Es gibt Momente im Leben, da weißt du gar nicht, wie dir
geschieht! Da lacht dich ein geflügeltes Herz an. Die Uhr hört auf, mit ihren
Einschränkungen zu drohen. Dir selber wachsen Flügel und du genießt den Duft
einer Blume. Dein Leben fühlt sich leicht an, einfach nur leicht. Wie kostbar
sind solche Augenblicke!
An dieser Stelle könnte ich einfach schon Schluss machen
mit meinem Brief und dich einladen. Werde aufmerksam für das, was jetzt gerade in
diesem Augenblick geschieht. Was hörst du? Was nimmst du wahr mit deiner Nase
oder deinen Augen? Sitzt du gerade bei einer Tasse Kaffee oder Tee und liest diese
Zeilen? Freust du dich an dem Engel auf dem Bild oder genießt du noch etwas
ganz anderes.
Gedanklich bin ich bei dem Satz auf der Postkarte hängen
geblieben. Konkret bei der Vorstellung von einem kleinen und/oder großen Glück.
Das große Glück erscheint doch sehr verlockend! Romane erzählen und leben von
der ganz großen Liebe und wie sie im Laufe von vielen Seiten Wirklichkeit wird.
Das große Glück erzählt von komfortablen
Eigenheimen in eleganter Wohngegend, tollen Reisen, wunderbaren Kindern und
einen erfüllenden Beruf ganz im Sinne einer Berufung des Herzens. Aber wann
stellt sich dieses ganz große Glück ein? Hat es sich schon in deinem Leben
erfüllt? Oder gehörst du auch zu den Wartenden?
Vielleicht gehörst du wirklich zu den ganz Glücklichen,
die vor Jahren schon die große Liebe gefunden haben und die das Glück nie
verlassen hat. Vielleicht schmunzelst du jetzt und kannst dieses Gefühl sofort
in dir aktivieren.
Vielleicht jedoch gehörst du zu denen, die das ganz große
Glück eher nur flüchtig kennen. Es ist „geflüchtet.“ Ja, du bist zufrieden mit
deinem Leben. Zufrieden mit den Kindern, mit der Beziehung und dem Beruf. Du
bist zufrieden mit allem, was du erreicht hast. Ist das schon das große Glück?
War’s das schon? Oder sparst du nicht doch für ein großartiges „Etwas“, das du
dir demnächst leisten wirst, weil das große Glück dich verlockt und einlädt.
Bist du noch verführbar?
Das „ganz große Glück“ ist ein wirklich „ganz großes
Thema“. Das brennt wie eine Sehnsucht in uns Menschen und kann uns ganz schön
süchtig machen. Ich kenne junge Menschen, die noch voller Energie darauf
ausgerichtet sind. Ich kenne ältere Menschen, die nach einem langen Weg voller
Enttäuschungen einfach resignieren. Ich kenne Menschen, die ihre ganze
Lebenskraft für das ganz große Glück investieren. Sie setzen darauf, dass sie
eines Tages zu den „Glücksmillionären“ gehören werden. Ich will das auch gar
nicht kleinreden. Wir leben schließlich alle von dieser Sehnsucht, die uns
antreibt.
Der Spruch auf der Karte will uns das auch nicht ausreden.
Es erweitert lediglich die Perspektive. Du hast genug Zeit, auf das große Glück
zu warten! Aber bis es kommt, kannst du die Zeit besser nutzen, als darauf zu
warten.
Genieße das kleine Glück! In der Fastenzeit kannst du dich einüben
in den Verzicht. Das kannst du machen. Du kannst auch auf das große Glück der
österlichen Auferstehung warten. Die ereignet sich Gott sei Dank sowieso. Aber
wie ist das mit dem kleinen Glück? Was passiert da eigentlich? Warum ist das so
wichtig? Und wie verändert das mein Leben, wenn ich da meine Aufmerksamkeit hin
lenke?
Das große Glück findet in den Gedanken statt. Ich stelle
mir vor, wie mein Leben aussehen würde, wenn es denn käme. Ich wache aber immer
wieder auf und sehe den Mangel. Ich sehe das, was ich nicht habe. Ich fühle
mich unglücklich und unzufrieden. Ich produziere vielleicht Stresshormone und
muss irgendwie mein Unglück kompensieren, ständig! Ich esse vielleicht zu viel.
