Heute und in den kommenden Tagen geht es um Sätze aus der tiefsten Seele. Sätze aus dem Abgrund verbunden mit dem Wunsch. Wie komme ich da jetzt raus? Wenn aus quälenden Gedanken wieder quellende und pulsierende Lebensimpulse werden, kann das zu einer österlichen Erfahrung werden.
Wenn ich nur könnte, dann würde ich es ja tun. Aber die
Umstände verhindern es. „Wenn ich nur könnte...“ lebt von dem Nachsatz „...dann
würde ich.“ Ich will ja wohl, aber ich kann doch nicht.
Mach doch einmal eine Liste all der Dinge, die du tun
willst, aber nicht zu können glaubst. Du merkst schon hier meine
Umformulierung. Die erste Unterscheidung. Es gibt Dinge, die ich nicht kann und
Dinge ich glaube nicht zu können. Ich kann definitiv kein Flugzeug fliegen und
Kinder gebären. Fliegen habe ich nicht gelernt und für eine Schwangerschaft
fehlt mir die anatomische Voraussetzung. Ein Haus bauen habe ich auch nicht
gelernt und kann es nicht. Da vermute ich aber eher einen Glaubenssatz. Ich
glaube, dass ich es nicht kann. Wenn ich da genauer nachforsche dann stimmt es
so nicht. Als Kind habe ich regelmäßig Hütten im Wald gebaut. Zwischen Hütten
und Häusern gibt es keinen so großen Unterschied. Du brauchst Wände, ein Dach
und einen Eingang. Es scheint also vom Grundprinzip her kinderleicht.
Jetzt nimmst du an einer Weiterbildung teil und der Trainer
fordert dich zu einer Übung auf. Was ist dein erster Impuls? „Das kann ich
nicht!“ Natürlich kannst du es nicht im Sinne von Könnerschaft und Perfektion!
Wie denn auch? Aber du kannst jetzt diese Übung machen. Es geht um eine Übung
und nicht um die Demonstration deines Könnens. Da läuft also ein unbewusster
Mechanismus ab. Ich soll üben? Ich mache das bestimmt nicht perfekt. Ich werde
mich bestimmt blamieren. Alle werden auf mich schauen und denken, wie schlecht
ich bin. Wie unfähig! Warum ich mich überhaupt hier angemeldet habe! Du
katapultierst dich in Windeseile in dein „Unfähigkeitsprogramm.“ Der Trainer
muss nur sagen: „So, jetzt habe ich es euch gezeigt und jetzt dürft ihr einmal
üben.“ Bei welchen Worten wirst du gleich emotional hochgehen? „Ja, gezeigt
hast du es. Aber noch nicht ganz genau erklärt!“ – „Dürfen? Dass ich nicht
lache! Ich muss ja wohl!“ – „Üben? Meint der wirklich üben? Wenigstens den
Hauch einer Ahnung sollte ich zeigen.“ Dein unbewusstes Unfähigkeitsprogramm
katapultiert dich in Windeseile in die absolute Hilflosigkeit.
Dann läuft das nächste Programm ab das da heißt: „Wie komme
ich da wieder raus!“ Wenn du dich weigerst, stehst du auch schlecht da. Du
blamierst dich wenn du dich verweigerst und du blamierst dich, wenn du es tust.
Du hast die Wahl zwischen Cholera und Pest. Wie rettest du dich vor dir selbst?
„Ich will ja wohl! Wenn ich nur könnte...“ Du machst wenigstens das Angebot
deines guten Willens. Deinen guten Willen wird der Trainer bestimmt positiv
konnotieren. Und du wirst nicht in einem
allzu schlechten Licht dastehen vor allen anderen Kursteilnehmern. Denn
immerhin willst du ja!
Nun mag so eine Weiterbildung eine Ausnahme sein. Gott sei
Dank kommst du dich nicht zu oft in eine solche Situation und meldest dich
darum auch lieber nicht zu diesen Veranstaltungen an.
Vielleicht jedoch gehörst du zu den Menschen, die mit diesem
Glaubenssatz in einem Abgrund hocken. „Wenn ich nur könnte...“ ist zu deinem
Lebensthema geworden. Immer und ständig zweifelst du an deinen Fähigkeiten.
Ständig bewertest du deine Stagnationen und fehlenden Fortschritte. Du leidest
darunter und du kommst nicht so richtig voran. Gefühlt wirft dich jede
Herausforderung eher zurück. Auf den Stuhlgang übertragen hieße dein Motto:
„Ich drücke, aber es kommt nichts!“
Wo könnte da eine österliche Umkehrung ansetzen? Meine erste
Idee lautet: „Du willst zwar, aber du willst zu sehr wollen. Dein starkes
„Wollen“ führt zu einem verminderten „Können“. Du hast zu viel Druck! Du hörst
womöglich die inneren Elternstimmen, die da sagen: „Streng dich mal an!“ „Der
Wille allein genügt nicht!“ „Üb mal eifrig, dann kannst du das auch!“ „Du bist
halt nicht so intelligent wie dein Bruder, wie deine Schwester!“ „Schon dein
Opa konnte nicht ordentlich sprechen. Du hast das von ihm!“
Deine Eltern haben dir ein genmanipuliertes Samenkorn
eingepflanzt. Identifiziere es und gib es deinen Eltern zurück. Es gehört ihnen
und zu ihrem Leben und nicht zu dir.
Wenn du das zu starke „Wollen“ loslassen kannst, kann sich
dein eigenes Potential erst entfalten. Es ist in Ordnung, dass du dich
blamieren könntest. Ja steh zu deiner Scham! Werde dir bewusst, dass da ein
uraltes Programm in dir abläuft. Schreibe dir ein lustvolles neues Programm.
Werde zu einer Entdeckerin und einem Entdecker. Sei dir bewusst, dass du noch
gar nicht weißt, was du alles so kannst. Du kannst mit Sicherheit viel mehr.
Vielleicht kannst du bei dem Lehrgang gerade nicht diese Übung. Dafür kannst du
eine andere Übung. Du kannst den Trainer beeindrucken mit deiner
Schlagfertigkeit, deinem Blick, deinem Scharm, deiner Wissbegier, deinen Fragen
oder was auch immer.
In deinem Inneren blickst du auf eine Messlatte, die
unheimlich hoch gelegt ist. Eine Messlatte, über die du nie springen wirst. Leg
sie auf dem Boden und schlendere mal so gerade drüber. Oder geh unter deine hohe
Messlatte hindurch. Auch das ist möglich! Du musst nicht springen!
Ich habe beschlossen, dass ich nie einen Flugschein machen
werde. Da gehe ich voll unter meine Anspruchslatte hindurch. Ich werde immer in
einem Flieger mitfliegen – als Passagier. Da schlendere ich über diese
Messlatte.
„Wenn ich nur könnte...“ Formulieren wir den Satz österlich
um. „Ich befreie mich von diesem Gedanken. Vor allem von dem Aspekt des
Selbstmitleides. Von meinem Betteln um Anerkennung! Das brauche ich nicht. Ich
finde meinen Selbstwert in mir selbst. Ich kann genug, um das Leben zu
bestehen. Ich kann genug, um mich des Lebens zu erfreuen. Und zu dem, was ich
nicht kann, stehe ich.“
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