sei wieder gut.
In seiner "Bauernschläue" mir gegenüber kam er auf den Gedanken, dass er sich seine Sorgen hätte sparen können, wenn er nicht so oft die Mails seiner Schwester lesen würde.
Wenn er also nur alle sieben Tage seine Mails abgerufe hätte würde er nur die letzte lesen mit dem Inhalt: "Mir geht es gut!" Sein gedankliches Sorgenloch könnte er so einfach überspringen. Man würde sich ja manchmal völlig nutzlos Sorgen machen wenn später alles eh wieder gut ist.
Der Mann aus der Bäckerei erinnerte mich an zwei Erfahrungen, die ich auch kenne. 1. Manchmal machen wir uns einfach zu früh Sorgen. 2. Wir leben oft in Zyklen. Ich bekomme z.B. immer um Karneval herum eine Grippe. Weil ich das weiß, kann ich mich darauf einrichten und hänge das nicht so hoch.
Ich habe Menschen erlebt, die für eine ganz bestimmte Anzahl von Jahren in einer Beziehung sein können und sich dann trennen. Die Zahl sieben ist ein beliebter Rhythmus. Oft sind diese Zyklen unbewusst und es ist spannend, diese zeitlichen Abstände aufzudecken und so möglicherweise zu durchbrechen.
Bist du neugierig geworden auf deine zeitlichen Eigenarten? Wann kaufst du neue Kleidung ein? Wann wechselst du dein Auto? Wann bestellst du deine Ferienwohnung? Und wie geht es dir, wenn du deine Rhythmen nicht einhältst?
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Dienstag, 16. Juli 2024

Die Weisheit das Radfahrens


Das Leben ist wie Radfahren. Um in Balance zu bleiben musst du dich bewegen.

In uns Menschen gibt es zwei Prinzipien. Wir möchten gerne festhalten, was uns lieb und teuer ist. Wir fühlen uns wohl in unserer Familie und in unserem Haus. Wir pflegen immerwiederkehrende Rituale wie Weihnachten und die Kaffeestunde am Sonntag. Jedes Familienmitglied sitzt immer auf dem gleichen Platz am Küchentisch und die Brötchen kommen vom Lieblingsbäcker. Feste Gewohnheiten geben uns Halt und Sicherheit. Sie vermitteln das Gefühl von Zuverlässigkeit. Du hast einen festen Platz und du gehst nicht verloren. Die Gefahr besteht darin, im Laufe der Zeit zu erstarren.
Rituale stimmen irgendwann nicht mehr. Die Familie fällt irgendwann an Weihnachten auseinander. Die Kinder gründen eigene Familien, die ältere Generation stirbt. An Silvester sehen wir das Extrembeispiel im "dinner for one". Miss Sophie hält ihre Welt zusammen, indem sie mit ihren längst verstorbenen Freunden speist. Starre Systeme sind irgendwann tot.
Das zweite Prinzip besteht im Wandel. Alle Systeme verändern sich. Ständig. Alles ist in Bewegung. Darum gleicht unser Leben eher dem Radfahren. Das Rad selbst hat eine "starre" Struktur, aber es trägt die Bestimmung in sich, beweglich zu sein. Wir atmen ein und aus und fühlen und in dieser permanenten Bewegung lebendig.
In den asiatischen Kampfsportarten gibt es das Bild von der Kiefer im Unterschied zur Weide. Wenn du im Kampf starr wie eine Kiefer bist, wirst du im Sturm zerbrechen. Wenn du aber beweglich und biegsam bist wie ein Weide, wirst du den Angriffen ausweichen können. Du nimmst sogar die Energie des Angreifers auf und wandelst sie für dich um.
Es gibt also das Prinzip der Ruhe, Beständigkeit und Kontinuität auf der einen Seite und die Bewegung, den Wandel auf der anderen Seite. Weder das eine noch das andere Prinzip für sich allein ist erstrebenswert. Es geht um die Balance. Darum richte deine Aufmerksamkeit weder auf starre Rituale noch auf ständige Veränderungen sondern auf die Balance. Wenn du diese Balance verloren hast, dann gibt es dir gerade einen Hinweis auf eine Einseitigkeit in deinem Leben. Und du kannst korrigieren - oder vom Rad fallen ?!
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Montag, 15. Juli 2024

Ich verschwinde mal eben!

In diesem Kunstwerk von Jacob Dahlgren, das sich in Berlin befindet kannst du verschwinden zwischen den Kunststoffbändern, die von oben herabhängen. Du gehst hinein und wirbelst alle Bänder auf. Nach wenigen Augenblicken jedoch tritt wieder Ruhe ein. Du kannst darin stehen und die Bänder umhüllen dich. Die Welt hat dich verschluckt. Du warst mal da. Und jetzt bist du es nicht mehr.
Du bist einfach verschwunden. Von außen unsichtbar. Da hängen die Bänder in ihren verschiedenen Farben unschuldig und verschweigen das Geheimnis in ihrem Inneren. Stell dir doch einmal vor, dass du spazieren gehst in einem Wald. Der Wald verschluckt dich und du bist von dieser Welt verschwunden. Du bist nicht mehr da. Wer wird dich suchen? Wer wird nach dir fragen? Wer wird dich vermissen?
Du selbst befindest dich im Wald oder zwischen den Bändern des Kunstwerkes und verlierst die Orientierung. Du findest nicht mehr hinaus. Du beginnst, dich in den Bändern oder im Wald einzurichten. Das wird deine neue Wirklichkeit. Zu Beginn gibt es die Suche nach dem Ausweg. Die Angst. Die Verzweiflung. Die Resignation. Das Annehmen der neuen Wirklichkeit. Du wirst zum Teil des Waldes oder zum Innenleben eines Kunstwerkes. Die Welt außen wird auch weiterlaufen. Deine Angehörigen werden dich vermissen, aber sie müssen weiterleben - auch ohne dich. Du im Wald und der Rest der Welt im Rest der Welt.
Befremdlich? Eigentlich nicht. Wenn genauer in dich hineinspürst wirst du feststellen, dass du immer schon deine eigene Innenwelt hattest. Da kommt niemand hinein. Es ist völlig deine Welt. Du kannst in ihr abtauchen und niemand kann folgen. Wer kann genau deine Gedanken denken oder deine Gefühle fühlen? Deine Gefühle kannst nur du fühlen. Du kannst mir davon erzählen, wie sich das anfühlt, aber es werden dann immer noch nicht meine Gefühle. Du lebst immer schon in deinem Wald und in deinem Kunstwerk von herabhängenden Bändern. Niemand kann dir dahin folgen und wenn du willst, kannst du einfach verschwinden. Mal so eben.
Manchmal wirst du dir deiner inneren Einsamkeit bewusst. Du allein in deinem inneren Wald. Aber du kannst diesen Wald und auch das Kunstwerk verlassen. Du kannst in Verbindung gehen. Das ist die andere Seite der Wirklichkeit. Du kannst im Inneren verschwinden und du kannst wiederkommen. Beobachte doch einmal bei einem Gespräch mit einer Freundin, was da geschieht. Plötzlich ist deine Freundin/dein Freund verschwunden und auf einmal wieder da. Oder du bist verschwunden und dann wieder da. Manchmal merkst du, dass du "in Gedanken" warst und machmal auch nicht. Das Ziel könnte heißen: Ich steuere diesen Prozess selber! Immer mehr!
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Samstag, 13. Juli 2024

Nimm deinen Platz ein und dehne dich aus!



