Die Urlaubszeit steht vor der Tür. Wunderbar! Du packst deine Koffer und fährst in eine Gegend, in der du dich gut erholen kannst. Am Strand liegen, die Weite des Meeres auf sich wirken lassen und dabei selber wieder weit werden. Berge erklimmen, über allem stehen, wieder den Überblick gewinnen und die Aussicht genießen. Im Urlaub umgibst du dich mit einer schönen Landschaft. Da kannst du deine Seele baumeln lassen und dich so richtig erholen. Du umgibst dich zusätzlich noch mit einem schönen Hotel oder einem gemütlichen Zelt oder einer kuscheligen Ferienwohnung. Und bist gerne mit Menschen zusammen, die dich mögen und die du magst. Einmal im Jahr entscheidest du dich für einen Ausflug ins Paradies.
Wenn ich kann, möchte ich gerne etwas
dazu beitragen. Umgib dich zusätzlich mit nährenden Worten. Im Alltag hörst du
genug verpflichtende Worte. Die innere Stimme spricht fast ununterbrochen vom
„Müssen“ und „Sollen“. Diese Stimme appelliert, fordert auf, weist hin und
lässt dich nur im Schlaf in Ruhe. Diese Stimme scheint dich selten zu nähren
und eher auszusaugen. Und diese Stimme möchte ich gerne mit dir heute in den
Blick nehmen. Die Stimme, die dich grübeln lässt. Die so unaufhörlich spricht.
Die sich immer meldet, wenn du es gar nicht möchtest.
Im Urlaub möchtest du diese innere Stimme
möglicherweise für ein paar Tage einfrieren und gar nicht erst mitnehmen.
Leider hört sie nicht auf dich. Diese innere Stimme begleitet dich im Urlaub in
den ersten Tagen mit Sätzen wie: „Das hast du leider vergessen... Du hättest
noch den anrufen müssen... Das hast du noch nicht geklärt... Das muss noch
warten...“ So liegst du am Strand und stehst auf dem Berg. Du willst einfach
nur alles genießen. Und plötzlich mischt
sich die innere Stimme ein.
Wenn du Glück hast bekommst du auch mal
Ruhe. Dazu musst du weit genug vom Alltag der Vergangenheit entfernt sein und zugleich
weit genug entfernt von den zukünftigen Sorgen.
Willst du Ruhe haben, dann brauchst du in
der Regel drei Wochen. In der ersten Woche hörst du die kritische Stimme, die
nach und nach leiser wird. Es folgt hoffentlich eine Woche Pause. Dann meldet
sie sich wieder mit den Aufgaben, die auf dich warten, wenn du wieder nach
Hause kommst.
Was jedoch machst du, wenn dir nur zwei
Wochen zur Verfügung stehen? Oder wenn du so unglaublich gewissenhaft bist?
Oder nicht abschalten kannst? Wenn du ein unverbesserlicher Perfektionist bist
und gedanklich auch noch im Urlaub arbeitest?
Im Urlaub verlässt du dein gewohntes
Umfeld und umgibst dich mit einer alternativen Landschaft und einer unbekannten
Wohnung. Du gönnst deinem Körper neue Eindrücke und Erholung vom Stress des Alltags.
Das geschieht irgendwie automatisch. Andere Landschaft, verändertes Gefühl. Aber
was machst du mit deinen Gedanken und vor allem mit der inneren Stimme? Du
steigst in dein Auto ein und nimmst sie einfach mit. Ansonsten hast du alles geplant!
Kleidung, Getränke und Pausenbrote! Geld und Papiere.
Nur. Für deine innere Stimme hast du
nicht vorgesorgt. Du hast sie vergessen. Aber die innere Stimme lässt sich
nicht einfach abstellen. Sie legt sich nicht in dein Bett und wartet, bis du
wiederkommst! Sie schreit nicht: „Hurra!“ „Ich bekomme eine Pause von meinem Menschen.“
Sie setzt sich mit ins Auto und fängt nach wenigen Momenten schon an zu
nörgeln. „Hast du wirklich alle Blumen gegossen?“ „Die Butter im Kühlschrank
wird ranzig sein, wenn du wiederkommst.“ „Wie weit das Ziel auch wieder ist!“
„Du bist viel zu spät losgefahren! Oder zu früh!“ Du kannst dich auf diese
innere Stimme verlassen, dass sie sich meldet.
