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Dienstag, 12. Juli 2022

Was wirklich zählt! Teil 2: Verbinde dich lieber anstatt dich zu trennen



Du lebst in einer Welt in der alles voneinander getrennt ist. Zumindest kann ein solcher Eindruck entstehen. Du trennst Arbeit von Freizeit und hast für jeden Bereich unterschiedliche Ansprüche. Du möchtest in deiner Freizeit nicht gestört werden und in deiner Arbeit achtet dein Arbeitgeber darauf, dass du nichts Privates machst. Kinder werden von Erwachsenen getrennt. Die Welt von Kita und Schule für die Kinder, die Arbeitswelt für die Erwachsenen. Wir trennen die Grundstücke und errichten Grenzen. Hier wohne ich und dort wohnst du.
Deine Freundin macht dir einen Vorwurf, dass du ihr nicht zuhörst und du fühlst dich abgetrennt. Manche trennen sich von ihren Gefühlen und bleiben lieber im Kopf. Mit dem Kopf kannst du planen und kontrollieren. Deine Gefühle machen, was sie wollen. Sogar in deinem Verstand gibt es Trennung. Ein Teil von dir möchte sich ausruhen und ein anderer Teil möchte etwas erleben. Wieder ein anderer Teil möchte anerkannt werden und fühlt sich dennoch verurteilt.
Neben dir im Zug sitzt ein Mensch aus einem fremden Kulturkreis und du findest nichts, was dich mit ihm verbindet. Du kannst eine Brille aufsetzen mit der du alles was du siehst, trennst. Sogar bei einer Tasse mit Blumenmuster siehst du die Farben und Formen und denkst, dass rot ganz anders wirkt als blau. Beim Betrachten von blau bekommst du andere Gefühle als beim Betrachten von Rot. Die Tasse gefällt dir nicht und schon bist du von der Tasse getrennt. Außerdem besteht ihr Material aus Steingut und du bist aus Fleisch und Blut.
Du sitzt mit anderen Menschen zusammen und denkst, wie verschieden sie von dir sind. Deinen Nachbarn findest du zu leise, den nächsten zu laut, wieder jemand ist vom anderen Geschlecht, das du sowieso nie richtig verstehst. Einer hat die Macht und andere sind ohnmächtig.

Wenn du die Brille der Trennung aufsetzt kannst du dich in Trennungsgedanken hineinsteigern. Der Abstand zwischen dir und den Anderen wird immer größer und größer und plötzlich fühlst du dich allein. Du bist wie unter einer Glasglocke und du hast mit allem, was du siehst, nichts mehr zu tun. Wenn du es aushältst gibt es nichts zu tun. Es ist ja ein Teil der Wirklichkeit. Oder? Da bist du und da ist das Fremde gegenüber und du bist nicht das Fremde und das Fremde ist nicht du. Wahrscheinlich kannst du dich nicht mehr daran erinnern, wie du als Baby geschrien hast und niemand gekommen ist. Du warst allein mit deinem Bedürfnis und mit deinem Schmerz. Dabei lebte in dir noch die glasklare Gewissheit, dass du tief mit der Mutter verbunden bist. Du kamst doch aus ihrem Bauch. Du warst ein Teil von ihr. Nichts deutete darauf hin, dass du allein bist in dieser Welt. Du lagst dort in deinem Bettchen und konntest dir nicht helfen. Du konntest ja noch nicht aufstehen und deine Mutter suchen. Du musstest es aushalten und schreien und warten. Diese Erfahrung hat sich in dir eingebrannt. Die Mutter ist nicht zuverlässig da. Sie mutet dir den Schmerz der Trennung zu.
Wie mag sich das auf dich ausgewirkt haben. Hast du alles dafür getan, dass das nie wieder passierte? Hast du so lange geschrien, bis deine Mutter verstand, dass du immer bei ihr sein wolltest? Und heute klammerst du immer noch? An Menschen oder Dingen? Dein Klammern diente ja nur dem Ziel, bloß nicht getrennt zu werden. Aber eigentlich warst du da gefühlt schon getrennt. Verbunden mit der Mutter, aber in tiefer Angst vor Trennung.