Ich atme ein und ich atme aus. Im Winter zieht sich die Natur zurück und im Frühling kehrt sie wieder. In der Nacht ziehe ich mich in mein Bett zurück und kuschle mich in meine Decke ein. Ich ziehe mich zusammen, damit ich mich gut geschützt fühle. Aber am Morgen, wenn ich aufwache, dann dehne und strecke ich mich. Ich kehre ins bewusste Leben zurück.
Mein ganzes Leben kann ich verstehen als einen Wechsel von Zusammenziehen und wieder Ausdehnen. So, wie das Herz pulsiert, lebe ich dabei meinen ganz eigenen Rhythmus. Ich gehe unter die Menschen als soziales Wesen und genieße den lebenswichtigen Kontakt. Ich ziehe mich wieder zurück und bin mit mir selbst allein. Sicherlich hat jeder Mensch ganz eigene Bedürfnisse und einen unterschiedlichen Rhythmus.  
Wenn alles fließt, dann empfinde ich diesen Wechsel als ganz natürlich, sinnvoll und kraftgebend. Ich befinde mich in einer Balance von selbst gewähltem Rückzug und gewünschten sozialen Kontakten. Leider befinden wir uns Menschen nicht immer in dieser Balance. Es fühlt sich immer wieder mal unausgewogen an.
Manchmal betrete ich einen Raum und es zieht sich etwas in mir zusammen. Es wird eng und ich spüre die Kontraktionen. Zu viele Menschen, dicke oder schlechte Luft, Aggressivität, fehlendes Licht. Ich fühle mich nicht gesehen und nicht willkommen. Mein Körper signalisiert: Alarm! Schnell weg von hier!
Oder ich treffe einen Menschen, der mir sehr nahe kommt. Zu nahe. So nahe, dass mir nichts anderes übrigbleibt als mich innerlich zurückzuziehen. Auch hier habe ich wieder das Bedürfnis, möglichst schnell diesen Ort der Enge zu verlassen.
Ich beobachte auch, dass ich nicht das tue was mir gut tut, sondern das, was schädlich für mich ist. Ich gehe hinein in den Raum mit der „dicken“ Luft und halte es aus. „Stell dich nicht so an!“ lautet meine Devise. Vielleicht entspannt es sich ja noch. Vielleicht geschieht ein Wunder. Zur Not kann ich immer noch wieder gehen.
Oder ich nehme wahr, dass mir ein Mensch zu nahe kommt und ich schweige wiederum. Ich möchte ihn nicht verletzen oder zurückweisen. Ich könnte ja sagen: „Bitte geh doch einen Schritt zurück. Das ist mir zu nahe.“ Ich will ja schließlich diesen netten Menschen nicht kränken. Das Ergebnis jedoch ist, dass ich diese erdrückende Nähe aushalten und ertragen muss. Ich übergehe meine eigenen Bedürfnisse und Wünsche. Ich stelle mich hinten an.
Das richtige Verhältnis von Nähe und Distanz sieht für jeden Menschen unterschiedlich aus. Wie viel Zeit hättest du gerne für dich alleine wenn du nur für dich entscheiden dürftest. Ohne mal an deine Familie zu denken.  Aber du erlaubst es dir nicht? Aus falscher Rücksicht? Ich will ein guter Ehemann sein, eine perfekte Mutter, ein...
Vielleicht hast du aber auch von dem Rückzug zu viell. Du verbringst zu wenig Zeit in der Nähe mit denen, die du magst. Möchtest du gerne mehr und intensiveren Kontakt als dein Gegenüber? Bist du dir dessen bewusst?
Oder umgekehrt drängst du dich vielleicht unbewusst auf? Hat dir schon mal jemand gesagt: „Du, du kommst mir zu nahe. Das nimmt mir echt die Luft weg.“ Du könntest dich ja mal selber beobachten bei deinen sozialen Interaktionen.
Meine Wahrnehmung geht dahin, dass sich das nicht immer von selbst reguliert. Besser ist es, seine Wünsche und Bedürfnisse zu kommunizieren. Niemand schaut in meinen Kopf und niemand kennt die Regungen meines Herzens. Ich sorge also gut für mich und übernehme die Verantwortung für mich, auch wenn ich mal zurückgewiesen werde oder ich es für andere eng mache.
Eines steht fest: Jedes Lebewesen braucht Platz und möchte sich ausdehnen. Im Garten werden sich jetzt im Frühling die Pflanzen ausdehnen. Da gibt es die Starken und Prächtigen. Sie fragen nicht einmal, ob sie dürfen und geben keinen Kommentar dazu. Sie dehnen sich einfach aus und beanspruchen ihren Raum. Und es ist ihnen völlig egal, ob die kleinen Blümchen noch Sonne und Wasser bekommen. Viele Pflanzen finden zum Glück ihre Nische und behaupten sich trotz der Großen und Starken. Oder sie hängen sich einfach dran wie es der Efeu macht.
Bei Menschen erlebe ich das auch so. Da gibt es diejenigen, die den Raum beherrschen, wo auch immer sie auftauchen. „Platz da! Hier bin ich!“ Gehörst du auch zu den Königen und Königinnen, die einen automatischen Rechtsanspruch auf ein Weltreich haben? Oder gehörst du eher zu denen, die schauen, ob es irgendwo ein kleines Plätzchen gibt, wo es sich einigermaßen ruhig überleben lässt.
Mit der Fastenzeit verbinden viele Menschen die Vorstellung, sich zurückzunehmen. Verzichten, sich klein machen und sich beschränken heißt die Devise. Asche auf dein Haupt! Entschuldigung, dass ich da bin!
Wenn du das schon viele Jahre erfolgreich gemacht hast, dann könntest du ja mal in diesen Wochen das andere Ende des Pendels ausprobieren. Das Gegenteil sozusagen. Dehne dich aus. Nimm deine Schultern zurück und hebe den Kopf an. Schaue deine Mitmenschen auf Augenhöhe an und lächle ihnen zu. Lass alle wissen: „Hier bin ich! Ich nehme diesen Raum hier ein und genieße es!“ Geh in ein Zugabteil und besetze mal einfach deinen Nachbarsitz mit oder sogar noch die Plätze gegenüber. Warum nicht vier auf einmal? Geh durch die Fußgängerzone und lass dich nicht von den Menschenmassen beeindrucken. Da, wo du stehst, steht niemand sonst. Unter Tausenden von Menschen bist du einmalig!
Besuche eine deiner sozialen Gruppen wie Familie, Freunde oder Vereine und schaue alle strahlend an. Du bist ein König und du bist eine Königin. Die Bühne gehört dir. Du musst diese Ideen nicht praktisch umsetzen, aber du kannst sie denken und fühlen. Du wirst merken, wie ein Ruck durch deinen Körper geht. Du ziehst dich nicht zusammen. Du dehnst dich aus.
Die Ausdehnung beginnt im Herzen und im Denken. Manchmal erlebe ich es bei Ehepaaren, dass sich einer aus Rücksicht immer zurückhält. „Mein Mann ist ja so krank. Er ist so beansprucht in seinem Job.“ - „Meine Frau kann ja nicht so, wie sie will. Ihr geht alles immer so zu Herzen.“ Es ist nicht nötig, so zu denken. Das macht mein Gegenüber klein. So kommt es in der Partnerschaft schnell zu einem Oben und Unten und die Liebe auf Augenhöhe geht verloren. 
Also dehne dich aus und nimm deinen Platz ein!
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Freitag, 12. Juli 2024

Du kannst dich glücklich schätzen!