Du hast in deinem Leben bisher etwas total
wichtiges einfach nicht im Blick gehabt. Du hast vergessen, gut für diese innere
Stimme zu sorgen. Damit ist jetzt Schluss! Du hast es erkannt! Deine innere
Stimme, die ewig nörgelt, braucht auch Urlaub. Sie möchte auch mal etwas zur
Entspannung.
Schenke dieser inneren Stimme doch in
deinem Urlaub nährende Worte. Schenk ihr Worte, mit denen sie sich beschäftigen
kann. Deinen Kindern gibst du ja auch Spielzeug, damit die Fahrzeit verkürzt
wird. Warum also nicht nährende Worte für deine innere Stimme. Du könntest
schöne Worte auf kleine Selbstklebezettel schreiben und im Auto verteilen oder
zwischen deine Wäsche oder deinen Geldscheinen. Ich mach mal ein paar
Vorschläge und du kannst sie ergänzen oder andere finden. Goldstück, Schatzkästchen,
Liebling, Wunderstimmchen, Gedankenvorrat, Sonnenscheinchen, Begleiterlein...
Mit diesen oder ähnlichen Worten könntest du deiner inneren Stimme schmeicheln.
Du kannst ihr aber auch neue Worte schenken, damit sie etwas zu tun hat. Ich
weiß nicht, ob ich diese jetzt schon aufschreiben soll. Es könnte sein, dass
deine Stimme sofort schon wieder anfängt zu arbeiten. Die ist nämlich so veranlagt.
Du könntest ihr die Wörter des Jahres
2015 sagen. Aber die finde ich nicht so verheißungsvoll für einen Urlaub. Oder
was meinst du zu „Flüchtlinge“, „Grexit“ oder „Flexitarier“? Klingt nicht wie
Urlaub, oder?
Die Unwörter der letzten Jahre möchte ich
gar nicht erst benennen. Die sind für den Alltag schon unerträglich. Es müssten
eher Worte sein, die deine innere Stimme noch nicht kennt. Worte, die zugleich
ein Wohlbefinden auslösen, wenn die innere Stimme es hört. Du könntest deinen
Lieblingsmenschen damit beauftragen, dir immer wieder einmal nette Worte zu
sagen. Ganz überraschend. Einfach so! Mal im Auto oder mal im Supermarkt. So
ein Satz wie: „Ich bin gerne mit dir hier zusammen.“ „Du hast so strahlende
Augen.“ „Ach wie gut du duftest.“
Ich mache mal ein Beispiel. Du grübelst
vielleicht gerade. Sehr typisch, kommt immer wieder vor. Deine innere Stimme
macht dir einen Vorwurf. Dann hörst du plötzlich die Worte deines
Lieblingsmenschen im Ohr und deine innere Stimme schweigt. Sie ist überrascht.
Damit hat sie nicht gerechnet. Sie ist schachmatt gesetzt. Du könntest für
deinen Lieblingsmenschen dir auch solche Sätze überlegen. Auch der hat eine
innere Stimme, die ihn plagt.
Du würdest dich im Urlaub mit lauter
nährenden Sätzen umgeben. Du lässt sie dir schenken und du verschenkst sie.
Deine innere Stimme wird sich ganz schön wundern. Es kann sein, dass sie das am
Anfang nur schwer ertragen kann. Sie ist diese kritischen und
selbstzerstörerischen Gedanken so gewohnt. So gewohnt! Da hörst du auf einmal
in deinem Brüten so einen Flüstersatz im Ohr: „Schön, dass ich mit dir hier
sein darf! Ich freue mich so!“ Das wird dich umhauen. Von jetzt auf gleich. Ein
echtes Urlaubserlebnis für deine innere Stimme.
Jetzt in diesem Augenblick hört sie
übrigens zu. Ist dir das bewusst? Ich weiß nicht, ob es ihr angenehm oder eher
unangenehm ist. Ich könnte jetzt doch mal einfach mit ihr sprechen. Du, liebe
Leserin und lieber Leser, tritt doch mal einen Schritt zurück und werde zum
Zuschauer und zur Zuhörerin. Ich spreche jetzt mal mit deiner inneren Stimme.
„Hallo du innere Stimme. Ich kenne dich
ziemlich gut. Du bist bestimmt so ähnlich wie meine in mir. Du passt immer so
gut auf deinen Menschen auf. Dass der keinen Fehler macht. Dass niemand ihn
kritisiert. Dass alles gut läuft. Im richtigen Tempo. Zur richtigen Zeit. Du
vergisst nie etwas und gibst keine Ruhe, bis alles richtig ist. Du hast
wirklich viel zu tun und ich bin erstaunt, wie du das durchhältst. Wie oft
meldest du dich am Tag bei deinem Menschen? Hundert mal? Tausend mal? Und was
du nicht alles im Blick hast! Unglaublich! Ich bewundere dich dafür! Ich könnte
das nicht. Ich bräuchte immer wieder mal eine Pause.
