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Samstag, 3. September 2016

Ein Hauch von Etwas – oder die richtige homöopathische Dosis




Von allem, was es auf der Welt gibt kannst du sehr viel oder auch nur einen Hauch haben. Ein Hauch von Sonne, Winter, Mord, Film, Italien, Liebe, Tannenduft, Zärtlichkeit oder Zimt. Sogar das Nichts kann existieren mit einem kleinen Hauch.
Ein Hauch von Etwas ist nicht viel. Ein Hauch ist sehr wenig. Sogar weniger als wenig. Fast nichts. Aber eben nur fast nichts. Homöopathische Mittel enthalten auch nur einen Hauch von Etwas. Sogar weniger als einen Hauch. Eigentlich bleibt nur die Information übrig. Informationen in Tropfen oder Globuli.
Dabei hat es der Hauch in sich. Stell dir vor, dass es drückend heiß ist und die Sonne intensiv auf dein Haupt scheint. Nirgendwo findest du Schatten. Wie würdest du jetzt einen Hauch von Wind empfinden?
Das Gegenteil vom Hauch wäre die pralle Fülle. Mehr als genug von Etwas. Pralles Italien, fette Liebe, betörender Tannenduft, krasser Mord. Jesus würde in diesem Fall vom Leben in Fülle sprechen. Ich selber mag diese Fülle sehr. Ich sehe die Auslagen beim Bäcker und darf wählen. Ich sehe die vielen Sorten Eis und kann mich in einen Eisbecher reinsetzen. Ich muss keine Angst vor dem Mangel haben. Fülle ist das Rezept für alle, die als Kinder zu kurz gehalten wurden. Ab und zu Pommes essen bis zum Abwinken. Beim letzten Betriebsausflug waren wir in einem Flammkuchen – Restaurant mit dem Konzept: all you can eat. Eine junge Kollegin fragte mich, ob ich als Kinder Hunger leiden musste. Sie hielt mich für ein Kind der Kriegsgeneration. Eine andere Kollegin erzählte voller Stolz, wie viele Flammkuchen sie beim letzten Mal mit ihrem Freund verdrücken konnte. Je mehr Flammkuchen uns gebracht wurden, desto schneller verschwand meine Lust. Es gab dann nur noch die Gier und die Befriedigung der Gier. Das Schmecken trat in den Hintergrund.
Ständig bewegen wir uns zwischen Hauch und Fülle. Ich wünsche mir die Fülle. Wenn sie da ist kann ich sie für einen Moment genießen. Aber es stellt sich irgendwann ein gewisses Maß an Sättigung ein und dann wäre eine Pause sinnvoll und angebracht.
Eine Pause vom Essen? Eine Pause von der Liebe? Auf die Fülle verzichten? Ein Teil von mir sagt: „Lieber nicht! Das muss nicht sein. Der Krieg ist schließlich schon lange vorbei.“ Ich gehöre doch wohl zur Generation die manchmal „kriegsmäßig“ denkt.
Ich glaube dennoch, dass wir als Menschen für die totale Fülle nicht geschaffen sind. Das überfordert unser System. Zu viel von Etwas scheint für uns schädlich zu sein. Das gilt auch in der Gottesbegegnung. Die zwei Jünger auf dem Berg der Verklärung konnten das gleißende Licht kaum ertragen. Unser Geist und unsere Seele vertragen nur irdische Portionen. Nicht mehr als zwei Flammkuchen und eine homöopathische Dosis von Gott.
Wünsche dir also nicht wirklich eine vollkommene Gottesbegegnung. Sie würde dich umhauen. Du könntest sie nicht tragen. Besser nur kleine Schritte machen. Kein Sprung ins eiskalte Wasser, sondern eine langsame Gewöhnung.
Schau doch noch einmal mit mir auf die kleine Dosis. Dem Hauch von Etwas. Verlockender als du ahnst. Stell dir einmal einen Hauch von Berührung vor. Es findet kein Körperkontakt statt. Aber jemand kommt dir so nahe, dass du so gerade etwas spürst. Stell es dir jetzt vor! Gerade jetzt kommt die Hand eines Freundes, einer Freundin und möchte dich berühren. Was geschieht? Richten sich deine feinen Härchen auf? Läuft dir ein wohliger Schauer über den Rücken? Fühlt es sich warm an? Oder gehst du in Alarmstellung? Witterst du Gefahr? Bei mir reicht der Hauch einer Vorstellung aus, dass mein Körper reagiert.
Ich sehe die unglaubliche Kraft und Macht des Hauches. Der Hauch einer Chance kann mehr entfalten als die Chance selber. Der Hauch besitzt ein eigenes Potential. Wenn du hauchst, dann hat das ja mit deinem Atem zu tun. Du belebst das, was außerhalb deiner selbst ist. Du atmest ein und im Ausatmen belebst du die Welt. Du musst nicht pusten und nicht einmal kräftig ausatmen. Es reicht aus, wenn du hauchst.