Du kannst dich schätzen.
Einschätzen, wie viel du wert bist.
In Geldwährung oder Herzenseinheiten.

Du kannst dich wertschätzen.
Was kommt dabei heraus?
Unendlich!
Unvergleichlich!
Unbezahlbar!
Du kannst dich schätzen und sagen:
Ich bin unverkäuflich!
Und nebenbei auch nicht käuflich.

Du darfst dich wertschätzen.
Weil du bist!
Weil du bist noch bevor du etwas machst.
Du musst dich sogar wertschätzen
damit du dich nicht unter Wert verkaufst.
Mach es nicht unter unendlich!

Vor allem kannst du dich glücklich schätzen.
Du gehörst zum Pool der Menschheit dazu.
An deine Existenz kommt niemand vorbei.
Du hast ein Recht auf deinen Anteil an Wasser und Nahrung.
Das erst einmal vorab!

Und du kannst dich glücklich schätzen, dass du lieben kannst.
Diese Fähigkeit hast du einfach so mit auf dem Weg bekommen.
Das zeichnet dich aus!
Du kannst dich auch glücklich schätzen, dass du geliebt wurdest!
Nicht genug? Einverstanden!
Aber immerhin so viel, dass du nicht gestorben bist.

Du kannst dich glücklich schätzen, wegen der Liebe!
Diese Liebe war und ist dein Glück!
Und wenn du dich wertschätzen magst und kannst
wirst du dir deines Glückes bewusst.

Wer immer du auch bist und dies liest:
Du kannst dich glücklich schätzen!
Auch wenn du nicht genug zum Leben hast.
Wenn es dir mangelt!
Wenn du mit einem Teil unglücklich bist.
Oder dich sehr krank fühlst.
Dass du dich glücklich schätzen kannst liegt vor all dem.
Jenseits von Glück und Unglück.
Von Krankheit und Gesundheit.

Es reicht aus, dass du existierst!
Du kannst dich glücklich schätzen!

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Donnerstag, 11. Juli 2024

Über das spurlose Verschwinden...


Manchmal verschwindet etwas spurlos. Socken verschwinden in der Waschmaschine und Pullover befinden sich plötzlich nicht mehr im Schrank. Du bist dir sicher, wo du deine Sachen abgelegt hast und auf einmal sind sie nicht mehr da. Spurlos verschwunden. Ich vermisse meinen Personalausweis. Er ist spurlos verschwunden. Ich habe alle Schubladen abgesucht und alle Jacken- und Hosentaschen gefilzt. Ich habe an jeden auch nur erdenklichen Ort nachgeschaut und jetzt blicke ich der Tatsache ins Auge. Mein Peronalausweis ist unauffindbar. Dabei steht doch darauf, wer ich bin. Mein Name, meine Anschrift, die Körperlänge und die Farbe meiner Augen. Merkwürdig, nicht wahr? Zur gleichen Zeit befinde ich mich in einer Identitätskrise. Vor zwei Jahren wusste ich noch, wer ich war. Das weiß ich im Moment nicht mehr. Ist es da nicht folgerichtig, dass sich der Personalausweis auch auflöst? Wie im Inneren so auch im Äußeren. Ich versuche, eine Weile ohne Identität auszukommen und probiere es auch mit meinem Ausweis. Wenn ich hoffentlich irgendeine Identität wiedergefunden habe wird sich auch der Ausweis einfinden.
Spurlos verschwinden Dinge und auch Menschen. Hast du schon erlebt, wie Menschen in deinem Leben spurlos verschwunden sind? Sie haben sich nicht verabschiedet und du hast auch nicht selbst Abschied genommen. Ihr habt euch nicht gestritten und nicht bewusst getrennt. Aber wenn du genau hinspürst, dann ist es doch stimmig. Es ist nicht grundlos, dass diese Menschen aus deinem Leben verschwunden sind.
In einer Achtsamkeitsübung habe ich gelesen, dass ich für eine Woche einen Raum in meiner Wohnung nur so benutze, dass nach der Aktion keine Spuren sichtbar sind. Ich räume also meine Küche so auf, dass ein Fremder denkt, die wird gar nicht benutzt. 
Manchmal ist es gut, wenn die Dinge oder Menschen verschwinden. Wir können eh nichts festhalten. Alles im Leben ist wie Sand und zerrinnt zwischen den Fingern. Wenn etwas spurlos verschwindet gibt dir das Leben die Möglichkeit, eine Lektion zu lernen. Lasse los!

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Lautes oder leises Wasser?

Vor einiger Zeit war in ich in Hamburg zu einem Seminar. Dort gab es lautes und leises Wasser. Ein interessanter Werbegag.
So kann ich fragen: "Möchtest du ein leises oder ein lautes Wasser," statt: "Möchtest du ein stilles oder eines mit Kohlensäure." Ich habe dennoch kurz gestockt und mich gefragt, ob Wasser leise sein kann. In diesem Zusammenhang frage ich mich auch, ob Wasser still sein kann. In anderen Ländern heißt dieses Wasser "naturel". Das kommt der Art des Wassers für mich deutlich näher. Wasser in seinem natürlichen Zustand.
Die beiden Wassersorten weisen aber auf etwas wichtiges hin. Sie leben von der Polarität. Leises Wasser kann nicht ohne lautes Wasser und umgekehrt auch nicht. Ich sage in einer Gesprächsrunde ja auch: "Seid einmal leise!" oder "Seid bitte still!" Auch da gibt es einen Unterschied. "Leise" liegt auf einer Skala zwischen "still" und "laut". Wohl eher Richtung "leise".
Für mich ist Wasser weder laut noch still oder leise. Ich mag es in seiner natürlichen Form. Aus der Quelle, aus dem Brunnen, aus dem Bach. Ohne Schnickschnack. Dabei "tönt" das Wasser schon - immer, wenn es sich bewegt. Es gluckert, es pocht, es plätschert, es rauscht, es strömt, es prasselt. Still ist es nur, wenn es ruht. Aber auch dann "spricht" es. Setz dich einmal für eine Zeit an einen Teich und hör dem Wasser zu. Weil du selber zu einem großen Teil aus Wasser bestehst, kannst du die "Wassersprache" verstehen.
Das Wasser erzählt dir, dass du selber "natürlich" bist. Du bist ein Geschöpf. Bist nackt auf diese Welt gekommen. Als Junge oder Mädchen. Nichts musste daran verändert werden. Bis heute muss nichts an dir verändert werden. In deinem Zustand bist du goldrichtig!
Die Industriegesellschaft lebt davon dir einzureden, dass du an dir etwas verändern musst. Es ist noch nicht richtig. Da fehlt etwas. Die Kleidung, Schmuck, Kosmetik. Viele Dinge, die den natürlichen Zustand "verbessern". So wie die Kohlensäure im Wasser. Ich genieße auch den Wohlstand und freue mich über Kleidung, die wärmt und über Menschen, die sich hübsch machen. Manchmal jedoch setzte ich mich ans Wasser und kehre in mich ein. Wenn ich das mache, dann braucht es nichts weiter. So, wie ich bin, war ich immer schon richtig und werde es immer sein!
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Mittwoch, 10. Juli 2024

Das Reine wird leichter schmutzig. (aus Bulgarien)


Wenn du einen kleinen Flecken auf der Tischdecke hast, musst du nicht mehr so aufpassen. Wenn du eine frische weiße Decke auflegst bist du ganz vorsichtig. Bloß keinen Flecken machen. Der eine Fleck fällt sofort ins Auge. Er macht die ganze Decke schmutzig. Das Reine wird leichter schmutzig. ich passe so auf, dass ich mich verkrampfe. Ich verkrampfe mich und schon ist das Reine schmutzig.

