Geht es dir auch
so eigenartig in diesen Tagen? Über den Corona Virus möchte ich mir keine Gedanken
machen, aber über die Begleitumstände und was das so mit mir macht. Dabei kommt
mir das alles noch so unwirklich vor. Plötzlich haben sich die gewohnten
Strukturen aufgelöst. Nichts mehr läuft wie bisher. Ein ganzes Land in der Krise.
Ich kenne solche
Phasen aus dem eigenen engen ganz persönlichen Leben. Da gibt es diese Ungleichzeitigkeit.
Die Welt um mich herum dreht sich mit großer Normalität weiter. Sie unterstützen
mich in meiner Krise, befinden sich selber aber nicht darin. Mein eigenes Leben
stockt und ich muss schauen, wie es für mich weitergeht. Und jetzt befinden
sich fast über Nacht alle Menschen weltweit in der Krise. Alles verändert sich
vorübergehend für alle. Eigentlich sind die meisten von uns noch in Sicherheit.
Wir haben ein Dach über dem Kopf und genug zu essen. Aber es fühlt sich
trotzdem ungemütlich und ungesichert an. Niemand weiß, was noch kommt und ob
sich alles verschlimmern wird.
Ich bin noch
dabei, mich innerlich und äußerlich zu sortieren. Dass ich nicht mehr jeden Tag
mit dem Zug oder Auto zur Arbeit fahre. Dass es jeden Tag neue Regeln beim
Einkaufen gibt. Dass ich bestimmte Produkte nicht mehr bekomme und dass wir uns
alle auf Abstand begegnen und nicht mehr umarmen. Ich berate am Telefon oder
per Skype und sitze viele Stunden vor dem Rechner und erlebe, wie die Technik
mal funktioniert und mal auch nicht. Alle wollen auf einmal in diese
Onlinetools hinein und verlangsamen den Datenverkehr.
Und dann dieser
Abstand. Nur noch die wenigen ganz engen Familienmitglieder bleiben nahe. Der
Körperkontakt reduziert sich auf ganz wenige Menschen. Das gab es noch nie. Ich
kann mich zumindest nicht daran erinnern. Erwachsene Großmütter winken ihren
erwachsenen Kindern und Enkelkindern zu und fallen sich nicht vor Freude in die
Arme.
Wir sind andere
Zustände gewohnt. Es gibt ja diese Grippetage, dann fühlt es sich ähnlich an. Jetzt
sind wir wie in einer Grippe aber ohne Symptome. Mit der Perspektive von ein
paar Wochen oder auf unbestimmte Zeit.
Können wir das
überhaupt gut verkraften? Wo wir Menschen doch soziale Wesen sind? Uns gegenseitig
brauchen? Wir sind doch eine weltweite Familie und können ohne einander gar
nicht überleben. Allein auf uns gestellt würden wir vor Einsamkeit und Kummer
sterben.
Klar, wir sehen
uns auf der Straße und beim Einkaufen und winken uns zu. Halten einen Abstand
von zwei Metern und machen so möglich, was noch möglich ist. Während es aber
bis vor zwei Wochen noch eine wichtige Lebenserkenntnis von mir war, dass wir
einander brauchen, wird es jetzt auf einmal hautnah spürbar. Es wandert vom
Kopf in den Körper.
Ich nehme auch die
Menschen wahr, die als Single alleine leben. Bislang konnten sie sich regulieren
über viele Außenkontakte. Die sich jetzt anstrengen müssen über Telefon im
Kontakt zu bleiben. Noch sind wir alle damit beschäftigt, uns zu organisieren.
Wie mache ich die Einkäufe. Gehe ich zur Arbeit und wenn ja, wie erledige ich
meinen Job. Das kostet Zeit und Energie. Dann aber ist irgendwann alles
erledigt und es gibt eine Art Krisenalltag. Ich gehe einkaufen und weiß, dass
es länger dauert. Dass ich Menschen mit Mundschutz begegne und mir selber anschließend
die Hände wasche, weil ich den Einkaufswagen geschoben habe. Das wird nach und
nach selbstverständlich und manches werde ich vielleicht auch nach der Corona Virus
Krise beibehalten, weil es so besser ist.
Was jedoch, wenn
ich mich organsiert habe und wieder so eine Art Sicherheitsgefühl bekomme. Ich
behalte mein Dach über dem Kopf. Ich kann noch genug Nahrungsmittel einkaufen
und werde somit nicht verhungern. Alles ist provisorisch organsiert und es gibt
halbwegs akzeptable Alltagslösungen. Was dann?
