Der Held eines Märchens
macht sich auf den Weg, um einen Schatz zu finden. Nach der Bewältigung zahlreicher
Aufgaben stößt er irgendwann auf den Schatzhüter. Außermenschliche Wesenheiten
wie Drachen, Zwerge, Gnome oder Feen sind in der Regel für diese Aufgabe zuständig.
Sie halten die kostbaren Dinge zusammen und passen auf, dass kein
Unberechtigter sich diese Schätze aneignet.
Welche Qualitäten braucht
ein Schatzhüter? Nun, er kennt sich bestimmt aus mit den menschlichen Schwächen
wie Gier und Neid. Er ist mutig und stellt sich entschlossen jedem Eindring
entgegen. Auch sein Leben setzt er dabei aufs Spiel. Er weiß um die Qualität
und Bedeutung seines Schatzes und kennt hoffentlich jedes noch so kleine Teil.
Er weiß von zahlreichen Sicherungstechniken und ist immer wachsam.
So weit zum Schatzhüter im
Märchen und jetzt zu dir und mir. Auch du trägst einen Schatz in dir. Du bist
so kostbar und wertvoll. Du bist so liebenswert! So einmalig! Kannst du vor dem
Spiegel stehen und dich anschauen und alle Qualitäten sehen, die in dir
schlummern? Oder findest du das peinlich? Du siehst eher deine Defizite? Die
Körperteile, die du nicht magst? Du denkst oft, dass du etwas nicht richtig gemacht
hast? Es hat nicht ausgereicht?
Manchmal bewegst du dich
im Bewertungsmaßstab der Schulnoten von befriedigend über ausreichend bis
mangelhaft und ungenügend. Leider sind wir von diesem Notensystem sehr geprägt.
Solche Noten findest du nie: hervorragend, super, toll, klasse, außerirdisch.
Da fehlt außerdem ein Satz, der vor und über allen Bewertungssätzen steht.
„Bevor ich dir eine Note gebe sage ich dir, dass ich dich liebe! Und das ist
mir wichtiger als jede Bewertung.“ Stell dir doch einmal vor, dass als erster
Satz auf jedem deiner Schulzeugnisse stehen würde: „Du bist ein wertvoller
Schatz unserer Schulgemeinschaft. Wir freuen uns, dass du da bist und wünschen
uns, dass du dich hier bei uns wohlfühlst. Was wir dafür tun können, wollen wir
dir gerne anbieten. Und wenn du etwas vermisst, dann sprich uns gerne an. Es
ist uns eine Ehre, dass du diese Schule ausgewählt hast.“
Stell dir vor, dass du
einen solchen Satz auf deinem Zeugnis lesen würdest. Welche Bedeutung hätten
dann noch die klassischen Noten? So sehen unsere Zeugnisse leider bis heute
noch nicht aus. Dein Leben wurde geprägt von Noten sehr gut bis ungenügend - ohne
den wertschätzenden Vorsatz.
Im Wort Wertschätzung
verbergen sich „Wert“ und „Schatz“. Kannst du dich selber gut wertschätzen? Wenn
ja, dann bist du in deiner Kindheit gut genährt worden oder du hast dich
prächtig entwickelt trotz schlechter Noten. Herzlichen Glückwunsch!
Vielleicht gehst du aber eher
kritisch mit dir um. Ständig finden in dir Gerichtsverhandlungen statt mit dem
Urteil: „Schuldig!“ Ich lade dich ein, dass du dich von diesem selbstzerstörerischen
Spiel verabschiedest. Es hat genug Schaden angerichtet. Und es ist ungesund für
Körper, Geist und Seele und hilft dir nicht bei deiner Weiterentwicklung.
Ich lade dich ein, dass du
jetzt einmal Kontakt aufnimmst mit deinem Schatzhüter, deiner Schatzhüterin in
dir. In dir gibt es eine Instanz, die genau weiß, worin deine Qualitäten bestehen.
Sie passt auf dich auf, dass dich niemand kränkt oder verletzt. Sie verhindert
aber auch manchmal, dass du auf deine Schätze zugreifen kannst. Du brauchst
eine gute Verbindung zu ihr, damit du nicht ständig vor verschlossenen Türen
stehst.
Bist du schon mal einem Schatzmeister
oder Kassierer in einem Verein begegnet oder sogar selber einer gewesen? Wie
gehen diese mit dem Geld um? Verteilen sie großzügig den Bestand bis nichts
mehr da ist? Oder halten sie alles zusammen und feilschen um jeden Euro, den
sie herausrücken sollen?
Ihr Job besteht darin, das
Eigentum eines Vereins zu verwalten und zu beschützen. Aufpassen, dass nichts
einfach so wegkommt. Nicht ohne Erlaubnis, ohne Sinn oder ohne Erklärung. Dabei
kann ein Schatzmeister übertreiben in die eine oder andere Richtung. Er muss ja
schließlich am Ende der Periode dafür Rechenschaft ablegen.
In dir gibt es auch so
einen Schatzhüter, einen Schatzmeister, der aufpasst und abwägt. Ich möchte dir
empfehlen, dass du dich mit ihm gut stellst. Wenn er dich mag, dann kann er
sehr großzügig sein. In den Märchen werden Schatzhüter manchmal mit Brot oder
Schmeicheleien gefüttert, damit sie ihre Achtsamkeit verlieren. Ein Schatzhüter
kann zum Türöffner werden, wenn du ihn freundlich behandelst. Du möchtest ja
schließlich einen Zugang erhalten zu deinen inneren Schätzen, oder?