Wenn ich eine total wichtige Aufgabe erledigen muss, dann besteht die Gefahr, dass ich besonders aufpasse. Und verkrampfe. Und es vermassle. Ich will das Reine rein halten. Die Aufgabe perfekt lösen. Darum mag ich es, wenn alles nur so ungefähr ist. Die Decke so ungefähr glatt gebügelt. Die Aufgabe so ungefähr erledigt. Alles so ungefähr. Eben gut genug, aber nicht perfekt.

Wenn das Reine nur so ungefähr rein ist stellt sich die Frage nach dem Schmutz nicht mehr so bedrängend. Ich war einmal eingeladen zu einem Festessen mit weißer Tischdecke. Als wir alle saßen nahm die Gastgeberin einen kleinen Löffel und tauchte ihn in die Sauce. Dann kippte sie die Sauce über die Decke und sagte: "Jetzt müssen wir alle nicht mehr so aufpassen! Lasst es euch schmecken."
Wenn wir doch alle ein wenig gelassener sein könnten!

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Die Kunst ganz zu sein statt gut!


"Willst du gut oder ganz sein?" hat C.G. Jung einmal gefragt. Gibt es da einen Unterschied? Ich glaube, der Unterschied ist gewaltig und macht ein ganzes Leben aus.
Im 5. Kapitel des Matthäusevangeliums lesen wir nach der Einheitsübersetzung. "Ihr sollt also vollkommen sein, wie es auch euer himmlischer Vater ist." In der Regel verstehen wir den Satz so, dass wir gut sein sollen. Wir sollen so moralisch gut sein wie Gott. Gott ist der Maßstab für unsere Moral. Da werden wir Menschen ganz schnell ganz klein. So gut wie Gott kann kein Mensch sein.
Immerhin kommt dieser Satz von Jesus. C.G. Jung schlägt tatsächlich vor, dass wir weniger auf das "gut sein" schauen sollen sondern mehr auf das "ganz sein".
Dieser Satz steht allerdings auch in der Bibel. Gott sagt zu Abraham: "Wandle einher vor meinem Antlitz und sei ganz." Welch ein schöner Satz! Die Übersetzung des Jesus Satzes gibt übrigens nicht den Inhalt wirklich wieder. Dort steht das hebräische Wort: "tamin". Tamin bedeutet so viel wie "ganz" oder sogar "vergnügt". Das klingt doch ganz anders, wenn es heißt: "Seid also vergnügt, wie es auch euer himmlischer Vater ist."
Unsere Eltern haben es versucht, uns zu moralisch einwandfreien Menschen zu erziehen. Es gab ständig die Bewertung: "Das ist gut!" oder "Das ist schlecht!" Naschen ist schlecht, ordentlich grüßen (mit Diener) ist gut. Danke sagen ist gut und grußlos Geschenke entgegenzunehmen ist schlecht. An jeder Tat klebte ein Zettel: Gut oder Schlecht, Richig oder Falsch!
Als Erwachsener laufen wir dann ständig mit einem Bewerter herum. Auch wir kleben solche Zettel an uns oder an andere Menschen. Du bist richtig! Du bist falsch! Wenn du das tust oder jenes nicht tust!
Es ist sicherlich gut, gut zu sein! Die Welt braucht alle Retter und Heilige! Aber was ist mit deinen Fehlern, deinen Schwächen und deinen Schattenseiten? Was ist mit deiner Wut, deinem Ärger und deinen Tränen? Wo darfst du hin mit deinen Bedürfnissen und deiner Trauer? Bei "Gut" und "Heilig" findet es oft keinen Platz. Wenn du aber ganz bist, dann findet alles seinen Platz. Alles darf sein und nichts ist ausgeschlossen. "Sei vergnügt!" sagt Jesus. Das entspricht der Grundhaltung, wie im Paradies zu leben. Es ist genug da! Du bist genug! Die anderen Menschen sind genug! Es gibt keinen Mangel und es gibt nichts hinzuzufügen.
Es dauert lange, die Erziehungszettel von den Körperzellen zu entfernen, durchzustreichen, zu übermalen oder auszutauschen. Wie geht es dir mit deinem inneren Bewerter und Kritiker? Wie verträgt er sich mit dem "Erlauber"? Wenn du die Kunst beherrscht, eher ganz zu sein statt gut, wird man es dir ansehen! Dein Schritt wird leicht und dein Blick wird gütig.
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Dienstag, 9. Juli 2024

Die Kunst, es sich bei einem schlechten Leben gut gehen zu lassen


Beim Loseverkauf für einen guten Zweck kauft mir eine Frau ein Los ab. Sie erzählt mir, dass sie eigentlich kein Geld übrig habe. Sie würde sich gerne einmal Spargel kaufen, aber es reiche nur für Möhren. Aber von Möhren könne man auch satt werden und so führe sie kein schlechtes Leben.

Immer wieder beobachte ich Menschen, die ein tolles Leben führen. Sie besitzen ein großes Haus. Die Kinder sind prächtig geraten. Es gibt ein großes Familienauto und einen Kleinwagen für die Fahrten so nebenbei. Dann höre ich sie so reden: "Es geht bergab mit der Wirtschaft. Überall wirst du ausgenutzt. Das Geld ziehen sie dir aus der Tasche und im Supermarkt bekommst du keine nahrhaften Lebensmittel mehr. Die Kinder werden in der Schule ja nur noch gemobbt und die Lehrer haben ihr Studium im Lotto gewonnen."
Dann beobachte ich Menschen wie diese Frau auf dem Markt. Abgetragene Kleidung. Der Speiseplan besteht aus Kartoffeln, Gemüse und Brot vom zweiten Tag. Lücken im Gebiss. Jeden Tag genau rechnen und jeden Cent umdrehen. Dann höre ich ihnen zu: "Ich lebe. Ich habe zu essen. Die Sonne scheint. Was will man mehr."
So unterschiedlich kann es sein. Ich möchte von der Kunst sprechen es sich bei einem schlechten Leben gut gehen zu lassen. In unseren Köpfen existiert ja irgendwie die Vorstellung, dass du dir deinen Lebensunterhalt hart erarbeiten musst. Jeden Braten hast du dir ordentlich verdient. Für ein Auto musst du lange sparen. Ein Haus zahlst du dein Leben lang ab. Es wird dir nichts geschenkt. Dabei trägt all dein Besitz relativ wenig zum Glücksgefühl bei.
Du gehst wandern und setzt dich auf einen Stein. Die Sonne scheint, die Vögel zwitschern und es gibt nichts zu tun. Das darfst du genießen. Es ist dir geschenkt. Es ist jedem Menschen geschenkt. Egal, wie gut oder schlecht dein Leben sonst auch ist. Die Sonne ist für dich. Dein Körper gehört dir. Du hast deine Gedanken. Du darfst wahrnehmen mit deinen Sinnen. Allein damit kannst du es dir gut gehen lassen, egal wie schlecht auch dein Leben ist. Bist du noch aufmerksam dafür?
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Montag, 8. Juli 2024

Die Kunst, aus der Schüchternheit eine Tugend zu machen!