Ich nörgele herum. Ich sehe immer das, was nicht gelungen ist bei mir oder bei
anderen. Ich trete ein in eine Spirale von Unzufriedenheit, die sich ständig erweitert
und größer wird. Je länger ich auf das große Glück warten muss, desto
unzufriedener fühlt sich mein ganzes Lebenssystem an.
Wenn du dich jedoch auf das kleine Glück besinnst
veränderst du etwas. Du wachst am Morgen auf und atmest bewusst ein paar Züge
ein und aus. Du freust dich über die geschenkte Zeit der Erholung und darüber,
dass du jetzt gleich unter die Dusche springen darfst. Ganz achtsam stellst du
dich unter den Strahl der Dusche und spürst, wie das Leben in deinen Körper
zurückkehrt. Du bist gerüstet für den Tag und sagst dir: „Hallo Tag! Ich bin
bereit! Was hast du mit mir vor!“
Du freust dich, dass dein Brot noch frisch ist nach einem
Tag. Du nimmst den Duft von Kaffee in deine Nase auf und lauschst nach draußen,
welche Vögel dir ein Morgenlied singen. Du wunderst dich über die scheinbar
tausend Kleinigkeiten, die deinen Alltag verschönern. Ständig gibst du deinem
Körper Impulse von Wohlbefinden. Dein Gehirn stößt Glückshormone aus und diese
lassen dir Flügel wachsen. Allein durch deine Achtsamkeit für den Augenblick
kannst du das beeinflussen. Die Aufmerksamkeit für das kleine Glück lässt dich
jetzt leben. Nicht morgen oder übermorgen.
Wenn du auf das große Glück wartest, ohne das kleine
Glück zu genießen, könntest du schlicht emotional verhungern. Mit dem Blick auf
die kleinen Dinge kannst du also aktiv deinen Hormonhaushalt beeinflussen. Du
verminderst die Stressaktivitäten in deinem Gehirn und wirst gelassener. Je
tiefer du in dein kleines Glück eintauchst, desto weniger bist du angewiesen
auf das große Glück.
Du wohnst zur Miete und wünschst dir ein eigenes Haus?
Mach es dir auf deinem Sofa in der Mietwohnung bequem. Schau aus deinem Fenster
und genieße den Blick in den Himmel. So
anders wird über deinem eigenen Haus nicht aussehen. Genieße deinen Kaffee und wisse, dass du keine ganze Kaffeerösterei dafür
benötigst.
Die Idee vom kleinen Glück hat einen zutiefst spirituellen
Hintergrund. Du stellst dir Gott oft vor als den ganz Großen und ganz Anderen.
Mit seiner unendlichen Schöpferqualität. Er, der in einer ganz anderen Liga
spielt. Der unsere bekannten Dimensionen überschreitet und jenseits von allem
Irdischen ist. Wenn du so denkst, dann entspricht das der Qualität des „großen
Glückes“. Dieser Teil ist auch in dir angelegt, denn du bist Gottes Ebenbild.
So ist auch dieser göttliche Aspekt in dir vorhanden.
Dieser Wunsch nach „Ewigkeit“ und „Absolutheit“ kann
jedoch so mächtig werden, dass du aus deinen „irdischen Schuhen“ herausfällst.
Du möchtest nicht den Schweiß, die Tränen, die Schwere, die Mühsal. Lieber
gleich ab in das ewige Glücksgefühl. Auferstehung und Ostern sofort und in
vollem Umfang!
Wenn du an diesem „Extrembild“ festklebst dann geht dir
leider viel verloren. Du bist ein Geschöpf dieser Erde. Mit ihrer Schönheit.
Mit ihrer Schlichtheit. Mit den kleinen und großen Wundern. Mit der Vielfalt.
Mit der Körperlichkeit. Mit den kleinen und großen Gefühlen. Mit all den
Möglichkeiten zur persönlichen Weiterentwicklung. Mit den Chancen zum Wachsen
und Reifen. Mit der Erlaubnis, scheitern zu dürfen und neu anzufangen. Aber
auch mit den Einschränkungen, Mängeln und mit der Fehlerhaftigkeit.
Darin liegen die vielen kleinen Glücksmomente verborgen.
Wie versteckte Diamanten in einem lehmigen Acker. Und immer nur für den
Augenblick. Nicht auf Vorrat. Deine Glückshormone bekommst du auch nur im
Jetzt. Dein Glück von gestern ist längst vergangen und dein mögliches Glück von
morgen wird sich vielleicht gar nicht oder völlig anders ereignen. Also: Viel
Freude beim Genießen des kleinen Glückes!
www.matthias-koenning.de
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