Von allem, was es auf der Welt gibt kannst du sehr viel oder auch nur einen Hauch haben. Ein Hauch von Sonne, Winter, Mord, Film, Italien, Liebe, Tannenduft, Zärtlichkeit oder Zimt. Sogar das Nichts kann existieren mit einem kleinen Hauch.
Ein Hauch von Etwas
ist nicht viel. Ein Hauch ist sehr wenig. Sogar weniger als wenig. Fast nichts.
Aber eben nur fast nichts. Homöopathische Mittel enthalten auch nur einen Hauch
von Etwas. Sogar weniger als einen Hauch. Eigentlich bleibt nur die Information
übrig. Informationen in Tropfen oder Globuli.
Dabei hat es der
Hauch in sich. Stell dir vor, dass es drückend heiß ist und die Sonne intensiv auf
dein Haupt scheint. Nirgendwo findest du Schatten. Wie würdest du jetzt einen
Hauch von Wind empfinden?
Das Gegenteil vom
Hauch wäre die pralle Fülle. Mehr als genug von Etwas. Pralles Italien, fette
Liebe, betörender Tannenduft, krasser Mord. Jesus würde in diesem Fall vom Leben
in Fülle sprechen. Ich selber mag diese Fülle sehr. Ich sehe die Auslagen beim
Bäcker und darf wählen. Ich sehe die vielen Sorten Eis und kann mich in einen
Eisbecher reinsetzen. Ich muss keine Angst vor dem Mangel haben. Fülle ist das
Rezept für alle, die als Kinder zu kurz gehalten wurden. Ab und zu Pommes essen
bis zum Abwinken. Beim letzten Betriebsausflug waren wir in einem Flammkuchen –
Restaurant mit dem Konzept: all you can eat. Eine junge Kollegin fragte mich,
ob ich als Kinder Hunger leiden musste. Sie hielt mich für ein Kind der
Kriegsgeneration. Eine andere Kollegin erzählte voller Stolz, wie viele
Flammkuchen sie beim letzten Mal mit ihrem Freund verdrücken konnte. Je mehr
Flammkuchen uns gebracht wurden, desto schneller verschwand meine Lust. Es gab
dann nur noch die Gier und die Befriedigung der Gier. Das Schmecken trat in den
Hintergrund.
Ständig bewegen
wir uns zwischen Hauch und Fülle. Ich wünsche mir die Fülle. Wenn sie da ist
kann ich sie für einen Moment genießen. Aber es stellt sich irgendwann ein
gewisses Maß an Sättigung ein und dann wäre eine Pause sinnvoll und angebracht.
Eine Pause vom
Essen? Eine Pause von der Liebe? Auf die Fülle verzichten? Ein Teil von mir
sagt: „Lieber nicht! Das muss nicht sein. Der Krieg ist schließlich schon lange
vorbei.“ Ich gehöre doch wohl zur Generation die manchmal „kriegsmäßig“ denkt.
Ich glaube
dennoch, dass wir als Menschen für die totale Fülle nicht geschaffen sind. Das
überfordert unser System. Zu viel von Etwas scheint für uns schädlich zu sein.
Das gilt auch in der Gottesbegegnung. Die zwei Jünger auf dem Berg der
Verklärung konnten das gleißende Licht kaum ertragen. Unser Geist und unsere
Seele vertragen nur irdische Portionen. Nicht mehr als zwei Flammkuchen und
eine homöopathische Dosis von Gott.
Wünsche dir also
nicht wirklich eine vollkommene Gottesbegegnung. Sie würde dich umhauen. Du könntest
sie nicht tragen. Besser nur kleine Schritte machen. Kein Sprung ins eiskalte
Wasser, sondern eine langsame Gewöhnung.
Schau doch noch
einmal mit mir auf die kleine Dosis. Dem Hauch von Etwas. Verlockender als du
ahnst. Stell dir einmal einen Hauch von Berührung vor. Es findet kein
Körperkontakt statt. Aber jemand kommt dir so nahe, dass du so gerade etwas
spürst. Stell es dir jetzt vor! Gerade jetzt kommt die Hand eines Freundes,
einer Freundin und möchte dich berühren. Was geschieht? Richten sich deine
feinen Härchen auf? Läuft dir ein wohliger Schauer über den Rücken? Fühlt es
sich warm an? Oder gehst du in Alarmstellung? Witterst du Gefahr? Bei mir
reicht der Hauch einer Vorstellung aus, dass mein Körper reagiert.
Ich sehe die
unglaubliche Kraft und Macht des Hauches. Der Hauch einer Chance kann mehr
entfalten als die Chance selber. Der Hauch besitzt ein eigenes Potential. Wenn
du hauchst, dann hat das ja mit deinem Atem zu tun. Du belebst das, was
außerhalb deiner selbst ist. Du atmest ein und im Ausatmen belebst du die Welt.