Oder du hast schicksalsergeben geschwiegen und resigniert. Du schreist und niemand kommt und du musst das Schicksal annehmen. Ja, du bist getrennt und niemals wieder wird jemand kommen und dir etwas vormachen können. Wenn deine Mutter jetzt kommt wirst du denken, dass sie sowieso gleich wieder geht. Freude und Wohlbefinden lohnen sich nicht. Halte dich zurück, damit du nicht gleich wieder enttäuscht wirst. Und so wächst du auf mit der Idee, dass eigentlich alles von dir getrennt ist. Die andere Wirklichkeit möchtest du nicht mehr sehen und wahrnehmen.
Die andere Wirklichkeit darfst du wieder entdecken. Die Wirklichkeit, dass du mit allem was ist, verbunden bist. Im Bettchen als kleines Baby musstest du das Unerträgliche ertragen. Aber jetzt als Erwachsener kannst du laufen. Du kannst dich bewegen. Mit deinem Körper, mit deinen Gedanken und mit deinem Herzen. Du kannst dich zu jedem Zeitpunkt deines Lebens dafür entscheiden, dich wieder zu verbinden. Der Verbindungsfaden ist vorhanden. Du kannst im Kreis deiner Menschen sitzen und das Verbindende sehen. Da sitzen lauter Menschen so wie du. Da schaut dich jemand an und du schaust zurück und im Augenblick gibt es eine Verbindung über den Blick. Ist dir schon einmal bewusst geworden, welche Energie im gegenseitigen Anschauen liegt.
Du schaust jemanden an und dieser Mensch schaut zurück und ihr trefft euch mit den Augen. In diesem „Augenblick“ steht die Welt still und es gibt keine belastete Vergangenheit und keine beängstigende Zukunft. Nur du bist da und dein Gegenüber. Du kannst mit vielen Menschen zusammensitzen und lauter überflüssiges Zeug sprechen. Allein dieser „Augenblick“ löscht alles Widrige aus. Du lebst im Geschenk. Und davon gibt es unendlich viele. Jemand berührt dich mit der Hand. Ganz sanft und nur so eben und scheinbar so nebenbei. Spürst du die Elektrizität, die durch deinen Körper geht? Du bist gemeint! Da nimmt dich jemand wahr. Über diesen Hautkontakt gibt es eine Verbindung. Ganz kurz flammt im Unterbewusstsein die Erinnerung auf, dass es eine Nabelschnur gab. Darüber wurdest du versorgt. Neun Monate und ohne Unterbrechung. Dann berührt dich jemand und das ganze Programm der Versorgung wird wieder aktiv. Wow, du bist verbunden!
Im Mutterleib gab es zwar eine Verbindung ohne Unterbrechung. Aber es hatte auch ein „aber“. Aber du konntest nicht unabhängig dein Eigenes machen. Um dein Eigenes machen zu können, was ja sehr befriedigend ist, musst du dich kurzfristig trennen. Du trennst dich und verbindest dich mit etwas anderem. So ist das Spiel: sich trennen und verbinden. Um sich wieder zu trennen und wieder zu verbinden. Du wanderst quasi von Verbindung zu Verbindung und bist eigentlich nie wirklich getrennt. Es sei denn, du nimmst es so wahr. Trennung über Trennung! Niemand mag mich und bei niemandem halte ich es aus.
In deinem Geist und in deiner Seele kannst du eine bewusste Entscheidung treffen. Du spielst mit allen Menschen ein schöpferisches Spiel. Die ständig sich wiederholende Freude, in immer wieder neue Verbindungen zu gehen. Oder du bewegst dich in der ständigen Angst, alles zu verlieren. Dann lebst du in dieser Angst wie in einem Dauerzustand. Mal gefühlt, oft aber auch verdrängt. Im Bewusstsein der Trennung bist du auch abgeschnitten von allen Quellen, die dich speisen können. Umgekehrt leidest du keinen Mangel, wenn du Teil eines wundererfüllten Netzwerkes bist. Du empfängst und du gibst weiter.