Aber du, liebe innere Stimme, bist so
unermüdlich. Immer siehst du noch etwas, was nicht in Ordnung ist. Du passt
wirklich gut auf deinen Menschen auf, nicht wahr? Ohne dich wäre der schon
längst gestorben. Als Folge von seiner Unaufmerksamkeit und der fehlerhaften
Selbsteinschätzung oder ...
Danke schön dafür! Und ich freue mich,
wenn du deine treuen Dienste weiter ausführst. Ohne dich käme dein Mensch gar
nicht klar. Darf ich im Urlaub auch mal etwas für dich tun? Allerdings ... du
könntest jetzt ein ganz klein wenig Pause machen und ich verwöhne dich. Würde
das gehen? Oder bekämst du schnell ein schlechtes Gewissen! Das wäre dann nicht
gut. Ich will ja nicht deine Arbeit behindern. Du könntest
meine „nährenden“ Worte dann gar nicht richtig genießen.
Also, liebe innere Stimme, du möchtest
doch deinem Menschen dienen und für ihn da sein. Das ist deine Bestimmung. Du
bist aber auch darauf angewiesen, dass du mit deinem Menschen in einer guten
Verbindung lebst. Dass ihr gut miteinander auskommt. Weil ihr ja aneinander
gebunden seid. Und ich glaube, dass dein Mensch sich wünscht, dass du dich mit
ihm erholst – im Urlaub. Ich spreche nur von den paar Tagen am Meer oder in den
Bergen. Du könntest auch mal ein paar Tage dich sammeln und wieder zu Kräften
kommen. Deine Stimme würde nach dem Urlaub für deinen Menschen viel freundlicher
klingen. Er würde sich nicht sofort über dich ärgern, wenn er deine Stimme
wieder hört. Er würde dir dankbar sein, dass du einfach da bist. Du könntest in
deinem Urlaub doch auch mal neue Gedanken sammeln. Dich mit Worten umgeben, die
dir gut tun. Wie wäre es? Ich lade dich ein! Wie wäre es, wenn du im Urlaub
deine terrapeutischen Qualitäten entdecken würdest. Du fragst dich jetzt, was
das ist? Ein Terrapeut? „Terra“ kommt von Erde und deine Erde ist der Mensch,
in dem du lebst. Als Terrapeut würdest du im Urlaub darauf achten, dass es
deinem Menschen mit dir gut geht. Das
hat was mit „Gönnen“ zu tun. Mit Wohlwollen! Mit Freundlichkeit! Also mit
Terrapie!
Danke, dass du mir zugehört hast. Ich
wünsche dir neue und schöne Urlaubserlebnisse mit Worten, die dich wirklich
nähren. Lass es dir gut gehen.“
Danke auch dir, liebe Leserin, lieber
Leser, dass ich mal mit deiner inneren Stimme sprechen durfte. Es kann sein,
dass du die Qualität deines Urlaubes auf diesem Weg noch ein wenig verbessern
kannst. Entweder bestimmt deine innere Stimme dein Leben oder du gestaltest sie
nach deinen Vorstellungen und Vorgaben? Wenn du gestalten willst, dann musst du
einen Schritt aus dir heraus zurücktreten. Wie gerade eben als ich mit deiner
inneren Stimme sprach. Sonst bist du zu nah an dir dran und die innere Stimme bekommt
zu viel Macht. Du bewegst dich in ihrem Sog. Aber einen Schritt zurück und es
kann sich ganz gut anfühlen. Dann sitzt du z.B. mit deiner inneren Stimme gemeinsam im Auto. Diese sagt wie gewohnt:
„Hast du auch die Blume im Bad gegossen?“ Und du antwortest nicht mit einem
Schrecken oder einem schlechten Gewissen. Du sagst vielleicht eher: „Danke für deinen
Hinweis. Und jetzt darfst du es dir auch bequem machen und tief durchatmen. Zur
Abwechslung pass ich mal auf dich auf.“
In diesem Sinne wünsche ich dir eine
erholsame Zeit mit vielen nährenden Worten. Und hier ein schönes von Rose
Ausländer:
Wir wohnen
Wort an Wort
Wort an Wort
Sag mir
dein liebstes
Freund
dein liebstes
Freund
meines heißt
DU
DU
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