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Mittwoch, 2. August 2023

Die Botschaft der Feuerwanzen

Sind dir diese kleinen schwarz-rot gezeichneten Tiere vertraut, die im Frühjahr die erste Wärme nutzen und aus ihren Verstecken hervorkriechen? Sie hocken zu Duzenden in kleinen Haufen und bringen die ersten Farbtupfer in den Garten. Sie können nicht fliegen und sind darum ortsgebunden. Sie sehen irgendwie giftig aus, sind es aber nicht. Die Larven häuten sich fünfmal, bis sie ihre endgültige Gestalt annehmen.

Ich komme auf diese Tiere, weil wir davon reichlich im Vorgarten haben. Zunächst war ich skeptisch und fragte mich, ob wir sie entfernen müssen. Ob sie alle Pflanzen aussaugen und zerstören oder sich unkontrolliert über den ganzen Garten verteilen, so dass wir den Kammerjäger holen müssen. Alles nur Phantasie! Mein Kopfkino. Ich glaube aber, dass wir Menschen halt so sind. Wir machen uns ständig Gedanken und haben Bilder im Kopf. Deuten das, was wir sehen und hören und machen uns manchmal verrückt damit.

Der Virus, dessen Namen ich nicht nenne, sorgt auch für viele Gedanken, Meinungen, Gefühle und Ansichten. Lieber zurück auf den Teppich. Überprüfen, was ist. Sich von einschränkenden und krankmachenden Bildern befreien. Den eigenen Körper abklopfen und prüfen, ob ich noch lebendig bin. Ja, ich bin immer noch lebendig. Der erste wichtige Schritt ist gemacht. Solange ich lebe und solange du lebst ist immer noch was möglich.

Die Feuerwanzen in unserem Garten sind mir ins Auge gefallen als Botschafter des Frühlings und als Gedankengeber für ein paar Antivirusimpulse. Was ich von ihnen jetzt weiß habe ich im Internet recherchiert und geprüft, ob und welche Botschaft sie für mich haben könnten.

 

Die Chancen nutzen im näheren Bereich

Feuerwanzen können nicht fliegen. Sie krabbeln und bewegen sich ein einem engen Radius, wo sie ihre Nahrung finden und mit ihren Artgenossen sein können.

Welche Qualitäten bieten dein engstes Umfeld, damit du ins Wohlbefinden kommen kannst. Deine Ressourcen, die zum Greifen nahe sind. Ich sitze am Schreibtisch und blicke auf den Tacker. Ich könnte mal wieder Zettel zusammentackern. Das geht nur mit Druck. Ich könnte schauen, wie stark meine Armmuskeln noch arbeiten. Die Wut in die Klammern hauen. Wer braucht schon noch Papier im digitalen Zeitalter. Während des Klammerns wird mir bewusst, wie meine Welt auseinandergefallen ist. Alle Lieblingsmenschen auf Distanz. Jetzt klammere ich meine Blätter und füge wieder was zusammen, was getrennt war. Hoffentlich ohne zu klammern ;-).

Ich gehe zum Kühlschrank und finde viele Schätze. Käse, Quark, Milch, Aufschnitt, Weißwein, Orangensaft, Möhren und diverse Gläser. Was kann ich damit kochen? Mir wird bewusst, dass ich heute auf keinen Fall hungern werde. Ich muss nicht ins Restaurant. Ich werde satt von Nahrungsmitteln, die sich in meinem Haus befinden. Jederzeit kann ich den Wasserhahn öffnen und trinken. Wie großartig.

Das sind jetzt nur zwei Beispiele von wertvollen Dingen im nahen Umfeld. Was fällt dir ein, wenn du an deinen Näheraum denkst? Hast du schon alles wahrgenommen und nutzt du alles, was da ist? Noch näher bist du dir ja selbst in deinem Körper. Du kannst sehen und hören und deine Qualitäten darin verbessern. Du bist beweglich mit Händen und Füßen und nutzt das selbstverständlich. Wo immer du bist und was immer du tust: Du trägst einen riesigen Koffer mit Möglichkeiten herum, weil dein Körper ein Kunstwerk ist. 

Häute dich!

Die Feuerwanze häutet sich fünfmal bis zur endgültigen Gestalt. Wie ist das bei uns Menschen? Was entspricht dem Häuten und wie kann ich das für mich nutzen? Irgendwie häuten wir uns das erste Mal, wenn wir auf die Welt kommen. Dann häuten wir uns in der Pubertät, wenn wir uns in den erwachsenen Körper verwandeln. Manche haben auch das Gefühl einer Häutung in der Mitte des Lebens, wenn der Körper sich wieder verändert am Ende der Menstruationszyklen. Als Baby haben wir nicht unsere endgültige Gestalt, auch nicht als Jugendlicher. Wir befinden uns wahrscheinlich immer in irgendeiner Phase, die vorübergeht und in eine neue Phase mündet. Wir häuten uns nicht so auffällig schnell und klar abgegrenzt. Unsere Häutungen ziehen sich über Monate und Jahre hin, so dass wir es gar nicht merken. Wir bemerken nicht den fortlaufenden Zellwandel unseres Körpers. Wir sind quasi immer wir. Wenn ich mir aber vorstelle, dass mein Leben in Phasen verläuft, die mich immer mehr in meine endgültige Gestalt bringen, dann lohnt sich doch der Gedanke und die Frage: Wo befinde ich mich da eigentlich gerade? Was kann ich in dieser Phase erleben? Worin liegt die Qualität und was darf ich zurücklassen? Wir schleppen ja manchmal so alte Häute mit uns herum. Kindheitstraumata, spätpubertäres Gehabe. Verweigerung, das Alter anzunehmen usw. Wir könnten uns doch alle mal ordentlich häuten. Die Übergänge werden deutlicher und wir gewinnen mehr Klarheit und Struktur.