Hast du schon einmal
Kontakt zu dieser inneren Instanz aufgenommen? Ist sie bei dir männlich oder
weiblich? Wo wohnt sie in deinem Körper und wie fühlt sie sich an? Was mag sie
und was mag sie überhaupt nicht? Mit welchen Sätzen und Angeboten könntest du
einen Zugang finden? Wirst du einen Drachen treffen oder doch eher einen Gnom
oder eine gute Fee?
Wenn du dich vor einen
Spiegel stellst, dich anschaust und dich so überhaupt nicht magst, dann macht
dein Hüter einen tollen Job. Er hält dich fern von allen inneren Schätzen der
Wertschätzung deiner selbst. Möchtest du, dass es so bleibt, oder hättest du
lieber eine kleine Änderung? Wenn du magst, dann spreche ich jetzt mal mit ihm.
„Hallo Schatzhüter von (hier
setzt du deinen Namen ein). Du machst einen tollen Job. Danke, dass du so gut
auf alle diese Schätze im Inneren deines Menschleins aufpasst. So kann nichts
verlorengehen. Und du bist ein wundervolles Wesen. Wie lange schon achtest du darauf,
dass nichts passiert, was deinem Menschlein schaden könnte. Ohne dich wäre es
da drinnen bestimmt ganz leer. Du bist ja schließlich extra gekommen, weil dein
Menschlein oft beschimpft wurde mit solchen oder ähnlichen Sätzen wie: ‚Sei
vorsichtig! Mach das richtig! Kannst du nicht aufpassen!’ Solche Kränkungen
kann auf die Dauer niemand ertragen. Da ist es besser, die innere Tür sicher zu
verschließen.
Lieber
Schatzhüter von ... Jetzt ist dein Menschlein im Laufe der Jahre ein
erwachsener Mensch geworden. Kannst du wahrnehmen, wie er vor dem Spiegel steht
und ständig Zweifel an sich hat und sich in Frage stellt? ‚Bin ich in Ordnung,
so wie ich bin? Muss ich etwas verändern?’ Wenn du dann immer die Tür zum
Schatz zuhältst kann dein Mensch wirklich verzweifeln. Er glaubt tatsächlich,
dass da gar nichts vorhanden ist. Nur, weil du deinen Job so gut machst, fühlt
sich dein Mensch irgendwie klein und unbedeutend. Ich möchte dich einladen, die
Tür einfach mal zu öffnen. Schau, wie dein Mensch sich auf einmal freut, wenn
er die vielen Schätze sieht. Hol doch mal die eine oder andere Kostbarkeit heraus!“
Und
jetzt möchte ich dich einladen lieber Lesemensch, dass du die Stimme deines
inneren Schatzes hörst. „Hallo du ...! Du ... bist so kostbar und wertvoll. Wie
schön, dass du da bist auf dieser Welt. Du ... bist mein Baby und mein Engel.
Ich bin so gerne mit dir zusammen. In deiner Nähe fühle ich mich frei und
geborgen zugleich. So lange wollte ich dir das schon sagen, aber der
Schatzhüter hat mich nicht gelassen. Er dachte, es sei besser, die Türe zu
schließen, damit eine eventuelle Verurteilung oder Bewertung nicht so weh tut.
Leider hat er damit auch verhindert, dass ich dir Liebe schenken konnte. Aber
jetzt darf ich ein wenig nachholen und nachnähren. Siehst du, wie der
Schatzhüter staunt! Siehst du, wie er sich mit dir freut? Er darf mal Pause machen
von seinem anstrengenden Job. Du bist ja auch inzwischen erwachsen. Du kannst
es verkraften, wenn dich mal jemand nicht so liebevoll ansieht. Was hältst du
davon, diesen Kanal offener zu halten? Das würde mich freuen. Ich hätte es viel
leichter und ich könnte dir immer wieder etwas Nettes ins Ohr flüstern. Dein
Schatzhüter könnte mich dabei unterstützen. Vielleicht als Übersetzer? Oder
Postbote? Du könntest dir dann sagen, wie gerne du dich selber hast. Ist das
ungewöhnlich? Neu für dich? Genieße es einfach! Du mein Baby und mein Schatz
und mein Engel. Schön, dass ich bei dir sein darf!“
Wenn
du Zugang bekommst zu deinen inneren Schätzen, kannst du mit deinem Schatzhüter
besprechen, wie er seine Aufgabe verändern kann. Eigentlich geht es mir ja um
den Schatz in dir und nicht um den Hüter. So ist das auch in den Märchen. Am
Ende soll der Schatz gehoben werden. Aber der Weg dahin führt über den
Schatzhüter. Eigentlich bist du ja selber dieser Schatz in dir. Du kannst zu
diesem Anteil sprechen und dieser Anteil kann zugleich mit dir reden. Oder du
sprichst einfach mit dir selbst.
So
nebenbei fällt mir ein, dass die Natur auch den Schatzhüter kennt. Die Kastanie
wird beschützt durch einen stacheligen Mantel. Die Erbsen haben ihre Schoten
und die Nüsse ihre Schale. Das Innere will behütet sein. Zugleich liegt es als
Geschenk für dich bereit. Du musst nur den Schatzhüter beachten und es
auspacken.
Jesus
sagt im Thomasevangelium: „Das Reich Gottes ist inwendig in euch.“ In dir gibt
es also eine ganze Welt voller Liebe und Wertschätzung. Ich wünsche mir, dass
du diesen Schatz entdeckst und für dein Leben nutzt. Als kleines Baby hast du
diese Wahrheit noch wie selbstverständlich verkörpert aber durch die abweisenden
Erlebnisse in der Kindheit verloren. Als erwachsener Mensch darfst du nun diese
wunderbare Wahrheit wieder entdecken.
www.matthias-koenning.de
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