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Dienstag, 31. Mai 2016

Kannst du mir einen Euro leihen?

Ein junger Mann in der Fußgängerzone sprach mich an: "Kannst du mir mal einen Euro leihen?" Das ist doch eine schöne Umschreibung dessen, was er eigentlich wollte. Früher hieß es: "Haste mal ne Mark für mich?" Da war klar, dass es um das Verschenken ging. Der junge Mann wollte einen Euro geschenkt haben und nicht geliehen.
Wenn ich mir etwas ausleihe, dann gebe ich damit zugleich das Versprechen ab, dass ich das Geliehene zurückgebe. Ich mache deutlich, dass der Besitzer immer noch der Besitzer bleibt. Ich verleihe dir mein Auto. Damit stelle ich es dir für eine Zeit zur Verfügung und dann gibst du es mir zurück. Ich bleibe immer der Besitzer des Autos. Wenn ich Geld verleihe, dann bleibe ich auch der Besitzer des Geldes. "Kannst du mir einen Euro leihen?" Das verhindert, dass der junge Mann zum Bettler wird. Er bleibt in seiner Größe und macht deutlich, dass mein Geld auch mein Geld bleiben wird. Er wird es auf der einen Seite ausgeben und auf der anderen Seite bleibt mein Geld mein Geld. Nur die Wahrscheinlichkeit des Wiederbekommnens geht gegen null. Wenn der Mann mich gefragt hätte, ob ich ihm einen Euro schenke, dann hätte ich ihm eher das Geld gegeben. Dann hätte ich es einfach hergegeben und auch innerlich losgelassen. Wenn ich den Euro verleihe, dann muss ich ja darauf bestehen, dass er mir den auch zurückgibt. Das gehört zum "Leihen" einfach dazu!
Ich warte übrigens immer noch auf so manchen Euro von so manchem Menschen. Ich sollte die Leihgabe in ein Geschenk umwandeln, dann muss ich nicht mehr auf die Rückgabe warten. Und das geht ganz schnell. Solltest du bei mir etwas geliehen haben, dann schenke ich es dir. Und zwar jetzt!
www.matthias-koenning.de

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