Ein Freund sagte vor Kurzem zu mir: Ich traue mich gar nicht, dich zu fragen, ob du einmal Zeit für mich hast. Für einen Augenblick stutzte ich. Moment mal! Wie raffiniert ist das denn? Er traut sich nicht zu fragen und fragt dann doch! Sehr geschickt, auf diese Weise seine Schüchternheit zu überwinden und das zu erhalten, was man sich wünscht. Du fragst einfach, indem du nicht fragst. Das ist eine wunderbare Art, die Hindernisse und Hürden zu überwinden oder geschickt zu umgehen.
Probier es doch einmal aus!
"Ich traue mich nicht, dir zu sagen, dass ich dich liebe, weil ich nicht weiß, wie du darauf reagieren wirst. Ich könnte es nicht ertragen, wenn du einfach Nein zu mir sagst!" statt: "Ich liebe dich."
"Ich traue mich nicht, Ihrer geschickten Verkaufsstrategie jetzt am Telefon zu widerstehen. Sie könnten mir böse sein und mich beim nächsten Anruf über den Tisch ziehen." statt. "Ich möchte nichts!"
"Ich traue mich nicht, von Ihnen eine kostenloses Angebot für eine Heizung machen zu lassen, weil ich mein schlechtes Gewissen fürchte, wenn ich das Angebot nicht annehme und Sie umsonst gekommen sind." "Machen Sie mir ein kostenloses Angebot!"
Manche Dinge lassen sich nicht einfach direkt sagen, aber indirekt geht es leichter. Es ist wie mit den dicken Pillen. Schluckst du sie pur hinunter, könnten sie dir im Hals steckenbleiben. Legst du sie auf einen Löffel mit Joghurt rutscht es wie von selbst.
Überlege einmal, wie oft du am Tag indirekte Fragen stellst oder Wünsche äußerst und hoffst, der andere versteht dich. Direkte Fragen und Wünsche vermeidest du, damit du dir keine Abfuhr holst. Du sagst: "Kommt morgen nicht die Müllabfuhr" statt: "Stell doch bitte den Müll raus!" "Ist noch Tee im Schrank?" statt: "Kochst du mir einen Tee?" "Bis zum Fußballplatz ist es ziemlich weit!" statt: "Könntest du mich dahinfahren?"
Niemand mag so gerne eine Zurückweisung im Nein. Oftmals hören wir im "Nein" zu einer ganz bestimmten einzelnen Frage gleich eine grundsätzliche Ablehnung. Indirektes Fragen verkompliziert leider das Leben ein wenig es sei denn, du machst das so geschickt wie mein Freund.

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Samstag, 6. Juli 2024

Die Kunst, auf Stelzen zu laufen


Eines muss ich gestehen. Ich konnte noch nie Stelzen laufen. Ich habe als kleiner Junge immer die Mädchen bewundert, die so leichtfüßig auf Stelzen laufen konnten. Ich konnte weder das Gleichgewicht halten, noch die Stelzen bewegen. Irgendwie hatte ich immer den Eindruck, dass ich am Boden festklebte.
Aber bis heute lässt mich die Vorstellung nicht los, dass hinter dem Stelzenlaufen mehr steckt als du auf dem ersten Blick siehst. Als Mensch stehst du ja auf deinen zwei Beinen und bist von deiner Körperhöhe so lang wie du lang bist. Die Stelzen sagen dir: "Ich kann über mich hinauswachsen." Du bist also größer als du glaubst. Wenn ich mich auf einen Stuhl stelle, dann verändert sich auch die Perspektive. Mein Vorgesetzter wird kleiner und ich verliere die Angst vor ihm. Ein Bischof trägt eigentlich auch Stelzen, nur der Bequemlichkeit halber lieber auf dem Kopf. Seine Mütze macht ihn auch größer als er in Wirklichkeit ist.
Die Stelzen sagen dir zusätzlich: "Das Leben ist wackelig." Du kannst nichts festhalten. Heute glückt dein Leben und wie es im nächsten Augenblick oder morgen aussieht weißt du nicht.
Die Stelzen sagen dir auch: "Sei achtsam!" Wenn du nicht achtgibst, fällst du sofort herunter. Du musst wach sein für den Augenblick. Du musst auf deinen Weg achten und auf deinen Körper. Du musst viele Dinge gleichzeitig beachten und das geht nur, wenn du nicht träumst. Da kannst du fürs Leben lernen. Auch dort kommt es darauf an, dass du aufmerksam bist für den Moment. Denn nur der zählt. Da lebst du nämlich gerade.
Und die Stelzen sagen dir auch: "Manchmal brauchst du eine Krücke!" Wenn es dir nicht gut geht brauchst du einen Menschen, der dich vorübergehend unterstützt. Du kannst lernen, Hilfe anzunehmen. Für das, was du selber nicht kannst, suchst du dir eine Ergänzung.
Eine kleine Einschränkung möchte ich machen in meinem Lobgesang auf mein phantasiertes Kunstverständnis. Stelzen laufen wirkt auf mich immer ein wenig steif. Das ist die Kehrseite. Eine Stelze bleibt eine Krücke, eine geniale zwar, aber eine Krücke. Du bist so groß wie du bist. Dein Leben bleibt wackelig auch auf deinen originalen Füßen. Und über dich hinauswachsen kannst du auch ohne. Entfalte einfach dein Potential. Da geht noch was!
Dennoch: Wer Stelzen laufen kann ist dabei, sein Potential zu entdecken und weiter zu entwickeln. Vielleicht lerne ich ja doch noch mal diese Kunst. Ohne Hilfe wird das aber wohl nichts! ;-)
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Freitag, 5. Juli 2024

Dumm gelaufen! - Über den Umgang mit Plänen.



