Wie du dich
freust, wenn du erwartet wirst!
Stell dir vor,
dass du zu einem Fest eingeladen bist. Du schellst beim Gastgeber und dieser
schaut dich verwundert an. Es gibt kein Fest, es ist nichts vorbereitet und
niemand hat dich erwartet. Obwohl alles abgesprochen und eindeutig war. Wie
würde es dir da gehen? Was würdest du denken und fühlen? Neben der Suche nach
einer rationalen Erklärung gäbe es vermutlich Gefühle von Ärger und Traurigkeit.
Ein Freund
erzählte mir von seinen Erfahrungen mit Marathonläufen. Da gibt es am Ziel
manchmal Familienmitglieder oder Freunde, die dort auf die Läufer warten. Und
wie wunderbar das Gefühl ist, sich dann fallen lassen zu können in der
Erschöpfung und der Freude, die lange Strecke geschafft zu haben. Wenn niemand
am Ziel wartet dann fallen sich wildfremde Läufer und Läuferinnen in den Arm.
Wenn seine Kinder
eine Prüfung haben dann steht er da und wartet. Er weiß, wie gut sich das
anfühlt, nach der Prüfung eine Anlaufstelle zu haben. Dort fängt er gerne Frust
und Ärger auf oder noch viel schöner: Die Freude über das Gelingen zu teilen.
Weihnachten ist
für mich auch so eine Zeit der Erwartung. Da soll am Ende der Adventszeit, am
Weihnachtsfest etwas passieren, was mich mit Sinn und Freude erfüllt. Ich gehe zu Beginn einen Weg der Vorbereitungen und Einstimmungen und hoffe, dass am Ende
ein Fest stattfindet. Begegnung! Verbindung! Freude! Überraschungen! Ich
erwarte Menschen und werde von Menschen erwartet. Ich möchte diese Erwartungen
nicht enttäuschen und selber nicht enttäuscht werden.
Die „Weihnachtsangst“
könnte darin bestehen, dass ich erwarte und die Arme ausbreite und niemand
kommt und will mich umarmen. Oder ich selbst werde von niemandem erwartet und
stehe am Ende alleine da. Damit diese Horrorvorstellung auf keinen Fall eintritt
setzen wir uns ein. Wir möchten dazugehören. Der Teil von einer Gemeinschaft
sein und nicht einsam und ganz allein.
Neben den persönlichen
Erwartungsvorstellungen des Adventes nach familiärer Nähe gibt ja auch noch die
spirituelle oder christliche Erwartung. Und diese möchte ich mit dir gerne in
den Blick nehmen.
Die Christen erwarten
die Geburt von Jesus im Stall zu Bethlehem und zugleich die Wiederkunft Christi
am Ende der Erdenzeit.
Eigentlich eine
merkwürdige und widersprüchliche Vorstellung. Die Ankunft hat schon lange
stattgefunden. Es gibt nichts mehr zu erwarten. Jesus hat gelebt vor mehr als
2000 Jahren. Er wurde von Maria und Josef und vom Volk Israel erwartet und die
Erwartung hat sich erfüllt. Mit Freude oder auch mit Ablehnung. Eigentlich ist
das Kapitel abgeschlossen. Die Geschichte ist geschrieben und das Fest liegt
weit in der Vergangenheit zurück. Wenn wir das Kind in der Krippe an
Weihnachten erwarten, von welcher Art der Erwartung sprechen wir eigentlich?
Tun wir so als ob es keine Geschichte gab? Lieben wir die Romantik und die
Wiederholung eines Rituals? Wir erwarten ja nicht wirklich ein kleines lebendiges
Kind in Israel, oder?
Beim zweiten
Aspekt geht es um die Wiederkunft Christi. Die ersten Christen glaubten ja
noch, dass sie das zu ihren Lebzeiten erfahren würden. Morgen schon kommt
Christus wieder und wird die Welt erlösen in einem dramatischen Finale. Gut
kämpft gegen das Böse und Gott wird gewinnen. Und wenn das Ende heut schon
kommt, dann verändert sich alles schlagartig. Es lohnt sich zum Beispiel nicht,
Besitz anzuhäufen. Dann „läutere“ ich lieber zügig meine Seele, damit ich
„reinen Herzens“ vor Gott treten kann. Seit mehr als zweitausend Jahren warten
die Christen nun und es passiert nichts, oder? Im übertragenen Sinn werden wir
jedes Jahr zu einem Fest eingeladen, das in aller Regelmäßigkeit nicht
stattfindet. Wir haben diesen Aspekt in unserer Kultur ja weitgehend verdrängt.
