Hattest du in deinem Leben auch die Phase, wo du das Gefühl hattest, nicht zu deiner Familie dazuzugehören? Dir war völlig klar, dass deine Eltern dich irgendwann einmal adoptiert und es dir verschwiegen hatten. Du kamst dich so verschieden vor von deinen Eltern und fühltest dich sehr fremd.
Kennst du
das heute auch noch, dass du dich in deinem Verein umschaust und eine gewisse
Distanz bemerkst? Da sind die anderen und da bist du. Alle lachen über eine
komische Situation und nur du findest es nicht witzig. Du machst dir Sorgen
über irgendein Thema und alle anderen schauen dich befremdlich an. Du bist der
einzige Mensch, der noch raucht oder nicht Vegetarier ist. Du sitzt im Zug und
denkst, dass alle Menschen sich dort fremd sind und niemand mit niemandem
verbunden ist.
Du gehörst
nicht dazu. Die Vorstellung kann sich in deinem Inneren so ausbreiten, dass es
dich völlig isoliert. Oder die Sehnsucht in dich wachruft zu der Welt
zurückzukehren, wo du eigentlich hingehörst. Denn wahrscheinlich bist du ein verlorener
Engel oder bist das Wesen von einem fremden Planeten. Du bist auf der Erde nur
zu Besuch und wirst gleich wieder verschwinden.
Dieses
Gefühl der „Nichtdazugehörigkeit“ ist für mich ein ganz natürlicher Bestandteil
des Erdendaseins. Wir sind ja alle irgendwie nur Gast auf dieser Erde. Wir sind
einmal gekommen und gehen wieder. Wir leben für ein paar Jahre in und mit
unserer Herkunftsfamilie und gehen wieder auseinander. Entweder haben wir eine
gute und erfüllte Zeit miteinander oder auch nicht. Aber wir werden uns auf
jeden Fall eines Tages wieder trennen und neue Menschen finden.
Ich gehöre
zu Tausenden von Welten nicht dazu. Ich fahre mit dem Zug von Hamm nach Berlin
und komme an viele Städte vorbei mit vielen Menschen, zu denen ich nicht
gehöre. Es ist normal, nicht dazuzugehören.
Ich gehöre nur manchmal zu etwas ein wenig dazu. Zu meiner Familie, zu den
Menschen in der Nachbarschaft, zu meinem Freundeskreis, zu meinen Arbeitskollegen.
Ein Teil in mir wird immer auch die Fremdheit spüren können.
Schwierig
wird es, wenn sich die „Nichtdazugehörigkeit“ vertieft hin zu Isolation,
Entfremdung, Depression und Abgetrennt sein. Wenn es dazu kommt dann bist du zu
weit in diesen Pol hineingerutscht. Das tut niemandem gut. Und es stimmt auch
nicht. Denn du gehörst ja dazu.
Und das ist
ganz einfach. Du bist auf dieser Welt und darum gehörst du dazu. Du musst dich
nicht extra anstrengen. So nach dem Motto: „Ach, ich gehöre nicht dazu. Was
müsste ich denn leisten, damit ich es mir verdiene? Soll ich besonders nett
sein? Besonders angepasst oder auffallend humorvoll? Soll ich ein paar Bücher
lesen und schlau werden? Oder mehr aus meinem Äußeren machen?“ Nein, das alles
musst du nicht. Du gehörst dazu, weil du existierst.
Zugleich
darfst du aber auch eine Entscheidung treffen. Auch das macht einen
Unterschied. Du kannst am Tisch sitzen mit deiner Familie und das Gefühl von
Fremdheit hochkommen lassen oder du kannst dich satt hineinsetzen. Du kannst
dich einfach entscheiden dazuzugehören. Wenigstens für diesen einen Augenblick. „Jetzt gehöre ich dazu.“ Du
schaust dich um und dir wird bewusst, dass du mit jedem in der Runde etwas
erlebt hast. Mit jedem in deiner Familie hast du eine Geschichte. Vielleicht
nicht immer eine glücklicher, aber trotzdem eine gemeinsame. Ohne dich hätte
das Ereignis nicht stattgefunden oder ganz anders. Du hast diese Begegnung
einmalig gemacht. Deine Schwester und du, ihr habt euch einmal in die Augen
geschaut und euch gegenseitig wahrgenommen. Und schon gibt es diese Zugehörigkeit.
Du kannst deine Schwester oder deinen Bruder jetzt wieder anschauen und dich erinnern,
dass ihr einen kleinen Abschnitt miteinander unterwegs wart. Ihr habt einen
kleinen Ausschnitt der Weltgeschichte miteinander geschrieben. Einen winzig kleinen,
aber dennoch einen sichtbaren. Zumindest für euch. Dann gehörst du zu dieser
Geschichte dazu.
Du kannst
dich auch in den Zug setzen und an einem ganz bestimmten Tag nach Köln fahren.
Dann gehörst du zu diesem Ereignis der Menschen dazu, die mit dir nach Köln
gefahren sind.
Je länger
du über deine „Nichtzugehörigkeiten“ nachdenkst und dir dessen bewusst wirst,
desto mehr sorgst du dafür, dass ein dazu gehöriges Gefühl sich in dir
ausbreitet. Du erschaffst dir mehr und mehr ein schweres und leeres Dasein. Je
mehr du dir deiner „Dazugehörigkeiten“ bewusst
wirst, desto mehr vergrößerst du das Feld der Daseinsberechtigung. Du entscheidest
also ob du verhungerst oder ob du satt wirst.
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