Wenn du deine Kinder anbrüllst, weil sie etwas angestellt haben und du dich ärgerst, wirst du nicht weit kommen. Deine Kinder werden sehr schnell immun gegen dein Schreien. Wenn du aber deinen Ärger leise hauchst und zugleich voll körperlich fühlst kann sich daraus ein gefährlicher Sturm entfalten, der fast ohne Töne auskommt.
Erinnerst du dich an die Anfangsszene des Westerns: „Spiel mir das Lied vom Tod?“ Da geschieht minutenlang fast nichts. Ein Windrad quietscht. Eine Fliege surrt. Gesichter und langes Warten. Ein Hauch von Nichts in dem sich die Katastrophe nähert.
Der Hauch versteckt mehr als dass er etwas zeigt. Er deutet nur an. Das gilt auch für die Kleidung. Die Frau ist nicht nackt interessant, sondern in ihrem Hauch von Nichts, das sie trägt. Das Versprechen! Die Einladung! Die Verheißung! Das Spiel mit der Phantasie!
Ich möchte mit dir diese Erfahrung gerne auf die Spiritualität und den Glauben übertragen. Gott kann kein Interesse daran haben, sich in ganzer Fülle uns Menschen zu zeigen. Warum sollte er? Es gäbe kein Spiel mehr. Wir würden ihn bei zu großer Nähe irgendwann nicht mehr spüren. Wir würden uns möglicherweise langweilen. Wenn es aber nur einen Hauch von Gott gibt in dieser Welt, dann leben wir immer in der Nähe einer Explosion, die sich nie ereignet aber die stets verspricht, gleich zu kommen.
Du hast keine Chance, in diesem Leben die Fülle Gottes zu erfahren. Wenn du aber bereit bist, dich auf seinen Hauch einzulassen, wirst du Wunder erleben. Ein Hauch von Rosenduft erscheint dir wie fast nichts aber dennoch sehr betörend. Ein Hauch von Gott wäre für deine irdische Existenz mehr als genug. Es sei denn du bist bereit zu sterben.  
Stell dir vor, dass Gott in dieser Schöpfung und in deinem Leben millionenfachen Hauch ausgebreitet hat. Milliardenfache vibrierende Impulse, die von seiner Anwesenheit Zeugnis geben. Von dieser Fülle an Hauchimpulsen kannst du dich betören lassen!
Zugleich jedoch kannst du ihn komplett ignorieren. Du kannst sagen: „Ich spüre nichts! Ich sehe nichts! Ich höre nichts! Da ist nichts!“ Zwei Menschen im gleichen Universum atmen den gleichen Hauch ein. Der eine wirkt auf dich wie im Rausch, der andere spürt nichts. Was macht der Mensch anders, der dem Hauch auf der Spur ist und ihm erliegt? Was unterscheidet ihn vom abgestumpften Trampel? Wer den Hauch von Etwas bemerkt erinnert sich zurück an den Anfang der Schöpfung. Er nimmt das wahr, was er immer schon kannte. Er riecht die Rose und erkennt den Duft wieder. Ein Hauch reicht!
Ich nehme Gott wahr, weil ich aus seiner Quelle komme und von seiner Art bin. Wenn ich mich erinnere kann ich ihn wahrnehmen. Ich erkenne ihn wieder von früher. Von der Zeit, als er und ich noch Eins waren. Und obwohl ich so weit entfernt von ihm bin, reicht der Hauch aus. Er ist mehr als genug. Der Hauch ist zugleich die Fülle!
 Jesus war vertraut mit den Auswirkungen des „Hauch-Prinzips“. Er hauchte die Jünger nach der Auferstehung an mit den Worten: „Empfangt den Heiligen Geist.“ Die Bibel erzählt immer wieder davon, wie Gott sich dem Menschen eher behutsam und vorsichtig nähert im Wissen um seine umwerfende und kaum zu ertragende Präsenz. Weil wir seine Ebenbilder sind tragen auch wir dieses Prinzip in uns. Beobachte einmal die Kraft und Auswirkung deiner Gedanken. Nimm wahr was geschieht, wenn du dich mit deinem Körper einer anderen Person näherst. Spüre in den Raum deines Herzens hinein und nimm dort aus auf, was gerade in deiner Umgebung geschieht. Du wirst staunen, was dein „Hauch“ bewirkt und ausmacht. 
Vertrau auf die homöopathischen Dosen im Leben und koste den Hauch aus. Ist dir schon einmal aufgefallen, dass der Hauch sich im Staunen offenbart? Im Staunen öffnest du deinen Mund und atmest hörbar aus. Darin wirst du zum Schöpfer und zur Schöpferin. 
  

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