Sicherlich hörst du manchmal den wohlmeinenden Rat in
einer Krise: „Schlaf mal eine Nacht drüber, dann sieht alles schon anders
aus.“
Die Tage um
Ostern laden dich ein, angesichts der Erfahrung von Kreuz und Tod im Leben von
Jesus zugleich in deinen eigenen inneren Karfreitag zu gehen. Wie beruhigend
und wohltuend, wenn alles glatt läuft! Keine Probleme am Arbeitsplatz, Friede
in den Beziehungen, genug Geld auf dem Konto zum Erfüllen von allen
Bedürfnissen. Du wünschst dir, dass diese Zufriedenheit anhält bis zum Abschied
auf deinem Totenbett. Du gibst sogar viel Geld für Versicherungen aus, damit
dir diese Sicherheiten lange gewährt werden.
Leider gibt es
neben Sicherheit und Zufriedenheit auch eine andere mitunter bittere Realität.
Ich kenne viele Menschen, die wenigstens einen großen Karfreitag im Leben
erfahren haben. Das fängt manchmal ganz harmlos an. Da gibt es ein scheinbar
nebensächliches Problem in der Ehe, hier und da ein kleiner Streit. Die
Unstimmigkeiten werden überspielt, abgetan und nehmen unerklärlicherweise zu.
Die Schwierigkeiten häufen sich, schwelende Konflikte werden nicht angesprochen
aus Angst vor Kränkung und Verletzungen. Irgendwann bricht entweder der Vulkan
aus und die Konflikte liegen offen auf dem Tisch. Oder eine tiefe lähmende
Leere der Sprachlosigkeit macht sich breit.
Und wenn es
„zufällig“ an einer Stelle brennt entsteht allzu leicht ein Flächenbrand. Die
Probleme am Arbeitsplatz zeigen sich gleichzeitig, beängstigende
Krankheitssymptome machen sich bemerkbar und du siehst ohnmächtig zu, wie sich
zu dem dicken und unlösbaren Paket noch etwas dazugesellt. Zum Glück ist ein
solches Bündel von Einbrüchen eher selten. Dennoch kenne ich von vielen
Menschen solche oder ähnliche Gedanken und Sorgen als Befürchtung im
Hinterkopf. „Möge Gott mich vor solchem Unglück verschonen!“
Mit solchen
Erfahrungen sind wir Gott sei Dank nicht allein. Ähnlich wird es Jesus auch
ergangen sein. Konfliktgespräche im eigenen Freundeskreis während der
Wandertätigkeit durch Galiläa über seine Person und sein öffentliches Wirken,
Auseinandersetzungen mit den verschiedenen religiösen Gruppierungen in
Jerusalem, die aufgeheizte Stimmung vor einem großen Fest, die übergroßen
Erwartungen an einen messianischen Heilsbringer... Irgendwann spitzte sich die
Situation zu und es endete in einer tiefen Krise.
So kann es
manchmal kommen, bei Jesus, bei dir, bei mir und bei jedem anderen Menschen.
Das Fass läuft über, das System bricht zusammen. Der Ofen ist aus. Nichts geht
mehr. Aus und vorbei.
Wenn du dich in
der äußeren oder inneren Dunkelheit befindest, siehst du kaum noch etwas. Du
verlierst die Orientierung. Auswege sind versperrt, die üblichen
Lösungsstrategien greifen nicht mehr. Hinzu kommt manchmal eine namenlose Angst
und eine drohende Panik, die dir den Boden unter den Füßen wegzieht. Vielleicht
denkst du jetzt: „Muss der das Leben denn so schwarz malen? Karfreitage sind
schlimm genug, die muss man nicht auch noch bewusst in sich wachrufen!“ Ja,
genau so ist der Karfreitag: Nicht zum Aushalten und zum Davonlaufen.
Und dann gibt
es noch die Phase nach den Krisenhäufungen, der Angst, der Panik, dem
Davonlaufen, dem Kampf und dem Suchen nach Lösungen. Ich spreche von dem Moment
des Loslassens, der Resignation, des Aufhörens mit allem Kampf. Es taucht der
Gedanke auf, das Scheitern einzugestehen und die Stille zu empfangen, die dann
entsteht. Es gibt nichts mehr zu tun. Du legst die Hände in den Schoß und
überlässt dich dem Augenblick und dem Hier und Jetzt.
Da lese ich im
Matthäusevangelium die Auferstehungsgeschichte. Sie fängt völlig unspektakulär
an: „Nach dem Sabbat kamen in der Morgendämmerung des ersten Tages der Woche
Maria aus Magdala und die andere Maria, um nach dem Grab zu sehen.“ Ich halte
an bei dem Bild der Morgendämmerung. Ja, so ist das! Die Nacht geht einfach
irgendwann zu Ende, völlig ohne dein Mitwirken. Die Nacht geht vorbei und ein
neuer Morgen bricht an. Zwischen der Nacht und dem Morgen liegt die Dämmerung.
Sie verkündet ohne Worte und ohne Pathos: Die Nacht ist vorbei! Das Schlimmste
ist überstanden. Und so sicher, wie jede Nacht vorübergeht und der Morgen
anbricht, so wird es auch in deinem Leben sein. Die Nacht mag sich unendlich
lange anfühlen, aber sie findet ein Ende, immer, ohne Ausnahme. Ohne Ausnahme bricht
nach der Nacht der neue Tag an. Das Gesetz ist unumstößlich. Die
Morgendämmerung weist dich darauf hin. Du befindest dich schon im Übergang, in
der Phase der Veränderung, in die Bewegung hin zum Morgenlicht.
Ich glaube, ich
muss gar nicht den Rest der Ostergeschichte lesen. Ich wüsste, die Frauen des
Ostermorgens finden einen neuen Weg oder besser gesagt: Ihnen eröffnet sich
eine neue Perspektive wie ein Geschenk. In vielen beratenden Gesprächen geht es
für mich darum, mit den Fragenden die Morgendämmerung zu suchen. Die
Schwierigkeiten liegen oftmals nicht darin, diese zu finden, sondern sie
wahrzunehmen. Was nützt es, wenn das Licht schon scheint, aber dein inneres
Auge auf Dunkelheit ausgerichtet ist?
Mein
österlicher Wunsch für dich: Mögest du in den Nächten deiner inneren Dunkelheit
das Vertrauen bewahren, dass die Morgendämmerung für dich spürbar und sichtbar
wird und du aufatmest und tief durchatmen kannst, wenn die ersten
Sonnenstrahlen des Ostermorgens dich aufwecken.
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