Du musst nicht pusten und nicht einmal kräftig ausatmen. Es reicht aus, wenn du
hauchst.
Wenn du deine
Kinder anbrüllst, weil sie etwas angestellt haben und du dich ärgerst, wirst du
nicht weit kommen. Deine Kinder werden sehr schnell immun gegen dein Schreien.
Wenn du aber deinen Ärger leise hauchst und zugleich voll körperlich fühlst
kann sich daraus ein gefährlicher Sturm entfalten, der fast ohne Töne auskommt.
Erinnerst du dich
an die Anfangsszene des Westerns: „Spiel mir das Lied vom Tod?“ Da geschieht
minutenlang fast nichts. Ein Windrad quietscht. Eine Fliege surrt. Gesichter
und langes Warten. Ein Hauch von Nichts in dem sich die Katastrophe nähert.
Der Hauch
versteckt mehr als dass er etwas zeigt. Er deutet nur an. Das gilt auch für die
Kleidung. Die Frau ist nicht nackt interessant, sondern in ihrem Hauch von
Nichts, das sie trägt. Das Versprechen! Die Einladung! Die Verheißung! Das
Spiel mit der Phantasie!
Ich möchte mit
dir diese Erfahrung gerne auf die Spiritualität und den Glauben übertragen. Gott
kann kein Interesse daran haben, sich in ganzer Fülle uns Menschen zu zeigen. Warum
sollte er? Es gäbe kein Spiel mehr. Wir würden ihn bei zu großer Nähe irgendwann
nicht mehr spüren. Wir würden uns möglicherweise langweilen. Wenn es aber nur
einen Hauch von Gott gibt in dieser Welt, dann leben wir immer in der Nähe
einer Explosion, die sich nie ereignet aber die stets verspricht, gleich zu kommen.
Du hast keine
Chance, in diesem Leben die Fülle Gottes zu erfahren. Wenn du aber bereit bist,
dich auf seinen Hauch einzulassen, wirst du Wunder erleben. Ein Hauch von Rosenduft
erscheint dir wie fast nichts aber dennoch sehr betörend. Ein Hauch von Gott wäre
für deine irdische Existenz mehr als genug. Es sei denn du bist bereit zu
sterben.
Stell dir vor,
dass Gott in dieser Schöpfung und in deinem Leben millionenfachen Hauch
ausgebreitet hat. Milliardenfache vibrierende Impulse, die von seiner
Anwesenheit Zeugnis geben. Von dieser Fülle an Hauchimpulsen kannst du dich
betören lassen!
Zugleich jedoch
kannst du ihn komplett ignorieren. Du kannst sagen: „Ich spüre nichts! Ich sehe
nichts! Ich höre nichts! Da ist nichts!“ Zwei Menschen im gleichen Universum
atmen den gleichen Hauch ein. Der eine wirkt auf dich wie im Rausch, der andere
spürt nichts. Was macht der Mensch anders, der dem Hauch auf der Spur ist und
ihm erliegt? Was unterscheidet ihn vom abgestumpften Trampel? Wer den Hauch von
Etwas bemerkt erinnert sich zurück an den Anfang der Schöpfung. Er nimmt das
wahr, was er immer schon kannte. Er riecht die Rose und erkennt den Duft wieder.
Ein Hauch reicht!
Ich nehme Gott
wahr, weil ich aus seiner Quelle komme und von seiner Art bin. Wenn ich mich
erinnere kann ich ihn wahrnehmen. Ich erkenne ihn wieder von früher. Von der
Zeit, als er und ich noch Eins waren. Und obwohl ich so weit entfernt von ihm
bin, reicht der Hauch aus. Er ist mehr als genug. Der Hauch ist zugleich die
Fülle!
Jesus war vertraut mit den Auswirkungen des
„Hauch-Prinzips“. Er hauchte die Jünger nach der Auferstehung an mit den
Worten: „Empfangt den Heiligen Geist.“ Die Bibel erzählt immer wieder davon,
wie Gott sich dem Menschen eher behutsam und vorsichtig nähert im Wissen um
seine umwerfende und kaum zu ertragende Präsenz. Weil wir seine Ebenbilder sind
tragen auch wir dieses Prinzip in uns. Beobachte einmal die Kraft und
Auswirkung deiner Gedanken. Nimm wahr was geschieht, wenn du dich mit deinem
Körper einer anderen Person näherst. Spüre in den Raum deines Herzens hinein
und nimm dort aus auf, was gerade in deiner Umgebung geschieht. Du wirst staunen,
was dein „Hauch“ bewirkt und ausmacht.
Vertrau auf die homöopathischen Dosen im Leben und koste den Hauch
aus. Ist dir schon einmal aufgefallen, dass der Hauch sich im Staunen
offenbart? Im Staunen öffnest du deinen Mund und atmest hörbar aus. Darin wirst
du zum Schöpfer und zur Schöpferin.
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