Wir beschränken uns auf einen nostalgischen Aspekt. Ein wenig Krippe, gute
Stimmung und familiäre Weihnachtsgefühle.
Was sollen wir
auch machen, wenn Christus sich mit der Wiederkunft so viel Zeit lässt. Oder
haben wir sein Konzept noch nicht verstanden?
Meine spirituelle
Überzeugung liegt darin, dass er immer schon da war und immer schon da ist und
immer schon da sein wird. In diesem Sinne gibt es nichts zeitlich zu erwarten.
Alle Erwartungen haben sich erfüllt. Ich muss weder nostalgische Erinnerungen
pflegen noch merkwürde Jahrhunderte auf ein Ereignis warten, das vielleicht mit
dieser apokalyptischen Vorstellung nie stattfinden wird.
Ich möchte dich
einladen, der Erwartungsidee von vorhin noch einmal Beachtung zu schenken. Es
ist so schön, wenn ich erwartet werde. Wenn mich jemand empfängt und mich
willkommen heißt. Wenn ich mich darauf verlassen kann, dass ich für einen
anderen Menschen so wichtig bin, dass er Zeit für mich investiert. Alles stehen
und liegen lässt, nur um mit mir zu sein und mein Leben jetzt zu teilen. Dieses
Gefühl und dieses Bewusstsein beflügeln meinen „Marathonlauf“.
Wenn wir also
alle „Adventsläufer“ wären. Menschen, die erwartet werden, wie würde dann unser
Leben aussehen? Vielleicht geht es gar nicht darum, dass wir im Advent Gott
erwarten oder die Wiederkunft Christi, sondern viel mehr darum, dass er uns
erwartet. Dass wir ihm willkommen sind. Ohne jeden Vorbehalt und immer und
ständig. Vor unserem Leben und weit nach unserem physischen Tod. Ich bin also
gar nicht der Gastgeber von Weihnachten sondern viel mehr der Gast. Aber Gott
ist kein Gastgeber, der am 24.12. sein Haus öffnet. Das würde wenig Sinn
machen. Wo fände ich für den Rest des Jahres dann meine Heimat? Der 24.12.
dient lediglich der Erinnerung aufgrund unserer Vergesslichkeit. Und er dient der
Bewusstwerdung. Ich werde mit Freuden erwartet. Immer!
Du könntest jetzt
deine Augen schließen und dir deinen Lieblingsmenschen vorstellen. Dieser
Mensch lächelt dich an und lädt dich ein. Mit Blicken, Worten und Gesten. Total
vorbehaltlos und du hast keinen Zweifel. Du fühlst dich mit allen Seiten und
Aspekten in dir geborgen und gesehen. Du jubelst in deinem Herzen und freust
dich über dieses grandiose Geschenk von Wohlwollen und Willkommen.
Dann öffnest du
deine Augen und trittst vor den Spiegel. Du schaust dich an und empfindest und
denkst das gleiche wie bei deinem Lieblingsmenschen. Jetzt in diesem Augenblick
bist du dein Lieblingsmensch.
Du schließt deine
Augen wieder und gehst in Verbindung mit diesem Gefühl und Bewusstsein, dass du
jetzt in dir spürst nachdem du mit deinen „Lieblingsmenschen“ geübt hast. Das,
was wessen du dir jetzt bewusst wirst und was du gerade erlebst, ist zugleich
das göttliche Willkommen. Du befindest dich jetzt direkt im intimen
Weihnachtsgeschehen und in der göttlichen Begegnung.
Die Idee von der
Erwartung kann also in dir etwas auslösen, das dich darauf aufmerksam macht,
dass es keinen Unterschied gibt zwischen dir und Gott und deinem
Lieblingsmenschen. Im Zentrum deines Herzens verbindet sich alles miteinander.
Nur in Raum und Zeit spürst du die Entfremdung und die
Heimatlosigkeit. Im zeitlichen Advent klaffen die verschiedenen
Erwartungserfahrungen auseinander. Du kannst aber den Schalter in dir umlegen
und dir deines Ursprunges wieder bewusst werden. Du kommst von einer göttlichen
Quelle, du lebst in ihr und du kehrst zu ihr zurück. Und zugleich hast du diese
Quelle nie verloren und musst auch nicht dahin zurückkehren. Du bist immer
schon mittendrin.
Keine Kommentare:
Kommentar veröffentlichen