Manche mögen es eindeutig. Ein klares Nein oder ein klares Ja. Entweder/oder. Schwarz oder weiß. Ich kann es oder ich kann es nicht. Ich liebe oder ich liebe nicht. Beliebt ist dann das Bild von der Schwangerschaft, dass ein bisschen schwanger sein auch nicht geht.
Stell dir
ein Pendel vor. Es schlägt nach beiden Seiten hin aus und erreicht jeweils für
einen Augenblick in voller Höhe die andere Seite bevor es wieder in die andere
Richtung geht. Den größten Teil der Zeit bewegt sich das Pendel jedoch zwischen
beiden Polen.
Es gibt
immer so etwas wie einen Höhepunkt oder einen Gipfel. Das Ziel der Reise. Das
Ja-Wort bei der Trauung. Den Höhepunkt der Show. Den Augenblick wo jemand ein
Geschenk auspackt. Der Tag, an dem das Geld auf meinem Konto landet. Ich kann
mir angewöhnen diesen Moment besonders zu schätzen. Ich kann aber auch dahin
kommen, nur noch solche Augenblicke wahrzunehmen und wertzuschätzen.
Was ist
jedoch, wenn das Geschenk mir nicht gefallen wird? Wenn das Ziel sich als
völlig unattraktiv entpuppt? Wenn das Geld auf dem Konto mich nicht so befriedigt,
wie ich es erhoffte? Es kann passieren, dass ich nur auf wenige Momente im
Leben hin lebe. Immer auf den Moment, wo das Pendel den Wendepunkt erreicht.
Ich müsste ständig jagen nach dem teuersten Auto nach der schönsten Frau oder
dem reichsten Mann. Nach dem besten Restaurant und nach dem günstigsten Supermarktangebot.
Ich käme mir vor wie ein Jäger, der nie zur Ruhe kommt.
Ich
erinnere mich an Exerzitien mit einem Jesuitenpater, der uns instruierte, mit
welcher Entscheidung wir Priester werden sollten. So ähnlich klangen seine
Worte: „Geben Sie sich ganz hin! Machen Sie keine halben Sachen. Gott spuckt
auf Menschen, die ihr Herz nicht ganz öffnen.“ Seine Sprache wurde immer
deftiger. Ich wurde innerlich immer stiller.
Wenn ich
ehrlich bin, dann sehe ich mein Leben eher als eine Ansammlung von Alltag. Ein
wenig Hingabe und viel Routine. Treue zu
den alltäglichen Dingen wie Brot essen und Zähne putzen. Jeden Tag
freundlich sein und das Wetter so annehmen wie es gerade ist. Die völlige
Hingabe an das Leben oder an die Liebe gibt es und es ist auch schön. Aber es
findet nicht 24 Stunden lang statt an jedem Tag. Das Leben ist alltäglich. Sehr
alltäglich! Und noch alltäglicher! Aber – ich kann es wertschätzen. Ich kann es
mögen. Ich kann es erforschen und ich kann darauf neugierig sind. 99 Prozent
der Menschen sind Könige und Königinnen des Alltags, bewegen sich zwischen den
Polen. Sind ein kleiner, aber wichtiger Punkt im Gitternetzwerk aller Menschen
weltweit. Wenn du den Raum zwischen den Polen lebst wird dir kein Augenblick
wertlos erscheinen. Dein Pendel bewegt sich und bewegt sich. Es verändert
ständig ein wenig die Position und du bekommst einen neuen Blickwinkel. Das
Geschenk der kleinen Dinge. Heute trägt deine Rose eine kleine Knospe, die
vorgestern noch nicht da war. Du kannst dich so sehr über diese kleine Entwicklung
freuen, dass dir die völlig entfaltete Rose gar nicht so wichtig erscheint. Du
erlebst das Wunder des Alltags. Das alltägliche Wunder! Und du kannst dich wiederum
dafür entscheiden. Du kannst dich entscheiden, die Peaks im Leben für nicht
mehr so wichtig zu nehmen, sondern dich zu konzentrieren auf die wundervollen
Zwischenräume. Stell dir vor, dass du dich ausdehnst. Langsam und beständig. So
wie das ganze Weltall. Du konzentrierst dich auf das Ausdehnen und bewohnst
mehr und mehr deinen ganzen Raum. Du lässt dich nicht davon ablenken dass du
irgendeinen Pol oder ein Ziel erreichen müsstest. Du konzentrierst dich auf den
Prozess. Auf das Wahrnehmen dessen, was jetzt gerade ist.
Von der
Position des Beobachters aus kannst du beides zugleich machen. Du bist ausgerichtet
auf den Gipfel und den Höhepunkt. Und zugleich bist du mit aller Kraft im
Erleben des Hier und Jetzt zwischen den Polen.
Vielen Dank
für das Lesen meiner Gedanken und dass du meinen Gedanken deine Zeit geschenkt
hast. Was zählt für dich? Was habe ich vergessen? Was wirklich zählt ist ja
eine sehr persönliche Frage. Wenn du dir die Frage stellst und danach handelst
kannst du dir deine Lebenszeit besser einteilen. Du verzichtest vielleicht auf
Überflüssiges und konzentrierst dich auf das Wesentliche. Manche Menschen
können es auf einen einzigen Satz zusammenfassen. Ich kann die Idee von Augustinus
gut teilen wenn er sagte: Liebe und tue, was du willst.
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