Was dann, wenn
ich am Abend auf meinem Sofa sitze und mir dieses neue Leben mit Corona vor
Augen halte und vergleiche mit dem Leben davor. Ich glaube, dass ich da ans
Nachdenken komme und dass sich plötzlich ohne große Anstrengung die
Wichtigkeiten verschieben. Das Hamsterrad kommt einfach zum Erliegen. Alles,
was vorher so viel Bedeutung hatte, versinkt in die Bedeutungslosigkeit. Vielleicht
bin ich Mitglied in einem Verein und habe Verantwortung übernommen. Plötzlich
fallen alle Treffen weg und ich habe sehr viel Zeit. Und ich komme auf den
Gedanken, dass dieser Freiraum auch seine guten Seiten hat. Viele Aufgaben im
Verein waren nur zeitraubend und wurden im Laufe der Jahre immer weniger
sinnvoll.
Bei der Arbeit
bin ich davon ausgegangen, dass ich unbedingt zu meiner Arbeitsstelle fahren
muss. Dort befindet sich doch mein Arbeitsplatz und ich gehöre zu einem Kreis
von Kolleginnen und Kollegen. Plötzlich höre ich sie nur noch per Telefon und
merke, wie viel Zeit ich mit kleinen Schwätzchen am Tag verbracht habe. Und wie
ich diese Gespräche auch vermisse. Ich komme vielleicht zu der Erkenntnis, dass
ich die Arbeit eigentlich langweilig finde, aber den Kontakt mit den Kollegen
besonders mag. Dass ich nur deshalb arbeite, um mit netten Menschen zusammen zu
sein.
Auf einmal
verbringe ich viel mehr Zeit mit meiner Familie. Manche finden das wunderbar.
Mit den liebsten Menschen mehr Zeit zu verbringen. Nach wenigen Tagen fangen
die Beziehungen an zu kriseln. Zu viel Nähe ist auch nicht gut. Es fehlen die
autonomen Freiräume.
Und Rollen
verändern sich. Ich kenne einige Mütter, die inzwischen zur Lehrerin geworden
sind. Mutter und Lehrerin in einer Person. Für die Kinder ist das manchmal eine
echte Katastrophe. Für die Mütter auch. Alle könnten sich entspannen und mal
ein paar Wochen alles schleifen lassen. Wenn da nicht der Druck wäre. Die
Schulpläne müssen eingehalten werden. Wenn da nicht die Angst vor der Zeit nach
der Krise wäre. „Mein Kind verliert den Anschluss.“ Dabei könnten unsere Kinder etwas anderes lernen.
Etwas, was die Schule nicht bietet. Sie können lernen, Krisen zu meistern. Den
Wert von Geborgenheit und Sicherheit spüren. Kreativität entdecken, wenn die
Räume im Außen sich reduzieren.
Es gibt neue
Möglichkeiten als Familie zusammen zu sein. Heute leben wir ja so getrennt
voneinander. Schon die Kinder lernen, dass jeder in seinem eigenen Raum lebt.
Die Eltern am Arbeitsplatz, die Kinder in Kita und Schule. Wie war das wohl
früher, als alle alles gemeinsam machten. Oder jeder machte etwas anderes aber
alle in räumlicher Nähe. Wenn jeder Tag wie Samstag oder Sonntag wird. Der
Alltag und der Sonntag verschwimmen ineinander. Arbeit und Freizeit verlieren
auch ihre klaren Konturen. In der letzten Woche wusste ich nicht mehr, wie
viele Stunden ich genau für meine Firma gearbeitet habe. Wie schreibe ich das
eigentlich auf?
Jeder von uns
macht im Augenblick neue Erfahrungen. Das führt zu neuen Gedanken und vielleicht
auch Veränderungen für die Zeit nach der Corona Krise. Das ist mal eine echte
Fastenzeit. Keine, die wir künstlich herbeiführen müssen. Die äußerlichen
Veränderungen bieten genug Stoff, das eigene Leben zu bedenken und zu überprüfen,
wie ich es gestalten möchte. Plötzlich gehen Dinge ganz leicht, die vorher
unmöglich waren.
Eigentlich wollten
wir über Ostern auf die Kanaren verreisen. Alles haben wir storniert oder wurde
gestrichen. Unter „normalen“ Umständen hätte ich das nicht akzeptiert. Ich wäre
ärgerlich und würde darauf bestehen, verreisen zu wollen. Ich brauche doch die
Erholung, die Sonne und die Wärme. Jetzt werden wie uns zwei Wochen anders
erholen. Das wird auch gehen. Ganz leicht. Ich spüre keinen Ärger. Ich bin
dankbar, dass ich leben darf und dass ich nicht allein auf dieser Welt bin. Ich
bin mir bewusst, dass wir als Menschen alle zusammengehören. Und dass wir die
Krise viel leichter hinbekommen, wenn wir zusammenhalten und uns verbinden. Das
gibt auch ein besseres Lebensgefühl. Du bist da und ich auch und wir können
teilen. Gedanken, Gefühle, Erlebnisse und Dinge des täglichen Bedarfes. Ich wünsche
dir, dass du diese Zeit gut für dich nutzen kannst und dich in allem reich
gesegnet fühlst.
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