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Freitag, 24. April 2020

Dein österliches Wort: Hier!


Wo schaust du hin? Wo findet das Leben statt? Lässt du dich ablenken? Wohin geht deine Aufmerksamkeit? Wo bist du gerade?

Ich höre einem Vortrag zu und bin in Gedanken beim Mittagessen. Dann bin ich bei meinem Handy. Soll ich mal neugierig nachschauen? Dann gehe ich zu meiner Wasserflasche und dann sortiere ich meine Beine neu. Ich kann nicht mehr sitzen und ich überlege mir ständig neue Sitzpositionen. Der Vortrag geht weiter.
In mir entstehen die Bilder vom Hotelzimmer, vom Weg dahin, von der Bahn, die mich dahin bringt, vom Feierabendverkehr, von einer möglichen Sauna, vom vor mir liegenden Wochenende. Ich wandere hin zu meinem nächsten Urlaubsort und zum Supermarkt und den Produkten, die ich einkaufen möchte. Ich bin überall. Überall woanders. Nur! Ich bin nicht hier!
Der Vortrag geht weiter. Ohne mich. Ich bin nämlich nicht mehr da. Ich bin weit weg. In einer anderen Welt. Ich bin nicht mehr hier!
Da taucht dieses Wort auf. Hier! Sei hier! Hier an diesem Ort. Hier bei den Menschen in der Runde und hier bei der Frau, die den Vortrag hält. Dann gehen die Gedanken wieder spazieren und die innere Stimme sagt erneut: Hier! Dann fällt mir ein: Hier will ich ja gar nicht sein! Ich wäre lieber am Gemüsestand im Supermarkt als bei den Vortrag. Mein "Hier" ist bei dem frischen Feldsalat, der vor meinem geistigen Auge auftaucht. Ich sehe den Feldsalat realer als die Frau, die den Vortrag hält. Das kann ich mit meiner Phantasie.
Aber die Stimme sagt wieder: "Hier!" Für einen Moment bleibe ich tatsächlich hier. Denn die Frau mit dem Vortrag schaut mich gerade an. Ich schaue freundlich zurück und bin jetzt hier. Ich bin hier mit meinem Körper, mit meinem Herzen und mit meinen Gedanken. Ich bin hier!
Die Jünger suchten ihren Jesus als die das leere Grab an Ostern sahen. Die Engel gaben ihnen die Botschaft mit auf dem Weg: "Er ist nicht hier." Wie erlösend muss es gewesen sein bei der Begegnung mit dem Auferstandenen: "Ich bin hier!"
Du gehst fort mit dem Körper oder mit deinen Gedanken und wenig später bist du wieder da. Ich bin hier! Genau darin besteht die Kunst des Lebens. Du übst dich darin ein, kontinuierlich im Hier zu sein.
Ich höre dem Vortrag zu und höre auf, zuzuhören. Die Worte tragen mich fort. Ich sehe die Frau an und nehme meinen Körper wahr, meinen Atem,  meine Gedanken und meinen Herzschlag. Jetzt bin ich hier!
www.matthias-koenning.de

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