Der äußere Schein, das innere Sein

Die Feuerwanzen wirken äußerlich auf mich nicht einladend. Sie sehen mit ihrem roten und schwarzen Muster gefährlich aus, treten in Gruppe auf und können einen unangenehmen Geruch verbreiten. Mein Körper signalisiert Alarm! Dabei sind es doch sehr friedliche Geschöpfe, die meinem Garten sogar nutzen, indem sie Schneckeneier fressen. Sie besetzen eine Nische, wie jedes andere Lebewesen auch.

Wie oft kommt es in meinem Leben vor, dass im Außen etwas geschieht oder auftaucht, was in meiner Resonanz Abwehr oder sogar Ekel auslöst. Erst wenn ich dieses Gefühl anschaue, aushalte und dem Ganzen Zeit und Aufmerksamkeit gebe, öffnet sich ein zweiter Blick und eine neue Möglichkeit.

Ich habe einmal eine Familie besucht, die in einem Haus wohnte, das sehr verwahrlost und schmuddelig auf mich wirkte. Es war mir unangenehm, dort im Wohnzimmer Platz zu nehmen. Nach ein paar Minuten aber konnte ich spüren und wahrnehmen, wie herzlich zugewandt und offen sie waren. Mein autonomes Nervensystem gaukelt mir manchmal eine Gefahr vor, wo keine ist. Wie oft lässt du dich abhalten von einem kleinen Abenteuer, weil dein Säugetierinstinkt dich davon abhält? Ich habe einen Kunden, der so gut wie keinen Ekel und auch keine Angst kennt. Er geht mutig und unerschrocken in alle Situationen hinein. Das könnte ich so nie und wollte ich auch nicht. Aber ein bisschen mehr Fähigkeiten, Komfortzonen zu verlassen wünsche ich mir und dir auch.

Alle Kommunikationswege nutzen

Die Feuerwanzen kommunizieren über das Ausschütten von Pheromonen. Darüber finden sie sich und liegen in Haufen aneinander. Darüber vertreiben sie auch mögliche Gefahren und werden unappetitlich für Vögel.

Mir fällt manchmal auf, wie sehr wir inzwischen denkende Wesen geworden sind und wie sehr wir uns auf den funktionierenden Verstand verlassen. Da kommt dir ein freundlicher Mensch entgegen und spricht dich an. Er hat einen Wunsch und eine Bitte. Irgendetwas in dir spürt sich unangenehm an. Du ignorierst dieses Signal und machst etwas, worüber du dich später ärgerst. Du hättest besser auf deine Körpersignale hören sollen. Ein Geruch, eine Bewegung, ein Augenkontakt – dein Körper wusste mehr als dein Verstand. Wie wäre es, wenn wir alle wieder mehr spüren könnten und uns dann wohler fühlen würden in unserer Haut.

Wie wäre es, wenn wir ganz oft aneinander denken und gute Gefühle herüberschicken. Ich zu dir und du zu mir. So ein Gedanke, wie nett du bist und wie angenehm es ist, mit dir in einem Raum zu sein. Ich denke an dich und bekomme dabei ein warmes körperliches Wohlbefinden. Und ich stelle mir vor, wie du wiederum mein Wohlbefinden spürst und dich darüber freust. 

Das, was äußerlich in bestimmter Weise erscheint kann sich vom inneren Sein her völlig anders anfühlen. Der Feind entpuppt sich als freundliches Gegenüber und fremdartige Nahrungsmittel werden zu Leckerbissen. Nicht immer, aber manchmal.

Mehr kuscheln

Die Feuerwanzen wirken so, als würden sie genüsslich kuscheln. Sie liegen eng aneinander und haben intensiven Körperkontakt. Vielleicht fühlen sie sich auf diesem Weg sicherer. Es muss auf jeden Fall einen Sinn haben und einen Vorteil bieten.

Ich habe in einem Buch gelesen, dass wir Menschen die körperliche Nähe zu anderen Menschen brauchen. Schon als Baby brauchten wir die Nähe unserer Mutter. Die Biologen drücken es hormonell aus: Das Zauberwort heißt Oxytocin.

Über dieses Hormon gestalten nicht nur Mütter und hilflose Babys eine zuverlässige Bindung. Auch wir Erwachsene brauchen dieses Hormon zum Wohlfühlen. Corona hat uns in den letzten Monaten in die Einsamkeit geführt. Wir verhungern im Augenblick und leben sehr im Mangel. Ich spreche mit vielen Großeltern, die ihre Enkelkinder vermissen. Oma und Opa haben so viel Oxytocin für Kinder übrig und tanken es selbst, wenn sie die Kinder im Arm halten.

Hundebesitzer, große Familien und liebende Paare sind gerade im Vorteil. Sie dürfen ständig tanken und es gibt kein Versorgungsengpass.

Bist du gut versorgt mit nährenden Botenstoffen? Mit wem könntest du mehr kuscheln? Wie würde dir folgende Übung gefallen: Du suchst dir jemanden zum Umarmen. Du hältst die Luft an und ihr umarmt euch so lange, wie ihr Luft anhalten könnt. Dann wieder auseinander und auf sicheren Abstand. So kannst du gefahrlos Oxytocin tanken.    

Mögest du wie eine Feuerwanze durchs Leben gehen. Mutig Farbe zeigen und deine Umgebung erobern. Mögest du deine Artgenossen als Freundinnen und Freunde empfinden und reichlich verschenken und beschenkt werden. Mögest du dich daran erinnern und neu ins Bewusstsein rufen, dass das Leben kein Sicherheitstrakt im Gefängnis ist, sondern eine großartige Spielwiese.

 

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