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Montag, 14. März 2022

Ich verschwinde mal eben!

In diesem Kunstwerk von Jacob Dahlgren, das sich in Berlin befindet kannst du verschwinden zwischen den Kunststoffbändern, die von oben herabhängen. Du gehst hinein und wirbelst alle Bänder auf. Nach wenigen Augenblicken jedoch tritt wieder Ruhe ein. Du kannst darin stehen und die Bänder umhüllen dich. Die Welt hat dich verschluckt. Du warst mal da. Und jetzt bist du es nicht mehr.
Du bist einfach verschwunden. Von außen unsichtbar. Da hängen die Bänder in ihren verschiedenen Farben unschuldig und verschweigen das Geheimnis in ihrem Inneren. Stell dir doch einmal vor, dass du spazieren gehst in einem Wald. Der Wald verschluckt dich und du bist von dieser Welt verschwunden. Du bist nicht mehr da. Wer wird dich suchen? Wer wird nach dir fragen? Wer wird dich vermissen?
Du selbst befindest dich im Wald oder zwischen den Bändern des Kunstwerkes und verlierst die Orientierung. Du findest nicht mehr hinaus. Du beginnst, dich in den Bändern oder im Wald einzurichten. Das wird deine neue Wirklichkeit. Zu Beginn gibt es die Suche nach dem Ausweg. Die Angst. Die Verzweiflung. Die Resignation. Das Annehmen der neuen Wirklichkeit. Du wirst zum Teil des Waldes oder zum Innenleben eines Kunstwerkes. Die Welt außen wird auch weiterlaufen. Deine Angehörigen werden dich vermissen, aber sie müssen weiterleben - auch ohne dich. Du im Wald und der Rest der Welt im Rest der Welt.
Befremdlich? Eigentlich nicht. Wenn genauer in dich hineinspürst wirst du feststellen, dass du immer schon deine eigene Innenwelt hattest. Da kommt niemand hinein. Es ist völlig deine Welt. Du kannst in ihr abtauchen und niemand kann folgen. Wer kann genau deine Gedanken denken oder deine Gefühle fühlen? Deine Gefühle kannst nur du fühlen. Du kannst mir davon erzählen, wie sich das anfühlt, aber es werden dann immer noch nicht meine Gefühle. Du lebst immer schon in deinem Wald und in deinem Kunstwerk von herabhängenden Bändern. Niemand kann dir dahin folgen und wenn du willst, kannst du einfach verschwinden. Mal so eben.
Manchmal wirst du dir deiner inneren Einsamkeit bewusst. Du allein in deinem inneren Wald. Aber du kannst diesen Wald und auch das Kunstwerk verlassen. Du kannst in Verbindung gehen. Das ist die andere Seite der Wirklichkeit. Du kannst im Inneren verschwinden und du kannst wiederkommen. Beobachte doch einmal bei einem Gespräch mit einer Freundin, was da geschieht. Plötzlich ist deine Freundin/dein Freund verschwunden und auf einmal wieder da. Oder du bist verschwunden und dann wieder da. Manchmal merkst du, dass du "in Gedanken" warst und machmal auch nicht. Das Ziel könnte heißen: Ich steuere diesen Prozess selber! Immer mehr!
www.matthias-koenning.de

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