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Montag, 5. September 2016

Sei geduldig mit allen Fragen in deinem Herzen, und versuche, die Fragen an sich zu schätzen. (Rainer Maria Rilke)

Du bewegst eine Frage in deinem Herzen und suchst nach einer Antwort. Deine Ungeduld möchte oftmals eine zügige Antwort, vor allem, wenn du leidest. Du fragst, warum du immer so ungeduldig bist mit dir und den Menschen in deiner Familie. Du fragst dich, warum es dir nicht gelingt, den ganzen Tag ausgeglichen und guter Laune zu sein. Du fragst, warum das Leben so ungerecht zu dir ist. Du glaubst, dass dann, wenn du eine Antwort darauf hast, es dir besser geht.
Nach meiner Erfahrung gibt es keine letzten Antworten auf ein "Warum?". Hinter jedem "Warum" gibt es ein neues "Warum". Schon die Kinder, die so fragen, zeigen es dir. Du beantwortest geduldig jede Frage, aber irgendwann spürst du das brühmte Loch in deinem Bauch und sagst: "Schluss. Kein "Warum?" mehr!"
Rilke lädt dich ein, bei der Frage selbst zu bleiben. Lerne, deine Fragen zu schätzen und nicht eine Antwort zu erwarten. Nehmen wir doch einmal eine sehr philosophische Frage. "Wozu bin ich auf dieser Welt?" Jetzt kannst du dich direkt ans Antworten begeben. Du könntest sagen, weil deine Eltern sich liebten oder weil es im Plan Gottes liegt. Du könntest aber auch die Frage einfach einmal stehen lassen. Wozu bin ich auf dieser Welt? Wenn ein Antwortgedanke auftaucht, dann stoppe ihn einfach.
Bleib also bei der Frage selbst stehen, ohne auf eine Antwort zu warten. Welche Erfahrungen machst du dabei? Kommt vielleicht ein Gefühl? Wenn ja, welches? Entsteht Freude oder Trauer? Empfindest du vielleicht sogar einen Schmerz, weil da eine Leere entsteht? Das "Wozu" könnte zu einer sehr tiefen und persönlichen Sinnfrage werden. Wer ist das "Ich", das da fragt? Von welcher Welt sprichst du überhaupt, der sichtbaren oder der unsichtbaren Welt? Wo gehört das hin, was du so selbstverständlich "Ich" nennst? Es kann geschehen, dass du die Frage mehr liebst als die Antwort. Denn jede Antwort wird vorläufig sein. Wenn du deinen Kindern eine Antwort gibst bist du froh, wenn es nicht weiterfragt und da eine Zufriedenheit entsteht. Zugleich weißt du, dass deine Antwort dem Kind gegenüber mehr Fragen offen lässt, als du Antwort gegeben hast.
Uns fällt es schwer, etwas im Raum stehenzulassen. Wir mögen Stabilität und nicht die Schwebe. Fragen schweben eher als dass sie stabilisieren. Versuche, die Fragen an sich zu schätzen. Die Fragen wirken wie ein Motor, der dich weiter vorantreibt, neue Erfahrungen zu machen und auf der Suche zu bleiben.
www.matthias-koenning.de

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