Translate

Mittwoch, 14. Juni 2017

Mein innerer Polizist


Als Kind schaute ich mir immer die Karrikatur in der Tageszeitung an von Oskar, dem freundlichen Polizisten. Er verfolgte keine Verbrecher sondern half alten Frauen über die Straße. Er war wohl eher ein Pfadfinder als ein "Gesetzeshüter". Ich mochte Oskar.
In mir wohnt auch ein Polizist. Der ähnelt aber leider nicht dem Oskar. Er mahnt mich, schon bei hellgrün langsam an die Ampel heranzufahren. Er ahnt immer, dass es gleich gelb wird, während ich noch grün sehe. Mein innerer Politzist hebt den Zeigefinger und sagt: "Fahr vorausschauend!" Meiner fährt so vorausschauend, dass ich nie ans Ziel kommen würde, wenn es nach ihm ginge. Mein innerer Polizist macht das nicht aus Spaß sondern mit dem Hintergrund, dass ich nicht ins Gefängnis komme. Wenn ich kein Gesetz breche, dann darf ich in Freiheit leben. Aber wehe, wenn!
Mein innerer Polizist sorgt machmal dafür, dass dadurch die Freude am Leben zu kurz kommt. "Pass auf!" lautet sein Motto. Ich passe schon auf. Aber nicht immer und auch nicht so intensiv. Beim Aufpassen lauert nämlich die Angst im Hintergrund. "Sei lieb!" Da höre ich die Stimme meiner Eltern. "Sei lieb!" "Sonst holt dich die Polizei!" Erst im Schreiben erinnere ich mich an diese Sätze. Dass mich die Polizei holt, wenn ich nicht artig bin. Ich wuchs auf mit dem Bild, dass ich ins Gefängnis kommen könnte. Jetzt kommt mir der Verdacht, dass mein innerer Polizist von meinen Eltern in mich reingesteckt wurde. Meine Eltern hatten auch Angst. Angst, dass ich auf die schiefe Bahn geraten könnte.
Dabei wusste ich innerlich aber immer schon, dass dieser Polizist nicht zu mir gehört. Ich schicke ihn zu meinen Eltern zurück. "Hier habt ihr ihn zurück! Ich brauche ihn nicht mehr!" Ich entscheide mich für Oskar! Den mag ich! Das ist meiner! Der ist lustig und hilft alten Damen über die Straße. Er hat ein Kilo zu viel um den Bauch - so wie ich auch. Ich stelle mir vor, dass mein innerer Oskar-Polizist in meinem Bauch sitzt, dort wo das Kilo zu viel ist. Er hält meinen Bauch, wenn ich lachen muss über irgendeinen blöden Fehler. Ich fahre dann bei rot über die Ampel und verurteile mich nicht dafür. Es war kein Verbrechen, nur eine Ordnungswidrigkeit. Eine Widrigkeit gegen die Ordnung. Vielleicht sollten wir ab und zu einfach mal unsere eigene Ordnung machen solange ich den anderen dabei im Blick haben. Also über die rote Ampel fahren und vorsichtig schauen, dass ich niemanden gefährde. So haben das übrigens meine spanischen Freunde 1982 gemacht, als ich dort studierte. Die kannten bestimmt alle Oskar.
 www.matthias-koenning.de

Keine Kommentare:

Kommentar veröffentlichen