Wenn ich könnte wie ich wollte, dann würde ich was machen? Ich will ja wohl, aber ich kann nicht.
Ich würde gerne
eine Reise um die ganze Welt machen. Alle Länder der Welt besuchen. Auch nach
Nordkorea. Fremde Kulturen erleben. Von jeder Sprache wenigstens ein paar Sätze
verstehen. Das wollte ich wirklich, aber mir fehlen leider Zeit und Geld.
Wenn ich könnte,
würde ich gerne Einfluss nehmen auf die Politik unseres Landes. Weg von der Scheindemokratie
mit dem Ankreuzen von irgendwelchen Parteien hin zu mehr Mitgestaltung an der
Basis. Ich würde mich dafür stark machen, dass es mehr Gerechtigkeit und
Vertrauen gäbe in unserem Land. Ich wollte das wirklich, aber ich habe keinen
Einfluss auf notwendige Veränderungen im Grundgesetz.
Wenn ich könnte,
dann würde ich echt die Kirchen abschaffen, sowohl die evangelische als auch
die katholische. Ich hielte es für ausreichend, wenn Christen nur Christen
wären, ohne Konfession. Wenn ich könnte, dann würde ich vielleicht sogar alle
Religionen abschaffen, damit die Menschen ihre Unterschiede leichter überwinden
und sich besser verbinden könnten. Das wollte ich wirklich, aber ich bin kein
Papst und kein Bischof.
Und wenn ich
könnte, dann würde ich nur noch ökologisch korrekte Produkte einkaufen. Ganz
ohne Gentechnik oder Pestizide und völlig fair gehandelt. Das wollte ich
wirklich, aber ich durchschaue bei der Komplexität des Marktes einfach nicht,
was denn nun wirklich absolut korrekt wäre.
Wenn ich könnte
wie ich wollte! Manchmal will ich etwas, was nicht geht. Weil die Welt es nicht
so vorsieht. Weil es für mich eine Nummer zu groß ist. Darum wäre es besser,
manche unrealistischen Dinge gar nicht erst zu wollen. Am Ende frustriere ich
mich nur selbst.
Zu mir kommen
immer wieder Menschen in die Beratung, die etwas wollen. Verständlich! Jeder
will etwas! Eine Mitarbeiterin will wirklich gut und erfolgreich arbeiten. Aber
sie scheitert, weil der Abteilungsleiter keine klaren Aufträge erteilt. So
macht sie irgendetwas so ungefähr und ist frustriert.
Ein anderer
Mitarbeiter weiß nicht, wie er sein Pensum bewältigen soll, weil seine
Führungskraft ihm viel zu viel Verantwortung übertragen hat. Wenn er könnte,
würde er alles wegarbeiten.
Eine
Führungskraft findet, dass die gesamte Firmenpolitik sich in eine völlig
falsche Richtung entwickelt. Unter diesen Voraussetzungen will sie nicht
weiterarbeiten.
Wir leben alle in
kleinen und großen Systemen wie Familie, Nachbarschaft, Firma oder Gemeinde. Dabei
gibt es Bereiche, die ich beeinflussen kann und Bereiche, wo ich eher
ohnmächtig bin. Ich kann mein Kreuz bei der Bundestagswahl machen und an
Demonstrationen teilnehmen. Ich kann Petitionen stellen und an Diskussionen
teilnehmen. Aber ich sitze nicht im Bundestag und stimme mit ab. Es gibt klare
Grenzen.
Ein Mitarbeiter
in seiner Firma kann seinen eigenen Arbeitsplatz begrenzt mitgestalten. Er kann
alle Chancen nutzen, die er zur Verfügung bekommt. Er kann sich mit seinen
Führungskräften auseinandersetzen und seinen Gestaltungsraum ausdehnen. Aber er
wird immer wieder an Grenzen stoßen. Er ist nicht der Chef!
So wird es immer
im Leben sein, dass wir etwas wollen, aber nicht können. Wir können nicht, weil
es nicht zu unserem Einflussbereich gehört. Es ist zu groß für uns. Da liegt
leider auch die Quelle für viel Frust und Enttäuschung. Manche Menschen wollen
dann auch nicht loslassen nach dem Motto: „Das muss doch jetzt aber gehen!“ In
manchem von uns zeigt sich gerade da ein kleiner Revolutionär oder Rebell.
Auf die Dauer ist
es ungesund, ständig gegen Wände zu laufen und sich eine blutige Nase zu holen.
Oder frustriert durch die Gegend zu laufen und nie zum Ziel zu kommen. Ich
finde es hilfreicher, eher bei sich selbst anzufangen. Ich kann aufhören, etwas
zu wollen. Ich kann meine Haltungen ändern. Meine innere Freiheit und
Unabhängigkeit bewahren. Priorisieren... Vor einiger Zeit hörte ich den Satz:
„Die Antwort auf jede Frage heißt: Liebe!“ Da ist etwas dran. Lieben kann ich
immer. In jeder Situation.
