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Samstag, 30. November 2019

Herbergssuche - Räume im Advent





Das Leben kommt mir manchmal vor wie eine ständige Herbergssuche. Ich wurde gezeugt und richtete mich im Bauch meiner Mutter ein. Meine Seele fand eine erste Herberge. Leider musste ich diese verlassen, die Hütte wurde zu klein für mich. Ich wurde verstoßen und bekam eine Wiege. Diese stand in einem kalten und viel zu großen Zimmer. Mir kam die erste Erinnerung hoch: Der Bauch deiner Mutter war am Anfang doch auch zugleich fremd und viel zu groß.
Dieses Spiel setzte sich fort. Kindergarten, Schule, eigene Wohnung, Universität. Immer war ich nur vorübergehend dort. Mal für ein paar Minuten, mal für ein paar Tage und auch mal für ein paar Jahre. Da gibt es das ständige Schwanken in mir. Darf ich bleiben? Wenn ja, wie lange? Ist es sicher hier? Dann richtest du dich ein, fühlst dich wohl und dann? Dann musst du wieder gehen. Immer, wenn es am Schönsten ist. Du musst damit klarkommen, ob du willst oder nicht.
Da fällt mir meine Seele ein. Auch sie wohnt in einer Herberge. Diese „Herberge“, mein Körper kommt mir auch oft sehr fragil vor. Immer verlangt er nach Aufmerksamkeit. Er möchte geschützt werden vor Wärme und Kälte, vor Nässe und Trockenheit. Manchmal fühlt er sich wohl in seiner Haut, in seiner „Umhüllung“ und manchmal möchte er da einfach nur raus.
Mein Körper, eine Herberge für die Seele. Mein Körper hat die Aufgabe, die Seele zu beherbergen. Da steckt doch das Wort bergen und Geborgenheit drin. Die Seele sucht Geborgenheit und bekommt sie auch. Aber es ist nie so ganz sicher! Da gibt es die Krankheiten, die Ängste und Sorgen. Da gibt es die lebensbedrohlichen Zustände, wenn die Geborgenheit aufhört und die Unsicherheit beginnt. Der Anfang einer möglichen Panikattacke.
Es lohnt sich also, einmal genau hinzuschauen. Die Herbergen zu betrachten. Ich möchte es gerne mit dem Wort „Raum“ bedenken. Ein neutrales Wort. Jede Herberge ist zunächst einmal ein Raum mit Länge mal Breite mal Höhe. Der einfachste Raum ist geometrisch gesehen ein Würfel. Und damit fängt jetzt der Advent an.
Der Advent hat als Ziel auch einen Raum: Den Stall von Bethlehem. Auf den ersten Blick erscheint er eher nebensächlich. Dennoch ist es das Ziel einer Reise. Maria und Josef waren unterwegs. Sie gingen ihren eigenen Adventsweg. Maria war schwanger. Im Bauchraum barg sie das Kind. Ihr Ziel war Bethlehem, übersetzt: „Hausraum des Brotes“. In der Konkretisierung ein Stall oder der Legende nach auch eine Höhle. Da tauchen die ersten Misstöne schon auf! Ein zugiger Stall im „Haus des Brotes“! Da gibt es die Begegnung meiner Fragilität mit der Fragilität des göttlichen Kindes. Da kommen mir die Räume in den Sinn, die ich schon durchwandert habe. Räume der Geburt, Räume des Lebens, Räume des Sterbens und Räume des Abschiedes. Aber im Advent taucht da dieser Raum in Bethlehem auf. Im Gedicht „Stufen“ von Hermann Hesse heißt es in einer Zeile:

Wir sollen heiter Raum um Raum durchschreiten,
an keinem wie an einer Heimat hängen,

Mir gefällt die Idee, mit Hermann Hesse Raum um Raum zu durchschreiten und nach der Qualität des jeweiligen Ortes zu forschen. Ich lade dich ein, in den Tagen des Adventes mit mir den einen oder anderen Raum zu besuchen. Wir werden keinen Raum zur Heimat machen. Aber in jedem Raum wird es Hinweise geben, die für den Adventsweg hilfreich sein können. Die Wegweiser dazu werden wir im eigenen Sprachraum finden. In welchem Raum dürfen wir bleiben? Selbst der Stall in Bethlehem lädt nur zum Rasten und Ausruhen ein für eine kleine Weile. Betreten wir also neugierig morgen den ersten Raum.

www.matthias-koenning.de

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