Ich schaue in den Kühlschrank und finde noch Karotten, Kürbis und Süßkartoffeln. Ich suche im Internet nach einem Rezept mit diesen drei Gemüsezutaten und freue mich. Da ist was für mich dabei und ich muss nicht mehr in den Laden. Beim genaueren Hinsehen jedoch stelle ich fest, dass ich kein Sternanis im Haus habe. Ich hatte mir das doch so schön ausgedacht. Dumm gelaufen!
Ich habe mir den Ablauf des Arbeitstages genau überlegt. Wann stehe ich auf? Was frühstücke ich? Welchen Weg fahre ich? Was mache ich an meinem Arbeitsplatz zuerst und was zuletzt? Wenn ich das mache, dann bekomme ich ein Gefühl von großer Zufriedenheit. Ich weiß genau, dass ich am Abend dort ankomme, wo ich ankommen möchte. Mein Arbeitsalltag läuft präzise ab wie ein Navi. Alle Knotenpunkte sind eingegeben und ich habe Sicherheit und Halt. Doch dann stehe ich an der Abfahrt auf der A1 in Richtung Münster im Stau. Schaffe ich noch meinen Zeitplan? Mein Adrenalinspiegel steigt. Noch ist alles möglich. Aber das Zeitfenster schrumpft immer mehr. Ich muss mich vom ersten Teil meines Planes verabschieden. Der Tagesplan fällt wie ein Kartenhaus in sich zusammen. Ich hatte mir das doch so schön ausgedacht. Dumm gelaufen!
Ich mache einen Plan und dann läuft es einfach anders. Den Plan habe ich ja mit einer guten Absicht entwickelt. Ich möchte meine Aufgaben stressfrei bewältigen. Alles möge im Fluss sein. Ein Plan hilft mir dabei, meinen Alltag gut zu strukturieren. Wenn ich allerdings näher hinschaue stelle ich fest, dass meine Pläne nie genau so ablaufen, wie ich sie mir ausgedacht habe. Der Plan gelingt nie zu hundert Prozent!
Manchmal beobachte ich Menschen, die völlig planlos sind. Wenn ich das mitbekomme rutsche ich nervös auf meinem Stuhl hin und her. Das ist doch kostbare Lebenszeit! Man muss doch nur mal eben kurz nachdenken! Den Verstand einschalten. Sich vorher etwas Sinnvolles überlegen. Auf der anderen Seite kenne ich Menschen, die planen ihren Urlaub komplett durch. Vom ersten bis zum letzten Tag. Und andere planen nichts. Sie wachen am ersten Urlaubstag auf und stellen fest, dass sie nicht zur Arbeit müssen. Und jetzt?
In Gedanken stelle ich mir eine Skala vor von eins bis zehn. Eins steht für völlige Strukturlosigkeit und zehn für den totalen Superplan. Wo auf dieser Skala machst du dein Kreuz wenn ich dich frage: „Wann fühlst du dich wohl? Wie viel an Planung brauchst du, damit es dir mit dir gut geht?“
Ich finde das sehr hilfreich im Zusammenleben und Arbeiten mit anderen Menschen. Jeder hat da ein anderes Bedürfnis und eine andere Mentalität. Der eine liebt den Plan und der andere die Flexibilität. Bloß nicht festlegen. Stress kommt auf, wenn die Bedürfnisse sehr voneinander abweichen.
Da fährst du mit deiner Familie in den Urlaub. Ein Partner sagt: „Wir müssen unseren Urlaub planen. Sonst wird es nichts.“ Der andere Partner sagt: „Unser ganzes Leben ist durchgeplant von früh bis spät. Wenigstens einmal im Jahr möchte ich keine Pläne machen.“  Dem einen gibt ein Plan Halt und Sicherheit, dem anderen bedeutet das eine Einschränkung der Freiheit. Wenn uns das bewusst wird und wir darüber reden können, wird es leichter.
Wenn ich mir einen Plan vom Tag mache, bekommt er Struktur und es geht mir gut damit. Ich kann überblicken, ob ich meine Arbeit schaffe und ob mir genug Zeit zur Verfügung steht. Wenn ich genauer hinschaue stelle ich fest, dass selten ein Plan sich so erfüllt, wie ich es mir vorher ausgedacht habe.
Und da nehme ich einen Unterschied wahr. Wenn jemand meinen Plan durcheinanderbringt werde ich für einen kleinen Moment unruhig, manchmal auch ärgerlich. Aber dann lasse ich los und es ist wieder in Ordnung. Ich gebe mir die Erlaubnis, mich nicht mehr an meinen Plan zu halten. Ich mache einfach einen neuen Plan. Beim Fahrplan der Bundesbahn bestehe ich auf unbedingte Einhaltung. Aber meinen eigenen Plänen gewähre ich einen großzügigen Freiraum.
Ich kenne Menschen, deren Plan darf ich auf keinen Fall durcheinanderwerfen. Bei der geringsten Abweichung versinken sie in eine Art Ohnmacht oder Hilflosigkeit. Oder sie fangen an, kämpferisch um jeden Preis daran festzuhalten. Ohne Einhalten würde die Welt aus den Fugen geraten.
Wenn ich jetzt eine Schicht tiefer schaue kommt mir ein weiterer Gedanke. Pläne entwickle ich ja, weil ich damit ein Bedürfnis erfüllen möchte. Vielleicht mein Bedürfnis nach Sicherheit. Die Programmpunkte des Tages geben mir die Gewissheit, dass ich am Abend heil ankomme und noch leben werde. Ich werde mich nicht verlaufen und ich weiß jetzt schon, was am Ende des Tages auf mich zukommt. Ich weiß, in welches Bett ich mich heute Nacht legen werde. Meine Phantasie geht dahin, dass ich den Umfang meiner Sicherheit stark mitgestalten kann. Die Gedankenlogik sagt mir: Je besser mein Plan, desto sicherer komme ich ans Ziel.
Allein wenn ich diese Zeilen schreibe fange ich an, innerlich zu grinsen. Welch eine riesige Illusion! Was mache ich mir da nur vor! Das konstruiert sich alles mein Verstand. Das Leben und die Erfahrung sprechen eine andere Sprache. Es kommt doch immer irgendetwas dazwischen. Mal mehr und mal weniger. Soll ich mein Leben abhängig machen von illusorischen Sicherheitsplänen? Das funktioniert doch nie!
Da möchte der Trump eine Mauer errichten zwischen den USA und Mexiko. Die Einwanderer könnten ja das eigene Land unkontrolliert überschwemmen. Als ob da schon Heerscharen von Einwanderern an der Grenze herumlungern würden.
Da möchten mir die Versicherungen so viele Verträge verkaufen, dass ich zwar rundum abgesichert bin, aber den Spaß am Leben verliere. Wenn ich jetzt hundert Euro zur Seite lege gibt der Arbeitgeber etwas dazu. Das Geld wird so angelegt, dass ich jetzt nur fünfzig Euro real bezahlen muss. Dann habe ich im Alter vielleicht vierhundert Euro im Monat mehr. Fürsorge für das Alter? Weiß ich, wie die Welt in zehn Jahren aussehen wird? Weiß ich was von meinem Leben im nächsten Jahr? Eine Freundin hatte die Idee, dass sie im Alter nach Tansania auswandern will. Da kommt man mit einer kleinen Rente gut aus. Ihre Altersvorsorge heißt: Ich lerne afrikanische Sprachen.
Ich plane also, damit ich damit mein Sicherheitsbedürfnis befriedige. Dahinter steckt ja ein Grundgefühl der Angst. Ich glaube, dass ich damit mein Angst bewältigen kann. Ich plädiere dafür, sich eher mit dem Thema Angst zu beschäftigen. Wenn ich mit der Angst im Inneren umgehen kann, bin ich nicht mehr so abhängig von meinen Pläne. Ich lerne, mehr zu vertrauen. Ich pflege Kontakte und soziale Beziehungen.
Ein Plan dient dem Menschen. Er ist hilfreich, den Tag zu koordinieren, sich mit anderen Menschen abzusprechen und für ein gewisses Maß an Ordnung zu sorgen. Pläne können hilfreich sein und mehr nicht.
Der Plan ist kein Gott, dem ich gehorchen müsste. Der Plan kann aber schnell zu meinem inneren Gott werden, dem ich unbedingt folgen muss.
In der Bibel zeigt Gott manchmal seine Irritation über unser Pläneschmieden. Beim Propheten Jesaja (55,8)  heißt es: „Denn meine Gedanken sind nicht eure Gedanken und eure Wege sind nicht meine Wege.“ Scheinbar hat Gott auch einen Plan. Einen Masterplan. Viele Geschichten und Begegnungen in der Bibel erzählen davon, dass Gott „Heilspläne“ entwickelt. Wenn Gott uns liebt und wir ihn lieben, wenn wir also in einer liebenden Verbindung sind mit allem, was ist – dann hat sich Gottes Plan verwirklicht.
Und? Hat Gott es schon geschafft? Ich sehe mir die Welt im Großen und im Kleinen an und denke mir, dass Gott für die Umsetzung noch ein paar Jahrhunderte brauchen wird. Auch seine Pläne laufen manchmal ins Leere. Ist Gott darüber verzweifelt? Ich denke nicht. Er richtet sich nach der Erfüllung eines Planes sondern nach einer Vision.
Wenn der Plan zu eng und lebensfeindlich wird lohnt es sich, einmal wieder nach der Vision zu fragen. Wovon träumt Gott? Wovon träumst du? Was möchtest du jetzt, in dieser Phase deines Lebens. Wohin möchtest du dich entwickeln? Welche wichtigen Erfahrungen möchtest du machen?
Und wenn es mal dabei dumm läuft? Na und? Gibt es irgendwo ein Zeugnis? Eine Belohnung? Eine Medaille? Eine Anerkennung? „Alles Misslingen hat seine Gründe, aber alles Gelingen sein Geheimnis.“ (Joachim Kaiser) Ich kann das Misslingen ergründen oder dem Geheimnis des Gelingens folgen. Jenseits aller Konstruktionen und Pläne liegt das Geheimnis des Gelingens. Wenn ich in Übereinstimmung mit mir bin und ein großes Ja in mir trage.