Ich kann denken,
dass mein Vorgesetzter nicht sehr qualifiziert ist in seiner Position, aber
lieben kann ich ihn trotzdem. Ich kann wahrnehmen, dass ich überlastet bin und
zu viel Verantwortung trage. Zugleich kann ich aber lieben. Wenigstens einen Kollegen
oder die Tasse Kaffee am Morgen.
Wenn ich könnte
wie ich wollte... Wenn ich das ständig täte würde ich im Möglichkeits-
Unmöglichkeitsmodus leben. Im Spagat von wollen und nicht können. Das kann nur
Frust zur Folge haben.
Wenn ich könnte
wie ich wollte beinhaltet aber noch einen anderen Zugang. Es geht oft darum,
dass ich nicht wirklich will. Ich will es nur nicht sagen. Wenn ich könnte wie
ich wollte, dann würde ich dich am Wochenende besuchen. Leider muss ich in den
Garten und noch zu meiner pflegebedürftigen Mutter, die auf mich wartet. Wenn
ich könnte wie ich wollte, dann würde ich dich treffen. Ich schiebe aber lieber
die Mutter und den Garten vor, weil ich eigentlich nicht will. Ich möchte dich
nur nicht zurückweisen um dich nicht zu kränken.
Wenn ich könnte
wie ich wollte, würde ich... schafft zugleich eine eigenartig lähmende
Atmosphäre. Manchmal erlebe ich Gruppen und Teams in dieser emotionalen Verfassung
von Stagnation. „Wir würden uns ja alle gerne bewegen wenn wir könnten. Aber
wir dürfen ja nicht. Es geht einfach nicht!“ Jemand hat eine Idee und viele
finden diese Idee gut. Dann kommen die Bedenkenträger und sagen, was nicht
funktionieren wird. Sie sehen die Hürden und Hindernisse und nicht die
Möglichkeiten. Sehr schnell sind alle frustriert und die Konferenz endet mit
dem Frustgefühl: „Wir würden alle sehr gerne wenn wir könnten. Aber wir können
nicht.“
Oft ist dabei die
„große Lösung“ im Sinn. Die Weltreise, die Basisdemokratie, die Abschaffung der
Religion. Wenn das Große nicht geht, dann geht gar nichts. Und da möchte ich
gerne einhaken! Es geht immer etwas. Immer! An irgendeiner Stelle. Ich kann
eine kleine Lösung finden. Einen ersten Schritt mal probeweise gehen. Eine
Ausnahme machen.
Ich kann
aufhören, die großen Dinge zu wollen und darauf vertrauen, dass ich doch etwas
kann. Wie sieht meine Welt aus, wenn ich mit dem „wollen“ aufhöre. Je mehr ich
will, desto mehr Leid schaffe ich. Besonders für mich selbst. Wenn es nicht
geht bleib ich am Ende im eigenen Frustgefühl stecken. Und ich muss sehen, wie
ich da wieder herauskomme.
Wenn ich nichts
mehr will – werde ich dann gleichgültig? Wird mir dann alles egal? Die Gefahr
besteht, es muss aber nicht sein. Ich kann mich für bessere Arbeitsbedingungen
einsetzen mit der ganzen Kraft meines Herzens und zugleich loslassen, dass es
unbedingt gelingen muss.
Ich kann von ganzem
Herzen lieben ohne die Erwartung, dass mein Geschenk angenommen wird. Deswegen
bleibt die Liebe dennoch kostbar und wertvoll.
Ich kann alle
Religionen der Welt bestehen lassen ohne sie zu bekämpfen und zugleich nach dem
suchen, was alle Menschen spirituell verbindet.
Ich kann voller
Leidenschaft ansprechen, wo es ungerecht zugeht aber dennoch den Menschen
würdigen, der anders denkt als ich.
Wenn ich könnte
wie ich wollte ... hält aber auch noch die Möglichkeit zum Träumen offen. Wenn
ich könnte wie ich wollte, dann würde ich eine Politik erfinden, wo die
Parteien sich nicht gegenseitig beschimpfen, sondern würdigen, was der andere
für tolle Ideen hat. Wenn ich könnte wie ich wollte, dann würde ich einen Ort
schaffen, wo Menschen aller Religionen friedlich in der Meditation verbunden
sind. Und wenn ich könnte wie ich wollte, dann würde ich das Zauberwort finden,
dass dir und mir die Fähigkeit geben würde, grenzenlos und ohne Angst zu
lieben.
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