Wie erlebst du die Zeit im
Advent? Ich verbinde diese Wochen mit einem ganz anderen Lebensgefühl als zum
Beispiel einen Sommerurlaub oder einer Arbeitswoche.
Im Urlaub habe ich den
Eindruck, dass die Stunden des Tages einfach dahinplätschern. Es gibt keine Pläne.
Es muss nichts passieren. Du sitzt und schaust. Du sitzt und liest. Oder du
gehst wandern aber du musst es auch nicht. Du genießt die Freiräume und es gibt
wenig müssen und viel dürfen.
Die Arbeitswochenzeit gibt
dagegen eine Art festes Zeitgerüst vor, dem du genügen möchtest. Du erledigst
Aufgaben, hältst Termine ein und strukturierst deinen Alltag. Du denkst dabei
wochenweise von Montag bis Freitag und gehst dann mehr oder weniger in eine
„Wochenenderholungsidentität“. Kennzeichen dieser Lebensphase: Kontinuität,
Alltag, Gewohnheit, Anstrengung, bisweilen auch Stress.
Und die Zeit des Adventes?
Wie fühlt sich die an im Unterschied zu einer Arbeitswoche oder eines Urlaubes?
Immerhin dauert sie vierundzwanzig Tage, diese Zeit im letzten Monat des
Jahres. Dazu kommen noch die Weihnachtstage und die „Verlängerung“ bis zum
Neujahrstag.
Dem Charakter dieser
speziellen Zeit versuche ich mal ein wenig auf die Spur zu kommen und beginne
mit dem Anfang eines „gefühlten Zeitbogens“.
Im Januar schaue ich in
den Kalender und denke: „Ach, wie schön! Du hast ein ganzes Jahr vor dir! Du
kannst so viel damit anfangen. Freiheit! Pläne! Anpacken!“
Dann fängst du an mit der
Umsetzung und freust dich nach getaner Arbeit im Sommer auf die Zeit des Ausruhens:
„Ich habe es mir verdient. Ich darf eine Pause machen.“ Du bist aber noch nicht
an dein Ziel angekommen. Es liegt ja noch ein halbes Jahr vor dir. Du kannst
verschnaufen auf deiner Bank und Kräfte sammeln für den nächsten Abschnitt.
Dann erntest du im Herbst
und dir wird bewusst, dass alles Leben sich bewegt im Kreislauf von Werden und
Vergehen. Im November machst du den Sack zu. Du ziehst deine ersten Bilanzen
und kannst noch ein wenig das Jahr korrigieren. Dann gehst du bildlich in die
„Grabesruhe“.
Doch was geschieht im
Dezember? Und was geschieht im Advent auch jenseits der christlichen und
messianischen Erwartungshaltung?
Für mich bekommt der Monat
noch einmal eine besondere Qualität. Er ist so „bedeutungsschwanger!“ Damit
meine ich, dass ich mich im Laufe des Jahres einfach den Ereignissen hingebe.
Ich tue, was dran ist. Im Dezember gibt es auf einmal nichts so Notwendiges und
Unaufschiebbares mehr zu tun. Aber, es gibt viel zum Nachdenken!
Da tauchen dann Fragen auf
wie: Was macht das eigentlich für einen Sinn, was ich da so treibe. Will ich
das wirklich so? Soll es so bleiben oder möchte ich es im nächsten Jahr
verändern.
Da bekommst du Hinweise
aus deinem Lebensumfeld, doch einmal „besinnlich“ zu sein und „still“ zu werden.
Du sollst über die Sinnhaftigkeit deiner Wege nachdenken und deine familiären
Beziehungen neu sortieren damit an Weihnachten auch alles gut geht. Du hast vielleicht
den Anspruch, in deiner Arbeit das Eine oder Andere zu korrigieren damit die
Bilanz am Ende positiv ausfällt. Du wirst verstärkt eingeladen zu Feiern und Begegnungen
mit oder ohne besinnliche Texte. Die Selbstansprüche werden vielleicht in dir
wach, gegen den Strom des Einkaufswahns zu schwimmen und sich extra Auszeiten
zu nehmen. Nur du und der Kamin! Der Trubel um dich herum möge verschwinden und
der Trubel innen gleich mit.
Vielleicht gibt es keine
Zeit im Jahr, die so „verdichtet“ ist wie der Advent. Während sonst schon die
Zeit knapp wird für die Erfüllung all deiner Wünsche, potenziert sich diese
Frage geradezu im Advent und wird zu einer lebensentscheidenden Frage: Bist du
richtig, so wie du bist? Müsstest du nicht eigentlich alles anders machen?
Auch der Apostel Paulus
kann noch eine Schüppe drauflegen wenn er im Epheserbrief sagt: „Kauft die Zeit
aus!“ in dem Sinne, dass du ja ein sinnvolles Leben führen mögest. Die
adventlichen Lesungen verstärken das Thema, indem es dort häufig um die Vergänglichkeit
der Zeit und den drohenden Untergang der Welt geht. Die ersten Worte von Jesus
im Markusevangelium handeln auch von der Bedeutungstiefe und Kostbarkeit der Zeit:
„Die Zeit ist erfüllt, und das Reich Gottes ist nahe gekommen.“
Auf
einmal entsteht da so ein Druck! Und nicht nur einer! Druck vom Arbeitsplatz,
der Familie und von den christlichen Adventvorstellungen her. Jetzt komme endlich
aus dem Quark! Dir bleiben nicht mehr viele Möglichkeiten. Die Zeit verdichtet
sich! Du musst nicht nur die Fülle deiner Termine unterbringen, es muss auch
noch supersinnvolle sein!
Vielleicht
treten besonders im Dezember die vielen Sehnsuchtserwartungen zu Tage. Das
Thema ist vom Advent her ja vorgegeben: Schließlich erwarten wir den Messias!
Wir müssen uns doch dazu verhalten! Annehmen oder ablehnen! Dabei gerät man
schnell in einen angestrengten Vorbereitungsautomatismus.
Ich
glaube, wir überziehen da einfach! Wir machen zu viel! Wir erwarten zu viel!
Wir ersehnen zu viel! Wir wünschen zu viel!
Wenn
du viele „Erwartungen“ hast von dem, was da geschehen soll, dann macht das deinen
Mangel deutlich. Erst, wenn „dies“ und „das“ geschieht, bin ich zufrieden.
Erst wenn ich meine Familienverhältnisse
vor Weihnachten geklärt habe, kann das Fest kommen. Erst, wenn meine Bilanz
positiv genug ausfällt kann ich das Jahr gut abschließen. Erst, wenn ich eine
„besinnliche“ Feier miterleben durfte bin ich auf das Fest eingestimmt. Erst
wenn...
Erst
wenn du damit aufhörst mit diesen Gedanken, wirst du offen für das, was auch
noch geschehen könnte abseits deiner vorgedachten Erwartungen von Besinnlichkeit,
Bilanzen und Familienansprüchen.
Wenn
du genau hinschaust stellst du fest: Der Messias ist ja schon lange da! Das
Reich Gottes auch! Auch deine Familie ist schon da und deine Arbeit ist auch da
und wahrscheinlich auch noch im Januar. Es ist alles schon da! Und es ist da
auch unabhängig von dir.
Lehn dich mal für einen
Moment zurück und lass das „Nichts“ geschehen. Angesichts der Ewigkeit, die auf
dich wartet und in der du schon lebst frage dich: Was ist jetzt wichtig! Wenn
sich dann ein innerer Friede bemerkbar macht, eine kleine Stille und ein Moment
des Einverständnisses könnte so etwas entstehen wie eine angenehme „verdichtete
Zeit“.
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