Nur sehr wenige Menschen haben nie Angst. Das wiederum ist für andere sehr beängstigend. Jemandem zu begegnen, der mitten in Gefahren hineingeht ohne Zittern und Stocken.
Eigentlich haben alle Menschen Angst. Nur mit unterschiedlichen Themen verknüpft. Angst vor einem Virus, vor dem Fallen, vor zu viel Nähe, vor zu wenig Nähe, vor Verlusten. Wir können das Leben so wahrnehmen, dass ständig das Etikett Angst dran klebt. Zum Glück sind wir Meister im Bewältigen, Wegschieben, Ablenken, medikamentös Herunterregeln, Gewöhnen und Ignorieren. Und großartig, wer ein breites Spektrum an Bewältigungsstrategien beherrscht. Magst du mal einer vielleicht ungewöhnlichen Idee folgen
In der Regel gibt es eine Situation wie das Auftauchen eines Virus, ein steiler Abhang vor mir oder eine menschliche Bedrohung mit der Stimme oder der Faust. Ganz schnell reagiert unser autonomes Nervensystem mit Kampf, Flucht oder Erstarren. Dann gibt es einen Gedanken: „Wie kann ich das jetzt einschätzen? Wie gefährlich ist es? Habe ich noch Zeit für eine angemessene Reaktion?“ Zugleich wird in unserem Körper etwas ausgelöst das wir schnell mit einem Gefühlsnamen bezeichnen: „Angst!“ Oft beschäftigt uns dann der Gedanke, was wir tun sollen und wie wir das unangenehme Gefühl wieder loswerden. Irgendwann entsteht das Grübel-Karussell, das immer wiederkehrende Angstgefühl und die Angst vor der Angst. Dieses dicke Paket ist uns im Laufe der Jahre sehr vertraut und wir tun viel dafür, das zu vermeiden.
Wie wäre es, wenn wir mal für einen Augenblick nur kurz den Gedanken zulassen und nicht sofort uns von der Angst verschlingen lassen sondern beim Körper selbst bleiben. Genauer bei dem, was das, was gerade geschieht, wo in unserem Körper auslöst? Wie geht das, was geschieht dabei, und inwiefern kann das hilfreich sein?
Es gibt immer eine Reaktion im Körper. Wir schwitzen, hören auf zu atmen, im Brustbereich kann sich etwas zusammenziehen, der Hals kann sich zugeschnürt anfühlen. Da gibt es ein Klopfen oder Pochen, Es wird warm oder kalt. Es fühlt sich bei Gefahren besonders unangenehm an. Anstatt zu denken können wir in den Körper hineinspüren.
Du schließt die Augen und denkst kurz an dein Thema. Dann reagiert der Körper und du beobachtest und nimmst wahr, was da gerade auftaucht. Du stellst dir vor, dass du dich einfach danebensetzt in einem Abstand, wie es sich besser anfühlt. Vielleicht magst du ganz nah dran sein oder lieber weiter weg. Dann beobachtest du das, was sich da im Körper zeigt. Wie groß ist es? Hat es eine Farbe oder eine Form? Verändert es sich oder wandert es? Du kannst mit dem, was da auftaucht, Kontakt aufnehmen. Du kannst „Hallo?“ sagen und abwarten, ob dieser Teil im Körper reagiert. Dann taucht vielleicht ein Impuls auf. Du möchtest tiefer atmen oder seufzen. Oder die Hand da hinlegen und spüren, ob es dadurch leichter wird. Du kannst die Position der Wahrnehmung verändern, indem du wieder näher ran gehst oder weiter weg. Du bleibst einfach dabei, ohne etwas damit zu machen. Du wirst vielleicht erfahren, dass das Unangenehme ein wenig zurückweicht. Dass es sich ein wenig angenehmer anfühlt. Dass es dir gut tut, in der Ohnmacht etwas machen zu können.
Eine angstauslösende Situation führt häufig in eine Hilflosigkeit. Die „Arbeit“ mit dem Körper unterstützt dich dabei, wieder handlungsfähig zu werden. Im Körper zeigt sich die ganze Wahrheit auf völlig ehrliche Art und Weise. Es lohnt sich, eher zu spüren als ständig die gleichen Gedanken zu denken und dann unangenehme Gefühle zu bekommen. Die Idee heißt also: Weder weg von der Angst noch Angriff oder Erstarrung. Sondern sich freundlich danebensetzen und spüren, ob mehr und mehr ein kleiner Freiraum entstehen kann.
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