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Freitag, 12. Januar 2024

Ich würde mich ja gern entschuldigen, aber es tut mir einfach nicht leid.

Das höre ich öfter mal. "Der hat sich nicht einmal entschuldigt! Ich habe ihm gesagt, dass er mir das nicht antun durfte und das mich das total gekränkt hat. Bis heute warte ich auf eine Entschuldigung. Wenn er das täte, dann könnte ich raus aus meiner Kränkung. Aber solange der sich nicht entschuldigt, rede ich kein Wort mehr mit ihm."
Dieser andere ist sich vielleicht gar keiner Schuld bewusst. Oder er wollte bewusst kränken, weil er zuvor gekränkt wurde. Kränkung und Gegenkränkung. Aber das stimmt schon. Wenn ich sage: "Es tut mir leid!" dann heißt das übersetzt vom Wort "leidtun": "Ich leide darunter, dass ich dir das jetzt angetan habe. Ich habe dir Leid zugefügt und so für Unfrieden gesorgt." Das Gespür für Leid ist die Voraussetzung für den Frieden verbunden mit dem Wunsch, das Leiden zu lindern oder zu beseitigen. Wenn ich mich entschuldige, dann wünsche ich mir, dass die für alle Beteiligten leidvolle Situation beendet wird. Ich beseitige das entstandene "Schuld-" oder "Leidenspaket". Ich räume auf. Ich kann es nicht ungeschehen machen. Es bleiben Narben zurück. Aber ich kann als Mitverursacher Salbe auf die Wunde streichen und dafür sorgen, dass das Leid gemildert wird.
Eine Entschuldigung ohne diese innere Versöhnungsarbeit entspricht zwar den Konventionen, ist aber nicht sehr wertvoll, wenn das Herz nicht mitschwingt. Vielleicht kennst du auch das Gefühl bei dir, wenn sich jemand entschuldigt, aber da kommt nichts bei dir an. Da kann es geschehen, dass du dich danach noch gekränkter fühlst. Also noch "kränker" als vor der Kränkung. Und wenn der andere sich nicht entschuldigen möchte dann auch, weil dieser das intuitiv weiß. "Wenn ich mich jetzt pro forma entschuldige, wird es nicht ankommen und verstärke das Leid. Also sage ich lieber nichts und schweige und hoffe, dass es irgendwann weitergeht."
www.matthias-koenning.de

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