Stell dir die Beziehung zu einem guten Freund oder einer guten Freundin vor. Es beglückt dich, dass jemand für dich da ist und auch umgekehrt. Jetzt sagt dieser Mensch etwas zu dir, das dich kränkt. Für einen Moment fühlst du dich verraten und zurückgestoßen. Wie kann dieser Mensch diese  Freundschaft so verraten und mit Füßen treten. Du steigerst dich herein und deine Phantasie geht mit dir durch. Dein Freund war immer schon unehrlich und du hast dich ausnutzen lassen. Du wurdest belogen und betrogen und dieser Mensch hat deine  Freundschaft nicht verdient. Du selbst merkst nicht, wie du immer mehr in einen abgetrennten Zustand gerätst. Du kannst gar nicht mehr überprüfen, ob deine Gedanken wirklich wahr sind oder nur Produkte deiner Phantasie. In dieser Abtrennung fühlst du dich verraten und zugleich immer trauriger wütender und ängstlicher. Du bestrafst dich damit selbst, indem du dich in diesen schrecklichen Zustand hineinversetzt. Du erlebst den Kern dessen, was die christliche Höllenvorstellung ausmacht. Scheinbar angestoßen durch den Verrat des Freundes katapultierst du dich in deinen inneren Höllenzustand. Je öfter du das erlebst, desto schneller funktioniert dieser Mechanismus.
Was setzt du dieser zerstörerischen Energie entgegen? Wir Menschen haben einen starken Geist. Du kannst diese Gedanken stoppen und dich daran erinnern, dass es diese wunderbare Freundschaft gab. Du kannst die Frage in dir zulassen, ob es möglich ist, dass diese Freundschaft auch jetzt noch besteht. Eher im Pausenmodus, aber latent vorhanden. Du kannst dich an alle freundschaftlichen Begegnungen und Ereignisse erinnern und diesen Bedeutung und Kraft geben. Du kannst die Augen schließen, dich in dein Herz hineinbewegen und das Gefühl der Trennung fühlen und zugleich zulassen, dass dieser Zustand gefüllt wird mit Erinnerungen an diese Liebe. Je mehr dieses Bewusstsein von Liebe in dein Herz strömt, desto mehr besänftigt sich der innere Aufruhr. Ja, du spürst die Kränkung und ja, du spürst auch die Liebe. Indem du dich dafür entscheidest, die Verbundenheitsgefühle und Gedanken zuzulassen verändert sich deine innere Landschaft. Und du kannst dich dafür entscheiden, das fortlaufend zu trainieren. Die Welt mit all den Trennungsmöglichkeiten ist dein Sparringspartner deiner persönlichen Entwicklung. Jedes Auto, das dir entgegenkommt, jeder Regentropfen und jede Begegnung mit einem Menschen können in dir Höllenzustände oder himmlische Gefühle auslösen. Du selbst sitzt in deinem Herzen an der Weichenstellung und entscheidest, wohin es geht.
Ohne Zweifel magst du denken, dass es Menschen gibt, die es leichter haben. Sie haben mehr Verbundenheitsanteile geschenkt bekommen als Trennungsmöglichkeiten. Sie sind scheinbar vom Glück geküsst worden. Das ist bestimmt so. Aber du hast dein eigenes Leben und deine eigenen Herausforderungen. Und wenn du dich mit anderen Menschen vergleichst, bist du gleich wieder in der Hölle. „Die anderen haben Glück und ich? Ich muss im Elend aushalten.“ Nicht das Glück der anderen macht dich elendig, sondern der Vergleich, den du anstellst und bewertest.
Bleibe lieber bei deiner inneren Herzensweiche und entscheide dich für dein eigenes Leben. Du kannst die Hölle verstärken oder den Himmel. Es gibt keinen Tag, wo du nicht diese Herausforderung hast. Darin liegt zugleich das Geschenk. Du hast jeden Tag die Möglichkeiten zu wählen. Verbindest du dich oder trennst du?  

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