Wenn du das Wort
„Pfingsten“ hörst, welche Bilder oder Gedanken kommen dir da in den Sinn? Magst
du dieses Fest?
Das Weihnachtsfest scheint
noch von der Mehrheit der Bevölkerung gemeinsam getragen zu werden. Vielleicht
feiern nicht mehr alle Menschen die Geburt von Jesus, aber das Fest scheint
noch tief im Bewusstsein verankert zu sein. An Ostern lichten sich schon
deutlich die Bänke bei den Gottesdiensten. Die Bedeutung der christlichen Feste
verschwindet nach und nach aus unserem Leben und hier und da bleibt ein Rest
von Ritualen und Bräuchen übrig.
Wie war das noch mal mit
Pfingsten? Ein zusätzlicher Feiertag, ein verlängertes Wochenende? Die erste
kurze Urlaubsreise an hoffentlich warmen Tagen? Manche Christen haben noch in
Erinnerung, dass es etwas mit der Gründung der Kirche und der Aussendung des
Heiligen Geistes zu tun hat. Die Gottesdienste an dem Festtag sind eher schwach
besucht, die Freude nicht übermäßig und der Charakter des Ganzen nicht
unbedingt einladend.
Ich möchte mit meinem
Newsletter ein kleines Pfingstrevival starten.
In der Woche vor der Feier
meines ersten Gottesdienstes in den Räumen der Freikirchlichen Gemeinde fragte
mich eine Frau im Bäckerladen: „Sie sind doch nicht mehr in der Kirche! Dürfen
Sie denn dann noch Gottesdienste halten?“
Als wir in St.
Bartholomäus die neuen Glocken einweihten bekam ich einige Wochen später vom
Weihbischof einen deutlichen Rüffel: „Das durften Sie gar nicht! Glockenweihen
sind dem Bischof vorbehalten!“ Immer wieder tauchen im kirchlichen Leben Fragen
danach auf, ob wir etwas dürfen oder nicht. Dürfen die wiederverheiratet
Geschiedenen zur Kommunion oder nicht? Müssen unsere Kinder beichten? Muss man
sonntags zur Kirche? Woher kommt eigentlich diese Idee, um Erlaubnis zu bitten?
Kinder fragen ja in der
Regel ihre Eltern: „Mama, darf ich noch ein Eis?“ „Mama, darf ich draußen
spielen?“ „Ja Kind,“ lautet dann die Antwort, „du darfst!“ Kinder bitten um
Erlaubnis und Eltern gewähren sie oder auch nicht. Das gehört zur Elternaufgabe,
zu wissen, was für das Kind gut ist und was nicht. Ein Kind kann die Folgen
einer Handlung noch nicht überblicken. Zu viel Eis könnte Bauchschmerzen
verursachen und bei zu langem Draußen spielen könnte das Kind einen wichtigen
Termin verpassen. Eltern bringen ihren Kindern ja auch bestimmte Grundlagen bei
wie: „Bevor du das oder das machst, musst du fragen!“ Zwischen Kindern und Erwachsenen
macht das durchaus Sinn.
Doch wenn du erwachsen
geworden bist, bittest du dann auch um Erlaubnis? Klar, wirst du sagen. In bestimmten
Situationen schon. „Darf ich Ihr Grundstück betreten?“ „Darf ich hereinkommen
in Ihr Haus?“ Ich bitte um Erlaubnis und frage, wenn es sich nicht in meinem
Besitz befindet oder zu meinem Kompetenzbereich gehört.
In vielen Situationen
bitte ich aber nicht mehr um Erlaubnis. „Darf ich diesen Pullover anziehen?“
„Darf ich heute ein Eis essen?“ „Darf ich heute länger aufbleiben?“ Wen sollte
ich fragen, wem gebe ich die Kompetenz des Erlaubens oder Verbietens? In der
Regel weiß ich für viele Lebensbereiche: Ich bin erwachsen und ich muss es entscheiden.
Ich darf es auch entscheiden und ich kann es auch entscheiden, weil ich als
Erwachsener kompetent bin oder weil ich schlicht und einfach die Verantwortung
für mein eigenes Leben trage.