Donnerstag, 4. Juli 2024

Frieden und Liebe für dich!

In einem Bekleidungsgeschäft fand ich den Hinweis auf eine neue Kollektion mit dem Titel "Peace & Love". Eine Kollektion von Kleidung, die Frieden und Liebe verspricht. Nicht mehr und nichr weniger! Hier sollten die Friedensaktivisten und Liebesbedürftigen zugreifen. Du trägst eine Hose, in der du dich liebenswert und friedlich fühlst. Nicht schlecht!
Dabei braucht die Menscheit heute genau das: eine neue Kollektion mit Frieden und Liebe. Diese Kollektion ist eigentlich uralt. Fast alle Religionen leben davon und haben es sich seit Jahrtausenden auf die Fahne geschrieben. "Mach mit! Bei uns erfärhst du Frieden und Liebe!"
Dass der Bekleidungsmarkt da mitschwingt ist doch interessant.Warum heute? Warum im Jahr 2016? Geht es vielleicht um Flüchtlinge? Darum, dass die Menschen sich zur Zeit unsicher und bedroht fühlen? Glaubt die Bekleidungsindustrie, dass sie mir da einen tollen Panzer aus Abwehrkleidern anbieten kann? Kampfkleidung? Dabei war Kleidung schon immer wichtig. Auf eine Demo gehe ich nicht im Abendkleid und zum einem Konzert ziehe ich nicht Sportsachen an. Welche Kleidung trägt jemand, der an Liebe und Frieden glaubt? Gandhi trug damals indische weiße Baumwolltracht und die Hippies liebten es bunt.
Leider habe ich nicht einmal genau hingeschaut, welche Farben denn in der neuen Kollektion vorherrschen. Gandhi mit Hippieeinsprengsel im Ethnolook? Interessant finde ich noch die Reihenfolge: nicht Love and Peace sondern umgekehrt. Peac and Love geht mir schwerer über die Lippen.
Dennoch bin ich total für diese neue Kollektion. Sie sollte jeden Monat wieder neu auftauchen als neue Kollektion bis alle es gehört haben. Love and Peace könnte zu einem Renner werden, der die Welt nachhaltig verändert.
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Mittwoch, 3. Juli 2024

Ein Platz zum Leben für dich!

Du gehst in eine Boutique und probierst ein Kleidungsstück an. Wenn es nicht gefällt oder passt, was machst du dann? Du hängst es an einen Ständer direkt an der Umkleide. Dieses Prozedere musste ich erst einmal verstehen. Mir ist das bislang nie aufgefallen.
Ja, ich habe an der Umkleide mal einen Ständer gesehen mit lauter Anziehsachen. Meistens in einem Durcheinander. Aber erst dieses Schild hat mich aufgeklärt. "Bitte hängen Sie hier Ihre anbrobierte Ware ab."
Bisher habe ich meine Waren immer sorgfältig gefaltet und dahin zurückgebracht, wo ich es hergenommen habe. Die Verkäufer machen das auch so. Sie falten und bringen zurück. Für mich war das einfach selbstverständlich. Ich habe es dort weggenommen, also bringe ich es dorthin zurück. Ich mache das wie in meinem Haushalt. Ich benutze das Geschirr. Wasche es ab und stelle es zurück an den Ort, wo es hingehört.
Das gibt mir Halt und Sicherheit. Alle Dinge haben ihren Platz. Dort gehören sie hin. Da finde ich sie wieder und sie stehen dort, bis sie von mir gebraucht werden. Da gibt es so viele Diener in meinem Leben. Teller und Tassen, Lappen und Eimer, Hosen und Hemden, Konservendosen und Tüten. Hunderte von Dingen bleiben geduldig an ihrem Platz bis ich sie greife.
Wenn ich meine anprobierten Waren an diesen "Ständer" hänge - wann werden sie wohl an ihrem Platz zurück gebracht? Vielleicht sucht ein Kunde gerade nach einem Teil, das an diesem Ständer hängt. Es hängt dort und findet nicht den Weg zum Kunden. Ich werde auch in Zukunft meine Pullover, Hemden und Hosen wieder an ihren Platz zurückbringen. Nicht, um die Verkäufer zu entlasten. Die stehen sowieso oft nur herum. Ich tue das für mich und für die Sachen, die ich anprbiere. Und ich erinnere mich daran, dass ich selber auch einen Platz brauche, wo ich sein darf. Ein Platz, den mir niemand streitig macht. Ich möchte auch nicht entsorgt werden und an einem Ort landen, den ich mir nicht ausgesucht habe. Und? Hast du deinen Platz schon gefunden?
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Dienstag, 2. Juli 2024

Gott ist in uns daheim, wir sind in der Fremde (Meister Eckhart 1260 - 1327)


