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Dienstag, 2. September 2014

Es gibt keinen Heiligen ohne Vergangenheit und keinen Sünder ohne Zukunft. (persische Weisheit)

In meiner Kindheit besaß ich ein Buch mit dem Titel: "Helden und Heilige". Die Heiligen waren so heilig, dass sie keine wirklichen Fehler hatten. Sie waren von Anfang an für ein Leben ganz aus der Berufung bestimmt als Ordensleute oder Priester. Als Kind wuchs in mir der Wunsch: So möchte ich auch gerne sein. Ein Mensch ohne Fehler, geliebt von Gott mit ganz vielen heiligen Gefühlen und guten Taten.
Als ich älter wurde wuchs meine Skepsis. Jeder Heilige ist nur ein Mensch. Die Hälfte verschweigen die Biographen. Ich stehe zu meinen Fehlern weil sie mir helfen, mich weiterzuentwickeln. Die persische Weisheit spricht davon, dass auch Heilige eine Vergangenheit haben. Sie waren nicht immer so wie wir sie heute sehen.
Umgekehrt habe ich auch noch die Sprüche der Eltern im Kopf. "Du warst schon immer ein Dickkopf. Dir konnte man noch nie etwas sagen." Viele Kinder wachsen auf mit einer Festlegung der Eltern: "Aus dir wird doch nichts. Einmal ein Faulpelz, immer ein Faulpelz!" Hier sagt uns das persische Wort: "Es gibt keinen Sünder ohne Zukunft." Ob im Guten wie im Schlechten. Jeder hat eine Vergangenheit und eine Zukunft. Die Wege sind offen für jeden und der Entwicklungsmöglichkeiten gibt es unendlich viele.
Noch hilfreicher ist es, sich vom Bild eines Sünders oder Heiligen zu verabschieden. Ich bin ein Mensch mit Stärken und Schwächen. Beide Seiten brauche ich zur Entwicklung. Alles gehört zu mir. Wenn du einen Sünder als Sünder bezeichnest, welches Recht hast du dazu? Wenn du einen Heiligen als Heiligen qualifizierst, aufgrund welcher Vorlage? Kennst du diesen Menschen durch und durch. Wir sind alle Menschen jenseits von Heiligkeit und Sünde.
Bei meiner Ausbildung zum Kaplan ging es um die Frage, wie wir damit umgehen, wenn die Menschen uns nicht mögen oder unsere Arbeit abqualifizieren. Unser begleitender Supervisor gab uns den Rat: "So schlecht, wie die Leute sagen, dass du bist, bist du sicher nicht. Aber so gut, wie die Leute sagen, dass du bist, bist du auch nicht!"
Oft geht es nur um die Pflege unserer  Eitelkeit. Wir sind halt doch lieber ein Heiliger als ein Sünder. In einer Zeitschrift las ich von einer Untersuchung, dass sich mehr als die Hälfte aller Menschen einschätzen: "Ich bin besser als der Durchschnitt."
Ich bin also etwas großzügiger als der Durchschnitt, etwas klüger, etwas liebevoller... eben etwas besser als der Durchschnitt. Aber das ist auf die Dauer sehr anstrengend im ständigen Vergleich zu leben. Das persische Sprichwort gleicht die Welten an. Wer bist du jenseits von Heiligkeit und Sünde?
www.matthias-koenning.de

5 Kommentare:

  1. Persisches Sprichwort??? So ein Unsinn. Das ist doch ein Zitat von Augustinus!!!

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  2. Sehr geehrter Anonymus. Herzlichen Dank für den Hinweis. Dieses Wort habe ich tatsächlich mehrfach gefunden als persische Weisheit. Manchmal auch als "allgemeine Weisheit". Wären Sie so freundlich und würden mit mir Ihr Wissen teilen, wo der Heilige Augustinus diesen Satz gesagt hat? Vielen Dank!

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  3. Hi, ich müsste es eigentlich wissen, kann es aber nicht 100%ig sagen. Mein Tipp wäre aber, dass dieses Zitat aus den Bekenntnissen d. Augustinus, den sog. Confessiones stammt. Es passt sehr gut zu seinem Leben und die confessiones sind im Prinzip seine Autobiographie.

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  4. Hallo. Tatsächlich handelt es sich um ein Zitat von Oscar Wilde...

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  5. Der einzige Unterschied zwischen dem Heiligen und dem Sünder ist, dass jeder Heilige eine Vergangenheit hat und jeder Sünder eine Zukunft.

    Ein idealer Gatte, 3. Akt / Lord Illingworth, Oscar Wilde

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