Gott sei Dank fällt es uns
oft relativ leicht, bei vielen Aufgaben in die Erwachsenenidentität zu gehen. Und jetzt kommt mein Aber! In so
manchen Lebensbereichen sind wir innerlich unmündig und Kind geblieben. Beim Arzt
geben wir unsere Gesundheitskompetenz ab, beim Lehrer unsere Wissenskompetenz,
beim Priester unsere spirituelle Kompetenz. An diesen Orten erwacht das
unmündige Kind in uns und fragt wie früher: „Darf ich?“
Und jetzt komme ich zu
Pfingsten. Da geht es aus meiner Sicht vor allem um die die spirituelle Kompetenz.
Pfingsten heißt unter anderem für mich: „Hör auf zu fragen, ob du darfst! Wer
kann dir etwas erlauben oder verbieten? Geh in die Selbstermächtigung! Dein
Herz ist weiser als du ahnst und deine Seele ist wissender als du glaubst.“
Mit diesem Gedanken lese
ich noch einmal die Geschichte vom Pfingstereignis. Die Jünger hatten nach dem
Verrat vom Karfreitag und den merkwürdigen Jesuserscheinungen die Hosen voll.
Sie hatten sich vor Angst verkrochen. Früher konnten sie Jesus fragen, diesen
kompetenten und allwissenden Weisen. Sie konnten sich an ihn dranhängen und
Jesus nahm sie wie Kinder an die Hand. Im Johannesevangelium sagt Jesus auch
noch: „Meine Kinder...“ Und dann ist Jesus gestorben, sie hören seinen O-Ton
nicht mehr und berühren ist unmöglich. Von den „wundervollen“ gemeinsamen Tagen
bleiben „nur“ noch die vergangenen Erlebnisse und die erinnerten Worte. Hilfe! „Was
sollen wir sagen, wenn man uns fragt? Wer steht uns bei, wenn Probleme auftauchen?
Was sollen wir nur tun?“ Im geschlossenen Pfingstsaal sitzen tatsächlich
verängstigte Kinder, die von der Bildfläche verschwunden sind. Auf einmal
braust und windet es durchs Haus. Feuerfunken setzen sich auf sie und alle
springen auf. Die Angst ist wie weggeblasen und sie fangen an zu predigen. Sie
warten nicht mehr auf die Erteilung einer Erlaubnis! Da geht ein Ruck durch sie
hindurch. Sie haben das Gefühl, als ob in ihnen ein Schalter umgelegt wurde.
„Halt Stopp! Worauf warten wir noch? Wir sind doch lebendig! Wir haben doch in
den vergangenen Monaten neue Erkenntnisse gewonnen! Das war doch nicht umsonst!
Wir sind kompetente Prediger!“ Aus spirituellen Kindern werden selbstbewusste
Erwachsene, die sich nichts einreden oder vorsprechen lassen.
Als ich damals die Glocken
weihte kam mir gar nicht in den Sinn, den Bischof dafür zu fragen. Schließlich
hatte er mit der Beschaffung doch nichts zu tun. Die Leute in der Stadt haben
gespendet und ich habe koordiniert. Logische Folge: Wir alle feiern zusammen
ein Fest und danken für das gute Gelingen. Warum sollte ich jemanden fragen, ob
ich das darf?
Sicherlich ist es in
bestimmten Situationen wichtig, immer wieder die Frage zu stellen: „Muss ich
hier jemanden fragen? Braucht es eine Erlaubnis?“ Ich wehre mich gegen den
Automatismus von „Darf ich...“
Ich wünsche mir, dass die
Energie des Windes und die Kraft des Feuers von damals uns auch noch heute
erfasst und in Bewegung bringt. Wir sind erwachsen geworden im Glauben. Jeder
von uns ist voll des Geistes, voller Bewusstheit und Liebe. Ich glaube, wir
brauchen mehr denn je etwas von diesem Pfingsten der Eigenständigkeit in uns.
Irgendwann schubsen wir ja auch unsere Kinder, wenn sie alt genug geworden sind
und sagen ihnen: „Jetzt mach, du bist erwachsen! Ich kann auch nicht sagen was
du machen musst!“
In diesem Sinne gilt der
Satz auch und besonders für das religiöse und spirituelle Leben: „Geh in die
Selbstermächtigung!“ Übernimm die Verantwortung für dein Innenleben, für deine
Seele und spüre die „Macht des Selbstes“.
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