Schon lange begleitet mich dieser Vers von Meister Eckhart. Gerade in der Urlaubszeit kommt er mir wieder in den Sinn. „Gott ist in uns daheim, wir sind in der Fremde.“ Der Vers spielt mit dem Gegensatzpaar „Daheim“ und „Fremde“.
Mit dem Wort „Daheim“ bekomme ich ein Wohlgefühl. Ich bin geborgen und fühle mich angekommen. Ich darf gelassen sein und mich entspannen. Dieser Platz gehört mir und ich muss nicht darum kämpfen. Ich muss nicht fragen, ob ich bleiben darf oder gehen muss. Ich bin „daheim“.
Mit dem Wort „Fremde“ verbinde ich ein ganz anderes Gefühl. Kinder fremdeln, wenn sie jemand Unbekanntem begegnen. In der Fremde befinde ich mich in einem mir unbekanntem Land und betrete unvertrautes Terrain. Hier ist nicht mein Platz. Ich bin Gast für eine Zeit. Möglicherweise nur geduldet und mit der Erlaubnis eines „Fremden“. Die damit verbundene Unsicherheit ist für Manche nur schwer auszuhalten. In der Fremde bekomme ich Sehnsucht nach „Daheim“. Aus meiner Ferienlagerzeit kommen mir da die Kinder in den Sinn, die sehr unter „Heimweh“ litten vor allem am Abend, allein im Bett und ohne die schützende Nähe der Mutter.
Aber so eindeutig, wie ich es hier gerade schreibe, sind die Gefühle gar nicht. Mit „Daheim“ verbinde ich auch manchmal die Langeweile und die Eintönigkeit. Das kenne ich schon! Immer das Gleiche! Dann möchte ich aufbrechen und in die „Fremde“ gehen. Das verheißt Spannung und Abenteuer. Du machst neue Erfahrungen. Du fühlst dich lebendig. Die mögliche Angst vor dem Unbekannten weicht dem Kribbeln von aufgeregter Erwartung. Wenn niemand die Fremde lieben würde, dann gäbe es keinen Tourismus. Dann würden wir auf unser Haus beschränken uns im Garten oder auf dem Balkon ausruhen.
Manche reisen in die Fremde, in den Urlaub, um etwas hinter sich zu lassen. Den Stress, die Unzufriedenheit, die negativen Erlebnisse und Erfahrungen, ein wenig Flucht vor dem Alltag und der Wunsch, dass in der Fremde das Bessere auf mich wartet nach dem Motto: Daheim fühle ich mich fremd und in der Fremde werde ich neue Heimat finden. Zum Teil wird sich dieser Wunsch leider als Trugschluss erweisen.
Wohin du auch gehst, du nimmst dich immer mit. Deine Ängste sind im Gepäck, deine Eigenschaften, dein Charakter, halt deine komplette Persönlichkeit. Und es kann dir geschehen, dass du in der Fremde dieses Gepäck viel deutlicher wahrnimmst als in deiner kuscheligen Heimat. Wenn ich zum Beispiel zu Hause geizig bin, werde ich nicht auf einmal großzügig nur, weil ich mich an einem anderen Ort befinde.
Meine Gedanken führen mich zu der Idee hin, dass das „Daheim“ und die „Fremde“ zugleich Anteile in uns sind. Ich kann in der Fremde daheim sein und daheim mich fremd fühlen. Diese Gefühle sind unabhängig vom äußeren Ort. Die Orte können mich schneller zu diesem Lebensthema hinführen. Manchmal spürst du eben, wie fremd du dir selber bist. Wer bin ich eigentlich? Was bleibt von mir, wenn ich nicht mehr Familienmutter oder Vater bin. Was bleibt von mir, wenn ich in Rente gehe. Was bleibt von mir, wenn ich mein Haus oder meine Wohnung wegdenke? Bin ich dann noch in mir „daheim“? Wenn alles mir zwischen den Fingern zerrinnt, bleibt noch etwas übrig von mir?
Du kannst da sehr schnell ein absolutes Gefühl von Fremdheit und Verlorenheit bekommen. Du kannst aber auch ein „Dennoch“ – Gefühl spüren von tiefer Heimat jenseits aller Fragen. Die Frage nach Fremde und Heimat ist für mich zugleich eine tief spirituelle Frage. Wir verwechseln da manchmal Kirche mit Gott und denken, dass die Heimat in der Kirche die Heimat in Gott mit einschließt. Auf einmal machst du die Erfahrung, dass die Kirche keine Heimat mehr für dich ist, aber Gott umso mehr. Wir leben in einer Zeit, in der es da keine Eindeutigkeiten mehr gibt.
Meister Eckhart gibt uns einen wichtigen spirituellen Hinweis. Gott ist in uns daheim. Wenn wir das registrieren, in uns aufnehmen, uns damit vertraut machen, dem nachspüren und unsere Aufmerksamkeit dahin lenken, dann breitet sich auf einmal in uns Frieden aus. Du bist von jetzt auf gleich daheim, zu Hause in dir. Du musst nirgendwo mehr hin um Heimat zu finden. Du verreist aus Lust, aber nicht mehr mit dem Ziel, dass da etwas ganz besonderes geschehen muss. Stell dir vor, Gott wohnt in dir und du bist auf der Suche nach ihm. Das Einfachste kommt dir dabei nicht in den Sinn. Du gehst den Weg nach innen in dein Herz und – kommst an. 

Montag, 1. Juli 2024

Menschen kommen, wo Menschen sind (aus Island)


Im Urlaub nehme ich wahr, dass in dem einen Café alle Plätze besetzt sind und nebenan sitzt niemand.
Manche Straßenmusiker ziehen die Menschen so an, dass die Leute stehen bleiben und einen Kreis um den Musiker bilden. Andere musizieren und die Leute gehen achtlos vorbei.
Kennst du folgende Situation? "Lass uns mal da nachschauen! Da sind so viele Leute! Da ist bestimmt was los!" Menschen kommen, wo Menschen sind. So sagt man in Island.

Ich könnte auch ergänzen: Menschen kommen, wo "echte" Menschen sind. Wo die Menschen menschlich sind. Es gibt Menschen mit einer positiven Ausstrahlung. Mit denen bist du einfach gerne zusammen. Da fühlst du dich wohl und du bekommst etwas. Ein gutes Wort. Ein Lächeln. Ein freundlicher Blick. Wo solche Menschen sind kommen immer wieder Menschen hinzu. Eine Gruppe von menschlichen Menschen, die wie eine Tankstelle wirken.

Davon wünsche ich mir mehr. Ich war einmal am Rande einer Wahlkampfveranstaltung. Echter Kampf! Kampf mit Parolen und fuchtelnden Händen. Aufgeladene Leute. Desinteressierte oder frustrierte Menschen auf einem Platz versammelt. Da treibt es mich schnell fort. Da möchte ich nicht bleiben. Das tut mir nicht gut!

Bist du ein Mensch, der andere Menschen anzieht. Einer, wo andere sich gerne in der Nähe aufhalten? Weißt du, wie du etwas dafür tun kannst, dass sich das noch verstärkt? Menschliche Menschen lieben andere Menschen. Sie schauen nicht danach, wie der andere aussieht. Was er so denkt oder macht. Erst einmal lieben sie. Ohne Grund. Mit einem großen und weiten Herzen. Und das wünsche ich dir! Ein großes und offenes und weites und großzügiges Herz!
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